Das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben vom 21. Juni 2016 Folgendes mitgeteilt:
Am 10. Juli 2015 hat der Bundesrat zu dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (BR-Drucksache 302/15(B) ) eine Entschließung gefasst, mit dem er einzelne Regelungen begrüßt, aber auch kritisch angemerkt, dass die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eingebrachten weitergehenden Forderungen nicht berücksichtigt wurden.
Die Bundesregierung hat sich intensiv mit den Punkten der Entschließung auseinandergesetzt. Die sich daraus ergebende Stellungnahme, die in Absprache mit Ihrem Sekretariat erst jetzt abgegeben wird, ist in der anliegenden Stellungnahme zusammengefasst.
Stellungnahme der Bundesregierung zum Beschluss des Bundesrates zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 10. Juli 2015
Zum o.g. Beschluss des Bundesrates verweist die Bundesregierung zunächst auf die Stellungnahme in ihrer Gegenäußerung vom 6. Februar 2015 (BR-Drucksache 642/14(B) ). Ergänzend wird zum weiteren Verfahrensstand, insbesondere zu den in der Gegenäußerung in Aussicht gestellten Prüfaufträgen berichtet.
- 1. Die Bundesregierung begrüßt, dass der Bundesrat dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung in seiner Sitzung am 10. Juli 2015 zugestimmt hat. Sie teilt die in Ziffer 1 der Entschließung zum Ausdruck gebrachte positive Einschätzung zur Einführung eines alters- und stichtagsunabhängigen Bleiberechts. Nach Auffassung der Bundesregierung wurde durch die gesetzlichen Regelung die Voraussetzung geschaffen, um nachhaltige Integrationsleistungen, die trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts von einem Geduldeten erbracht wurden, durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu honorieren und den seit längerem in Deutschland lebenden Ausländern eine dauerhafte Bleibeperspektive zu ermöglichen.
- 2. Zu den in den Punkten 3 - 6 der Entschließung enthaltenen Forderungen des Bundesrates nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:
- 3. Zur Forderung einer Aufenthaltsgewährung für die Dauer der Berufsausbildung (Punkt 3 der Entschließung) hält die Bundesregierung an ihrer Aussage fest, dass dem Anliegen grundsätzlich bereits nach zum damaligen Zeitpunkt geltender Rechtslage Rechnung getragen werden konnte. So war es nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG möglich, eine Duldung aus persönlichen Gründen zu erteilen. Mit o.g. Gesetz wurde durch Einfügung der Sätze 4 bis 6 bereits klargestellt, dass die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung vor Vollendung des 21. Lebensjahres als dringender persönlicher Grund für die Erteilung einer Duldung anerkannt werden kann, die Duldung für ein Jahr erteilt werden kann und während der Ausbildung jeweils für ein Jahr verlängert werden soll. Ziel der Regelung war einerseits, den Geduldeten zu ermöglichen, die Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG zu erlangen und andererseits den Unternehmen mehr Sicherheit zu geben, dass eine begonnene Ausbildung auch abgeschlossen werden kann.
Mit dem am 24. Oktober 2015 in Kraft getretenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes wurde durch Änderung des § 60a Absatz 2 Satz 6 AufenthG ergänzend klargestellt, dass die Altersgrenze von 21 Jahren nur bei der erstmaligen Erteilung einer Duldung zum Zweck der Aufnahme oder Fortführung einer qualifizierten Berufsausbildung Anwendung findet. Es kann also davon ausgegangen werden, dass praktisch in allen Fällen, in denen ein Geduldeter eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen oder fortführen darf, die Perspektive besteht, bei erfolgreichem Abschluss und Vorliegen eines entsprechenden Beschäftigungsverhältnisses durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erhalten, der zu einem Daueraufenthaltsrecht führen kann.
Mit Kabinettsbeschluss zum Integrationsgesetz vom 25. Mai 2016 hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass während einer gesetzlichen oder tariflichen Ausbildungszeit der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung erhält. Ferner wurde vereinbart, dass bei Abbruch des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses die Duldung automatisch erlöschen und der Ausbildungsbetrieb zur Meldung eines Abbruchs der Ausbildung verpflichtet werden soll. Eine Altersgrenze für den Auszubildenden für den Beginn der Ausbildung soll es danach nicht mehr geben. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung soll der Geduldete eine weitere Duldung für bis zu sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche erhalten, sofern er nicht im Betrieb verbleibt. Für eine anschließende Beschäftigung, die der beruflichen Qualifikation entspricht, wird ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre erteilt, das zu einem Daueraufenthaltsrecht führen kann. Das Aufenthaltsrecht soll bei Straffälligkeit widerrufen werden. Nach derzeitigem Stand ist vorgesehen, dass die Gesetzgebungsarbeiten zum Integrationsgesetz bis zum Sommer 2016 abgeschlossen sein sollen.
