Der Bundesrat hat in seiner 926. Sitzung am 10. Oktober 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, einer Kreislaufwirtschaft und "Recycling-Gesellschaft" in ganz Europa näher zu kommen. Dies beinhaltet weitere Bemühungen zur Abfallvermeidung ebenso wie zur Steigerung des Recyclings. Bereits mit seinem Kreislaufwirtschaftsgesetz vom Februar 2012 sowie mit untergesetzlichen Regelungen hat sich Deutschland teilweise anspruchsvollere Ziele gesetzt, als sie im europäischen Recht bislang enthalten sind (zum Beispiel ein Recyclingziel für Siedlungsabfälle von 65 Prozent gegenüber 50 Prozent in der Abfallrahmenrichtlinie).
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf EU-Ebene zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten darauf hinzuwirken, dass die Kommission ihren Richtlinienvorschlag nochmals überdenkt und mit den Mitgliedstaaten intensiv diskutiert. Der Bundesrat verkennt dabei nicht, dass die Kommission die Themen Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz im Zusammenhang sieht und mit der vorgelegten Änderungsrichtlinie im ersten Ansatz umsetzen will. Mit der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie läuft die Union jedoch Gefahr, dass der zweite Schritt vor dem ersten getan wird, denn die konsequente, EU-weite Umsetzung des derzeit geltenden Rechts bietet immer noch ein breites Aktionsfeld mit beachtlichen Herausforderungen. Darüber hinaus sind weite Passagen der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie und einige darin enthaltene Ideen hinsichtlich Realisierbarkeit und Sinnhaftigkeit sowie die Verhältnismäßigkeit, insbesondere bezüglich des Verwaltungsaufwands, zu prüfen und intensiv mit den Mitgliedstaaten zu diskutieren.
- 3. Der Bundesrat hält es insbesondere für unabdingbar, dass die neuen Ziele methodisch sinnvoll, statistisch nachprüfbar, technisch erreichbar und ökologisch vorteilhaft gesetzt werden. Außerdem dürfen sie nicht zu mehr Bürokratie führen. Es bestehen Zweifel, dass alle Vorschläge diesen Anforderungen genügen. So dürfen ambitionierte quantitative Ziele keinesfalls zu einer geringeren und nicht marktfähigen Qualität von Sekundärrohstoffen führen oder eine Erhöhung von Recyclingmengen zu einem massiv steigenden Energieaufwand. Außerdem bedarf es einer genauen Prüfung, ob es technisch überhaupt möglich ist, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen.
- 4. Er sieht die vorgeschlagene Veränderung der statistischen Berechnungsmethoden kritisch. Die Umstellung der Quotenberechnung auf Outputmengen führt zu einer impliziten Verschärfung der Quotenvorgaben und zu einer erheblichen Mehrbelastung sowohl bei Unternehmen wie auch bei Behörden bei der Datenerhebung. Hierdurch würde ein Recycling erzwungen, das sich am Grundsatz "Masse statt Klasse" statt an der Erzeugung hochwertiger Sekundärrohstoffe orientiert, da zur Erreichung dieser neuen Quoten auch schlecht recycelbare Abfälle zwingend der stofflichen Verwertung zugeführt werden müssten. Recycling ist aber kein Selbstzweck; es macht nur Sinn, wenn für die erzeugten Sekundärrohstoffe ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann. Ist dies nicht der Fall, so ist die Nutzung des Energiepotentials bestimmter Abfälle (energetische Verwertung) im Einzelfall gegebenenfalls der sinnvollere Weg. Die in der Abfallrahmenrichtlinie neu etablierte Abfallhierarchie verfolgt diesen differenzierenden Ansatz und sollte daher auch weiterhin Leitbild der europäischen Rechtsetzung sein. Zudem würde die Berichterstattung zu den Abfallrichtlinien für Produktgruppen durch den Kommissionsvorschlag deutlich fragwürdiger, da sich bei einer Output-Berechnung die Recyclingquoten den produktspezifischen Input-Mengen nicht mehr zweifelsfrei zuordnen lassen. In der Folgenabschätzung wird auf alle diese Fragen nicht eingegangen.
