832. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2007
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, das in Artikel 174 Abs. 1 EGV verankerte Ziel, im Umweltbereich ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten, zu verwirklichen. Er stimmt mit der Kommission in der Einschätzung überein, dass Umweltkriminalität generell effektiv bekämpft werden muss sowie dass Umweltstraftaten häufig in Form grenzüberschreitender Tätigkeiten begangen werden und grenzüberschreitende Auswirkungen nach sich ziehen.
- 2. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass eine volle Harmonisierung des Umweltstrafrechts - ungeachtet sich insoweit ergebender kompetenzrechtlicher Bedenken - über das notwendige Maß hinausginge und die Tatsache ignorieren würde, dass das Strafrecht jedes Mitgliedstaats stark durch die kulturellen Werte des betreffenden Staats beeinflusst ist. Denn das Strafrecht ist nicht Gegenstand der Harmonisierung, sondern als Ultima Ratio ein Mittel zur Erreichung von Gemeinschaftszielen.
- 3. Der Bundesrat erkennt an, dass nach dem Urteil des EuGH vom 13. September 2005 (Rs. C-176/03, Kommission gegen Rat) eine Annexkompetenz der Gemeinschaft zum Erlass einer Richtlinie zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt auf der Grundlage von Artikel 175 Abs. 1 EGV bestehen kann. Er weist jedoch darauf hin, dass eine Regelungskompetenz hinsichtlich des materiellen Strafrechts aus dem Gesichtspunkt der Annexkompetenz nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen strafrechtliche Maßnahmen erforderlich sind, um die volle Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Rechtsnormen zu gewährleisten, und wenn die Anwendung von Sanktionen eine unerlässliche Maßnahme darstellt.
- 4. Diese Erforderlichkeit strafrechtlicher Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes hat die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen. Der im Richtlinienvorschlag enthaltene schlichte Verweis auf die in Auftrag gegebenen Studien enthält auf Grund des Alters der Studien und ihres Inhalts keine hinreichenden Belege für die Notwendigkeit der Einführung gemeinschaftsrechtlicher Straftatbestände. Der Bundesrat befürwortet daher, zunächst den aktuellen Bedarf für die Einführung entsprechender Regelungen zu ermitteln und zudem untersuchen zu lassen, ob in den Mitgliedstaaten, in denen nach Ansicht der Kommission bereits weitgehend effektive strafrechtliche Regelungen bestehen, tatsächlich deutlich weniger Verstöße gegen umweltschutzrechtliche Bestimmungen der Gemeinschaft festzustellen sind als in anderen Mitgliedstaaten.
- 5. Die unabdingbare Notwendigkeit der Anknüpfung an die Gewährleistung der von der Gemeinschaft erlassenen Rechtsnormen und damit an die Wirksamkeit gemeinschaftlicher Regelungen hat der Bundesrat zudem bereits in seinem Beschluss vom 10. Februar 2006 zur Mitteilung der Kommission der EG an das Europäische Parlament und den Rat über die Folgen des Urteils des Gerichtshofs vom 13. September 2005 - BR-Drucksache 895/05(B) - deutlich gemacht. Die Gemeinschaft hat in der ersten Säule nicht die Möglichkeit, eine strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen das nationale Recht vorzusehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es der Gemeinschaft nicht gestattet, Straftatbestände zu formulieren, in denen die vorausgesetzte Rechtswidrigkeit nicht nur als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht definiert wird, sondern auch bei einem Verstoß gegen das Recht eines Mitgliedstaats vorliegen soll, bzw. Straftatbestände zu formulieren, in denen auf das Kriterium der Rechtswidrigkeit der Handlung vollständig verzichtet wird.
- 6. Die im Richtlinienvorschlag vorausgesetzte "Rechtswidrigkeit" der Straftatbestände bezieht sich jedoch nach der Definition des Artikels 2 Buchstabe a sowohl auf einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift der Gemeinschaft als auch gegen Rechtsvorschriften nationalen Ursprungs. Hierdurch wird die Regelungskompetenz überschritten.
