A. Problem und Ziel
In Artikel 27 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, völkerrechtliche Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung für Schäden zu erarbeiten, die durch die grenzüberschreitende Verbringung lebender veränderter Organismen entstehen. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten. Der Abschluss einer entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarung im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung entspricht der Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung.
B. Lösung
Das mittlerweile ausgehandelte und von der Bundesrepublik Deutschland am 20. September 2011 unterzeichnete Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Cartagena-Protokoll sieht ein öffentlichrechtliches System zur Schadensbeseitigung (administrativer Haftungsansatz) vor und setzt damit die in Artikel 27 des Cartagena-Protokolls beschlossene Verpflichtung der Vertragsparteien um. Mit dem vorliegenden Vertragsgesetzentwurf soll die für die Ratifikation des Zusatzprotokolls erforderliche Zustimmung von Bundestag und Bundesrat eingeholt werden.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand resultieren für Bund, Länder und Kommunen aus der Verabschiedung des Vertragsgesetzes nicht.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Ein geringfügig erhöhter Erfüllungsaufwand kann beim Bund durch den Ausbau der Verwaltungsstrukturen zum Cartagena-Protokoll entstehen. Ein etwaiger Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Ansonsten entsteht für die Verwaltung, insbesondere für Länder und Kommunen, kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
F. Weitere Kosten
Für die Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen, und für die sozialen Sicherungssysteme entstehen keine sonstigen Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 21. Dezember 2012
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 01.02.13
Entwurf
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Dem in New York am 20. September 2011 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit (BGBl. 2003 II S. 1506, 1508) wird zugestimmt. Das Zusatzprotokoll wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.
Artikel 2
Die Bundesregierung wird ermächtigt, Änderungen des Zusatzprotokolls, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche, technische oder verwaltungsmäßige Angelegenheiten beziehen und sich im Rahmen der Ziele des Zusatzprotokolls halten, nach seinem Artikel 16 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 29 Absatz 4 Buchstabe e des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit und den Artikeln 29 und 30 des Übereinkommens vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt (BGBl. 1993 II S. 1741, 1742) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft zu setzen.
Artikel 3
- (1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- (2) Der Tag, an dem das Zusatzprotokoll nach seinem Artikel 18 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf das Zusatzprotokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da es sich, soweit es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union fällt, auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Das Vertragsgesetz bedarf nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrates, weil das Zusatzprotokoll, das innerstaatlich in Geltung gesetzt wird, Verfahrensregelungen enthält und insoweit für abweichendes Landesrecht keinen Raum lässt.
Zu Artikel 2
Mit dieser Vorschrift soll die Bundesregierung ermächtigt werden, auf dem Wege der Rechtsverordnung künftige Änderungen des Zusatzprotokolls, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche, technische oder verwaltungsmäßige Angelegenheiten beziehen, innerstaatlich in Kraft zu setzen. Dies gilt auch für den Fall, dass Anlagen zum Zusatzprotokoll beschlossen werden. Die Verordnungsermächtigung dient der Entlastung des Gesetzgebers und der Vereinfachung des Verfahrens, da im Falle von ausschließlich wissenschaftlichen, technischen oder verwaltungsmäßigen Änderungen und Ergänzungen ein neues Vertragsgesetz vermieden wird.
Die Zustimmung des Bundesrates ist nach Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes erforderlich.
Zu Artikel 3
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, in dem das Zusatzprotokoll nach seinem Artikel 18 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
Mit dem Zusatzprotokoll werden völkerrechtlich verbindliche Regelungen für die Haftung und Wiedergutmachung für Schäden eingeführt, die durch die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen*) an der biologischen Vielfalt entstehen können. Im Cartagena-Protokoll hatten sich im Jahr 2000 die Vertragsparteien verpflichtet, entsprechende Regeln und Verfahren zu erarbeiten. Das entsprechende Zusatzprotokoll zum Cartagena-Protokoll konnte im Oktober 2010 in Nagoya/Japan verabschiedet werden. Es enthält Regelungen zur verpflichtenden Beseitigung von Schäden an der biologischen Vielfalt durch den Betreiber und zur zivilrechtlichen Haftung des Betreibers. Da dies ein Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt ist, entspricht das Zusatzprotokoll den umweltpolitischen Zielen und der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Der Gesetzentwurf enthält keine gleich stellungsrelevanten Aspekte.
