892. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2012
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:
1. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe bbb (§ 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c VIG)
In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe bbb sind in § 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c die Wörter 'nach den Wörtern "Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse" die Wörter ", insbesondere Rezepturen, Konstruktions- oder Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen," eingefügt und' zu streichen.
Begründung:
Der Bundesrat lehnt die vom Deutschen Bundestag unter Nummer 1 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa der Beschlussempfehlung (BT-Drucksache 17/7993) beschlossene Klarstellung des Begriffs des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses mittels Aufzählung von Beispielen ab. Der Bundesrat hält die bislang praktizierte Orientierung des Begriffs des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses an den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für ausreichend und begrüßt zudem ausdrücklich die von der Bundesregierung vorgenommene - und vom Bundestag akzeptierte - Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind". Durch die vom Bundestag beschlossene Formulierung "sowie sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen" wird jedoch die Streichung eines problematischen unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Einführung eines neuen problematischen unbestimmten Rechtsbegriffs konterkariert.
Die umfassende Definition des Bundesverfassungsgerichtes zum Ausschlusstatbestand der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vermittelt auch ohne nähere Erläuterung im Gesetzestext einen angemessenen Schutz und ist im Vollzug auch bei einer Änderung der Rechtsprechung handhabbar. Eine Ergänzung im Gesetzestext wäre immer mit der Frage nach einer eigenständigen Bedeutung dieser Passage verbunden und würde damit dem Ziele einer schnellen und rechtssicheren Antragsbearbeitung zuwiderlaufen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe d (§ 3 Satz 6 - neu - VIG)
In Artikel 1 Nummer 4 ist Buchstabe d wie folgt zu ändern:
- a) Der Einleitungssatz ist wie folgt zu fassen:
"Nach Satz 4 werden folgende Sätze 5 und 6 angefügt:
- b) Folgender Satz 6 ist anzufügen:
"Soweit die informationspflichtige Stelle dies verlangt, hat die oder der Dritte im Einzelnen darzulegen, dass ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt."
Begründung:
Die Übernahme der Vorschrift des § 9 Absatz 1 Satz 5 des Umweltinformationsgesetzes erscheint an dieser Stelle - auch im Interesse des betroffenen Unternehmers - sachgerecht.
3. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 40 Absatz 1a LFGB)
In Artikel 2 Nummer 2 ist § 40 Absatz 1a wie folgt zu ändern:
- a) Nach dem Wort "Lebensmittels" ist ein Komma einzufügen.
- b) Die Wörter "oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel" sind durch die Wörter "Futtermittels, kosmetischen Mittels oder Bedarfsgegenstandes sowie unter Nennung des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel, Futtermittel, kosmetische Mittel oder der Bedarfsgegenstand" zu ersetzen.
Begründung:
Ergänzend zu den Gründen, die von der Bundesregierung in Bezug auf die Notwendigkeit der Einfügung eines neuen Absatzes 1a in den § 40 LFGB angeführt werden, ist darauf hinzuweisen, dass auch im Bereich der Kosmetika und Bedarfsgegenstände nach wie vor in nicht unerheblichem Ausmaß Kennzeichnungsverstöße und Grenzwert- bzw. Höchstgehaltsüberschreitungen zu verzeichnen sind. Aus diesem Grund ist es erforderlich, neben den Lebensmitteln und Futtermitteln auch die kosmetischen Mittel und die Bedarfsgegenstände den erweiterten Informationspflichten zu unterwerfen und diese in die neue Vorschrift aufzunehmen.
4. Zu Artikel 2 Nummer 2 (§ 40 Absatz 1a LFGB)
In Artikel 2 Nummer 2 sind in § 40 Absatz 1a nach dem Wort "Tatsachen" die Wörter ", im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004," zu streichen.
Begründung:
Der Bundesrat lehnt die vom Deutschen Bundestag unter Nummer 2 der Beschlussempfehlung (BT-Drucksache 17/7993) beschlossene Ergänzung des Wortlautes des § 40 Absatz 1a (neu) LFGB ab. Der Bundesrat hält eine Konkretisierung des für eine Veröffentlichung nach der genannten Vorschrift erforderlichen "durch Tatsachen hinreichend begründeten" Verdachts durch die Anforderung mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen durch akkreditierte Laboratorien für nicht erforderlich.
