Der Bayerische Ministerpräsident München, den 17. Februar 2009
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die als Anlage beigefügte
- Entschließung des Bundesrates Ärztliche Vergütung - für eine leistungsgerechte Bezahlung
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Ich bitte, den Entschließungsantrag unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 856. Sitzung am 6. März 2009 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entschließung des Bundesrates
Ärztliche Vergütung - für eine leistungsgerechte Bezahlung
Nach dem Selbstverständnis des Arztberufes darf die ärztliche Tätigkeit nicht allein zur Gewinnerzielung ausgeübt werden. Andererseits ist der Arzt mit seiner freiberuflichen Tätigkeit in den allgemeinen Wirtschaftskreislauf eingebunden. Er muss die nicht unerheblichen Sach- und Personalkosten seiner Praxis bezahlen, ohne dass das marktwirtschaftliche System Rücksicht auf seine ethische Verpflichtung nimmt. Die Marktwirtschaft konfrontiert den Arzt nicht mit Einheitskosten, sondern mit Aufwendungen, die von Region zu Region, von Stadt zu Stadt unterschiedlich sind. Entsprechend müssen regional unterschiedliche Beträge in Rechnung gestellt werden.
Die Stärkung der freiberuflichen Ärzteschaft ist weiterhin eines der zentralen Anliegen. Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die den Arzt als freien Beruf und die Therapiefreiheit in den Mittelpunkt stellt. Dazu gehört auch eine für die Ärzte nachvollziehbare, angemessene Honorierung.
Das derzeitige Vergütungssystem missachtet jedoch die Interessen von Patienten und Ärzten. Es widerspricht in seinen grundlegenden Weichenstellungen ethischen und gesundheitsökonomischen Prinzipien:
- 1. Einheitspreis führt zu minderwertiger medizinischer Leistung Durch die Vorgabe eines bundesweiten Einheitspreises wird die regionale Kostenstruktur ausgeblendet. Ähnlich wie in staatlichen Gesundheitssystemen wird auf regionale Unterschiede keine Rücksicht genommen. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Vertragspartner vor Ort auf eine differenzierte Vergütungsstruktur einigen würden.
Der Nivellierung der Vergütung folgt die Nivellierung der Qualität. Ein Qualitätswettbewerb wird dadurch verhindert. Nur wenn bessere Leistungserbringung vor Ort auch tatsächlich bezahlt wird, kommt der wünschenswerte Qualitätswettbewerb in Gang. Gerade dieser Wettbewerb ist der Motor für die Hochleistungsmedizin.
- 2. Diskriminierung kleinerer Arztgruppen Die zentralistischen Vorgaben durch Bundesgesetze und Bundesgremien sind nicht in der Lage, die innerärztliche Versorgungsstruktur mit der gebotenen Differenzierung und Realitätsnähe abzubilden. Die Interessen nicht repräsentierter kleiner, aber für die gesundheitliche Versorgung unverzichtbarer Arztgruppen werden oft aus ökonomischen Gründen nicht ausreichend berücksichtigt.
- 3. Pauschalen führen zur Billigmedizin Durch den gesetzlichen Zwang, sowohl die hausärztliche Versorgung als auch die fachärztliche Versorgung durch Pauschalen abzubilden, werden völlig falsche Leistungsanreize gesetzt. Qualitativ anspruchsvolle und aufwendige Leistungen werden durch einfache Routinetherapien verdrängt, da auch für diese Leistungen die gleichen Pauschalen bezahlt werden. Die Verdrängung der qualitativ hochwertigen Leistungen führt darüber hinaus zu massiven Qualitätsverlusten. Der hohe Stand der medizinischen Versorgung in Deutschland wird damit durch ein ökonomisch verfehlt konstruiertes Vergütungssystem gefährdet.
- 4. Pauschalensystem ist leistungsfeindlich und intransparent Das Pauschalensystem ist nicht nur leistungsfeindlich, sondern auch intransparent und ungerecht. Es ist
- - intransparent, weil es die tatsächliche Leistung des einzelnen Arztes verschleiert,
- - ungerecht, weil es aufwendige und weniger aufwendige medizinische Leistungen gleichbehandelt.
Die Bundesregierung wird daher aufgefordert,
- 1. die Umsetzung des neuen Vergütungssystems sofort zu stoppen und
- 2. es den Kassenärztlichen Vereinigungen zu gestatten, das bis zum 31. Dezember 2008 geltende Vergütungsregime vorübergehend wieder anzuwenden oder die notwendigen regionalen Anpassungen vornehmen zu können.
Ärztliches Honorarsystem zukunftsfähig machen In der kommenden Legislaturperiode muss eine neue Vertragsgebührenordnung geschaffen werden, die eine leistungsgerechte ärztliche Vergütung zu festen Europreisen umsetzt und die Fehler der exzessiven Zentralisierung und Pauschalierung vermeidet. Die Leistungen sind entsprechend ihrem konkreten Wert zu beschreiben und zu bezahlen, um die hohe Qualität unserer ärztlichen Versorgung zu sichern. Die pauschale Vergütung kann gerade im fachärztlichen Bereich nicht der Regelfall sein. Eine pauschale Vergütung ist grundsätzlich nur dort sinnvoll, wo es sich um einheitliche Leistungskomplexe handelt, die von Fall zu Fall nur eine sehr geringe Streuungsbreite aufweisen. Notwendig sind Schutzmechanismen für kleinere Arztgruppen. Den Vertragspartnern vor Ort ist die Anpassung des Vergütungssystems an die regionalen Bedarfs- und Versorgungsstrukturen zu ermöglichen. Hierzu gehört auch, die notwendigen Mittel den Vertragspartnern vor Ort zur Verfügung zu stellen.