Finanzielle Auswirkungen für Bund, Länder und Kommunen ergeben sich unmittelbar aus der Verabschiedung des Vertragsgesetzes nicht. Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
Für die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand, da die bereits bestehenden nationalen Regelungen den inhaltlichen Vorgaben und Verpflichtungen des Zusatzprotokolls entsprechen. Ein geringfügig erhöhter Vollzugsaufwand kann allenfalls beim Bund durch die Schaffung bzw. den Ausbau nationaler Verwaltungsstrukturen entstehen, ebenso wie zusätzliche Sekretariats- und Personalkosten für das Cartagena-Protokoll. Ein etwaiger Mehrbedarf des Bundes an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Es werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.
Sonstige Kosten entstehen für die Wirtschaft nicht. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind von dem Vertragsgesetz nicht zu erwarten.
- *) Die Begriffsbestimmung des lebenden veränderten Organismus (LVO) ergibt sich gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Zusatzprotokolls aus Artikel 3 Buchstabe g des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit vom 29. Januar 2000. Sie entspricht weitestgehend der Begriffsbestimmung des genetisch veränderten Organismus (GVO) der Richtlinie 2001/18/EG vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt sowie der Begriffsbestimmung des gentechnisch veränderten Organismus des Gentechnikgesetzes (GenTG). Allerdings liegen den Begriffsbestimmungen unterschiedliche Techniken der genetischen Veränderung zugrunde, was die praktische Anwendung der Rechtsvorschriften jedoch kaum beeinträchtigen dürfte.
Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit (Übersetzung)
Die Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls - als Vertragsparteien des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, im Folgenden als "Protokoll" bezeichnet; unter Berücksichtigung des Grundsatzes 13 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung; in Bekräftigung des Vorsorgeprinzips in Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung; in Anerkennung der Notwendigkeit, im Einklang mit dem Protokoll geeignete Abhilfemaßnahmen für den Fall eines Schadens oder der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadens vorzusehen; eingedenk des Artikels 27 des Protokolls - sind wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Ziel
Dieses Zusatzprotokoll zielt darauf ab, durch die Festlegung von völkerrechtlichen Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung im Zusammenhang mit lebenden veränderten Organismen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt beizutragen, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
- (1) Die in Artikel 2 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, im Folgenden als "Übereinkommen" bezeichnet, und in Artikel 3 des Protokolls verwendeten Begriffsbestimmungen gelten für dieses Zusatzprotokoll.
- (2) Außerdem bedeutet im Sinne dieses Zusatzprotokolls
- a) "Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient" die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient;
- b) "Schaden" eine nachteilige Auswirkung auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind; die Auswirkung muss
- i) entweder messbar oder anderweitig beobachtbar sein, wobei die unter Berücksichtigung aller sonstigen vom Menschen verursachten und natürlichen Veränderungen von einer zuständigen Behörde anerkannten wissenschaftlich ermittelten Ausgangsdaten, sofern verfügbar, zu berücksichtigen sind, und
- ii) erheblich im Sinne des Absatzes 3 sein;
- c) "Betreiber" jede Person, die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über den lebenden veränderten Organismus ausübt, wobei dies, soweit angemessen und wie im innerstaatlichen Recht festgelegt, unter anderem den Inhaber einer Genehmigung, die Person, welche den lebenden veränderten Organismus in den Verkehr gebracht hat, den Entwickler, Hersteller, Anmelder, Exporteur, Importeur, Beförderer oder Lieferanten umfassen könnte;
- d) "Abhilfemaßnahmen" angemessene Maßnahmen, um
- i) Schaden je nach Situation zu verhüten, auf ein Mindestmaß zu beschränken, einzudämmen, zu mindern oder auf andere Weise zu vermeiden;
- ii) die biologische Vielfalt durch Maßnahmen wiederherzustellen, die nach folgender Rangfolge zu ergreifen sind:
- a) Wiederherstellung des Zustands der biologischen Vielfalt, der vor dem Eintritt des Schadens bestand, oder annähernd dieses Zustands und, sofern die zuständige Behörde dies nicht für möglich hält,
- b) Wiederherstellung unter anderem durch Ersetzen des Verlustes an biologischer Vielfalt durch andere Bestandteile der biologischen Vielfalt für die gleiche oder für eine andere Art der Nutzung entweder am gleichen oder gegebenenfalls an einem anderen Standort.
