Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat: Ein Europa, das schützt - eine Initiative zur Ausweitung der Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft auf grenzüberschreitende terroristische Straftaten

COM (2018) 641 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 409/12 (PDF) = AE-Nr. 120540,
Drucksache. 631/13 (PDF) = AE-Nr. 130734 und
AE-Nr. . 150294, 160341, 180609, 180660

Europäische Kommission
Brüssel, den 12.9.2018 COM (2018) 641 final

Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament und den Europäischen Rat
Ein Europa, das schützt: eine Initiative zur Ausweitung der Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft auf grenzüberschreitende terroristische Straftaten

Ein Beitrag der Europäischen Kommission zum Treffen der EU-Führungsspitzen in Salzburg am 19./20. September 2018

"Die Europäische Union muss auch stärker bei der gemeinsamen Terrorbekämpfung werden. In den letzten drei Jahren sind wir zwar auch diesbezüglich ein großes Stück weitergekommen. Doch im Falle grenzübergreifender terroristischer Bedrohung reagieren wir nicht schnell genug. ... Aus meiner Sicht spricht auch vieles dafür, die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft mit der Verfolgung von grenzüberschreitenden terroristischen Straftaten zu betrauen."

Jean-Claude Juncker, Rede zur Lage der Union, 13. September 2017

1. Einführung

Der Terrorismus stellt für unsere Gesellschaften nach wie vor eine der größten Herausforderungen dar. Terroristische Handlungen gehören zu den größten Verbrechen und verstoßen gegen die grundlegendsten Werte der Europäischen Union.

Ein stärkeres Europa muss seine Bürgerinnen und Bürger schützen und dafür sorgen, dass Terroristen rasch vor Gericht gebracht werden. In seiner Rede zur Lage der Union vom September 2017 erläuterte Präsident Juncker eine Reihe von Maßnahmen mit dem Ziel, bis 2025 eine stärkere, enger vereinte und demokratischere Union aufzubauen. Als Folgemaßnahme legt die Kommission diese Initiative vor, um die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA)1 auf die Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten auszuweiten.

In den letzten Jahren war die terroristische Bedrohung in der Europäischen Union anhaltend groß und hat sich ständig weiterentwickelt. Neben neuen Formen von Terroranschlägen sind Online-Propaganda und Vernetzung über die sozialen Medien zu wirkungsvollen Instrumenten der Terroristen für die Anwerbung, Radikalisierung und Geldbeschaffung in der EU geworden.2 Die Bedrohung durch den Terrorismus ist heute und langfristig eine Herausforderung, auf die die Union in umfassender und strukturierter Weise reagieren muss, unter anderem durch die EU-weite Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten.

Die Europäische Union geht - unter Wahrung der Grenzen des Vertrags3 - entschlossen gegen terroristische Bedrohungen vor, insbesondere im Rahmen der Europäischen Sicherheitsagenda von 20154 und der Schaffung einer wirksamen und echten Sicherheitsunion5. Sie hat Maßnahmen ergriffen, um Terroristen den Spielraum und die Mittel für Anschläge zu nehmen, terroristische Straftaten unionsweit unter Strafe zu stellen, den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten bei der Strafverfolgung zu verbessern, die Radikalisierung zu bekämpfen und den Schutz der Außengrenzen der Union zu verstärken. Die Rolle der Agenturen der Union, insbesondere von Eurojust und Europol, wurde gestärkt, die die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit in der EU erleichtern, einschließlich der Koordinierung und des Informationsaustauschs in Terrorismusfällen auf Ersuchen der nationalen Behörden. Zusammen mit dieser Mitteilung wird ein Vorschlag für eine Verordnung zur Verhinderung der Online-Verbreitung terroristischer Inhalte angenommen6.

Obwohl erhebliche Fortschritte gemacht wurden und es Beispiele für eine erfolgreiche grenzübergreifende Zusammenarbeit gibt, fehlt es der Union an Möglichkeiten zur umfassenden Ahndung grenzüberschreitender terroristischer Straftaten auf europäischer Ebene, angefangen bei der Ermittlung über die Strafverfolgung bis hin zur Anklageerhebung. Auch wenn in den letzten Jahren nicht alle Mitgliedstaaten in gleichem Maße mit terroristischen Bedrohungen konfrontiert waren7" können innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Lücken bei Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen in einem Mitgliedstaat zu Opfern oder Risiken in einem anderen Mitgliedstaat oder in der Union insgesamt führen.

Die kürzlich errichtete EUStA ist bei Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union für die Ermittlung, Verfolgung und Anklageerhebung zuständig8. Am Gründungsakt der EUStA, der am 20. November 2017 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 2017/19399, beteiligten sich zunächst zwanzig Mitgliedstaaten10. Seither haben sich zwei weitere Mitgliedstaaten der Verstärkten Zusammenarbeit angeschlossen.11 Es wird angestrebt, dass die EUStA ihre Tätigkeit bis Ende 2020 voll aufnehmen kann. Diese Initiative wird die Errichtung der EUStA nach der bestehenden Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 nicht berühren.

2. Die Initiative der Kommission

Die Kommission legt diese Initiative, die eine Änderung des Vertrags mit sich bringen würde, vor, um die Zuständigkeiten der EUStA im Rahmen der umfassenden und verstärkten europäischen Antwort auf terroristische Bedrohungen auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, auszuweiten.

Dieser Mitteilung ist ein Anhang mit einer Kommissionsinitiative für die etwaige Annahme eines Beschlusses des Europäischen Rates zur Änderung von Artikel 86 Absätze 1 und 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) mit dem Ziel der Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, beigefügt.

Artikel 86 Absatz 4 AEUV sieht die Möglichkeit der Erweiterung der Zuständigkeiten der EUStA vor.