- 5. Der Bundesrat hält es insbesondere im Rückblick auf die schwierigen Entscheidungen zu den Zielen für 2020 im Rahmen der Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie für vordringlich, sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die geltenden Ziele erreichen.
- 6. Die vorgeschlagenen neuen Vorgaben für Datenerhebung und Berichtspflichten werden, unter anderem vor dem Hintergrund von Aufwand, Kosten und Erkenntnisgewinn, sehr kritisch gesehen. Es ist darauf zu achten, dass keine Berichtspflichten mit zu kurzen Zeitabständen geschaffen werden.
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (Artikel 3 Nummer 4b)
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren zu klären, ob ein Widerspruch zum Anwendungsbereich der Richtlinie in Artikel 2 Absatz 1 besteht. Nach dieser Vorschrift fallen "Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude" nicht unter die Bestimmungen der Richtlinie, ausgehobene Böden sind jedoch Abfall. Im Kommissionsvorschlag sind von der Definition der Bau- und Abbruchabfälle "natürlich vorkommende Stoffe gemäß der Definition in der Kategorie 17 05 04" ausgenommen. Der Abfallschlüssel 17 05 04 beschreibt unbelastete Böden und Steine. Die vorgeschlagene Definition lässt sich so verstehen, dass diese kein Abfall sind.
- 8. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren auf eine Klarstellung des Gewollten hinsichtlich des Begriffs "Verteilung" hinzuwirken. Der Begriff "zur Verteilung" lautet im Originaltext "sent for redistribution". Es sollte zwingend klargestellt werden, ob damit das Wieder-Inverkehrbringen zurückgegebener bzw. überlagerter Lebensmittel gemeint sein soll.
Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c (Artikel 3 Nummer 15a)
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren dafür Sorge zu tragen, dass der Begriff der "stofflichen Verwertung" präzisiert wird. In der geltenden Richtlinie, in den Erläuterungen hierzu (Guidance on the interpretation of key provisions) und auch in den vorliegenden Kommissionsvorschlägen wird klar zwischen Recycling mit dem Ziel der Herstellung von Produkten aus Abfällen einerseits und der stofflichen Verwertung als Nutzung von Abfällen andererseits unterschieden, dies wird durch die Einführung des Begriffs "stoffliche Verwertung" zusätzlich herausgearbeitet. Der Änderungsvorschlag präzisiert diese Differenzierung jedoch nur unzureichend, da sie "jede Verwertungsmaßnahme" umfasst, damit entsprechend der allgemeinen Definition der Verwertung in Artikel 3 Absatz 15 auch das Recycling. Weiter wird über den Zusatz "und die Aufbereitung von Materialien, die als Brennstoff verwertet werden sollen" die Brennstoffaufbereitung aus der Definition herausgenommen und damit entweder dem Recycling oder der Beseitigung zugeschrieben. Eine Gleichsetzung mit der energetischen Verwertung würde der Beschreibung der Verwertungsverfahren im Anhang II der Abfallrahmenrichtlinie widersprechen, in dem zwischen der Hauptverwendung als Brennstoff (R1) und der Vorbehandlung eines Abfalls vor der Anwendung eines R1- Verfahrens (R12) unterschieden wird. Hilfreich wäre es, zusätzlich die "energetische Verwertung" zu definieren. Ergänzend sollte klargestellt werden, ob die zumindest in Deutschland gebräuchliche "rohstoffliche Verwertung", die den Einsatz von Abfällen in Stahl- und Zementwerken beschreibt und bei der bestimmte chemische Prozesse genutzt werden, als Recycling, stoffliche Verwertung oder energetische Verwertung zu sehen ist oder als eigenständiger Verwertungsweg beschrieben werden kann.
Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (Artikel 5 Absatz 2)
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die Kriterien zur Festlegung, ob eine bewegliche Sache Abfall oder Nicht-Abfall ist, in einem Durchführungsrechtsakt statt in einem delegierten Rechtsakt erlassen werden, damit ein EU-weiter Vollzug sowie eine Mitwirkung der Länder sichergestellt werden kann.