- (3) Eine "erhebliche" nachteilige Auswirkung ist auf der Grundlage von Faktoren wie den folgenden festzustellen:
- a) eine langfristige oder dauerhafte Veränderung, die als eine Veränderung zu verstehen ist, die nicht auf natürliche Weise innerhalb eines angemessenen Zeitraums rückgängig gemacht wird;
- b) das Ausmaß der qualitativen oder quantitativen Veränderungen, die sich nachteilig auf die Bestandteile der biologischen Vielfalt auswirken;
- c) die Verringerung der Fähigkeit der Bestandteile der biologischen Vielfalt, Güter zur Verfügung zu stellen und Dienstleistungen zu erbringen;
- d) das Ausmaß aller nachteiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit im Rahmen des Protokolls.
Artikel 3
Geltungsbereich
- (1) Dieses Zusatzprotokoll findet Anwendung auf Schäden, die durch lebende veränderte Organismen verursacht werden, die ihren Ursprung in einer grenzüberschreitenden Verbringung haben. Die genannten lebenden veränderten Organismen sind diejenigen, die
- a) zur unmittelbaren Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder zur Verarbeitung vorgesehen sind;
- b) zur Anwendung in geschlossenen Systemen bestimmt sind;
- c) die zur absichtlichen Einbringung in die Umwelt vorgesehen sind.
- (2) Im Hinblick auf absichtliche grenzüberschreitende Verbringungen findet dieses Zusatzprotokoll Anwendung auf Schäden, die durch genehmigte Verwendungen der in Absatz 1 genannten lebenden veränderten Organismen entstanden sind.
- (3) Dieses Zusatzprotokoll findet ferner Anwendung auf Schäden, die durch unabsichtliche grenzüberschreitende Verbringungen nach Artikel 17 des Protokolls entstanden sind, sowie auf Schäden, die durch rechtswidrige grenzüberschreitende Verbringungen nach Artikel 25 des Protokolls entstanden sind.
- (4) Dieses Zusatzprotokoll findet Anwendung auf Schäden, die durch eine grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen entstanden sind, die nach Inkrafttreten dieses Zusatzprotokolls für die Vertragspartei begann, in deren Hoheitsbereich die grenzüberschreitende Verbringung erfolgte.
- (5) Dieses Zusatzprotokoll findet Anwendung auf Schäden, die in Gebieten innerhalb der nationalen Hoheitsbereiche der Vertragsparteien eingetreten sind.
- (6) Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien verwenden, um mit Schäden umzugehen, die innerhalb ihrer nationalen Hoheitsbereiche eintreten.
- (7) Das innerstaatliche Recht zur Durchführung dieses Zusatzprotokolls findet auch Anwendung auf Schäden, die durch grenzüberschreitende Verbringungen lebender veränderter Organismen aus Staaten entstanden sind, die Nichtvertragsparteien sind.
Artikel 4
Kausalität
Zwischen dem Schaden und dem betreffenden lebenden veränderten Organismus wird im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht ein Kausalzusammenhang hergestellt.
Artikel 5
Abhilfemaßnahmen
- (1) Die Vertragsparteien verlangen im Schadensfall vom jeweiligen Betreiber oder von den jeweiligen Betreibern vorbehaltlich der von der zuständigen Behörde festgelegten Erfordernisse,
- a) unverzüglich die zuständige Behörde in Kenntnis zu setzen;
- b) den Schaden zu bewerten und
- c) geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
- (2) Die zuständige Behörde
- a) ermittelt den Betreiber, der den Schaden verursacht hat;
- b) bewertet den Schaden und
- c) legt fest, welche Abhilfemaßnahmen vom Betreiber ergriffen werden sollen.
- (3) Sofern aus einschlägigen Informationen, einschließlich der verfügbaren wissenschaftlichen Informationen oder der Informationen, die bei der Informationsstelle für biologische Sicherheit verfügbar sind, hervorgeht, dass es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden kommen wird, falls nicht rechtzeitig Abhilfemaßnahmen ergriffen werden, ist der Betreiber verpflichtet, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um diesen Schaden zu vermeiden.
