Der Bundesrat hat in seiner 856. Sitzung am 6. März 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf das Anliegen des Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 14. März 2008 - BR-Drs. 072/08(B) ; BT-Drs. 016/9021 - aufgreift und den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Straftaten durch eine Ausdehnung der Aufnahme von Verurteilungen in das Führungszeugnis verbessern will.
Dabei ist der vom Entwurf vorgesehene Umfang der zusätzlich aufzunehmenden Verurteilungen nicht zu beanstanden.
Im Übrigen kann jedoch der Lösungsansatz der Vorlage, abweichend vom Gesetzentwurf des Bundesrates den Umfang des Führungszeugnisses nicht generell auszudehnen, sondern zusätzliche Eintragungen nur in ein "erweitertes Führungszeugnis" aufzunehmen, das nur unter besonderen Voraussetzungen erteilt wird, aus folgenden Gründen nicht überzeugen:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung will zwar einerseits den Kreis der Personen, denen ein erweitertes Führungszeugnis erteilt wird, beschränken, kann diesen Personenkreis aber nicht exakt abgrenzen. Gemäß der Generalklausel in § 30a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c in Verbindung mit Buchstabe b BZRG-E soll das erweiterte Führungszeugnis dann erteilt werden, wenn es für eine Tätigkeit benötigt wird, die in einer der beruflichen oder ehrenamtlichen Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger "vergleichbaren Weise geeignet ist", Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Nach welchen Kriterien beurteilt werden soll, ob Tätigkeiten im Sinne der Vorschrift "in vergleichbarer Weise geeignet" sind, wird auch in der Begründung nicht näher erläutert. Der Umfang des auskunftsberechtigten Personenkreises bleibt daher unklar. Dies führt zu Auslegungsschwierigkeiten und möglichen Schutzlücken.
Nach dem Gesetzentwurf obliegt es der Person, die das erweiterte Führungszeugnis vom Antragsteller verlangt, also z.B. dem (künftigen) Arbeitgeber, zu beurteilen, ob das erweiterte Führungszeugnis für eine die Kriterien des § 30a Absatz 1 BZRG-E erfüllende Tätigkeit benötigt wird. Sie hat das Risiko einer eventuell unberechtigten Anforderung des erweiterten Führungszeugnisses und sich hieraus möglicherweise ergebender Schadenersatzansprüche des Bewerbers zu tragen. Dies wird - zumindest in Grenzfällen - zur Verunsicherung der für die Besetzung einer Stelle verantwortlichen Person hinsichtlich der Frage führen, ob sie sich das erweiterte Führungszeugnis einerseits vorlegen lassen darf, ohne sich schadenersatzpflichtig zu machen, und ob sie sich andererseits das erweiterte Führungszeugnis vorlegen lassen muss, um etwaigen Schutzpflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen, mit denen der Beschäftigte in Kontakt kommen kann, gerecht zu werden.
Der Entwurf legt damit zu starkes Gewicht auf das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten zu Lasten desjenigen, der im Interesse des Kinder- und Jugendschutzes bei der Besetzung einer Stelle tätig werden will. Er berücksichtigt dabei nicht hinreichend, dass es sich bei den zusätzlich aufzunehmenden Verurteilungen gerade hinsichtlich des verletzten Rechtsgutes nicht um Bagatelldelikte handelt, auch wenn die Strafe gering ausgefallen ist. Das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten ist hinlänglich durch § 34 Absatz 1 Nummer 1 BZRG gewahrt, wonach die Aufnahmefrist bei geringfügigen Verurteilungen nur drei Jahre beträgt, wenn nicht eine Aufnahme nach § 38 BZRG wegen weiterer Verurteilungen erfolgen muss. Die Gefahr, dass einmalige "Jugendsünden" auf Dauer im Führungszeugnis erscheinen und der Resozialisierung im Wege stehen, besteht also nicht.
Schließlich führt das Konzept des Gesetzentwurfs zu einem erhöhten Bürokratieaufwand.
Der Bundesrat hält daher seinen am 14. März 2008 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes für vorzugswürdig.