Zu Artikel 1 Nummer 3 (Artikel 6 Absatz 2)
- 11. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die Kriterien zur Festlegung, ab wann ein Abfall seine Abfalleigenschaft verliert, in einem Durchführungsrechtsakt statt in einem delegierten Rechtsakt erlassen werden, damit ein EU-weiter Vollzug und eine Mitwirkung der Länder sichergestellt werden können.
- 12. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren gegenüber der Kommission klarzustellen, dass der im Original verwendete Begriff "aggregates" in der deutschen Fassung mit "körnigem Gesteinsmaterial" zutreffend übersetzt ist und damit auch aufbereitetes recyceltes Gesteinsmaterial Produktstatus erlangen kann, das zur Verwendung als Schüttgut (ungebundener mineralischer Baustoff) vorgesehen ist.
Zu Artikel 1 Nummer 4 (Artikel 6 Absatz 3)
- 13. Der Bundesrat begrüßt die Klarstellung, dass Abfälle, die das Ende der Abfalleigenschaft erreicht haben, im Rahmen der in den Mitgliedstaaten zu ermittelnden Recyclingquoten als recycelt anzusehen sind, soweit sie nicht zu Zwecken der Verfüllung oder als Brennstoff bestimmt sind. Um die Vollziehbarkeit dieser Regelung sicherzustellen, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich in den weiteren Ratsverhandlungen dafür einzusetzen, dass hierzu geeignete Grundlagen zur statistischen Datenerfassung geschaffen werden. Diese Grundlagen müssen es ermöglichen, dass die für die Ermittlung der Verwertungsquote erforderlichen Massenangaben über die aus dem Abfallrecht entlassenen Abfälle von der Umweltstatistik bereitgestellt werden.
Zu Artikel 1 Nummer 6 (Artikel 8)
- 14. Ebenso sollte noch einmal sorgfältig überdacht werden, ob die Vorschläge für die Erweiterung der Produktverantwortung sowie die neuen, völlig ins Einzelne gehenden Vorgaben für eine erweiterte Produktverantwortung in Artikel 1 i.V.m. der Neufassung von Artikel 8 mit Anhang VII in der Richtlinie 2008/98/EG sachgerecht sind und dem Schutz der Umwelt dienen.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (Artikel 9)
- 15. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der vorgeschlagenen Richtlinie die Mitgliedstaaten zur Abfallvermeidung aufgerufen werden. Die simple Vorgabe, dass sie hierfür Abfallvermeidungsmaßnahmen treffen sollen, ist für eine erfolgreiche und messbare Umsetzung der Abfallvermeidung jedoch unzureichend. Die Bundesregierung wird daher gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Vorschrift um konkrete Hinweise ergänzt wird, auf welche Art und Weise und wie dies ohne Markteingriffe geschehen könnte. Auch sollten Orientierungspunkte formuliert werden, an denen die Fortschritte bei der Abfallvermeidung messbar sind. Der Verweis der Kommission auf das Wirtschaftswachstum ist nicht ausreichend, da ein rückläufiges Wachstum automatisch weniger Produktion und damit weniger Abfallerzeugung bedeutet, ein Anziehen der Konjunktur aber auch ein wachsendes Abfallaufkommen bewirkt, so dass ein absoluter Maßstab somit nicht gegeben ist.
- 16. Die beabsichtigte Neufassung in Artikel 1 Nummer 7 (Artikel 9 der Richtlinie 2008/98/EG) zielt insbesondere auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ab. Dies wird grundsätzlich begrüßt. Lebensmittel sind ein hohes Gut, die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ein herausragendes Ziel aller vernünftig Handelnden. Doch sollte nach Absatz 2 nicht alljährlich ein Bericht hierzu von der Europäischen Umweltagentur veröffentlicht werden müssen, welcher entsprechende Berichte der Mitgliedstaaten und deren Untergliederungen voraussetzt. Dies führt zu mehr Bürokratie. Auch der befürwortete Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission nach Artikel 39 Absatz 2 erscheint wegen der Gefahr ausufernder Normen nicht notwendig.