- (4) Die zuständige Behörde kann geeignete Abhilfemaßnahmen ergreifen, unter anderem insbesondere dann, wenn der Betreiber dies nicht getan hat.
- (5) Die zuständige Behörde hat das Recht, vom Betreiber die Kosten und Auslagen zurückzufordern, die durch die Bewertung des Schadens und die Umsetzung aller geeigneten Abhilfemaßnahmen und im Zusammenhang damit angefallen sind. Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht andere Situationen vorsehen, in denen der Betreiber nicht für die Kosten und Auslagen aufkommen muss.
- (6) Entscheidungen der zuständigen Behörde, durch die der Betreiber aufgefordert wird, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, sollen begründet sein. Diese Entscheidungen sollen dem Betreiber mitgeteilt werden. Das innerstaatliche Recht hat Rechtsbehelfe vorzusehen, einschließlich der Möglichkeit, diese Entscheidungen einer Überprüfung durch die Verwaltung oder die Gerichte zu unterziehen. Die zuständige Behörde unterrichtet den Betreiber im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht auch über die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe. Die Einlegung solcher Rechtsbehelfe darf die zuständige Behörde nicht daran hindern, unter geeigneten Umständen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, sofern das innerstaatliche Recht nichts anderes vorsieht.
- (7) Bei der Durchführung dieses Artikels und im Hinblick auf die Festlegung der besonderen Abhilfemaßnahmen, welche die zuständige Behörde verlangen oder ergreifen wird, können die Vertragsparteien gegebenenfalls prüfen, ob die Abhilfemaßnahmen bereits in ihrem innerstaatlichen Recht über die zivilrechtliche Haftung vorgesehen sind.
- (8) Die Abhilfemaßnahmen werden im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht umgesetzt.
Artikel 6
Ausnahmen
- (1) Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht folgende Ausnahmen vorsehen:
- a) Naturereignisse oder höhere Gewalt und
- b) Kriegshandlungen oder bürgerkriegsähnliche Unruhen.
- (2) Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht alle weiteren Ausnahmen oder Herabsetzungsgründe vorsehen, die sie für angebracht halten.
Artikel 7
Fristen
Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht Folgendes vorsehen:
- a) relative und/oder absolute Fristen, auch in Bezug auf Abhilfemaßnahmen, und
- b) den Beginn des Zeitraums, ab dem eine Frist läuft.
Artikel 8
Finanzielle Obergrenzen
Die Vertragsparteien können in ihrem innerstaatlichen Recht finanzielle Obergrenzen für die Rückforderung von im Zusammenhang mit Abhilfemaßnahmen entstandenen Kosten und Auslagen vorsehen.
Artikel 9
Rückgriffsrecht
Dieses Zusatzprotokoll schränkt Rückgriffsrechte oder Schadensersatzansprüche, die ein Betreiber möglicherweise gegen eine andere Person hat, nicht ein.
Artikel 10
Finanzielle Sicherheiten
- (1) Den Vertragsparteien bleibt das Recht vorbehalten, in ihrem innerstaatlichen Recht Bestimmungen über finanzielle Sicherheiten vorzusehen.
- (2) Die Vertragsparteien üben das in Absatz 1 genannte Recht in Einklang mit ihren völkerrechtlichen Rechten und Verpflichtungen unter Berücksichtigung der letzten drei Absätze der Präambel des Protokolls aus.
- (3) Die erste Tagung der Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient, nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls ersucht das Sekretariat, eine umfassende Untersuchung durchzuführen, die sich unter anderem mit Folgendem befasst:
- a) den Modalitäten der Mechanismen für finanzielle Sicherheiten;
- b) einer Bewertung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen solcher Mechanismen, insbesondere auf Entwicklungsländer, und
- c) einer Ermittlung der geeigneten Stellen, die finanzielle Sicherheiten zur Verfügung stellen.
Artikel 11
Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen
Dieses Zusatzprotokoll lässt die Rechte und Verpflichtungen der Staaten nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen unberührt.