Nach Artikel 86 Absatz 4 AEUV kann der Europäische Rat einen Beschluss zur Änderung von Artikel 86 AEUV erlassen, um die Befugnisse der EUStA auf die Bekämpfung schwerer, mehr als einen Mitgliedstaat betreffender Straftaten auszudehnen. Der Europäische Rat beschließt einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments und nach Anhörung der Kommission.

Die nach Artikel 86 Absatz 4 AEUV erforderliche Einstimmigkeit bezieht sich nicht nur auf die Mitgliedstaaten, die sich an der EUStA beteiligen12, sondern auch auf die anderen Mitgliedstaaten. Selbst wenn dieses vereinfachte Verfahren zur Änderung des Vertrags nicht vorsieht, dass der Europäische Rat auf Vorschlag der Kommission tätig wird, hindert dies die Kommission nicht daran, eine Initiative vorzulegen.

Der Europäische Rat kann Artikel 86 Absätze 1 und 2 AEUV ändern, um die sachliche Zuständigkeit der EUStA auf alle, einige oder nur eine schwere Straftat "mit grenzüberschreitender Dimension" auszuweiten. Dazu gehören die besonders schweren Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension, die in Artikel 83 Absatz 1 AEUV aufgeführt sind. Darüber hinaus kann die Zuständigkeit der EUStA nur auf "schwere, mehr als einen Mitgliedstaat betreffende Straftaten" ausgedehnt werden.

Nach einem Beschluss des Europäischen Rates zur Änderung von Artikel 86 AEUV würde die Kommission einen Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 vorlegen, um der EUStA die Zuständigkeit zu übertragen und etwaige erforderliche Anpassungen vorzunehmen, damit die EUStA im Falle von Terrorismus wirksam ermitteln und strafrechtlich vorgehen kann. Eine variable Geometrie innerhalb der EUStA, die es den Mitgliedstaaten erlauben würde, sich in einzelnen Zuständigkeitsbereichen der EUStA zu beteiligen, könnte durch die Änderung der Verordnung nicht erreicht werden. Auch Mitgliedstaaten, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt der EUStA anschließen wollen, müssten sich in vollem Umfang beteiligen.

3. Lücken bei der Ermittlung und Verfolgung grenzüberschreitender terroristischer Straftaten

Auch wenn derzeit bei der Bekämpfung des Terrorismus und anderer Sicherheitsbedrohungen in der Europäischen Union erhebliche Fortschritte erzielt werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Europäischen Sicherheitsagenda und der Schaffung einer wirksamen und echten Sicherheitsunion" weist der derzeitige rechtliche, institutionelle und operative Rahmen nach wie vor verschiedene Lücken auf. Insbesondere hat die Union kein gemeinsames Konzept für die Ermittlung, Verfolgung und Anklageerhebung im Falle grenzüberschreitender terroristischer Straftaten.

3.1. Unkoordinierte Ermittlungen bei terroristischen Straftaten

Derzeit liegt die Zuständigkeit für die Ermittlung, Strafverfolgung und Anklageerhebung im Falle terroristischer Straftaten ausschließlich bei den nationalen Strafverfolgungs- und Justizbehörden. Ihre Befugnisse enden jedoch an den nationalen Grenzen, wohingegen terroristische Straftaten häufig eine grenzüberschreitende Dimension haben.13 Daher sind die nationalen Konzepte für die Ermittlung und Strafverfolgung häufig unterschiedlich und der Informationsaustausch, die Koordinierung und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen grenzübergreifend beteiligten Behörden lückenhaft.

Im Laufe der Jahre hat die Union eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei terroristischen Straftaten ergriffen. So erleichtern Eurojust und Europol auf Ersuchen der nationalen Behörden bereits jetzt die multilaterale Zusammenarbeit der Justiz- bzw. Strafverfolgungsbehörden sowie die Koordinierung und den Informationsaustausch bei schweren grenzüberschreitenden Straftaten. Die Rolle von Eurojust wird durch seinen neuen Rechtsrahmen, der ab 2019 gelten soll14, weiter gestärkt.

Die Zahl der von Eurojust im Bereich terroristischer Straftaten zu bearbeitenden Fälle hat sich im Zeitraum von 2015 bis 2017 mehr als verdoppelt15 und die Zahl der gemeinsamen Ermittlungsgruppen hat sich vervierfacht16. Die von Eurojust behandelten Fälle zeigen ganz klar, dass ein gemeinsamer koordinierter Ansatz der nationalen Justizbehörden immer notwendiger wird. Die Mitgliedstaaten ersuchen Eurojust beispielsweise um Unterstützung beim Austausch von Informationen und Beweismitteln, bei der Beschleunigung der Erledigung von Rechtshilfe- und Auslieferungsersuchen und der Vollstreckung Europäischer Haftbefehle und Europäischer Ermittlungsanordnungen sowie bei der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen.

Eurojust hat auch die Erfahrung gemacht, dass - selbst wenn die Mitgliedstaaten strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen in diesem Bereich grundsätzlich als sehr wichtig ansehen - die Betrachtungsweise der Behörden wegen nationaler Sicherheitsaspekte häufig auf nationale Fragen beschränkt ist. Der sensible Charakter von Ermittlungen im Zusammenhang mit Terrorismus kann für die Behörden eine zusätzliche Hürde darstellen, die sie davon abhält, über das auf nationaler Ebene strikt erforderliche Maß hinaus Informationen weiterzugeben und Ermittlungen einzuleiten.