Zu Artikel 1 Nummer 7 (Artikel 9 Absatz 3)
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren gegenüber der Kommission einzubringen, dass die landwirtschaftliche Erzeugung in die Kette der betrachteten Stationen (verarbeitendes Gewerbe, Handel, Vertrieb et cetera) einbezogen wird.
Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a (Artikel 11 Absatz 2)
- 18. Er bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren dafür Sorge zu tragen, dass die Vorgaben für die Quotenermittlung präzisiert und die vorgegebenen Recyclingquoten auf einen realistisch erreichbaren Wert reduziert werden. Auch sollte überprüft werden, ob eine Quote überhaupt als Maß für Recyclingerfolge geeignet ist. Den Formulierungen des Kommissionsvorschlags zufolge sollen bis 2020 50 Prozent der Siedlungsabfälle zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt werden, bis 2030 sogar 70 Prozent. Eine eindeutige Berechnungsformel, die erforderlich ist, um europaweit vergleichbare und einen Recyclingerfolg wirklich abbildende Daten zu erhalten, wird jedoch nicht vorgeschlagen. Da Recycling die Herstellung von Produkten aus Abfällen meint, bedeutet die Regelung des Artikels 11 Absatz 2, dass ab 2020 die Hälfte der Siedlungsabfälle in Produkte umgewandelt werden müssen. Die Möglichkeiten, solch hohe Anteile der Siedlungsabfälle zu Erzeugnissen, die die Vorgaben des Artikels 6 der vorgeschlagenen Richtlinie bzw. der bestehenden Verordnungen zum Ende der Abfalleigenschaft erfüllen, aufzubereiten, werden selbst in einem abfalltechnisch hoch entwickelten Land wie Deutschland bis dahin bei Weitem nicht gegeben sein. Eine Realisierung dieser Anforderung würde enorme ökonomische und ökologisch fragwürdige Anstrengungen (Energie- und Rohstoffverbrauch) bedeuten und unter anderem dazu führen, dass eine Vielzahl minderwertiger Produkte auf den Markt kommt, die nur schwer Absatz finden. Dies würde dem Ziel der Novellierung, ein Recycling hoher Qualität zu gewährleisten, diametral widersprechen.
Zu Artikel 1 Nummer 9 (Artikel 11a)
- 19. In Artikel 1 (Änderung der Richtlinie 2008/98/EG), Artikel 2 (Änderung der Richtlinie 94/62/EG) und Artikel 3 (Änderung der Richtlinie 1999/31/EG) sieht der Richtlinienvorschlag jeweils die Einrichtung eines sogenannten "Frühwarnsystems" vor, das die rechtzeitige Feststellung ermöglichen soll, ob die in den Richtlinien festgesetzten Ziele durch die Mitgliedstaaten erreicht werden (vgl. Artikel 11a Absatz 3 Richtlinie 2008/98/EG, Artikel 6a Richtlinie 94/62/EG und Artikel 5a Richtlinie 1999/31/EG). Die Regelungen für das "Frühwarnsystem" beinhalten für die Mitgliedstaaten, bei denen die Gefahr besteht, dass sie die Zielvorgaben der jeweiligen Richtlinie nicht erreichen, eine Pflicht zur Übermittlung eines Abhilfeplans (teilweise mit detailliert vorgeschriebenem Inhalt, vgl. Artikel 11a Absatz 3 i.V. m. Anhang VIII Richtlinie 2008/98/EG) an die Kommission. Diese Regelungsvorschläge erweisen sich als nicht sachgerecht und erhöhen den Verwaltungsaufwand in unnötiger Weise.
Zu Artikel 1 Nummer 11 (Artikel 22 Absatz 2 Satz 1)
- 20. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die im Richtlinienvorschlag verwendete Formulierung "Um die Verunreinigung von Abfallmaterialien zu minimieren", den Zielen der Verordnung angepasst wird. Der Kommissionsvorschlag besagt, dass Bioabfälle "schmutzig" und damit für eine sinnvolle Verwertung nicht geeignet sind. Dies steht aber im Widerspruch zu den Zielen der vorgeschlagenen Richtlinie, die Ressourceneffizienz zu verbessern, möglichst hochwertige Produkte aus Abfällen zu gewinnen (auch für Bioabfälle werden derzeit die Endof-WasteKriterien erarbeitet) und hohe Recyclingquoten zu erfüllen. Hochwertiger und vielfach nutzbarer Kompost kann aber nur erzeugt werden, wenn das Ausgangsmaterial nicht verunreinigt ist bzw. nicht als verunreinigt dargestellt wird.