Artikel 12
Umsetzung und Bezug zur zivilrechtlichen Haftung
- (1) Die Vertragsparteien sehen in ihrem innerstaatlichen Recht Regeln und Verfahren für den Umgang mit Schaden vor. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, sehen die Vertragsparteien Abhilfemaßnahmen im Einklang mit diesem Zusatzprotokoll vor und können gegebenenfalls
- a) ihr bestehendes innerstaatliches Recht anwenden, einschließlich, sofern anwendbar, der allgemeinen Regeln und Verfahren für die zivilrechtliche Haftung;
- b) Regeln und Verfahren für die zivilrechtliche Haftung speziell für diesen Zweck anwenden oder entwickeln oder
- c) eine Kombination aus beidem anwenden oder entwickeln.
- (2) Mit dem Ziel, in ihrem innerstaatlichen Recht angemessene Regeln und Verfahren für die zivilrechtliche Haftung für Sach- oder Personenschäden in Verbindung mit dem in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b bestimmten Schaden vorzusehen,
- a) wenden die Vertragsparteien weiterhin ihre bestehenden allgemeinen Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung an;
- b) entwickeln die Vertragsparteien Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung speziell für diesen Zweck und wenden diese an oder wenden diese weiterhin an oder
- c) entwickeln die Vertragsparteien eine Kombination aus beidem und wenden diese an oder wenden diese weiterhin an.
- (3) Bei der Entwicklung der in Absatz 1 Buchstabe b oder c oder in Absatz 2 Buchstabe b oder c genannten Rechtsvorschriften über die zivilrechtliche Haftung behandeln die Vertragsparteien gegebenenfalls unter anderem die folgenden Elemente:
- a) den Schaden;
- b) die Haftungsnorm, einschließlich der verschuldensunabhängigen oder verschuldensabhängigen Haftung;
- c) die Kanalisierung der Haftung, soweit angemessen;
- d) das Recht, Klage zu erheben.
Artikel 13
Bewertung und Überprüfung
Die Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient, überprüft fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Zusatzprotokolls und danach alle fünf Jahre die Wirksamkeit dieses Zusatzprotokolls, sofern die Vertragsparteien Informationen zur Verfügung gestellt haben, die eine solche Überprüfung erforderlich machen. Die Überprüfung erfolgt im Rahmen der Bewertung und Überprüfung des Protokolls nach Artikel 35 des Protokolls, sofern die Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls nichts anderes beschließen. Die erste Überprüfung hat eine Überprüfung der Wirksamkeit der Artikel 10 und 12 zu umfassen.
Artikel 14
Die Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient
- (1) Vorbehaltlich des Artikels 32 Absatz 2 des Übereinkommens dient die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dienende Konferenz der Vertragsparteien als Tagung der Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls.
- (2) Die Konferenz der Vertragsparteien, die als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls dient, überprüft regelmäßig die Durchführung dieses Zusatzprotokolls und trifft im Rahmen ihres Auftrags die notwendigen Entscheidungen, um seine wirksame Durchführung zu fördern. Sie nimmt die ihr durch dieses Zusatzprotokoll zugewiesenen Aufgaben und entsprechend die ihr durch Artikel 29 Absatz 4 Buchstaben a und f des Protokolls zugewiesenen Aufgaben wahr.
Artikel 15
Sekretariat
Das durch Artikel 24 des Übereinkommens eingesetzte Sekretariat ist gleichzeitig Sekretariat dieses Zusatzprotokolls.
Artikel 16
Verhältnis zum Übereinkommen und zum Protokoll
- (1) Dieses Zusatzprotokoll ergänzt das Protokoll und ändert es nicht.
- (2) Dieses Zusatzprotokoll lässt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien dieses Zusatzprotokolls aus dem Übereinkommen und dem Protokoll unberührt.
- (3) Sofern in diesem Zusatzprotokoll nichts anderes vorgesehen ist, finden die Bestimmungen des Übereinkommens und des Protokolls entsprechend auch auf dieses Zusatzprotokoll Anwendung.
- (4) Unbeschadet des Absatzes 3 lässt dieses Zusatzprotokoll die Rechte und Pflichten einer Vertragspartei aufgrund des Völkerrechts unberührt.
