Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Februar 2011 gemäß § § 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Anpassung an den Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV)
- 1. Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit einer Anpassung der Regelungen an den Vertrag von Lissabon an. Er stellt jedoch unter Verweis auf seine Stellungnahme vom 26. November 2010 (BR-Drucksache 601/10(B) ) erneut fest, dass der Vorschlag vielfach Befugnisse im Wege von delegierten Rechtsakten (Artikel 290 AEUV) in Fällen festlegt, bei denen eine Notwendigkeit einheitlicher Bedingungen für die Durchführung von EU-Rechtsakten besteht oder bestimmte für die Mitgliedstaaten wesentliche Vorschriften geregelt werden, und damit den Vorgaben zur Umsetzung des Vertrags von Lissabon nicht ausreichend Rechnung trägt. Zudem vermisst der Bundesrat bei der Wahl zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten (Artikel 291 AEUV) eine einheitliche Vorgehensweise, um eine einheitliche Umsetzung der mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Möglichkeiten in den EU-Rechtsakten zu gewährleisten.
- 2. Der Vorschlag sieht die Möglichkeit neuer rechtsverbindlicher Anforderungen an die Mitgliedstaaten vor, die vor allem Zahlstellen und Bescheinigende Stellen der Länder betreffen. Nach Auffassung des Bundesrates darf die Anpassung jedoch nicht dazu führen, dass die Beteiligungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden und das für Vollzugsvorgaben notwendige Expertenwissen nicht mehr in die einheitlichen Regeln einfließt.
- 3. Nach Auffassung des Bundesrates führen die Vorschläge nicht zu der in der Begründung in Aussicht gestellten Verwaltungsvereinfachung. Die vorgesehenen weitreichenden Aufgabendelegationen an die Kommission lassen eine zunehmende Reglementierung der finanziellen Abwicklung durch die Kommission erwarten.
- 4. Der Bundesrat befürchtet, dass mit den vorgesehenen zahlreichen Ermächtigungen für die Kommission zum Erlass von delegierten und Durchführungsrechtsakten eine Erhöhung des Verwaltungsaufwands für die Länder einhergeht. Nach Auffassung des Bundesrates darf die Anpassung nicht dazu führen, dass sich die Verwaltungskosten für die Länder erhöhen.
- 5. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen,
- - dass keine zusätzlichen Tatbestände aufgenommen werden, die über die bisherigen Ermächtigungen in der Ratsverordnung und die Regelungsinhalte der bisherigen Durchführungsbestimmungen in den Verordnungen (EG) Nr. 885/2006 und Nr. 883/2006 hinausgehen, und - dass Regelungen, die sich auf die verwaltungsmäßige Umsetzung in den Mitgliedstaaten auswirken, im Wege von Durchführungsrechtsakten festgelegt werden. 6. Der Bundesrat spricht sich insbesondere dafür aus und bittet daher die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass folgende Regelungen im Wege von Durchführungsrechtsakten unter Beteiligung der Mitgliedstaaten (Prüfverfahren) festgelegt werden:
- - Mindestanforderungen für die Zulassung der Zahlstellen und Koordinierungsstellen sowie deren Überwachung der Zulassung (Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b);
- - die Benennung der Bescheinigenden Stelle und deren Verantwortungsbereich (Artikel 1 Absatz 4); die Regelungen in diesem Bereich haben weitreichende Auswirkungen auf die verwaltungsmäßige Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Die Einbindung der Mitgliedstaaten in die betreffenden Rechtsakte ist unverzichtbar; - Die Festlegung zusätzlicher in dem Vorschlag nicht näher spezifizierter Pflichten für die Mitgliedstaaten zur ordnungsgemäßen und wirksamen Anwendung von Kontrollbestimmungen (Artikel 1 Absatz 5);
- - Vorschriften für die Kürzung von Zahlungen bei Zahlungsverzug (Artikel 1 Absatz 7);
- - die Festlegung in dem Vorschlag nicht näher spezifizierter Pflichten für die Mitgliedstaaten zur Einziehung und zur Verrechnung von Einnahmen und Ausgaben (Artikel 1 Absatz 23); - die Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten bei Vor-Ort-Kontrollen der Kommission (Artikel 1 Absatz 24);
- - die Regelungen nach dem neuen Artikel 40a, die u.a. Anforderungen an die Veröffentlichungen von Empfängerdaten im Rahmen der Transparenz vorsehen (Artikel 1 Absatz 25).
Es handelt sich bei diesen Regelungen nicht um "nicht wesentliche Vorschriften" der Verordnung, wie im vorgelegten Vorschlag beschrieben. Die Bescheinigende Stelle, deren Benennung und deren Verantwortungsbereich sowie das Verwaltungs- und Kontrollsystem sind Grundpfeiler der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik. Vorgaben der Kommission zu diesen Bereichen haben erhebliche Auswirkungen auf den administrativen Aufwand in den Mitgliedstaaten.
Zu den inhaltlichen Vorschlägen
- 7. Der Bundesrat bittet um Klärung zum neuen Artikel 23a (Artikel 1 Absatz 14), aus welchem Grund die Durchführungsbefugnisse in Bezug auf den Inhalt, die Vorlage und die Anpassung des in Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates genannten Finanzierungsplans in der Finanzierungsverordnung zu regeln sind. Aus Sicht des Bundesrates ist die Genehmigung der Programmplanungsdokumente einschließlich der Finanzierungspläne in den ELER-Bestimmungen ausreichend geregelt.
- 8. In Hinblick auf die Änderungen der Artikel 32 Absatz 4 und 33 Absatz 5 (Artikel 1 Absatz 20 und 21) ist nicht erkennbar, ob mit der Umformulierung auch eine Verfahrensänderung einhergehen soll. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei den weiteren Verhandlungen für eine Klarstellung einzusetzen. Sollten Verfahrensänderungen beabsichtigt sein, die die Mitwirkungsrechte der Mitgliedstaaten verkürzen, wird die Bundesregierung gebeten, dem bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene entgegenzutreten.
- 9. Der Bundesrat begrüßt die Änderung des Artikels 33 Absatz 7 (Artikel 1 Absatz 21). Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, die Änderung als Klarstellung verstehen zu dürfen, um für die Verwaltungspraxis der Vergangenheit Rechtssicherheit zu erlangen.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den Verhandlungen mit der Kommission darauf hinzuwirken, dass
- - Artikel 44a den Anforderungen des Urteils des EuGH vom 9. November 2010 (C-92/09 und C-93/09) angepasst wird. Sollten erneut keine rechtskonformen Grundlagen geschaffen werden bzw. Zweifel an deren Rechtskonformität fortbestehen, würde dies zu einer Verunsicherung sowohl der Behörden der Mitgliedstaaten wie auch der Zahlungsempfänger führen. Angesichts des mit der Veröffentlichung verbundenen Verwaltungsaufwands bedarf es klarer Vorgaben.
- - die Regelungen des Artikels 1 Absatz 22 des Vorschlags dahingehend ergänzt werden, dass unter Artikel 34 Buchstabe e ein Bezug zu Artikel 25 der Verordnung (EG) Nr. 073/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 aufgenommen wird und der Text um folgenden Satz ergänzt wird:
"Die Mitgliedstaaten können 25 Prozent dieser Beträge einbehalten."
Es ist erforderlich, dass die Darstellung der zweckgebundenen Einnahmen in Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 in der Form erfolgt, dass eindeutig festgelegt wird, welche Beträge dem Fonds gutzuschreiben sind und welche vom Mitgliedstaat einbehalten werden können.