Zu Artikel 1 Nummer 12 (Artikel 24 Buchstabe d)
- 21. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die abfallrechtliche Genehmigungspflicht für Anlagen und Unternehmen zumindest für gefährliche Abfälle gewährleistet bleibt und in Artikel 24 Buchstabe d so formuliert wird, dass gefährliche Abfälle nicht von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden dürfen. Der Vorschlag der Kommission wäre ein erheblicher Rückschritt bei der Sicherheit und Überwachung von Abfallbehandlungsanlagen, da zunehmend auch gefährliche Abfälle verwertet werden (müssen), sich aber an den Abfällen und den Verfahren nichts oder nur wenig ändert.
Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe b (Artikel 29 Absatz 4)
- 22. Die mit Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe b beabsichtigte Neufassung von Artikel 29 Absatz 4 der Richtlinie 2008/98/EG erscheint verzichtbar. Weil sich die Festlegung von Indikatoren für Abfallvermeidungsmaßnahmen als außerordentlich schwierig herausgestellt hat (vgl. Abfallvermeidungsprogramm des Bundes unter Beteiligung der Länder 2013), sollte Absatz 4 ganz gestrichen werden.
Zu Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a (Artikel 35 Absatz 1)
- 23. In Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a (Änderung der Abfall-Richtlinie 2008/98/EG) sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass durch eine Änderung von Artikel 35 Absatz 1 der Richtlinie 2008/98/EG die Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen über Abfälle künftig auf alle Erzeuger von Abfällen und auf alle gewerbsmäßigen Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen ausgedehnt werden soll. Bisher besteht eine solche Pflicht nur, wenn es sich um gefährliche Abfälle handelt. Eine Vorlagepflicht besteht zudem nur auf Anfrage (nicht automatisch). Die pauschale Ausdehnung auch auf nicht gefährliche Abfälle ist für den Schutz der Umwelt nicht erforderlich, belastet die mit Abfall Umgehenden in unverhältnismäßiger Weise und erschwert den Verwaltungsvollzug unnötig.
- 24. Die beabsichtigten Ausweitungen der Regelungen über die Führung elektronischer Register gehen erheblich zu Lasten der Leistungsfähigkeit der betroffenen Betriebe, ohne dass die Rechtfertigung hierfür erkennbar wird. Die Bundesregierung wird gebeten, kritisch zu hinterfragen, inwieweit die Ausweitungen hier verhältnismäßig sind.
Zu Artikel 1 Nummer 20 (Artikel 37 Absatz 1) und anderen
- 25. In Artikel 1 (Änderung der Richtlinie 2008/98/EG), Artikel 2 (Änderung der Verpackungsabfall-Richtlinie 94/62/EG), Artikel 3 (Änderung der Deponie-Richtlinie 1999/31/EG), Artikel 4 (Änderung der Altfahrzeug-Richtlinie 2000/53/EG) und Artikel 6 (Änderung der Elektro- und Elektronikschrott-Richtlinie 2012/19/EU) sieht der Richtlinienvorschlag Pflichten der Mitgliedstaaten zur jährlichen Berichterstattung über die Erreichung der in den jeweiligen Richtlinien vorgegebenen (Verwertungs-) Ziele vor (vgl. Artikel 37 Absatz 1 Richtlinie 2008/98/EG, Artikel 12 Absatz 3a Richtlinie 94/62/EG, Artikel 15 Absatz 1 Richtlinie 1999/31/EG, Artikel 9 Absatz 1a Richtlinie 2000/53/EG und Artikel 16 Absatz 5a Richtlinie 2012/19/EU). Nach den vorgeschlagenen neuen Vorschriften in Artikel 37 Absatz 5 Richtlinie 2008/98/EG, Artikel 15 Absatz 4 Richtlinie 1999/31/EG, Artikel 9 Absatz 1b Richtlinie 2000/53/EG und 16 Absatz 5c Richtlinie 2012/19/EU sollen die jährlichen Berichte der Mitgliedstaaten durch "unabhängige Dritte" überprüft werden; mit Artikel 12 Absatz 3d Richtlinie 94/62/EG soll die Kommission zum Erlass von Durchführungsrechtsakten unter anderem zur Festsetzung einheitlicher Mindestbedingungen für die Prüfung durch "unabhängige Dritte" ermächtigt werden. Die vorgesehene Verkürzung der Berichtspflichten von bisher in der Regel drei Jahren auf ein Jahr erhöht den Verwaltungsaufwand in unnötiger Weise. Der Bundesrat lehnt ferner die vorgesehene Überprüfung der Datenberichterstattung durch "unabhängige Dritte" ab, da auch diese mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Die vorgesehene Überprüfung der Mitgliedstaaten-Berichte ist mithin vollkommen unangemessen.