Folglich werden terroristische Straftaten in mehreren Mitgliedstaaten parallel und getrennt untersucht und verfolgt. Dadurch wird ihre Komplexität und/oder grenzüberschreitende Natur nicht immer angemessen berücksichtigt. Die Grenzen der nationalen Gerichtsbarkeit können somit das Erkennen und die Bekämpfung der Aktivitäten grenzübergreifend agierender Terroristen, Terrorzellen oder Terrornetzwerke behindern.

Sowohl Eurojust als auch Europol unterstützen die nationalen Behörden bei deren Bemühungen um Bekämpfung terroristischer Straftaten stets engagiert, doch können sie nur auf Ersuchen der nationalen Behörden tätig werden. Da sie außerdem beide nicht über die Befugnisse verfügen, die für eine proaktiv koordinierte, wirksame und verhältnismäßige Verfolgung auf Unionsebene erforderlich sind" können sie auch nichts gegen die unkoordinierte Verfolgung terroristischer Straftaten unternehmen.

3.2. Kein zuverlässiger rechtzeitiger Austausch von Informationen über Terrorismusfälle zwischen nationalen Behörden und EU-Agenturen

Zwar hat die Union Maßnahmen ergriffen, um den strukturellen Informationsaustausch zu verbessern, insbesondere mit Blick auf solidere und intelligentere Informationssysteme für Sicherheit, Grenzmanagement und Migrationssteuerung17, doch bestehen noch immer große Herausforderungen" wenn es um den rechtzeitigen Austausch von Informationen in bestimmten Fällen von strafrechtlichen Ermittlungen oder Strafverfolgungsmaßnahmen geht.

Was den Informationsaustausch über Terrorismusfälle betrifft, so hat Eurojust in seinem jüngsten Bericht über ausländische terroristische Kämpfer18 darauf hingewiesen" dass es kein harmonisiertes Konzept für den Informationsaustausch gibt. Es bestehen noch Unterschiede hinsichtlich des Umfangs, der Art und des Gegenstands der Informationen, die die einzelnen Mitgliedstaaten mit Eurojust austauschen. Daher wurde auch die Bedeutung des Abgleichs justizieller Informationen zum Zwecke der Verfolgung terroristischer Straftaten auf einer von Eurojust im Juni 2018 organisierten Tagung zum Thema Terrorismusbekämpfung19 erneut hervorgehoben. Dieser suboptimale Informationsaustausch beschränkt nach wie vor die Möglichkeiten von Eurojust, bestehende Verbindungen zu laufenden Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen, einschließlich der Verbindungen zu anderen Mitgliedstaaten, zu erkennen.

Darüber hinaus erfordert die Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten in konkreten grenzüberschreitenden Fällen ein rasches und konzertiertes Vorgehen aller Strafverfolgungs- und Justizbehörden, um sicherzustellen, dass keine Beweise verloren gehen, und um weitere, möglicherweise damit verbundene terroristische Straftaten zu verhindern. Dies erweist sich jedoch als recht schwierig, wenn es um grenzüberschreitende Fälle geht, in denen verschiedene Behörden in mehreren Mitgliedstaaten ermitteln. Die Unterstützung durch Europol und Eurojust kompensiert dies teilweise. Darüber hinaus sind weder Europol noch Eurojust befugt, die nationalen Behörden zur Bereitstellung spezifischer Informationen oder zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen zu verpflichten, was zur Folge hat, dass die Informationen - obwohl der Zeitaspekt für eine erfolgreiche Verfolgung terroristischer Straftaten entscheidend ist - nicht immer rechtzeitig zur Verfügung stehen. Sie können auch nicht dafür sorgen, dass weitere, möglicherweise damit zusammenhängende terroristische Anschläge verhindert werden.

3.3. Erhebung, Weitergabe und Nutzung sensibler Beweise

Für eine erfolgreiche Verfolgung von Straftaten ist ganz entscheidend, dass die Zulässigkeit der erhobenen Informationen als Beweismittel sichergestellt ist. Dies gilt insbesondere für Fälle von Terrorismus, bei denen die Strafverfolgung auch auf Indizien beruht (Überwachung, Zeugenaussagen, Abhören der Kommunikation). Aus den Eurojust-Berichten über Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorismus20 geht hervor" dass auch die Erhebung, Weitergabe und Nutzung bestimmter Arten von Informationen, die bei der Verfolgung terroristischer Straftaten als Beweis dienen sollen, Fragen aufwerfen. Insbesondere müssen in Fällen, in denen es um Terrorismus geht, für die Erhebung von Informationen häufig bestimmte Ermittlungstechniken eingesetzt oder spezialisierte Behörden der Mitgliedstaaten einbezogen werden. Solche Informationen werden oft nicht weitergegeben, um die Informationsquellen zu schützen, um zu gewährleisten, dass die Informanten anonym bleiben, oder um die Methoden, mit denen die Informationen erhoben wurden, nicht preiszugeben.

3.4. Bruch zwischen Ermittlungs- und Strafverfolgungsphase

Insbesondere in Fällen mit terroristischem Hintergrund ist ein eng koordiniertes Vorgehen aller an der Strafverfolgung beteiligten Behörden von größter Bedeutung. Haftbefehle oder Hausdurchsuchungen müssen gleichzeitig ausgeführt werden und die richterlichen Genehmigungen müssen rechtzeitig vorliegen. Daher ist entscheidend, dass die Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungs- und den Strafverfolgungsbehörden reibungslos funktioniert. Selbst wenn nationale Behörden, Europol und Eurojust zusammenarbeiten, kann es sein, dass unterschiedliche nationale Prioritäten oder Empfindlichkeiten oder schlicht die Verfügbarkeit von Ressourcen das Endergebnis beeinflussen. Auf Unionsebene gibt es keine zentrale Behörde, die in Fällen von grenzüberschreitendem Terrorismus sowohl die Ermittlungs- als auch die Strafverfolgungsaspekte leiten und so eine wirklich reibungslose Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Behörden auf nationaler wie auch auf Unionsebene innerhalb enger Fristen und der Grenzen der Vertraulichkeit gewährleisten könnte.