Artikel 17
Unterzeichnung
Dieses Zusatzprotokoll liegt für die Vertragsparteien des Protokolls vom 7. März 2011 bis 6. März 2012 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.
Artikel 18
Inkrafttreten
- (1) Dieses Zusatzprotokoll tritt am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung der vierzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch Staaten oder durch Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragsparteien des Protokolls sind, in Kraft.
- (2) Dieses Zusatzprotokoll tritt für einen Staat oder eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die es nach Hinterlegung der vierzigsten Urkunde nach Absatz 1 ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem dieser Staat oder diese Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration seine beziehungsweise ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde hinterlegt, oder zu dem Zeitpunkt, zu dem das Protokoll für diesen Staat oder diese Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration in Kraft tritt, falls dies der spätere Zeitpunkt ist.
- (3) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.
Artikel 19
Vorbehalte
Vorbehalte zu diesem Zusatzprotokoll sind nicht zulässig.
Artikel 20
Rücktritt
- (1) Eine Vertragspartei kann jederzeit nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem dieses Zusatzprotokoll für sie in Kraft getreten ist, durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation von dem Zusatzprotokoll zurücktreten.
- (2) Der Rücktritt wird nach Ablauf eines Jahres nach dem Eingang der Notifikation beim Verwahrer oder zu einem gegebenenfalls in der Rücktrittsnotifikation genannten späteren Zeitpunkt wirksam.
- (3) Eine Vertragspartei, die von dem Protokoll nach Artikel 39 des Protokolls zurücktritt, gilt auch als von diesem Zusatzprotokoll zurückgetreten.
Artikel 21
Verbindliche Wortlaute
Die Urschrift dieses Zusatzprotokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Zusatzprotokoll unterschrieben.
Geschehen zu Nagoya am 15. Oktober 2010.
Denkschrift
A. Allgemeiner Teil
Das Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (BGBl. 2003 II S. 1506, 1508), das am 11. September 2003 in Kraft getreten ist, wurde von der Bundesrepublik Deutschland am 20. November 2003 ratifiziert. Unter dem Dach des Übereinkommens vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt (BGBl. 1993 II S. 1741, 1742) stellt das Cartagena-Protokoll eine wichtige Etappe in der Entwicklung einer nachhaltigen Nutzung der modernen Biotechnologie und ihrer Anwendung in der Umwelt im internationalen Kontext dar. Tatsächlich ist das Cartagena-Protokoll das erste völkerrechtliche Instrument, das sich ganz gezielt mit Aspekten der Sicherheit von Umwelt und Gesundheit im Zusammenhang mit der Verwendung lebender veränderter Organismen befasst. Gegenstand des Protokolls sind auf Grundlage des Vorsorgeprinzips Regelungen zur grenzüberschreitenden Verbringung von lebenden veränderten Organismen, insbesondere Genehmigungsverfahren und Informationsvorschriften. Diese sollen zum Schutz der biologischen Vielfalt die Sicherheit im Umgang mit den Organismen erhöhen, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind.
Derzeit haben 162 Staaten das Cartagena-Protokoll ratifiziert oder sind ihm beigetreten (Stand: 9. Juli 2012). Die Europäische Union und alle ihre 27 Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Protokolls.
Regelungen zur Beseitigung eines Schadens an der biologischen Vielfalt und zur Haftung für solche Schäden enthält das Cartagena-Protokoll nicht. In Artikel 27 des Cartagena-Protokolls haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, auf ihrer ersten Tagung (COP/MOP1) einen Prozess der Erarbeitung internationaler Regeln und Verfahren im Bereich der Haftung und Wiedergutmachung für Schäden anzustoßen, die durch die grenzüberschreitende Verbringung lebender veränderter Organismen entstanden sind. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten.
Nach mehrjährigen Verhandlungen in einer unbefristeten Adhoc-Arbeitsgruppe juristischer und technischer Experten für Haftungs- und Wiedergutmachungsfragen konnte auf dem 4. Treffen der Vertragsparteien im Mai 2008 in Bonn (COP/MOP4) ein politischer Durchbruch erzielt werden. Dieser ermöglichte es, die Verhandlungen während der deutschen Präsidentschaft fortzuführen und am 15. Oktober 2010 das Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokoll über die Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit im Rahmen der Abschlussplenarsitzung von COP/MOP5 (Nagoya/Japan) zu verabschieden.