- 26. Zusätzlich zu der oben angeführten Kritik in Bezug auf eine jährliche Berichtspflicht nach Artikel 37 sollte der neu gefasste Absatz 4 entfallen, der neue statistische Daten für die für Verfüllungszwecke verwendeten Abfälle verlangt. Dies zu bilanzieren, führt zu ganz erheblichem Mehraufwand, hilft der Umwelt konkret jedoch nicht. Die Regelung wird daher als verzichtbar angesehen.
Zu Artikel 1 Nummer 22 (Artikel 38a) und anderen
- 27. In Artikel 1 (Änderung der Richtlinie 2008/98/EG), Artikel 2 (Änderung der Verpackungsabfall-Richtlinie 94/62/EG), Artikel 3 (Änderung der Deponie-Richtlinie 1999/31/EG) und Artikel 6 (Änderung der Elektro- und Elektronikschrott-Richtlinie 2012/19/EU) wird an verschiedener Stelle zum Beispiel das bisher nach Artikel 39 geltende Ausschussverfahren durch ein nach Artikel 38a neu eingeführtes Verfahren für delegierte Rechtsakte ersetzt, welches zu einer weitgehenden Ermächtigung der Kommission zur Rechtsetzung führt. Nachdem sich das bisherige Ausschussverfahren bewährt hat, sollte die Ausweitung der Befugnisübertragung (zum Beispiel Artikel 38, Artikel 38a) auf die Exekutive zu Lasten des Rates und des Europäischen Parlaments überdacht werden.
Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe b bis d (Artikel 6 Absatz 1, 1a und 1b)
- 28. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren dafür Sorge zu tragen, dass die Vorgaben für die Quotenermittlung präzisiert und für die Recyclingquoten realistisch erreichbare Werte vorgegeben werden. Auch sollte überprüft werden, ob eine Quote überhaupt als Maß für Recyclingerfolge geeignet ist.
Nach dem neuen Artikel 6 Absatz 1a dürfen nur recycelte Abfälle, also die hieraus gewonnen Erzeugnisse und Produkte, für die Quotenberechnung herangezogen werden. Die von der Kommission vorgeschlagenen Quoten sind jedoch aus physikalischen und praktischen Gründen unmöglich erreichbar. Zum Beispiel können Papierfasern nur etwa sechsmal im Kreislauf geführt werden, daher können nicht mehr als etwa 83 Prozent der Fasern zurückgewonnen und damit im Sinne der Definition als recycelt anerkannt werden. Da aus vielfältigen praktischen Gründen nie das gesamte hergestellte Papier wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird, liegt in Deutschland der Anteil der Fasern aus Altpapier bei der Papierproduktion seit vielen Jahren bei knapp 60 Prozent und wird sich ohne erheblichen Aufwand kaum erhöhen lassen.
Grundsätzlich zu begrüßen ist zwar, dass bei Verbundmaterialien in der Quotenberechnung die einzelnen Bestandteile getrennt anzugeben sind. Allerdings kann bei vielen Verbunden nur eines der Verbundmaterialien tatsächlich recycelt werden, die anderen gehen hierfür verloren. Eine Änderung wäre nur mit einem sehr hohen ökologischen und ökonomischen Aufwand zu erreichen, der den gewonnenen Nutzen weit übertreffen kann.