3.5. Ineffiziente parallele Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen

Terroristische Straftaten betreffen oft mehrere Länder. Auch sind häufig Verdächtige oder Opfer unterschiedlicher Staatsangehörigkeit involviert. Kompetenzkonflikte können beispielsweise in Fällen auftreten, in denen die Opfer einer Straftat aus verschiedenen Mitgliedstaaten stammen, sodass alle betroffenen Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für dieselbe terroristische Straftat beanspruchen. So ist es in letzter Zeit im Falle mehrerer terroristischer Straftaten vorgekommen, dass sich zwei oder mehr Mitgliedstaaten gleichzeitig aus unterschiedlichen Gründen - wie Staatsangehörigkeit des Opfers oder territoriale Zuständigkeit - für die Verfolgung derselben Straftat für zuständig erklärten. Derartige parallele Verfahren könnten zu Situationen führen, für die der Grundsatz ne bis in idem gilt, der eine doppelte Strafverfolgung verbietet.

Es gibt derzeit kein geeignetes Unionsverfahren für den Umgang mit solchen Situationen. In Fällen, an denen mehr als ein Mitgliedstaat beteiligt ist, können die Ermittlungs- oder Strafverfolgungsmaßnahmen der Behörden eines Mitgliedstaats Konsequenzen für die entsprechenden Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten haben. Insbesondere wenn Terrorzellen beteiligt sind, deren Mitglieder in verschiedenen Mitgliedstaaten aktiv sind, sind koordinierte Maßnahmen von entscheidender Bedeutung, um das Verschwinden von Beweismitteln oder Verdächtigen zu verhindern. Eurojust kann zwar eine maßgebliche Rolle bei der Koordinierung der Ermittlungen spielen, aber bei der derzeitigen Rechtslage nicht über Kompetenzkonflikte entscheiden und die Behörden der Mitgliedstaaten nicht zwingen, auf die Ausübung ihrer Zuständigkeit zu verzichten.

Die genannten Lücken lassen sich an folgendem Fall verdeutlichen:

Hypothetischer Fall

Eine dschihadistische Terrorzelle hat Mitglieder in mehreren EU-Mitgliedstaaten. Sie dürfen nicht miteinander kommunizieren bzw. wissen nicht einmal voneinander und sie erhalten ihre Anweisungen nur über verschlüsselte Nachrichten. Alle haben unterschiedliche Aufgaben wie die Anmietung von Fahrzeugen, den Erwerb von Chemikalien, die Sammlung von Informationen über potenzielle Ziele, die Beschaffung gefälschter Ausweispapiere usw., während der Anführer der Terrorzelle aus einem Drittland heraus agiert.

Anhand der durch polizeiliche Maßnahmen in Mitgliedstaat A erlangten Informationen stellen die zuständigen Behörden fest, dass falsche Dokumente für fiktive Personen ausgestellt wurden, und verhaften die verdächtige Person. Ihnen ist nicht bekannt, dass diese Dokumente für eine größere Terrorzelle und deren terroristische Straftaten bestimmt sind, und sie verfolgen die Person wegen Urkundenfälschung.

In Mitgliedstaat B können die zuständigen Behörden dank polizeilicher Maßnahmen die Person identifizieren, die große Mengen an Pestiziden - mutmaßlich zur Herstellung einer Bombe - gekauft hat, sie verhaften diese Person und klagen sie lediglich als terroristischen Einzeltäter an, ohne von der Existenz der Terrorzelle und ihren anderen Mitgliedern zu wissen.

Der Anführer der terroristischen Vereinigung in dem Drittland erfährt von den Maßnahmen der Strafverfolgungs- und Justizbehörden in den Mitgliedstaaten A und B und die Terrorzelle passt ihre Terrorpläne an.

Die unkoordinierten Maßnahmen in den Mitgliedstaaten A und B führen zur Strafverfolgung und zu einzelnen Verurteilungen, doch das größere Netzwerk und seine Aktivitäten bleiben unentdeckt und die übrigen Teile des Terrornetzwerks können ihre Pläne anpassen und ihre terroristischen Aktivitäten fortsetzen.

4. Die EUStA kann die bestehenden Lücken füllen

Wie bereits dargelegt bringen Eurojust und Europol durch Unterstützung der nationalen Behörden und Erleichterung der justiziellen Zusammenarbeit auf der Grundlage der bestehenden Rechtsinstrumente für die gegenseitige Amtshilfe und Anerkennung zwar einen entscheidenden Mehrwert, doch gibt es kein gemeinsames europäisches Konzept für die Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und die Anklageerhebung gegen die Täter. Europol und Eurojust können die bestehenden Defizite bei der Ermittlung und Verfolgung von grenzüberschreitenden terroristischen Straftaten nicht vollständig beheben, da sie nicht über die im Rahmen des Vertrags erforderlichen Befugnisse verfügen und diese ihnen auch nicht übertragen werden können, was hingegen im Falle der EUStA nach dem Vertrag möglich wäre.

Angesichts der oben aufgezeigten Defizite muss die europäische Dimension gestärkt werden, um eine einheitliche, wirksame und effiziente gerichtliche Verfolgung dieser Straftaten im gesamten europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu gewährleisten. Terroristische Straftaten betreffen alle Mitgliedstaaten und die Union als Ganzes, weshalb eine Lösung auf europäischer Ebene in Betracht gezogen werden muss. In diesem Zusammenhang spricht vieles dafür, dass die EUStA bei der Bekämpfung terroristischer Straftaten einen Mehrwert erbringen und die festgestellten Lücken schließen würde.