Das Zusatzprotokoll sieht ein öffentlichrechtliches System zur Schadensbeseitigung (administrativer Haftungsansatz) vor, das weitgehend der EU-Umwelthaftungsrichtlinie entspricht. Danach verlangen die Vertragsparteien von den Wirtschaftsbeteiligten, wenn ein Schaden an der biologischen Vielfalt durch lebende veränderte Organismen aufgetreten ist, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Wenn der verantwortliche Betreiber nicht tätig wird, können die zuständigen Behörden geeignete Abhilfemaßnahmen auf Kosten des Betreibers durchführen. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung haben die Vertragsparteien vereinbart, in ihrem innerstaatlichen Recht angemessene Regeln und Verfahren für Sach- oder Personenschäden vorzusehen. Dabei können die Vertragsparteien weiterhin ihre bestehenden allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsvorschriften anwenden oder neue Rechtsvorschriften speziell für diesen Zweck entwickeln oder eine Kombination aus beiden Vorgehensweisen vorsehen. Das Zusatzprotokoll erfüllt damit den Arbeitsauftrag aus Artikel 27 des Cartagena-Protokolls.
In dem COP/MOP5-Beschluss zur Annahme des Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokolls werden die Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls nunmehr aufgefordert, das Zusatzprotokoll so rasch wie möglich zu unterzeichnen und die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder gegebenenfalls Beitrittsurkunden baldmöglichst zu hinterlegen. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Zusatzprotokoll am 20. September 2011 in New York gezeichnet.
Das Zusatzprotokoll entspricht mit seinem Ziel, einen Beitrag zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten, der Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Mit der Verabschiedung des Zusatzprotokolls ist eine der wesentlichen Streitfragen, die schon während der Verhandlungen zum Cartagena-Protokoll bestanden, gelöst worden. Mit diesem völkerrechtlich verbindlichen Rechtsinstrument wird ein erheblicher Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt geleistet, weil in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern - im Gegensatz zu den meisten Industrieländern - entsprechende Regelungen nicht existieren. Dies gilt insbesondere für die Regelung, dass nationale Behörden Wirtschaftsbeteiligte zu Sanierungsmaßnahmen verpflichten, wenn Schäden an der biologische Vielfalt durch die grenzüberschreitende Verbringung von lebenden veränderten Organismen entstanden sind. Mit der Ratifikation des Zusatzprotokolls wird ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung des Cartagena-Protokolls geleistet.
Es handelt sich bei dem Zusatzprotokoll um einen "Gemischten Vertrag", da die Inhalte und Regelungen teilweise in die Zuständigkeit der Europäischen Union nach Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und teilweise in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Die Europäische Union hat das Zusatzprotokoll am 11. Mai 2011 gezeichnet und strebt eine unmittelbare Ratifikation an.
Die Europäische Union ist nach rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Europäischen Union bereits rechtliche Instrumente zu sämtlichen in dem Zusatzprotokoll geregelten Angelegenheiten bestehen und diese für die Mitgliedstaaten verbindlich sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat infolge dieses Rechts der Europäischen Union und aufgrund der bestehenden Haftungsvorschriften gegenwärtig eine innerstaatliche Rechtslage, die mit den Inhalten und Verpflichtungen des Zusatzprotokolls übereinstimmt. Dies gilt insbesondere aufgrund des Umweltschadensgesetzes, das die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden umsetzt. Eine Änderung des innerstaatlichen Rechts aufgrund des Zusatzprotokolls ist nicht erforderlich. Mit den vorliegenden Vorschriften zur Haftung und Wiedergutmachung im Rahmen des Nagoya/Kuala-Lumpur-Zusatzprotokolls ist weder eine neue, über die bereits bestehenden Regelungen hinausgehende Staatshaftung noch für Deutschland eine neue zivilrechtliche Haftung vorgesehen.
B. Besonderer Teil
Die Präambel nennt die Grundsätze, auf denen das Zusatzprotokoll basiert, namentlich das Vorsorgeprinzip gemäß Grundsatz 15 der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung sowie die Notwendigkeit, im Fall eines Schadens geeignete Abhilfemaßnahmen vorzusehen.
