Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der von HOSPEEM und EGÖD geschlossenen Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor KOM (2009) 577 endg.; Ratsdok. 15305/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 06. November 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 30. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 27. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 148/07 (PDF) = AE-Nr. 070227 und AE-Nr. 992744

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

1.1. Gründe und Ziele des Vorschlags

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie soll der Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, die HOSPEEM (Europäische Arbeitgebervereinigung für Kliniken und Gesundheitswesen) und EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst) am 17. Juli 2009 geschlossen haben, Rechtskraft verliehen werden. Die Europäische Kommission hat diese beiden Organisationen im Jahr 2006 gemäß Artikel 138 EG-Vertrag als Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene für den Krankenhaus- und Gesundheitssektor anerkannt.

Die Rahmenvereinbarung (im Folgenden "die Vereinbarung") zielt darauf ab, Arbeitnehmer vor Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente (einschließlich Nadelstichverletzungen) zu schützen und der Gefahr von Verletzungen und Infektionen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorzubeugen. Sie sieht einen integrierten Ansatz mit Risikobewertung und -prävention, Schulung, Informationsvermittlung, Sensibilisierung und Überwachung sowie mit Verfahren für Reaktion und Folgemaßnahmen vor. Die Vereinbarung und der vorliegende Vorschlag leisten einen Beitrag zur Schaffung einer Arbeitsumgebung im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, in der größtmögliche Sicherheit gewährleistet ist.

1.2. Allgemeiner Kontext

Verletzungen durch Nadelstiche und andere scharfe/spitze Instrumente stellen für die Arbeitnehmer im Gesundheitswesen in Europa eines der größten und häufigsten Berufsrisiken dar und verursachen hohe Kosten für die Gesundheitssysteme und die Gesellschaft insgesamt.

Es ist erwiesen, dass das Personal im Krankenhaus- und Gesundheitssektor (Krankenpfleger, Ärzte usw.) sehr oft, und zwar vor allem in bestimmten Abteilungen bzw. bei bestimmten Tätigkeiten (Notaufnahme, Intensivstation, chirurgische Eingriffe usw.), dem Risiko einer Infektion durch Nadelstichverletzungen und andere von scharfen/spitzen Instrumenten (Skalpelle, Nahtmaterial usw.) hervorgerufene Verletzungen ausgesetzt ist. Die Folgen können äußerst gravierend sein und unter Umständen schwere Erkrankungen auslösen, etwa Virushepatitis oder AIDS.

In einigen Studien wird die Zahl der Nadelstichverletzungen in Europa auf rund 1,2 Millionen pro Jahr geschätzt.

In der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-20121 kündigte die Kommission an, dass sie auf Grundlage von Konsultationen der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene gemäß Artikel 139 EG-Vertrag weiter darauf hinarbeiten wird, die Prävention von Infektionsrisiken durch Injektionsnadeln zu verbessern.

Das Parlament hat mehrfach auf die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Eindämmung der lebensbedrohlichen Gefahren hingewiesen, denen Arbeitnehmer im Gesundheitswesen durch kontaminierte Nadeln ausgesetzt sind.

So rief das Parlament in seiner Entschließung zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz2 zur Überarbeitung der Richtlinie 2000/54/EG auf, um insbesondere das Risiko zu verringern, das sich aus der Arbeit mit Nadeln und anderen scharfen/spitzen medizinischen Instrumenten ergibt.

Ferner nahm das Europäische Parlament am 6. Juli 2006 eine Entschließung zum Schutz der in Europa im Gesundheitsbereich tätigen Arbeitnehmer vor durch Blut übertragbaren Infektionen aufgrund von Verletzungen mit Injektionsnadeln3 an. Darin fordert es die Kommission auf, ihm auf Grundlage der Artikel 137 und 251 EG-Vertrag einen Legislativvorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2000/54/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit4 zu unterbreiten.

Gemäß Artikel 138 Absatz 1 EG-Vertrag hat die Kommission die Aufgabe, die Anhörung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene zu fördern, und erlässt sie alle zweckdienlichen Maßnahmen, um den Dialog zwischen den Sozialpartnern zu erleichtern, wobei sie für Ausgewogenheit bei der Unterstützung der Parteien sorgt. Zu diesem Zweck konsultiert die Kommission vor der Unterbreitung von Vorschlägen im Bereich der Sozialpolitik Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter (also die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene) zur möglichen Ausrichtung einer Gemeinschaftsaktion und zum Inhalt des geplanten Vorschlags. Zudem sieht Artikel 138 Absatz 4 EG-Vertrag vor, dass die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter der Kommission mitteilen können, dass sie den Prozess nach Artikel 139 EG-Vertrag in Gang setzen wollen, d. h. einen Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene, der zur Herstellung vertraglicher Beziehungen einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen führen kann.