Funktionsweise der Europäischen Staatsanwaltschaft

Die EUStA ist eine unabhängige europäische Staatsanwaltschaft, die auf Unionsebene tätig ist und für die Ermittlung, Strafverfolgung und Anklageerhebung im Falle von Straftaten zuständig ist, die sich nachteilig auf die finanziellen Interessen der Union als Ganzes auswirken. Die integrierte Struktur der EUStA besteht aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt und den Europäischen Staatsanwälten, die das EUStA-Kollegium bilden, und ist in Ständigen Kammern organisiert; sie werden in der zentralen Dienststelle der Europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg arbeiten. Die zentrale Dienststelle wird die Delegierten Europäischen Staatsanwälte in den teilnehmenden Mitgliedstaaten anleiten und beaufsichtigen, die integraler Bestandteil der EUStA sind und die EUStA-Fälle untersuchen, verfolgen und vor die zuständigen nationalen Gerichten bringen.

Die zentrale Dienststelle überwacht, leitet und beaufsichtigt die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte und sorgt damit für eine europaweit kohärente Ermittlungs- und Strafverfolgungspolitik, die wirksame und gezielte Folgemaßnahmen ermöglicht. Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte werden die Arbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei-, Zoll- und Finanzermittlungsbehörden, leiten.

Sowohl innerhalb der EUStA als auch zwischen der EUStA und den nationalen Strafverfolgungsbehörden und den EU-Stellen, einschließlich Eurojust, Europol und dem OLAF, wird ein direkter und umgehender Informationsaustausch stattfinden.

Die EUStA wird in allen beteiligten Mitgliedstaaten als zentrale Stelle fungieren, sodass gemeinsame Adhoc-Ermittlungsgruppen oder Rechtshilfeersuchen grundsätzlich nicht mehr erforderlich sind. Bei ihrer gesamten Tätigkeit wird die EUStA auch auf ein breites Spektrum an Ermittlungsmaßnahmen zurückgreifen können, um im Hinblick auf eine stichhaltige und effiziente Strafverfolgung vor Gericht belastende und entlastende Beweise zu sammeln.

4.1. Eine umfassende europäische Antwort durch Ermittlung und Verfolgung grenzüberschreitender terroristischer Straftaten

Die EUStA würde den derzeitigen Bemühungen zur Bekämpfung terroristischer Straftaten eine europäische Dimension verleihen und die bestehenden Mängel beheben, indem sie die Lücken zwischen den nationalen Anstrengungen zur Ermittlung und Verfolgung dieser Straftaten überbrückt. Anders als beim derzeitigen Ansatz würde die EUStA in Fällen von Terrorismus eine direkte Verbindung mit den verschiedenen Behörden der Mitgliedstaaten und Akteuren der Union herstellen. Dies könnte eine entscheidende qualitative Verbesserung darstellen, die die Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten in der gesamten Union wirksamer macht.

Die EUStA wäre gut positioniert, um terroristische Straftaten in der gesamten Union zu verfolgen, da die Delegierten Europäischen Staatsanwälte in die nationalen Systeme eingebettet wären und Hand in Hand mit den nationalen Strafverfolgungsbehörden arbeiten würden und da das EUStA-Kollegium in der Lage wäre, auf Unionsebene eine kohärente Strafverfolgung für die Bekämpfung terroristischer Straftaten zu entwickeln und damit effiziente und wirksame Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zu ermöglichen. Insbesondere könnte die EUStA Ermittlungen anordnen, für die rechtzeitige Erhebung weiterer Beweismittel sorgen, miteinander zusammenhängende Rechtssachen verbinden und die gemeinsame Strafverfolgung sicherstellen sowie alle Kompetenzfragen klären, bevor ein Fall vor Gericht gebracht wird. Sie würde ferner eng mit anderen Unionsakteuren wie Eurojust und Europol zusammenarbeiten und wäre somit in einer strategisch günstigen Position, um für die effektive Umsetzung des Unionsansatzes für die Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten zu sorgen.

4.2. Rechtzeitiger und ausreichender Informationsaustausch über terroristische Straftaten

Die EUStA könnte die derzeitigen Schwierigkeiten bei der rechtzeitigen Weitergabe von Informationen lösen. Sie wäre nicht nur in der Lage, Informationen über terroristische Straftaten bei den Mitgliedstaaten einzuholen, sondern sie könnte auch die nationalen Behörden anweisen, proaktiv und gezielt mehr Informationen zu sammeln. Dies gilt auch für den Informationsaustausch mit Eurojust und Europol.

Die Mitwirkung der EUStA wäre im Hinblick auf die Erhebung, die Weitergabe und die Nutzung bestimmter Arten von Beweismitteln ebenfalls von Vorteil. Da das EUStA-Kollegium aus Europäischen Staatsanwälten aller teilnehmenden Mitgliedstaaten bestehen wird, wird die EUStA in einer guten Ausgangsposition für den Umgang mit sensiblen und vertraulichen Informationen sein. So würde die EUStA beispielsweise sicherstellen, dass dank der Delegierten Europäischen Staatsanwälte und der die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwälte vertraulich bleibt, wie die Informationen gesammelt werden, und dass klare Bearbeitungscodes für die von der EUStA verwendeten Informationen vereinbart werden. Außerdem wäre es für die EUStA als die eine europäische Staatsanwaltschaft einfacher als für die einzelnen Mitgliedstaaten, mit Drittländern oder internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten. In dieser Hinsicht würden für die EUStA die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 über die internationale Zusammenarbeit und der künftige Rechtsrahmen gelten.