Artikel 1 nennt das Ziel des Zusatzprotokolls, das darin besteht, durch die Regelungen zur Haftung und Wiedergutmachung zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt beizutragen.
Artikel 2 enthält die Begriffsbestimmungen der im Zusatzprotokoll verwendeten Begriffe. Danach liegt ein Schaden im Sinne des Zusatzprotokolls bei einer nachteiligen Auswirkung auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt vor, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind und die Auswirkung messbar oder anderweitig beobachtbar sowie erheblich sein muss. Dabei sind auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen. Als Betreiber gilt jede Person, die die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über den lebenden veränderten Organismus ausübt. Unter Abhilfemaßnahmen im Sinne des Zusatzprotokolls werden angemessene Maßnahmen verstanden, die Schaden verhüten, beschränken oder vermeiden und die die biologische Vielfalt wiederherstellen.
Artikel 3 beschreibt den sachlichen, zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich des Zusatzprotokolls. Es gilt für Schäden, die durch lebende veränderte Organismen verursacht werden, die ihren Ursprung in einer grenzüberschreitenden Verbringung haben.
Artikel 4 regelt das Erfordernis eines Kausalzusammenhanges.
Artikel 5 enthält Regelungen zu den Abhilfemaßnahmen und zu der Vorgehens- und Verfahrensweise der zuständigen Behörde im Schadensfall. Danach ermittelt die zuständige Behörde den Verursacher, bewertet den Schaden und legt die Abhilfemaßnahmen fest. Die zuständige Behörde kann auf Kosten des Betreibers geeignete Abhilfemaßnahmen insbesondere dann ergreifen, wenn der Betreiber, der den Schaden verursacht hat, dies nicht getan hat.
Die Artikel 6, 7, 8 und 10 legen fest, dass die Vertragsparteien im innerstaatlichen Recht Ausnahmen in erheblichem Umfang, Fristen, finanzielle Obergrenzen und finanzielle Sicherheiten vorsehen können.
Die Artikel 9 und 11 regeln, dass das Zusatzprotokoll Rückgriffsrechte oder Schadensersatzansprüche des Betreibers sowie die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen unberührt lässt.
Artikel 12 enthält die Verpflichtung der Vertragsparteien, in ihrem innerstaatlichen Recht Regeln und Verfahren für den Umgang mit Schaden vorzusehen. Dazu sehen die Vertragsparteien Abhilfemaßnahmen im Einklang mit dem Zusatzprotokoll vor und können gegebenenfalls ihr bestehendes innerstaatliches Recht einschließlich der zivilrechtlichen Haftungsregelungen anwenden oder zivilrechtliche Haftungsregelungen speziell für diese Schadensfälle oder eine Kombination aus beidem anwenden oder entwickeln. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung besteht das Ziel, im innerstaatlichen Recht angemessene Regeln und Verfahren für Sach- oder Personenschäden vorzusehen, die durch einen Schadensfall im Sinne des Zusatzprotokolls verursacht worden sind. Dabei können die Vertragsparteien weiterhin ihre bestehenden allgemeinen zivilrechtliche Haftungsvorschriften anwenden oder neue zivilrechtliche Haftungsvorschriften speziell für diesen Zweck oder eine Kombination aus beiden Vorgehensweisen entwickeln und anwenden.
Die Artikel 13 bis 21 betreffen die Überprüfung des Zusatzprotokolls fünf Jahre nach Inkrafttreten und die Organe des Zusatzprotokolls. Für das Zusatzprotokoll ist keine neue Struktur vorgesehen. Die Konferenz der Tagung der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls dient gleichzeitig als Tagung der Vertragsparteien des Zusatzprotokolls. Die Aufgaben des Sekretariats werden vom Sekretariat des Übereinkommens über die biologische Vielfalt übernommen. Ferner regeln die genannten Bestimmungen das Verhältnis zum Übereinkommen und zum Protokoll und legen die Modalitäten für das Inkrafttreten des Zusatzprotokolls fest. Das Zusatzprotokoll tritt 90 Tage nach Hinterlegung der 40. Ratifikationsurkunde in Kraft.