Es ergeben sich bereits an der Bestimmtheit der Regelung Zweifel. So ist fraglich, was unter der Anforderung "mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen" zu verstehen ist. Hierbei ist unklar, ob unter der Vorgabe zweier unabhängiger Untersuchungen die Untersuchung der amtlich entnommenen Probe und der beim Hersteller im Rahmen von Qualitätssicherungsmaßnahmen vorhandenen Rückstellprobe und damit letztlich faktisch die Verpflichtung zur Untersuchung dieser Rückstellproben verankert werden soll oder ob insgesamt bei der amtlichen Probenahme der Probenumfang erhöht oder zumindest sichergestellt werden soll, dass genügend Probenmaterial für zwei Untersuchungen vorhanden ist. In jedem Fall gilt, dass zwei Untersuchungen desselben Probenmaterials in den seltensten Fällen zu zwei exakt identischen Ergebnissen führen, da es sich bei dem im Rahmen der Lebensmitteluntersuchung analysierten Material überwiegend um Naturprodukte handelt. Aus diesen Gründen werden in der amtlichen Überwachung validierte Analysemethoden angewendet, so dass Schwankungsbreiten von vornherein einkalkuliert sind.
Insgesamt ist die vom Bundestag beschlossene Regelungsergänzung mit Blick auf die Verschiedenartigkeit der beprobten Lebensmittel, Futtermittel oder Bedarfsgegenstände einerseits und die unterschiedlichen Analysemethoden andererseits zu unbestimmt formuliert und von daher schon nicht geeignet, die Intention des Gesetzgebers konkret umzusetzen. Die geforderte neue Regelung führt somit in der Konsequenz zu mehr Rechtsunklarheit.
Zudem wendet sich der Bundesrat entschieden gegen das aus dem Formulierungsvorschlag sprechende Misstrauen gegenüber der Qualität der amtlichen Überwachungs- und Untersuchungstätigkeit der Länder. Alle amtlichen Untersuchungseinrichtungen in den Ländern sind entsprechend den gesetzlichen Anforderungen der Europäischen Union akkreditiert. In den amtlichen Laboratorien werden Untersuchungen nach den geltenden Standards mit der wissenschaftlich größtmöglichen Genauigkeit und Aussagekraft durchgeführt. Bereits jetzt wird in Bezug auf die jeweiligen Untersuchungsbereiche (Futtermittel/Lebensmittel tierischer Herkunft/ pflanzlicher Herkunft/ Mikrobiologie/ GVO) bei der jeweils angewandten Analysemethode jede untersuchungstechnische Möglichkeit zur Verifizierung ermittelter Messergebnisse genutzt (z.B. Doppelbestimmungen, mehrfache Aufarbeitungen, Nachuntersuchungen, Anwendung verschiedener Analysemethoden). Das bedeutet: Wo immer möglich, werden auffällige Befunde, die auf eine Grenzwertüberschreitung hindeuten, qualitativ und quantitativ abgesichert.
Eine strikte Vorgabe mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen, möglicherweise durch zwei verschiedene Laboratorien, würde den bereits existierenden Standard an Analysesicherheit der amtlichen Untersuchung untergraben sowie die Zeiten, bis zu denen Grenzwertüberschreitungen dann als "gesichert" feststünden, übermäßig ausdehnen. Diese redundante Untersuchungsmethode führt in jedem Fall zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand und zu höheren Kosten, die letztlich wiederum der Wirtschaft aufzubürden wären. Auch würde sich die zeitnahe Information der Verbraucherinnen und Verbraucher bei einem auffälligen Befund auf Grund der zu leistenden Doppeluntersuchung zu Lasten des Verbraucherschutzes verzögern. Die vorgeschlagene Regelung ist somit in keiner Weise geeignet, den Zielen des Verbraucherinformationsgesetzes gerecht zu werden.