Durch ihren integrierten Ansatz wird die EUStA neue Informationskanäle auf Ebene der Delegierten Europäischen Staatsanwälte und der Behörden der Mitgliedstaaten sowie auf zentraler Ebene mit Unionseinrichtungen, Drittländern und internationalen Organisationen schaffen. Der Informationsfluss in der gesamten Union würde erleichtert. Dies würde schnelle Reaktionen auf neue Entwicklungen beim Terrorismus und auf neue Vorgehensweisen der Terroristen ermöglichen.

4.3. Verknüpfung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsphase

Die EUStA wird sowohl für die Ermittlung als auch für die Verfolgung von Straftaten mit nachteiligen Auswirkungen auf den Unionshaushalt zuständig sein und den Vorteil haben, dass sie zur Koordinierung polizeilicher Ermittlungen befugt ist, was beispielsweise das rasche Einfrieren und die Beschlagnahme von Vermögenswerten und die Anordnung von Festnahmen in der gesamten EU ermöglicht. Damit würden auch die bestehenden Defizite behoben, die durch parallele und unkoordinierte Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen in Fällen von Terrorismus bedingt sind.

Die EUStA wird einen viel besser vernetzten und koordinierten Ansatz für Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen ermöglichen. Bei den von der EUStA geleiteten Ermittlungen wird sichergestellt sein, dass alle beteiligten Behörden jederzeit rechtzeitig auf die benötigten Informationen zugreifen können. Darüber hinaus wird es eine klare Entscheidungsstruktur geben, die darauf ausgerichtet ist, für alle betroffenen Mitgliedstaaten das optimale Ergebnis zu erzielen. Bei strafrechtlichen Ermittlungen im Rahmen des neuen Mandats der EUStA wäre diese zentrale Lenkungsfunktion der EUStA von Nutzen. Diese Ermittlungen könnten daher gut koordiniert werden, wobei unabhängig davon, wo die Straftaten begangen wurden, alle Aspekte berücksichtigt werden können. Ein koordiniertes Ermittlungs- und Strafverfolgungskonzept würde auch gewährleisten, dass die Ermittlungsbehörden die Befugnisse der EUStA nutzen können, damit sichergestellt wird, dass Zeitpunkt und Ort der Ermittlungsmaßnahmen so gewählt werden, dass diese möglichst effizient sind, unabhängig davon, wo in der Union die Ermittlungen laufen.

4.4. Effizienz und Kohärenz der Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen

Die EUStA wäre in der Lage, eine kohärente und wirksame Verfolgung terroristischer Straftaten zu gewährleisten, die den Interessen aller beteiligten Mitgliedstaaten und der Union insgesamt Rechnung trägt. Das Kollegium der EUStA wird aus Europäischen Staatsanwälten mit Kenntnis der nationalen Rechtssysteme bestehen, was dazu beitragen würde, auf Fälle von grenzüberschreitendem Terrorismus bestmöglich zu reagieren. Als einziger Akteur auf Unionsebene wäre die EUStA gut positioniert, Kompetenzfragen zu klären, indem sie - auf der Grundlage objektiver Kriterien - entscheiden würde, wo eine Sache vor Gericht zu bringen ist. Eine solche Entscheidung darüber, wer für die Strafverfolgung eines Falls am besten zuständig sein sollte, würde mögliche Konflikte verhindern und unnötige Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Die Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, könnte somit das Potenzial für Kompetenzkonflikte in diesem Bereich verringern und einen wirksamen Mechanismus für die Lösung etwaiger dennoch auftretender Konflikte mit sich bringen.

Hypothetischer künftiger Fall

In Mitgliedstaat A laufen Ermittlungen wegen Terrorismusfinanzierung. Obwohl die Behörden dieses Mitgliedstaats klare Hinweise darauf haben, dass die betreffenden Personen den Terrorismus finanzieren, ist ihnen nicht klar, wo das Geld letztlich verwendet werden soll. Gleichzeitig wird in Mitgliedstaat B im Zusammenhang mit Aktivitäten ermittelt, die als Vorbereitungshandlungen für einen Terroranschlag angesehen werden, einschließlich der Beschaffung von Material zur Herstellung einer sogenannten "schmutzigen Bombe". In Mitgliedstaat C laufen währenddessen Ermittlungen, die sich auf eine bestimmte Website mit terroristischer Propaganda konzentrieren. Die Behörden in Mitgliedstaat C vermuten, dass einige gesperrte Teile der Website auch für die Kommunikation zwischen Mitgliedern einer terroristischen Vereinigung genutzt werden.

Noch keiner der betroffenen Mitgliedstaaten hat Europol oder Eurojust um Unterstützung ersucht, da sie diese Ermittlungen für eine in erster Linie nationale Angelegenheit halten. Erst, als die EUStA durch einen an den Ermittlungen in Mitgliedstaat A beteiligten Delegierten Europäischen Staatsanwalt von der Angelegenheit Kenntnis erhält, wird der Zusammenhang zwischen diesen Fällen erkannt: Die Finanzierung, die Gegenstand der Ermittlungen in Mitgliedstaat A ist, dient eigentlich den Aktivitäten der Gruppe, die die "schmutzige Bombe" in Land B baut, und es wird festgestellt, dass diese Gruppen über die Website, die Gegenstand der Ermittlungen in Mitgliedstaat C ist, miteinander in Kontakt stehen.

Die EUStA kann dafür sorgen, dass die Ermittlungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um Zugang zu den Protokolldateien der Website in Mitgliedstaat C zu erhalten, zur selben Zeit wie die Verhaftung der mit der Finanzierung befassten Gruppe in Mitgliedstaat A und der Vorbereitungsgruppe in Land B stattfinden, sodass keine Gelegenheit besteht, die Beweismittel zu manipulieren.