- 7. In diesem Bereich bleiben die Mitgliedstaaten für die Festlegung des zu sanktionierenden Verhaltens zuständig.
- 8. Innerstaatliches Recht der Mitgliedstaaten könnte allenfalls dann einbezogen werden, wenn und soweit es sich aus der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts ergibt. Im Übrigen sollte es den Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben zu entscheiden, ob sie Rechtsbestimmungen ausschließlich nationalen Ursprungs von dem Richtlinienvorschlag ausnehmen möchten.
- 9. Der EuGH betont in seiner Entscheidung vom 13. September 2005 ferner, dass eine Kompetenz der Gemeinschaft, die strafrechtliche Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen in der ersten Säule vorzusehen, nur insoweit besteht, als die Gemeinschaft die Strafbarkeit - als solche - regeln könne, den Mitgliedstaaten aber die Wahl der anwendbaren strafrechtlichen Sanktionen überlassen bleiben muss. Folglich legitimiert die Einschätzung der Kommission, es bedürfe gemeinschaftsrechtlicher Strafnormen, nicht jede Regelungstiefe. Damit sind gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vereinbar, die entweder Mindest- bzw. Höchststrafen verbindlich vorsehen oder auch nur die Strafen (Geld- oder Freiheitsstrafe) verbindlich regeln.
- 10. Auf Grund der fundamentalen Unterschiede in den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und der ihnen zukommenden limitierenden Funktion ist der Bundesrat der Auffassung, dass Fragen des allgemeinen Teils des Strafrechts von der Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht gedeckt sind. Das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip ist insoweit als kompetenzrechtliches Regulativ im Sinne des Grundsatzes eines Interventionsminimums strikt zu beachten. Folglich sind Regelungen über die subjektive Seite der Tatbegehung (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) ebenso wie über die Tatbeteiligung (Täterschaft und Teilnahme) und die strafrechtliche Ahndung des Verhaltens juristischer Personen einer gemeinschafsrechtlichen Regelung nicht zugänglich.
- 11. Im Bereich Strahlenschutz ist der Euratomvertrag als lex specialis zu beachten. Er stellt eine abschließende Regelung für den Bereich Strahlenschutz dar und beinhaltet keine Kompetenz für strafrechtliche Instrumente zum Strahlenschutz.
- 12. Der Bundesrat weist daraufhin, dass in Deutschland bereits ausreichende Strafregelungen für Straftaten gegen die Umwelt bestehen.
Für die Bereiche Bodenverunreinigung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen und gefährlichen Abfällen sowie Schädigung von Tieren und Pflanzen sind Strafvorschriften in den §§ 307 bis 312 und 324 bis 328 Strafgesetzbuch (StGB) enthalten. Eine strafrechtliche Sanktion einer rechtswidrigen erheblichen Schädigung eines geschützten Lebensraums ist in § 329 Abs. 3 StGB enthalten. Artenschutzrechtliche Strafvorschriften finden sich in § 66, Bußgeldvorschriften in § 65 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Für den Bereich Chemikaliensicherheit enthält das deutsche Recht Straf- und Bußgeldvorschriften in §§ 26 und 27 Chemikaliengesetz (ChemG). Für Verstöße gegen EU-Rechtsakte auf dem Gebiet des Chemikalienrechts gelten ergänzend die Straf- und Bußgeldvorschriften der Verordnung zur Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen über Stoffe und Zubereitungen (ChemStrOWiV).
Zu Artikel 2
- 13. Die Bundesregierung wird gebeten, auf eine Ergänzung zur Definition der Rechtswidrigkeit in Artikel 2 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags hinzuwirken, die klarstellt, dass eine Rechtswidrigkeit nur dann gegeben ist, wenn zusätzlich zum Unrechtstatbestand kein Rechtfertigungsgrund greift.
Die bisherige Formulierung der Definition wirft die Frage auf, ob und wie allgemeine Rechtfertigungsgründe wie z.B. § 32 StGB (Notwehr) im Rahmen eines europarechtlichen Umweltdelikts berücksichtigt werden können.