Am 21. Dezember 2006 leitete die Kommission die erste Phase der Anhörung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene ein. Die zweite Phase begann am 20. Dezember 2007.

In den Konsultationspapieren wurden die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene dazu aufgerufen, zum einen Stellungnahmen zu den Zielen und Inhalten der in Frage kommenden legislativen und nichtlegislativen Vorschläge abzugeben und zum anderen der Kommission mitzuteilen, ob sie beabsichtigen, Verhandlungen gemäß Artikel 138 Absatz 4 und Artikel 139 EG-Vertrag aufzunehmen.

Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 17. November 2008 unterrichteten EGÖD und HOSPEEM die Kommission über ihre Absicht, eine Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor auszuhandeln.

Da die Kommission die Verhandlungsautonomie der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene in Bezug auf Fragen, die unter ihre Zuständigkeit fallen, voll anerkennt, wurde die Ausarbeitung eines Legislativvorschlags zur Änderung der Richtlinie 2000/54/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern ausgesetzt.

Am 2. Juni 2009 einigten sich die Sozialpartner auf die Vereinbarung.

Am 17. Juli 2009 unterzeichneten EGÖD und HOSPEEM die Vereinbarung und unterrichteten die Kommission darüber, dass sie die Annahme der Vereinbarung durch einen Beschluss des Rates gemäß Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag beantragen.

1.3. Geltende einschlägige Vorschriften

Die Richtlinie 89/391/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit5 sieht allgemeine vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor. Sie enthält Minimalvorgaben, die sich unter anderem auf die Risikobewertung beziehen sowie auf Information, Unterweisung und Anhörung der Arbeitnehmer. In Artikel 6 der Richtlinie sind allgemeine Grundsätze der Gefahrenverhütung festgeschrieben, u. a. "Vermeidung von Risiken", "Gefahrenbekämpfung an der Quelle" und "Ausschaltung oder Verringerung von Gefahrenmomenten". Einige der Einzelrichtlinien auf Grundlage der Richtlinie 89/391/EWG sind ebenfalls für die Prävention von Infektionsrisiken für Personal im Krankenhaus- und Gesundheitssektor relevant:

Zu erwähnen ist ferner die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte11, in der es in Anhang I Teil II Nummer 8.1 heißt: "Die Produkte und ihre Herstellungsverfahren müssen so ausgelegt sein, dass das Infektionsrisiko für Patienten, Anwender und Dritte ausgeschlossen oder soweit wie möglich verringert wird. Die Auslegung muss eine leichte Handhabung erlauben und die Kontamination des Produkts durch den Patienten oder umgekehrt während der Anwendung so gering wie möglich halten." Außerdem müssen sämtliche in Verkehr gebrachten Produkte mit einem CE-Zeichen versehen sein, das die Übereinstimmung des Produkts mit den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie belegt.

1.4. Übereinstimmung mit anderen Politikbereichen und Zielen der Union

Die Zielsetzung dieses Vorschlags steht mit den politischen Grundsätzen und Zielen der EU im Einklang.

Die Förderung einer sicheren und gesunden Arbeitsumgebung und die dadurch bedingte Verringerung der wirtschaftlichen Kosten von Gesundheits- und Sicherheitsproblemen bei der Arbeit unterstützen das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung, d. h. es wird ein Beitrag zur Erreichung der allgemeinen Ziele der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung geleistet.

Ferner wird in der Mitteilung "Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts"12 hervorgehoben, dass die Arbeitskräfte im Gesundheitswesen ein wichtiger Faktor für qualitativ hochwertige Gesundheitsdienstleistungen sind.

Zugleich steht die geplante Maßnahme mit der Gesundheitspolitik der EU in Einklang. Im Weißbuch "Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013"13 wird betont, dass die Patientensicherheit ein zentrales Anliegen ist. Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer verbessern auch die Qualität der Dienstleistungen für die Patienten und verringern die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen der Gesundheitsversorgung auf die Patienten.

2. Anhörung interessierter Kreise und Folgenabschätzung

2.1. Anhörung

Nachdem das Europäische Parlament die Kommission in seiner Entschließung vom 6. Juli 2006 dazu aufgerufen hatte, auf Grundlage der Artikel 137 und 251 EG-Vertrag einen Legislativvorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2000/54/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit vorzulegen, leitete die Kommission gemäß Artikel 138 EG-Vertrag eine aus zwei Phasen bestehende Anhörung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene ein14.