Alle beteiligten Terrorverdächtigen können gleichzeitig festgenommen und die weiteren Ermittlungsmaßnahmen von einer Stelle koordiniert und durchgeführt werden, die auch sicherstellt, dass keine Konflikte hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit entstehen und die erhobenen Beweismittel zulässig sind.

5. Auswirkungen der Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf mehr als einen Mitgliedstaat betreffende Straftaten

5.1. Auswirkungen auf die EUStA

Die EUStA bietet mit ihrer integrierten institutionellen Struktur und den entsprechenden Entscheidungsprozessen erhebliche Vorteile bei der Bekämpfung grenzüberschreitender terroristischer Straftaten: die Kenntnis der nationalen Rechtssysteme, eine einheitliche Übersicht über die grenzüberschreitende Kriminalität in der Union, eine rasche Entscheidungsfindung durch die Ständigen Kammern, in denen die Europäischen Staatsanwälte tätig sind, sowie die Umsetzung wirksamer Folgemaßnahmen auf nationaler Ebene durch die Delegierten Europäischen Staatsanwälte. Ein Fallbearbeitungssystem wird einen schnellen Kommunikationsfluss zwischen allen in der Union auf zentraler und lokaler Ebene tätigen EUStA-Staatsanwälten gewährleisten. Die institutionelle Struktur und die Entscheidungsprozesse der EUStA sollten bei einer Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, beibehalten werden.

Die Ausweitung würde es jedoch erforderlich machen, die Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zur Errichtung der EUStA in verschiedener Hinsicht zu ändern, um dem erweiterten Mandat und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich die EUStA derzeit auf die Bekämpfung von Straftaten konzentriert, die sich nachteilig auf den Unionshaushalt auswirken. Diese Änderungen würden insbesondere die sachliche Zuständigkeit der EUStA betreffen, aber auch eine Reihe weiterer Anpassungen nach sich ziehen. Darüber hinaus hätte eine Ausweitung der Zuständigkeit der EUStA auf mehr als einen Mitgliedstaat betreffende Straftaten auch Auswirkungen auf den Haushalt und die Personalausstattung der EUStA.

Im Anschluss an den Beschluss des Europäischen Rates zur Änderung von Artikel 86 AEUV (siehe oben) würde die Kommission einen Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 vorlegen, um die Zuständigkeit der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, auszuweiten, einschließlich der erforderlichen Anpassungen.

Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit der EUStA erstreckt sich derzeit auf Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichtetem Betrug21.

Analog dazu kann die sachliche Zuständigkeit der EUStA durch einen Verweis auf die Richtlinie (EU) Nr. 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung22 auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, ausgedehnt werden.

Artikel 86 Absatz 4 AEUV sieht die Möglichkeit vor, die sachliche Zuständigkeit der EUStA auf eine Reihe von schweren Straftaten mit grenzüberschreitender Dimension auszudehnen. Mit der vorliegenden Initiative strebt die Kommission eine Ausweitung auf terroristische Straftaten an, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen.

Im Anschluss an eine solche gezielte Ausweitung wäre Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 entsprechend zu ändern, indem ein neuer Absatz eingefügt wird, mit dem der EUStA die Zuständigkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3 bis 12 und des Artikels 14 der - in nationales Recht umgesetzten - Richtlinie (EU) Nr. 2017/541 übertragen wird, sofern diese Straftaten mehr als einen Mitgliedstaat betreffen23.

Zu den in der Richtlinie (EU) Nr. 2017/541 genannten Straftaten gehören "terroristische Straftaten", "Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung" sowie "Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten" wie die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat, die Anwerbung für terroristische Zwecke, die Durchführung bzw. das Absolvieren einer Ausbildung für terroristische Zwecke, Reisen für terroristische Zwecke, die Organisation bzw. Erleichterung solcher Reisen sowie die Terrorismusfinanzierung. Dabei geht es nicht nur um die Begehung solcher Straftaten, sondern auch um Beihilfe, Anstiftung und Versuch.

Die Ausweitung der Zuständigkeit der EUStA auf solche Straftaten müsste sich in Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ("Begriffsbestimmungen") niederschlagen, in dem auch klarzustellen wäre, dass die fraglichen Straftaten mehr als einen Mitgliedstaat betreffen müssen.

Sonstige Anpassungen der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939

Da der derzeitige Rahmen der EUStA für die Ermittlung, Verfolgung und Anklageerhebung im Falle von Straftaten zum Nachteil des Unionshaushalts konzipiert ist, erfordert die Ausweitung der Zuständigkeit der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, weitere Folgeanpassungen der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 , damit sie auf solche Fälle angewandt werden kann.

Zu den Fragen, die in der Verordnung behandelt werden sollten, gehören beispielsweise die Festlegung der territorialen und der personellen Zuständigkeit der EUStA, die mögliche Notwendigkeit einer Anpassung der Voraussetzungen für die Ausübung der Zuständigkeit der EUStA (wobei in einigen Fällen Aspekte eine Rolle spielen, die in erster Linie für Straftaten zum Nachteil des Haushalts relevant sind, wie etwa das Ausmaß des Schadens oder die Höhe der Finanzierung aus dem Unionshaushalt), ihre Ermittlungsbefugnisse oder die Grundsätze der Zuständigkeit. Außerdem enthält der derzeitige Rahmen eine Reihe von Bestimmungen über Finanzstraftaten unter Bezugnahme auf finanzielle Schwellenwerte24 und über die Anforderungen an das besondere Fachwissen im Bereich der Finanzermittlungen als Auswahlkriterium für die Ernennung der EUStA-Staatsanwälte25. Diese Bestimmungen werden entsprechend angepasst werden müssen, um den besonderen Erfordernissen bei der Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten Rechnung zu tragen.