Zu Artikel 3
- 14. Die Strafbarkeit einer Handlung, ohne dass das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit gegeben ist, wie es Artikel 3 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags vorsieht, ist im deutschen Strafrecht nicht vorgesehen und wird daher abgelehnt.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den Beratungen des Vorschlags eng an die Formulierung des Rahmenbeschlusses 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 zu halten.
Mit dem Rahmenbeschluss wurde ein dem deutschen Strafrecht hinsichtlich des Katalogs der Straftaten und der Differenzierung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehungsweise von Taten entsprechendes Instrument geschaffen. Der Richtlinienvorschlag geht mit der Forderung, die unter Artikel 3 Buchstaben e und h benannten Taten als vorsätzliche und grob fahrlässige Begehungsweise unter Strafe zu stellen, über den Rahmenbeschluss hinaus. Eine Ausweitung der Straftatbestände sollte auf Grund des Subsidiaritätsprinzips aber Sache der Mitgliedstaaten bleiben.
- 16. Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, sich bei den Beratungen der Richtlinie im Rat zumindest dafür einzusetzen, dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Vorgaben in nationales Recht einen größeren Spielraum erhält. Insbesondere soll dem nationalen Gesetzgeber die Wahl der Sanktionsform, d. h. die Wahl zwischen strafrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Sanktionsform, überlassen bleiben. Zur Ermöglichung dieser Wahl müssen auch die Vorgaben zum Strafrahmen angepasst werden.
Die Richtlinie sieht in der vorgelegten Form vor, dass alle unter Artikel 3 benannten Delikte als Straftat verfolgt werden müssen, die Möglichkeit der Einstufung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit entfällt damit. Diese Regelung führt dazu, dass Einzelregelungen im deutschen Recht verschärft werden müssen. Beispielsweise müssten mit der Neuregelung des Abfallverbringungsgesetzes zur Umsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, die zurzeit in der öffentlichen Anhörung befindlich ist, anstelle der bislang vorgesehenen Bußgelder Freiheitsstrafen eingeführt werden. Die Freiheit des nationalen Gesetzgebers, die Frage der angemessenen Strafbewehrung innerhalb des jeweiligen nationalen Systems zu bewerten, wird insbesondere hinsichtlich der vom Ratsbeschluss abweichenden Straftatbestände durch die Vorgaben unzulässig eingeschränkt.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass im Verlauf der weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags in den Gremien der EU in Artikel 3 [Buchstabe g] und Buchstabe h gestrichen werden.
- 18.
- 19. Nach der derzeitigen Fassung des Richtlinienvorschlags sind die Tatbestände des Artikels 3 so ausgestaltet, dass
- [- der unerlaubte Besitz, die unerlaubte Entnahme, Beschädigung oder Tötung von sowie der unerlaubte Handel mit geschützten wildlebenden Tier- oder Pflanzenarten oder Teilen davon (Buchstabe g) sowie]
- - die rechtswidrige erhebliche Schädigung eines geschützten Lebensraums (Buchstabe h)
unter Strafe gestellt werden.
(setzt Annahme von Ziffer 17 voraus) - 20.
