Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Täterverantwortung

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Auswirkungen

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Täterverantwortung

Der Bundesrat hat in seiner 845. Sitzung am 13. Juni 2008 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Täterverantwortung

Vom...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

§ 153a Abs. 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Strafgesetzbuchs

§ 59a Abs. 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeines

Der Entwurf bezweckt im Interesse eines nachhaltigen Opferschutzes die Verbesserung und Erweiterung der Möglichkeiten, Straftäter durch justizielle Weisungen im Rahmen von Ermittlungs- bzw. Strafverfahren qualifizierten Täterprogrammen zuzuweisen und ihnen dadurch Fähigkeiten zur Verantwortungsübernahme und zur Selbstkontrolle ihres Verhaltens zu vermitteln.

Täterarbeit verfolgt als elementarer Baustein zur Verbesserung der Gewaltprävention und damit zugleich des Opferschutzes das Ziel, Verhaltens- und Wahrnehmungsänderungen zu bewirken, um neuerliche Gewalttaten zu verhindern. Sie wird im Bereich der Bekämpfung häuslicher Gewalt als Bestandteil der erforderlichen Interventionskette aufgefasst und richtet sich im Wesentlichen an Männer, die gegenüber ihren (ehemaligen) Partnerinnen gewalttätig geworden sind.

In den "Standards und Empfehlungen für die Arbeit mit männlichen Tätern im Rahmen von interinstitutionellen Kooperationsbündnissen gegen Häusliche Gewalt" der Bundesarbeitsgemeinschaft "Täterarbeit Häusliche Gewalt" vom 11. Mai 2007 (im Folgenden: Qualitätsstandards) wird der Begriff des Täterprogramms unter Nummer 3 als "gewaltzentriertes und konfrontatives Unterstützungs- und Beratungsangebot zur Verhaltensänderung für gewalttätige Männer" definiert; dabei werden gemäß Nummer 3.9 dieser Standards "vielfältige pädagogischtherapeutische Ansätze, Konzeptionen und Methoden" verfolgt.

In dem Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (BT-Drs. 016/6584 vom 28. September 2007) wird hierzu unter Nummer 2.6 ausgeführt dass die Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt (WiBIG) "bestätigen, dass Täterarbeit im Kontext von Interventionsprojekten eine sinnvolle Maßnahme für gewalttätige Männer ist"; die Bundesregierung bezeichnet die Täterarbeit ausdrücklich als "sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen und Angeboten gegen häusliche Gewalt, wenn die Arbeit spezifizierten Qualitätsstandards entspricht".

In ihrem Aktionsplan II weist die Bundesregierung unter Nummer 2.6 einerseits auf die große praktische Bedeutung der Zuweisung der Täter an die betreffenden Stellen im Rahmen von Weisungen nach § 153a StPO, andererseits aber auch auf die bundesweiten Qualitätsstandards hin.

Problematisch ist die Divergenz der in den Qualitätsstandards vorgesehenen zeitlichen Vorgaben für die Absolvierung eines qualifizierten Täterprogramms einerseits und die für die Erfüllung einer entsprechenden Weisung gesetzlich zur Verfügung stehende Sechsmonatsfrist andererseits.

In Nummer 3.3 der Qualitätsstandards wird betont, dass die "zeitliche Dauer und Prozesshaftigkeit von Täterprogrammen [...] von zentraler Bedeutung für das Erreichen nachhaltiger Verhaltensänderung" ist; danach soll "sich ein Täterprogramm mindestens über einen Zeitraum von sechs Monaten zuzüglich Aufnahmeverfahren und Follow-Up erstrecken".

Die Bundesregierung betont in ihrem Aktionsplan II unter Nummer 2.6 das Bedürfnis für qualifizierte Täterprogramme sowie deren Nutzung "in allen geeigneten Fällen".

Insofern gilt es nicht nur, die Möglichkeiten der Weisung gemäß § 153a StPO und -für den Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung - gemäß § 56c StGB auszuschöpfen. Vielmehr ist es im Interesse eines effektiven Opferschutzes einerseits sowie der individuell angemessenen Einwirkung auf den Täter andererseits erforderlich, das Instrumentarium der Täterprogramme auch im Rahmen von Weisungen bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt nutzbar zu machen.