Die erste Anhörungsphase begann am 21. Dezember 2006. Im Mittelpunkt stand die mögliche Ausrichtung von Maßnahmen der Gemeinschaft zur Verbesserung des Schutzes der europäischen Arbeitnehmer im Gesundheitswesen vor durch Blut übertragbaren Infektionen aufgrund von Verletzungen mit Injektionsnadeln. Darüber hinaus wurden die Sozialpartner dazu befragt, ob für sie eine gemeinsame freiwillige Initiative gemäß Artikel 139 EG-Vertrag in Frage kommt.

Am 20. Dezember 2007 lief die zweite Phase des Anhörungsverfahrens an, in der es um die Inhalte der geplanten Gemeinschaftsmaßnahme ging.

Insgesamt vertraten die Arbeitnehmerorganisationen die Ansicht, dass die bestehenden Rechtsvorschriften die Risiken zwar in allgemeiner Hinsicht abdecken, dass spezifischere Vorschriften jedoch den Schutz der Arbeitnehmer verbessern würden. Deshalb befürworteten sie eine Gemeinschaftsinitiative in Form eines Legislativvorschlags.

Die Arbeitgeberorganisationen waren dagegen der Meinung, dass die bestehenden Rechtsvorschriften bereits einen angemessenen Schutz gewährleisten und sprachen sich einstimmig gegen eine Gemeinschaftsinitiative in Form eines Legislativvorschlags aus.

Die Möglichkeit, eine sektorale Vereinbarung - insbesondere für den Krankenhaussektor - zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene gemäß Artikel 139 EG-Vertrag auszuhandeln, wurde sowohl von den Arbeitgeber- als auch von den Arbeitnehmerorganisationen mehrheitlich nicht ausgeschlossen. Im Anschluss an die Konsultation teilten EGÖD und HOSPEEM, die größten Dachverbände der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, der Kommission mit, dass sie die Aufnahme von Verhandlungen über die Thematik ins Auge fassen könnten, um ggf. eine Vereinbarung zu schließen.

2.2. Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Externes Expertenwissen zur Problematik der Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente in der EU und zur möglichen Wirkung der in Frage kommenden politischen Optionen wurde in Form einer von einem externen Berater durchgeführten Studie eingeholt. Der Berater war von der Europäischen Kommission im Rahmen einer offenen Ausschreibung ausgewählt worden. Die Studie sollte im Detail untersuchen, welche sozioökonomischen, gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen eine mögliche Gemeinschaftsinitiative zum Schutz der in der Europäischen Union im Gesundheitssektor beschäftigten Arbeitnehmer vor durch Blut übertragbaren Infektionen aufgrund von Verletzungen mit Injektionsnadeln und sonstigen scharfen Gegenständen hätte.

Am 7. Februar 2008 veranstalteten die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene ein Fachseminar mit Forschern sowie Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Gesundheitssektor (Professoren, Chirurgen und andere Fachärzte, Pflegepersonal), die ein breites Spektrum an Fallstudien und Statistiken vorstellten. Das Seminar bot die Möglichkeit, bewährte Verfahren und Daten zu Verletzungen im Gesundheitswesen auszutauschen. Es wurden verschiedene Arten der Exposition (über die Haut, die Schleimhäute und Hautverletzungen) und die damit verbundenen berufsbedingten Infektionen (mit Bakterien, Viren, Protozoen und Pilzen; Tumorerkrankungen) behandelt. Ferner wurden auch sämtliche Verletzungsursachen (Nadeln, Venenverweilkanülen, Skalpelle, Katheter) einschließlich der jeweiligen Prävalenzen erörtert. Auf dem Seminar zeigte sich eindeutig, dass zur Verhütung berufsbedingter Gefahren im Krankenhaussektor sämtliche Arten von Verletzungen berücksichtigt werden sollten, die durch scharfe/spitze medizinische Instrumente - einschließlich Nadeln - verursacht werden. Deshalb teilten die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene der Kommission ihre Absicht mit, Verhandlungen aufzunehmen.

2.3. Folgenabschätzung

Die Kommission hat für den vorliegenden Vorschlag keine besondere Folgenabschätzung erstellt, da dies bei einem Vorschlag, mit dem einer Vereinbarung der Sozialpartner gemäß Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag Rechtskraft verliehen wird, nicht erforderlich ist.

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

3.1. Rechtsgrundlage

Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag.

Nach Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag erfolgt die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene geschlossenen Vereinbarungen der europäischen Sozialpartner in den durch Artikel 137 EG-Vertrag erfassten Bereichen "auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission." Ferner heißt es dort: "Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit, sofern nicht die betreffende Vereinbarung eine oder mehrere Bestimmungen betreffend einen der Bereiche enthält, für die nach Artikel 137 Absatz 2 Einstimmigkeit erforderlich ist. In diesem Fall beschließt der Rat einstimmig."