Der Bundesrat weist darüber hinaus darauf hin, dass Schutzlücken nicht nur bei Straftätern, die im beruflichen Umfeld mit Kindern in Kontakt kommen, bestehen. Ein weiteres dringendes Informationsbedürfnis besteht auch hinsichtlich der strafrechtlichen Vorgeschichte von Personen aus dem unmittelbaren Umfeld eines Kindes, der häuslichen Gemeinschaft.
Bereits seit 2006 fordern die Länder hier eine Verbesserung der Informationsmöglichkeiten für die Jugendämter hinsichtlich der strafrechtlichen Vorgeschichte von Bezugspersonen in häuslicher Gemeinschaft - siehe BR-Drs. 817/06(B) , BT-Drs. 016/4199 -. Ziel ist es, den Jugendämtern im Interesse des Kindeswohls die Möglichkeit zu geben, zielgerichtet und zeitnah Informationen aus dem Bundeszentralregister einholen zu können, um anschließend, soweit erforderlich, die notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Dies wäre ein weiterer entscheidender Baustein zur Verbesserung des Kinderschutzes.
Nach bisheriger Rechtslage ist es den Jugendämtern nur eingeschränkt möglich, sich bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung ausreichend Informationen über die strafrechtliche Vorgeschichte von Bezugspersonen zu verschaffen.
Diese Überlegungen zur Verbesserung des Kinderschutzes sollten in das weitere Gesetzgebungsverfahren aufgenommen werden.
2. Zu Artikel 1
Allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in das Bundeszentralregistergesetz eine gesonderte Regelung aufgenommen werden soll, nach der das Führungszeugnis vertraulich zu behandeln ist und die darin enthaltenen personenbezogenen Daten nur für den Zweck verwendet werden dürfen, für den das Führungszeugnis vom Betroffenen vorgelegt oder einer Behörde erteilt worden ist.
Begründung
Das Bundeszentralregistergesetz enthält bisher abgesehen von den §§ 44 und 51 keine Regelungen, die ausdrücklich den vertraulichen Umgang mit Führungszeugnissen fordern und bestimmen, dass die in Führungszeugnissen enthaltenen personenbezogenen Daten einer Zweckbindung unterliegen. Dies hat in der Vergangenheit nicht zu Problemen geführt, weil Führungszeugnisse im nichtöffentlichen Bereich regelmäßig im Zusammenhang mit der Anbahnung oder Durchführung von Arbeitsverhältnissen den Arbeitgebern vorgelegt wurden und damit dem Personalaktengeheimnis unterfielen. Im öffentlichen Bereich ergeben sich Verwendungsbeschränkungen für in Führungszeugnissen enthaltene personenbezogene Daten entweder aus Rechtsvorschriften über die Führung von Personalakten oder aus den Zweckbindungsregelungen der allgemeinen Datenschutzgesetze.
Im nichtöffentlichen Bereich gilt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 und § 27 Absatz 1 Satz 1 grundsätzlich nur, soweit personenbezogene Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden oder die Daten in oder aus nichtautomatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben werden. Abweichend davon bestimmt § 27 Absatz 2 BDSG, dass die für nichtöffentliche Stellen geltenden Vorschriften des Gesetzes auch zur Anwendung kommen, wenn die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten außerhalb von nicht automatisierten Dateien erfolgt, die Daten aber offensichtlich aus einer automatisierten Verarbeitung entnommen worden sind. Diese Voraussetzung ist bei in Führungszeugnissen enthaltenen personenbezogenen Daten gegeben und für denjenigen, dem ein Führungszeugnis vorliegt, auch zweifelsfrei erkennbar.
Allerdings ist die Ausnahmeregelung des § 27 Absatz 2 BDSG in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. So muss bezweifelt werden, dass alle nichtöffentlichen Stellen, die für Zwecke des § 30a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b und c BZRG-E künftig erweiterte Führungszeugnisse erhalten, sich der Verwendungsbeschränkungen nach dem BDSG bewusst sein werden. Gerade im Hinblick auf die besondere Sensibilität der in erweiterten Führungszeugnissen enthaltenen Daten müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden, dass solche Daten nicht unbefugt weitergegeben werden (z.B. durch Mitglieder eines Sportvereins an Nachbarn oder Bekannte des Betroffenen). Daher wäre eine bereichsspezifische Regelung zur vertraulichen Behandlung von Führungszeugnissen und zur Zweckbindung der darin enthaltenen personenbezogenen Daten wünschenswert.