970. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2018
A
Der federführende Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Gesetzentwurf sieht vor, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 in zwei Schritten um die voraussichtliche Inflationsrate des jeweiligen Vorjahres zu erhöhen und auf diese Weise die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des sächlichen Existenzminimums sicherzustellen. Darüber hinaus enthält der Entwurf eine Rechtsverschiebung auch aller übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs in zwei Schritten um jeweils denselben Prozentsatz, womit der sogenannten kalten Progression entgegengewirkt werden soll. Nach den Angaben der Bundesregierung werden die öffentlichen Haushalte alleine durch die Tarifentlastungen zum Abbau der kalten Progression in Höhe von rund 2,2 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung belastet, wovon ein Betrag in Höhe von rund 1,2 Mrd. Euro und damit mehr als die Hälfte auf die Haushalte von Ländern und Kommunen entfällt.
- b) Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, zur Förderung der Familien das Kindergeld zum 1. Juli 2019 um 10 Euro monatlich anzuheben. Der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) wird für die Veranlagungszeiträume 2019 und 2020 in zwei Schritten um jeweils insgesamt 192 Euro erhöht, sodass die steuerliche Entlastungswirkung der höheren Kinderfreibeträge dem jeweiligen Jahresbetrag der Kindergelderhöhung entspricht. Die verfassungskonforme Besteuerung von Eltern hätte sich demgegenüber - analog zur Erhöhung des einkommensteuerlichen Grundfreibetrags - auf eine Anhebung zum Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten beschränken können. Insgesamt führt die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte von 2,3 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung. Länder und Kommunen tragen hiervon zusammen 1,3 Mrd. Euro, das heißt einen Anteil von mehr als 55 Prozent.
- c) Der Bundesrat betont, dass jede Anpassung des Steuertarifs zur Korrektur der so genannten kalten Progression das Resultat einer Setzung politischer Prioritäten darstellt, weil im Gegenzug auf die Senkung von staatlichen Einnahmen oder die Erhöhung von Ausgaben an anderer Stelle verzichtet werden muss. Die im Gesetz nunmehr vorgesehene weitere Tarifentlastung zum Abbau der so genannten kalten Progression ist aus Sicht des Bundesrates dem Grundsatz nach zu begrüßen. Er weist allerdings darauf hin, dass diese Maßnahme eine strukturelle, das heißt dauerhafte Minderung der Steuereinnahmen bewirkt. Auch angesichts der Tatsache, dass ab dem Jahr 2020 die neue Schuldenregel für die Länderhaushalte gelten wird, hebt der Bundesrat kritisch hervor, dass im Unterschied zu früheren Initiativen der Bundesregierung im vorliegenden Gesetz keine Kompensation der Steuerausfälle bei Ländern und Kommunen durch den Bund vorgesehen ist.
- d) Der Bundesrat stellt fest, dass die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Anpassung des Einkommensteuertarifs eine mit dem Einkommen der Steuerpflichtigen zunehmende Entlastung bewirkt. Er erinnert in diesem Zusammenhang insbesondere daran, dass frühere Initiativen zum Abbau der kalten Progression - anders als der vorliegende Gesetzentwurf - vorsahen, auf eine Rechtsverschiebung des Beginns der zweiten Proportionalzone ("Reichensteuer") zu verzichten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass aus verteilungspolitischen Erwägungen die Notwendigkeit einer Entlastung hoher und höchster Einkommen im Fall der aktuellen Tarifanpassung in Frage zu stellen ist. Er erwartet, dass Verteilungsgesichtspunkte bei Anpassungen des Einkommensteuertarifs stets angemessen Berücksichtigung finden müssen.
2. Zu Artikel 7
Nach Artikel 7 sind folgende Artikel 7a und 7 b einzufügen:
"Artikel 7a
Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung vom 1. Dezember 2016
In § 1 Satz 5 des Finanzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3955, 3956) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2721, 2755) wird die Angabe "ab dem Jahr 2019 auf minus 1 752 488 000 Euro" durch die Angabe "ab dem Jahr 2019 auf minus 4 116 608 000 Euro" ersetzt.
Artikel 7 b
Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung vom 14. August 2017
In § 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3955, 3956) in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3121, 3122) wird Absatz 2 wie folgt gefasst:
(2) Die im Folgenden genannten Beträge verändern die Anteile des Bundes, der Länder und Gemeinden nach Absatz 1:
Bund Länder Gemeinden 2020 minus 8 962 074 667 Euro 6 562 074 667 Euro 2 400 000 000 Euro ab 2021 minus 9 095 408 000 Euro 6 695 408 000 Euro 2 400 000 000 Euro.""
Begründung:
Auf der Grundlage der im Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2018 veranschlagten Zinsausgaben wird der Fonds "Deutsche Einheit" (FDE) am 8. Dezember 2018 vollständig getilgt sein. Ab diesem Zeitpunkt entfällt damit die Verpflichtung der Länder, zur Tilgung des FDE beizutragen. Die Festbeträge des Bundes und der Länder bei der Verteilung der Umsatzsteuer gemäß § 1 des Finanzausgleichsgesetzes werden entsprechend der bisherigen Belastung der Länder ab dem Jahr 2019 um jeweils 2.224 Mio. Euro angepasst.
Artikel 7a - neu - regelt die Anpassung für das bis 2019, Artikel 7b - neu - für das ab 2020 geltende Recht. Der den Ländern für das Jahr 2018 anteilig zustehende Betrag von 140 Mio. Euro wird dabei einmalig im Jahr 2019 verrechnet.
Folgeänderungen
In der Inhaltsübersicht sind nach der Angabe "Artikel 7 Weitere Änderung des Kindergeldgesetzes" folgende Änderungen einzufügen:
- " Artikel 7a Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung vom 1. Dezember 2016"
- " Artikel 7b Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in der Fassung vom 14. August 2017"
3. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat stellt fest, dass auf der Grundlage der im Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2018 veranschlagten Zinsausgaben der FDE am 8. Dezember 2018 vollständig getilgt sein wird. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, nunmehr zeitnah die infolge der Abfinanzierung des FDE weiteren erforderlichen Gesetzesänderungen insbesondere im Zusammenhang mit dem Mitfinanzierungsanteil der westdeutschen Kommunen auf den Weg zu bringen.
B
4. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Familie und Senioren empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.