Der Bundesrat hat in seiner 903. Sitzung am 23. November 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 2 Absatz 9d KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob es - unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots - erforderlich ist, in § 2 Absatz 9d KWG eindeutig klarzustellen, welche Regelungen des KWG für zentrale Gegenparteien gelten. Dabei ist auch der Fall zu berücksichtigen, dass zentrale Gegenparteien über die Erlaubnis zum Betreiben weiterer Bankgeschäfte oder zur Erbringung von Finanzdienstleistungen verfügen.
Begründung:
Die in § 2 Absatz 9c KWG genannten Bestimmungen gelten überwiegend für Institute als rechtliche Einheit und sind nicht geschäftsspezifisch ausgestaltet. § 2 Absatz 9d KWG, der § 2 Absatz 9c KWG auf bestimmte Geschäfte für anwendbar erklärt, trägt dem nicht hinreichend Rechnung. Für den Fall, dass eine zentrale Gegenpartei weitere - erlaubnispflichtige - Geschäfte betreibt, ist nicht klar geregelt, wann Bilanzpositionen (Eigenkapital, Verbindlichkeiten und Rückstellungen sowie Risikoaktiva), operationelle und sonstige Risiken gegebenenfalls auf die einzelnen Geschäfte aufzuteilen sind. Insoweit ist fraglich, ob das in § 2 Absatz 9d KWG enthaltene Tatbestandsmerkmal "Geschäfte im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12" hinreichend bestimmt ist.
Im Übrigen sollte sichergestellt werden, dass hinsichtlich der für Institute geltenden Pflichten keine Normenkonflikte mit anderen Regelwerken, insbesondere zwischen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und dem KWG, auftreten.
2. Zu Artikel 1 Nummer 21 (§ 64q KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob den Übergangsvorschriften der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 durch die vorgesehenen Änderungen des KWG sachgerecht, konsistent und in vollem Umfang Rechnung getragen wird oder ob insoweit Ergänzungen oder Klarstellungen insbesondere in § 64q KWG erforderlich sind.
Begründung:
Anstelle des - mit dem EMIR-Ausführungsgesetz entfallenden - Erlaubnisvorbehalts nach § 32 KWG hinsichtlich der Tätigkeit als zentrale Gegenpartei ist künftig eine Erlaubnis nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 erforderlich. Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen KWG-Bestimmungen geben nicht hinreichend klar Aufschluss über das mögliche Erlöschen einer bestehenden KWG-Erlaubnis für das Betreiben von Bankgeschäften nach dem derzeitigen § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 KWG (Tätigkeit als zentraler Kontrahent).
Nach Artikel 89 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 gelten die nationalen Bestimmungen über die Zulassung zentraler Gegenparteien bis zu einer Entscheidung über die Zulassung als zentrale Gegenpartei nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 fort. Im Hinblick auf Kreditinstitute, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KWG-Änderungen lediglich über eine Erlaubnis zum Betreiben eines zentralen Kontrahenten verfügen, sind die Rechtsfolgen bis zur Erteilung einer Erlaubnis nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in § 64q Absatz 1 KWG ausreichend geregelt. Unklar ist dagegen die Rechtslage für zentrale Gegenparteien, die über weitere Erlaubnisse nach § 32 KWG verfügen. Außerdem fehlt eine eindeutige Regelung zum Erlöschen der bisherigen Erlaubnis.
3. Zu Artikel 3 Nummer 2 (§ 3 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 BörsG)
Artikel 3 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. In § 3 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 werden die Wörter "eines zentralen Kontrahenten" durch die Wörter "einer zentralen Gegenpartei" ersetzt und nach dem Wort "wird" die Wörter "oder die Voraussetzungen ... <weiter wie Vorlage>" eingefügt."
Begründung:
Durch die Änderung wird der national eingeführte Begriff des zentralen Kontrahenten ersetzt durch den gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/12 (PDF) europaweit einheitlichen Begriff der zentralen Gegenpartei - so wie dies beispielsweise auch in Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 KWG) erfolgt.
4. Zu Artikel 7 (Artikel 102b § 2 Absatz 2 EGInsO)
In Artikel 7 ist Artikel 102b § 2 Absatz 2 zu streichen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht unter den Voraussetzungen des Artikels 7 Artikel 102b § 2 Absatz 2 EG InsO eine Nachteilsausgleichsverpflichtung für zentrale Gegenparteien vor. Die Regelung gibt dem Insolvenzverwalter eines insolventen Clearingmitglieds die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Insolvenzgläubiger des Clearingmitglieds durch eine Maßnahme nach Artikel 102b § 1 EG InsO - dabei handelt es sich um bestimmte Maßnahmen nach Artikel 48 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 - im Vergleich zu einer Abwicklung nach § 104 InsO benachteiligt werden. In diesem Fall hat die zentrale Gegenpartei diesen Nachteil gegenüber der Masse zu erstatten (Nachteilsausgleich).
Der Bundesrat lehnt die Nachteilsausgleichsverpflichtung zentraler Gegenparteien insbesondere aus folgenden Gründen ab:
Die Nachteilsausgleichsverpflichtung widerspricht der zentralen Zielsetzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, Positionen und Vermögenswerte der Kunden eines Clearingmitglieds im Fall der Insolvenz des Clearingmitglieds zu schützen und dadurch ein hohes Schutzniveau für die Kunden sicherzustellen. Diesem Ziel dienen insbesondere die in Artikel 48 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 bei Ausfall eines Clearingmitglieds vorgesehenen Verfahren zur Übertragung von Positionen und Vermögenswerten der Kunden auf ein solventes Clearingmitglied. Durch die Übertragung auf ein solventes Clearingmitglied soll die Trennung der Positionen und Vermögenswerte von der Insolvenzmasse des ausgefallenen Clearingmitglieds ermöglicht werden. Der im Gesetzentwurf vorgesehene Nachteilsausgleich hebt diese Trennung auf und verpflichtet zentrale Gegenparteien, die Insolvenzmasse wirtschaftlich gesehen so zu stellen, als ob die in der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vorgesehenen Verfahren nicht angewandt worden seien. Damit ignoriert der Gesetzentwurf, dass die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 etwaige Nachteile für die Insolvenzmasse aus Gründen des Kundenschutzes, dem sie zentrale Bedeutung zumisst, hinnimmt.
Die Nachteilsausgleichsverpflichtung stellt die Durchführbarkeit der in der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vorgesehenen Verfahren gewissermaßen unter den Vorbehalt des deutschen Insolvenzrechts. Aus Erwägungsgrund 64 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 folgt jedoch, dass die Regelungen der Verordnung, welche die Übertragung der Positionen und Vermögenswerte der Kunden eines ausgefallenen Clearingmitglieds auf ein solventes Clearingmitglied vorsehen, Vorrang vor etwaigen kollidierenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten haben, die die Parteien an der Erfüllung dieser Vorschriften hindern.
Die Beeinträchtigung der Stabilisierungsfunktion zentraler Gegenparteien kann den Finanzplatz Deutschland insgesamt schädigen.
Die Nachteilsausgleichsverpflichtung würde die Wettbewerbsfähigkeit der Clearing-Dienstleistungen deutscher zentraler Gegenparteien im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern erheblich schwächen.
Der Bundesrat hält aus den genannten Gründen die Streichung des Artikels 102b § 2 Absatz 2 EG InsO für dringend geboten.