Mit Blick auf den Opferschutz ist die Durchführung eines Täterprogramms im Rahmen einer Weisung oftmals erfolgversprechender als die im Einzelfall unter Umständen in Betracht kommende Auferlegung einer Geldbuße oder die Verurteilung zu einer Geldstrafe, weil der Täter nachhaltig gezwungen wird, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen und die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Da dies nicht nur für Täter häuslicher Gewalt gilt, sollen die Verbesserungen nicht auf Programme in diesem Bereich beschränkt werden, sondern im Interesse eines effektiven Opferschutzes auch bei anderen - die genannten Ziele verfolgenden - Täterprogrammen zum Tragen kommen.

Vor diesem Hintergrund sieht der Entwurf zur Stärkung der Täterverantwortung die Schaffung zusätzlicher Optionen für die Staatsanwaltschaften und Gerichte vor, um angemessen und effektiv, weil zielgenau, nachhaltig und individuell auf die Persönlichkeit des Täters gerichtet, auf strafbares Fehlverhalten reagieren zu können:

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu den Nummern 1 und 2 (§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 - neu - , Satz 3 StPO)

Durch die Änderung von § 153a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 StPO wird die Möglichkeit eröffnet dem Täter die Teilnahme an einem Täterprogramm für die Dauer von bis zu einem Jahr aufzugeben. Dies wird den bundesweiten Qualitätsstandards der Bundesarbeitsgemeinschaft "Täterarbeit Häusliche Gewalt" und dem Bedürfnis einer Prozesshaftigkeit von Täterprogrammen für das Erreichen nachhaltiger Verhaltensänderung gerecht. Die Änderung gewährleistet zudem eine hinreichende Flexibilität, um den Besonderheiten örtlicher Programme sowie etwa Fällen, in denen die Aufnahme in ein entsprechendes Programm eines gewissen Vorlaufs bedarf, Rechnung zu tragen. Zudem ermöglicht sie eine - dem Opferschutz zugute kommende -längerfristige und damit nachhaltigere Einwirkung auf die Lebens- und Verhaltensweisen des Täters.

Andere Lösungen kommen demgegenüber nicht in Betracht:

Zu Nummer 3 (§ 153a Abs. 1 Satz 7 StPO)

Nach der Verweisung in § 153a Abs. 1 Satz 7 auf § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO bedarf es - wie bei den Auflagen und Weisungen gemäß § 153a Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StPO -bei einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (nur) dann nicht der Zustimmung des Gerichts, wenn die zu Grunde liegende Tat ein Vergehen ist, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

Zu Artikel 2 (Änderung des Strafgesetzbuchs)

Zu Nummer 1 (§ 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 - neu - , Satz 2 StGB)

Die Änderung des § 59a Abs. 2 Satz 1 StGB eröffnet die Möglichkeit, auch im Falle einer Verwarnung mit Strafvorbehalt dem Täter die Weisung, an einem Täterprogramm teilzunehmen erteilen zu können. Sie erweitert das Spektrum der individuell angemessenen und zielgenauen Reaktionsmöglichkeiten um eine wichtige Option, die es ermöglicht, sowohl den Opferbelangen als auch der individuellen Persönlichkeit und der Schuld auf Täterseite hinreichend gerecht zu werden.

Die neu einzuführende Weisungsmöglichkeit fügt sich harmonisch in das Konzept der bereits bestehenden Anweisungsalternativen ein (insbesondere die Möglichkeiten den Täter anzuweisen, sich darum zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen oder den Schaden wiedergutzumachen, sich einer ambulanten Heilbehandlung zu unterziehen oder an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen).

Zu Nummer 2 (§ 59a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StGB)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Nach § 59a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StGB darf die Weisung, an einem Täterprogramm teilzunehmen - wie auch bei den schon bisher in § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 StGB genannten Auflagen und Weisungen - nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der vom Täter begangenen Tat stehen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.