- 21. Es wird davon ausgegangen, dass "geschützte Lebensräume" im Sinne dieses Straftatbestandes die nach der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie auszuweisenden besonderen Schutzgebiete sind; wären darunter nur die im Sinne des Anhangs I der FFH-Richtlinie beziehungsweise die nach Artikel 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie zu schützenden Lebensräume europäischer Vogelarten zu verstehen, ergäbe sich im Hinblick auf das Nachfolgende kein Unterschied. (setzt Annahme von Ziffer 19 voraus; bei Annahme entfällt Ziffer 22)
Der Straftatbestand ist äußerst problematisch und hätte weit reichende Konsequenzen für den verwaltungsrechtlichen Vollzug des Gebietsschutzes. Der Straftatbestand müsste hinsichtlich seiner Bestimmtheit nämlich den Erfordernissen des Artikels 103 Abs. 2 GG genügen. Es müsste dann genau normiert sein, was eine "erhebliche Schädigung" ist. Dies wäre mit den herkömmlichen Mitteln der Ausweisung allerdings nur mit ganz erheblichen Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in vielen Schutzgebieten der Anteil des eigentlich zu schützenden Lebensraums gerade einmal 30 % ausmacht. Bei Orchideenwiesen etwa verbietet sich die genaue Benennung der Vorkommen, weil dies erfahrungsgemäß Sammler anziehen würde und die Orchideen so einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt wären. Ferner sind viele nach den beiden Naturschutzrichtlinien zu schützenden Lebensräume auf bestimmte Nutzungen angewiesen. Gleichzeitig unterliegt ihre Ausprägung oder ihr Erhaltungszustand im Hinblick auf natürliche Gegebenheiten - insbesondere das Wetter - natürlichen Schwankungen. Danach kann eine erhebliche Schädigung geschützter Lebensräume von Jahr zur Jahr unterschiedlich beurteilt werden. Andererseits kann die schlechte Ausprägung eines Lebensraumtyps heute langfristig im Hinblick auf die Zielsetzungen der Naturschutzrichtlinien unschädlich sein. So ist es in einem Wald beispielsweise in Folge von Windwurf, anderen natürlichen Schadensereignissen oder der natürlichen Sukzession unvermeidlich, dass sich der Erhaltungszustand des Waldes für einen Zeitraum von 30 bis 50 Jahren verschlechtert. Wollte man insoweit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügen, müssten die Schutzgebiete in einer bisher nicht üblichen Detailschärfe erfasst und die Daten dauerhaft qualitätsgesichert werden, um auf ... diese Art und Weise den Umfang der von einem Dritten oder dem Bewirtschafter - nur er könnte wohl grob fahrlässig oder vorsätzlich handeln - verursachten Störung oder Beeinträchtigung überhaupt nachweisen zu können. Land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung werden zum Zwecke der Gewinnerzielung durchgeführt. Es ist hierzu unvermeidlich, dass einzelne Flächen im Rahmen der Betriebsabläufe vorübergehenden Beeinträchtigungen unterworfen sind. Dies fällt nicht ins Gewicht, solange im Rahmen eines auch Naturschutzaspekte einbeziehenden Verständnisses der guten fachlichen Praxis insgesamt ein Ausgleich stattfindet. Dies ist besonders ausgeprägt in der Forstwirtschaft, bei der die Ernte alter und damit für den Naturschutz wertgebender Bestände Hand in Hand geht mit der Nachzucht neuer Bestände. Hier müssten künftig im Wege der Ausweisung die Bereiche genau bezeichnet werden, in die eingegriffen beziehungsweise nicht eingegriffen werden darf. Dabei würden voraussichtlich weitere Schwierigkeiten entstehen, weil die in großflächige Schutzgebiete einbezogenen Grundstücke einer Vielzahl von Eigentümern gehören oder einer Vielzahl von Nutzungsberechtigungen unterliegen. Damit diese Eigentümer und Nutzer nicht dem Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt werden, müsste ein jeweils gebietsbezogenes System der Zuteilung von Nutzungsrechten eingerichtet werden. Eine gewinnorientierte freie Land- und Forstwirtschaft wäre in solchen Gebieten durch die auf diese Weise entfachte Bürokratie kaum noch möglich. Nicht nur diese Bürokratie, sondern auch die entstehenden Entschädigungsansprüche würden Kosten in erheblichem Umfang verursachen.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die vorgesehene Regelung von erheblicher praktischer Bedeutung für Bauprojekte sein kann. Denn gerade bei linienförmigen Maßnahmen, für die aufwändige Genehmigungsverfahren betrieben werden (Planfeststellungsverfahren), kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in den Bereichen, in denen daran anschließend die erforderlichen Baumaßnahmen durchgeführt werden müssen, geschützte wildlebende Tiere oder Pflanzenarten angesiedelt haben, die nicht Gegenstand der im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu erteilenden Befreiung sind. Werden diese im Zuge der Baudurchführung beseitigt oder getötet, wäre der Straftatbestand erfüllt. Um diesem Risiko zu entgehen, müssten vor jedem Baubeginn aufwändige Untersuchungen durchgeführt werden um sicher zu gehen, dass sich auf dem Baufeld tatsächlich keine geschützten Tiere oder Pflanzenarten befinden. Gegebenenfalls müsste ergänzend der Planfeststellungsbeschluss geändert werden.