- 4. Zur Forderung nach Abschaffung des Sprachnachweises vor Einreise beim Familiennachzug (Punkt 4 der Entschließung) wird darauf hingewiesen, dass in das Gesetz die Möglichkeit aufgenommen wurde, besondere Umstäns Einzelfalls zu berücksichtigen. Nach § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AufenthG werden Sprachkenntnisse nicht gefordert, wenn es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände im Einzelfall unmöglich oder unzumutbar war, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu unternehmen. Die Bundesregierung wird prüfen, ob Bedarf für eine Konkretisierung der Gründe für einen Härtefall durch Anwendungshinweise besteht.
- 5. Zur Forderung nach Öffnung der Integrationskurse (Punkt 5 der Entschließung) verweist die Bundesregierung zunächst darauf, dass mit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes durch Neufassung des § 44 Absatz 4 AufenthG klargestellt wurde, dass auch Asylbewerber, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zugelassen werden können. Dies bedeutet in der Praxis, dass Asylbewerber zugelassen werden, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote über 50% kommen (derzeit Syrien, Irak, Iran, Eritrea). Die Integrationskurse wurden auch für Geduldete nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG und Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG geöffnet. Eine Sprachförderung ist aber ausgeschlossen für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten nach § 29a AsylG, da bei diesen vermutet wird, dass kein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet erfolgen wird.
Mit Kabinettsbeschluss zum Integrationsgesetz vom 25. Mai 2016 hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass die Integration der zu uns gekommenen Menschen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt durch staatliche Maßnahmen gefördert und zugleich von ihnen Eigenbemühungen eingefordert werden sollen. Dabei soll u.a. auch die Gruppe der Asylberechtigten, der anerkannten Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigten (also Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG) zum Integrationskurs verpflichtet werden können, auch wenn bereits eine Verständigung mit einfachen deutschen Sprachkenntnissen möglich ist und sie keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen. Zudem wird für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive, Geduldete und Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG, die bislang für die Teilnahme an Integrationskursen zugelassen, aber nicht verpflichtet werden konnten, nunmehr durch eine entsprechende Regelung eine Verpflichtungsmöglichkeit geschaffen, wenn sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen und die zuständige Leistungsbehörde sie zur Teilnahme auffordert.
Ferner wird die Integrationskursverordnung geändert, um den Zugang zu den Kursen besser steuern und das Kursangebot effizienter sowie transparenter gestalten zu können. So wird u.a. die Frist, innerhalb derer Kurse nach Teilnehmeranmeldung beim Träger zustande kommen, von 3 Monate auf 6 Wochen verkürzt.
- 6. Zu Forderung, im Bereich der Aufenthaltsbeendigung nicht nur Zwangsmaßnahmen in den Blick zu nehmen, sondern auch Instrumente der freiwilligen Ausreise zu stärken sowie nach einem restriktiveren Einsatz des Mittels der Abschiebungshaft (Punkt 6 der Entschließung) weist die Bundesregierung zunächst darauf hin, dass für den Vollzug von Ausreisepflichten und somit auch für die Wahl des der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienenden Instruments grundsätzlich die Länder zuständig sind.
Der Bundesregierung ist zudem die Bedeutung der Förderung der freiwilligen Ausreise bewusst. Bund und Länder haben seit über 35 Jahren über die Programme REAG und GARP gemeinsam die freiwillige Ausreise von 600.000 Personen gefördert, dabei im Jahr 2014 von 13.574 und im Jahr 2015 von 37.220 Personen. Diese Programme sehen die Finanzierung der Reisekosten, einer Reisebeihilfe und ein Startgeld (für Personen unter 12 Jahren jeweils hälftige Beträge) bei der Rückkehr in bestimmte Länder vor. Die Rückkehrförderung ist zudem unter dem gemeinsamen Asyl- und Migrationsfonds (AMIF) förderfähig, der eine Vielzahl von Projekten im Bereich der Rückführung, freiwilligen Ausreise und Reintegration unterstützt. Auf europäischer Ebene sind jüngst nichtverbindliche gemeinsame Standards für Programme zur geförderten freiwilligen Rückkehr (und Re-Integration) - (Doc. 8829/16 MIGR 90 COMIX 357) entwickelt worden, die im Rahmen nationaler Förderprogramme Berücksichtigung finden sollen.
Im Hinblick auf die Frage, ob die Instrumente der Haftvermeidung ergänzt und mildere Mittel, wie zum Beispiel die Stellung einer Kaution, gesetzlich verankert werden sollten, dauert die Prüfung und Abstimmung innerhalb der Bundesregierung noch an.