Zu Artikel 3 allgemein
- 29. Die mit Artikel 3 beabsichtigte Änderung der Richtlinie 1999/33/EG über Abfalldeponien ist aus deponiefachlicher Sicht nicht erforderlich. Die bestehenden EU-Regelungen und deren Umsetzung in deutsches Recht stellen die umweltverträgliche Ablagerung von Abfällen sicher. Schon jetzt kommen nur nicht recycelbare oder nicht verwertbare Abfälle zur Ablagerung. Die von der Kommission vorgesehenen weiteren Regelungen sind wenig sachdienlich und zum Teil völlig überzogen, zum Beispiel Berichtspflichten, Frühwarnsystem, Befugnisübertragung auf die Kommission (Artikel 16, Artikel 17a). Insbesondere haben sich die geltenden Regelungen zur Anpassung der Anhänge der Deponie-Richtlinie an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt usw. in der Praxis bewährt. Deponiefachlichen Belangen trägt dies besser Rechnung als ein übergeordneter Ausschuss nach der Abfallrahmenrichtlinie.
Zu Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe b (Artikel 2)
- 30. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Verfahren gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass die Definition für Restabfälle auf Abfälle ausgedehnt wird, die einem Verwertungsverfahren sinnvollerweise gar nicht zugänglich sind. Die Kommission definiert jedoch Restabfall als Überbleibsel von Verwertungs- und Recyclingverfahren. Wegen der Natur mancher Abfälle ist es aber nicht sinnvoll, sie in ein Verwertungsverfahren einzubringen (zum Beispiel Asbest).
Zu Artikel 3 Nummer 2 (Artikel 5)
- 31. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung, den positiven Erfahrungen in einigen Mitgliedstaaten wie denen der Bundesrepublik Deutschland folgend, auf dem Weg "hin zu einer Kreislaufwirtschaft" die Ablagerung von Siedlungsabfällen durch eine Kombination von hohen Verwertungszielen und Deponiebeschränkungen praktisch zu beenden.
- 32. Ausdrücklich befürwortet werden deshalb die Vorschläge der Kommission zur Begrenzung der Deponierung, insbesondere von recycelbaren Abfällen. Deutschland hat mit dem Verbot der Ablagerung nicht vorbehandelter Siedlungsabfälle seit 2005 gute Erfahrungen gesammelt. Diese Regelung stärkt das Recycling und hat ganz wesentlich zu der von der deutschen Kreislaufwirtschaft realisierten Einsparung von rund 56 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten beigetragen.
- 33. Nach Auffassung des Bundesrates folgt daraus dagegen nicht, dass damit die Deponierung insgesamt abgeschafft werden kann. Vielmehr entspricht es den Erfahrungen in den Mitgliedstaaten mit bereits heute weitgehenden Deponieverboten, dass als Alternative zu der gesicherten Ablagerung von belasteten mineralischen Abfällen, zum Beispiel aus der Bauwirtschaft, der Altlastensanierung und bestimmten Industrien, keine geeigneten Verfahren zur Verfügung stehen, als diese Abfälle aus der Umwelt auszuschleusen und zu deponieren.
- 34. Um zu verhindern, dass es durch irreführende Formulierungen betreffend einer praktisch vollständigen Abschaffung der Deponien zu Fehlsteuerungen in den Mitgliedstaaten kommt, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich in den weiteren Ratsverhandlungen zu dem vorgelegten Richtlinienvorschlag dafür einzusetzen, dass nicht die gesamte auf diesen Deponien zugelassene Abfallmenge (einschließlich mineralischer Bauabfälle und Industrieabfälle) auf eine Menge entsprechend fünf Prozent des Siedlungsabfallaufkommens zu begrenzen ist. Denn ein solches Ziel wäre weder mit den vorliegenden Praxiserfahrungen in Deutschland vereinbar noch unter Umweltschutzgesichtspunkten (Schadstoffausschleusung) vertretbar.