Haushalts- und Personalaspekte

Die Ausweitung des Mandats der Europäischen Staatsanwaltschaft hätte auch Auswirkungen auf den Haushalt und die Personalausstattung der EUStA, da wegen der größeren Arbeitsbelastung auch mehr Staatsanwälte und sonstiges Personal mit besonderer Erfahrung im Bereich der Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten benötigt würden. Zudem müssten die notwendigen Sicherheitsanforderungen der EUStA entsprechend angepasst werden. Die Auswirkungen werden auf der Grundlage detaillierterer Informationen bewertet, die dem Finanzbogen zu entnehmen sein werden, der einem Legislativvorschlag beizufügen ist.

5.2. Auswirkungen auf EU-Agenturen und nationale Behörden

Eine Ausweitung der Zuständigkeit der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, hätte Auswirkungen auf die derzeitigen Aufgaben und Rollen von Europol und Eurojust sowie auf die nationalen Behörden. So sollte beispielsweise die Fähigkeit zur Durchführung kriminalistischer Analysen auf EU-Ebene weiter ausgebaut werden, da diese Form der Analyse einer der größten Vorteile des Informationsaustauschs auf dieser Ebene ist. Der EUStA könnte die Befugnis übertragen werden, Europol anzuweisen26, Kriminalitätsanalysen für sie durchzuführen. Ebenso würde die EUStA ihre Arbeit eng mit Eurojust koordinieren, um die Komplementarität der Strafverfolgungsmaßnahmen der EUStA und derjenigen, die mit Unterstützung von Eurojust von den nationalen Behörden durchgeführt werden, zu gewährleisten. Diese Komplementarität würde die Rolle von Eurojust als wichtiges Bindeglied für eine koordinierte Verfolgung grenzüberschreitender Straftaten im Zusammenhang mit Terrorismus, wie z.B. Cyberkriminalität, stärken. Gleichzeitig könnte Eurojust seine Ressourcen für die Unterstützung grenzüberschreitender Ermittlungen im Falle anderer Straftaten wie organisierte Kriminalität, Drogenhandel und Menschenhandel einsetzen.

Die Schaffung enger Beziehungen zwischen der EUStA, Eurojust und Europol könnte zu Synergien führen, die allen an der Bekämpfung von terroristischen Straftaten Beteiligten zugutekämen und Doppelarbeit verhindern würden. Auf diese Weise würden knappe Ressourcen so effizient wie möglich eingesetzt.

Die Ausweitung der Zuständigkeit der EUStA auf terroristische Straftaten hätte auch Auswirkungen auf ihre Arbeit mit anderen Unions- oder nationalen Behörden sowie auf die Vorgehensweise und den Rahmen für die Zusammenarbeit der EUStA mit ihnen. Dazu gehören beispielsweise die zentralen Meldestellen (Financial Intelligence Units - FIUs), die u.a. für verdächtige Transaktionen im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung zuständig sind.

6. Schlussfolgerung

Die Bedrohung durch den Terrorismus ist nach wie vor groß und nimmt weiter zu. Die Europäische Union muss daher umso kraftvoller darauf reagieren. Die Stärkung der Kapazitäten auf Unionsebene zur Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und zur Anklageerhebung gegen die Täter ist Teil der umfassenden europäischen Antwort auf terroristische Bedrohungen.

Da die EUStA die einzige Unionseinrichtung mit der Befugnis ist, strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen, Straftaten vor den zuständigen nationalen Gerichten zu verfolgen und Täter anzuklagen, verfügt sie auch über ein großes Potenzial, zu den laufenden Bemühungen um Bekämpfung terroristischer Straftaten in der Europäischen Union beizutragen.

Mit dieser Mitteilung ersucht die Kommission den Europäischen Rat, diese Initiative mit Blick auf den Gipfel in Sibiu am 9. Mai 2019 zusammen mit dem Europäischen Parlament voranzubringen und die Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, zu beschließen.

Europäische Kommission
Brüssel, den 12.9.2018
COM (2018) 641 final

ANNEX
Anhang der Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament und den Europäischen Rat

Ein Europa, das schützt: eine Initiative zur Ausweitung der Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft auf grenzüberschreitende terroristische Straftaten

Anhang
Entwurf eines Beschlusses des Europäischen Rates zur Änderung von Artikel 86 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Bezug auf die Zuständigkeiten der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA)

DER Europäische Rat - gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 17 Absatz 1, sowie auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 86 Absatz 4, nach Stellungnahme der Europäischen Kommission, nach Zustimmung des Europäischen Parlaments, in Erwägung nachstehender Gründe:

Artikel 1

Artikel 86 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:

(1) Zur Bekämpfung von Terrorismus und von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union kann der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen ausgehend von Eurojust eine Europäische Staatsanwaltschaft einsetzen. Der Rat beschließt einstimmig nach Zustimmung des Europäischen Parlaments."

2. Absatz 2 erhält folgende Fassung:

(2) Die Europäische Staatsanwaltschaft ist, gegebenenfalls in Verbindung mit Europol, zuständig für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung in Bezug auf Personen, die als Täter oder Teilnehmer terroristische Straftaten, die mehr als einen Mitgliedstaat betreffen, oder Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union begangen haben, die in der Verordnung nach Absatz 1 festgelegt sind. Die Europäische Staatsanwaltschaft nimmt bei diesen Straftaten vor den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr."

Artikel 2

Dieser Beschluss tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am xx. xxxxx 20xx.

Im Namen des Europäischen Rates
Der Präsident