- 22. Der Bundesrat hält den Straftatbestand in Artikel 3 Buchstabe h für nicht erforderlich. Er geht davon aus, dass der Begriff des "geschützten Lebensraums" die europäischen Vogelschutzgebiete und die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung meint. Die Erheblichkeit einer Schädigung gebietsbezogen so zu definieren, dass ein dem Bestimmtheitserfordernis des Artikel 103 Abs. 2 GG genügender Straftatbestand formuliert werden kann, wäre fachlich sehr aufwendig und würde den Vollzug des Schutzgebietsmanagements erheblich verkomplizieren. Naturschutzfachliche Einschätzungen, für die gewisse Unschärfen hinnehmbar sind, müssten in einem Gesetz, einer Verordnung oder zumindest einem Bescheid genau quantifiziert werden. Alternativ müssten Tätigkeiten, die der täglichen Wirtschaftsweise der ordnungsgemäßen Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zuzurechnen sind, unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden, was mit dem Leitbild einer freien Land- und Forstwirtschaft nicht vereinbar wäre. Für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft bietet die Richtlinie 2004/35/EG und das im Gesetzgebungsverfahren befindliche Umweltschadensgesetz einen hinreichenden wirtschaftlichen Anreiz, bei der beruflichen Tätigkeit auf geschützte Lebensräume Rücksicht zu nehmen. In Bezug auf Dritte enthält das bestehende nationale Umweltstrafrecht, auch die nach Artikel 3 Buchstaben a bis f in Aussicht genommenen Straftaten, einen hinreichenden Sanktionsrahmen. (setzt Annahme von Ziffer 17 voraus; entfällt bei Annahme von Ziffer 21)
Zu Artikel 5 und weiteren Artikeln
- 23. Das Strafmaß erscheint im Hinblick auf die Unterscheidung von natürlichen und juristischen Personen nicht angemessen. Während natürliche Personen je nach Straftat und Schuld mit nicht unerheblichen Freiheitsstrafen (von einem bis zu zehn Jahren) bestraft werden können, erscheinen die vorgesehenen Geldstrafen für juristische Personen je nach der Größe des Unternehmens im Verhältnis zu der möglichen Beeinträchtigung der Schutzgüter unzureichend, als keine angemessene Sanktionierung. Angesichts der Bandbreite der mit dem vorliegenden Vorschlag einbezogenen Straftaten und der Vielzahl der damit angesprochenen Schutzgüter wird der Rückgriff für die Festlegung der Geldbußen auf die Regelungen, die über die Verschmutzung von Schiffen in einem Rahmenbeschluss des Rates (2005/667/JI) festgelegt wurden, nicht für geeignet erachtet. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass in der Praxis sich auch andere Sanktionen, wie z.B. die so genannte Vorteilsabschöpfung als sinnvoll erwiesen haben. Der in der Begründung des Richtlinienvorschlags aufgeführte Verweis auf den Rahmenbeschluss des Rates (2005/212/JI) über die Einziehung von Erträgen, Tatwerkzeugen und Vermögensgegenständen aus Straftaten erscheint insoweit nicht ausreichend.
- 24. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiterhin sich dafür einzusetzen, dass der Verweis auf Artikel 3 Buchstabe g in Artikel 5 Abs. 2 und Abs. 3 Buchstabe c im Richtlinienvorschlag nicht weiterverfolgt wird. Fälle, die den Tatbestand dieser Erfolgsqualifikationen erfüllen, sind in der Praxis nicht denkbar. Die "erhebliche Schädigung von Luft, Wasser, Tieren oder Pflanzen" wird regelmäßig nicht Folge einer unerlaubten Tötung, Beschädigung oder Entnahme von einem oder mehreren Exemplaren einer geschützten Art sein, sondern wird in der Praxis nur Folge von Straftaten nach Artikel 3 Buchstabe a bis f sein.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 25. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme der Kommission.