- 35. Der Bundesrat bittet ferner die Bundesregierung, auch in Bezug auf das Siedlungsabfallaufkommen und den aus deren Behandlung zur Ablagerung verbleibenden Restabfällen die Quote von fünf Prozent kritisch zu prüfen und das Prüfergebnis in die weiteren Ratsverhandlungen einfließen zu lassen. Die Quote wird zum einen von der Deponiefraktion aus den mechanischbiologischen Abfallbehandlungsanlagen in Anspruch genommen. Insbesondere hängt die Erfüllung jedoch maßgeblich davon ab, dass die Aschen aus der Siedlungsabfallverbrennung auf Dauer annähernd vollständig, zum Beispiel in Bauprojekten, verwertet werden können. Dies kann in der Praxis jedoch zunehmend auf Probleme bei der Verfügbarkeit von Maßnahmen stoßen, in denen die Aschen umweltverträglich verwertet werden können.
- 36. Er bittet die Bundesregierung außerdem, im weiteren Verfahren gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass diese Vorgabe auf Siedlungsabfälle eingeschränkt wird. Die Vorlage der Kommission differenziert bedauerlicherweise nicht konsequent zwischen Abfällen und Siedlungsabfällen. Der verwendete Begriff "Abfälle" umfasst auch Erdaushub und Bauschutt. Da diese per se recycelbar sind, könnte das Ablagerungsverbot auch für Erdaushub und Bauschutt gelten. Da hierbei größere Mengen als beim Siedlungsabfall in Rede stehen, wenngleich diese zwar überwiegend nicht auf Deponien für nicht gefährliche Abfälle (DK I und II) abzulagern sind, könnte die im jetzigen Wortlaut bestehende weite Fassung dennoch Umsetzungsprobleme bereiten.
- 37. Zudem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Verfahren gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass anstatt einer dynamischen Bezugnahme auf das jeweilige Vorjahr (vom Jahr x auf das Jahr x+1) eine Jahreszahl fixiert wird, zum Beispiel auf das Jahr 2024 oder auf den Durchschnitt der Jahre 2020 bis 2023. Es ist zu bedenken, dass Schwankungen im Deponie-Input von +/- 20 Prozent im Jahr x Schwankungen in den Deponierungsquoten im Jahr x+1 von 16,7 Prozent bis 37,5 Prozent bewirken. War das Vorjahr also durch einen hohen Mengenanfall gekennzeichnet, könnten im betreffenden Jahr mehr Abfälle deponiert werden, selbst dann, wenn der Anfall im betreffenden Jahr gesunken sein sollte. War das Vorjahr aber umgekehrt durch einen geringen Mengenanfall (schwache Konjunktur, wenig Baumaßnahmen) gekennzeichnet, könnten im betreffenden Jahr nur äußerst wenig Abfälle deponiert werden, was insbesondere dann problematisch erscheint, wenn die Konjunktur und die Bautätigkeit wieder anziehen.
- 38. Des Weiteren bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich betreffend des ab dem Jahr 2025 geplanten Verbotes der Ablagerung von recycelbaren Abfällen auf Deponien für nicht gefährliche Abfälle für eine Ergänzung bezüglich der energetisch verwertbaren Abfälle einzusetzen. Auch diese Abfälle sind zu nutzen, anstatt sie auf Deponien abzulagern. Redaktionell ist der Fehlbezug zwischen Kunststoffen, Metallen et cetera und den "sonstigen" biologisch abbaubaren Abfällen zu korrigieren.
Zu Anhang VII
- 39. Die im Anhang VII vorgesehenen "Mindestanforderungen an die erweiterte Herstellerverantwortung" sind daraufhin zu prüfen, ob in Deutschland bewährte Regelungen weiterhin möglich wären und die Festlegungen zwingend auf EU-Ebene getroffen werden müssen (Subsidiaritätsprinzip).
Schlussbemerkung
- 40. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den vorgetragenen Bedenken bei den anstehenden Verhandlungen auf EU-Ebene Rechnung zu tragen.
Direktzuleitung
- 41. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.