Die von HOSPEEM und EGÖD geschlossene Vereinbarung zielt darauf ab, eine möglichst sichere Arbeitsumgebung durch die Vermeidung von Verletzungen von Arbeitnehmern durch scharfe/spitze medizinische Instrumente (einschließlich Nadelstichverletzungen) und einen besseren Schutz gefährdeter Arbeitnehmer zu erreichen. Die Vereinbarung dient also der "Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer"; dies ist gemäß Artikel 137 EG-Vertrag ein Bereich, in dem der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann. Somit ist Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag die angemessene Rechtsgrundlage für den Vorschlag der Kommission.

In Artikel 139 Absatz 2 ist die Einbindung des Europäischen Parlaments in das Legislativverfahren nicht vorgesehen. Gleichwohl wird die Kommission - wie sie dies bereits früher getan hat - das Parlament von ihrem Vorschlag in Kenntnis setzen, damit es, sofern es dies wünscht, ihr und dem Rat eine Stellungnahme übermitteln kann. Entsprechendes gilt für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss.

3.2. Analyse der Vereinbarung

Entsprechend der Mitteilung15, in der die Kommission Grundsätze für die Durchführung von Vereinbarungen nach Artikel 139 EG-Vertrag festgelegt hat, "stützt [die Kommission] ihre Vorschläge für Beschlüsse des Rates auf die Prüfung des Vertretungsanspruchs der Vertragsparteien, ihres Mandats und der "Rechtmäßigkeit" aller Bestimmungen des Tarifvertrags nach dem Gemeinschaftsrecht, sowie der Einhaltung der Bestimmungen zu den kleinen und mittleren Unternehmen in Artikel [137 Absatz 2 Buchstabe b EG-Vertrag]." Diese Exante-Bewertung wird nachstehend erläutert.

3.2.1. Repräsentativität und Mandat der Unterzeichnerparteien

Die Eignung der Sozialpartner, angehört zu werden und Vereinbarungen auszuhandeln, ist von ihrer Repräsentativität abhängig. Eines der für diese Eignung maßgeblichen Kriterien lautet gemäß dem Beschluss 98/500/EG der Kommission vom 20. Mai 1998 über die Einsetzung von Ausschüssen für den sektoralen Dialog zur Förderung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern auf europäischer Ebene folgendermaßen16: "Sie sollten aus Verbänden bestehen, die in ihrem Land integraler und anerkannter Bestandteil des Systems der Arbeitsbeziehungen sind, sollten Vereinbarungen aushandeln können und in mehreren Mitgliedstaaten repräsentativ sein".

3.2.1.1 Repräsentativität von EGÖD und HOSPEEM im öffentlichen und privaten Krankenhaus- und Gesundheitssektor

Im Jahr 2008 ließ die Kommission eine (am 29. Mai 2009 veröffentlichte) Studie über die Repräsentativität der europäischen Sozialpartner im Krankenhaussektor durchführen17. Dieser Studie zufolge ist die große Mehrheit der Arbeitnehmer in diesem Sektor in öffentlichen Krankenhäusern beschäftigt. Trotzdem vertreten HOSPEEM und EGÖD sowohl den öffentlichen als auch den privaten Teil des Krankenhaus- und Gesundheitssektors. Entsprechend wurde bei der Einrichtung des Ausschusses für den sozialen Dialog im Krankenhaussektor im Jahr 2006 darauf geachtet, dass auch der privatwirtschaftliche Teil der Branche vertreten ist. Auf der Arbeitgeberseite unterzeichneten HOSPEEM und HOPE (European Hospital and Healthcare Federation) zu diesem Zweck eine Kooperationsvereinbarung. HOPE ist eine Dachorganisation nationaler Krankenhausverbände und -träger aus dem öffentlichen und privaten Sektor, der Zusammenschlüsse lokaler und regionaler Träger sowie nationale Gesundheitsdienste angehören (10 Mitglieder aus 7 Ländern). HOPE hat in der Kooperationsvereinbarung HOSPEEM ein konkretes Mandat für die Teilnahme am sozialen Dialog auf Gemeinschaftsebene erteilt.

Auf Arbeitnehmerseite deckt EGÖD sämtliche Mitgliedstaaten ab. Der Verband steht sämtlichen Gewerkschaften offen; unabhängig davon, ob sie im privaten, öffentlichen oder im Nonprofit-Bereich aktiv sind. Die meisten EGÖD-Mitglieder sind Gewerkschaften, die Arbeitnehmer im gesamten Gesundheitssektor vertreten. Es handelt sich teils um allgemeine Dienstleistungsgewerkschaften (z.B. Unison, Ver.di und Abvakabo FNV), teils um branchenspezifische Gewerkschaften für den gesamten Bereich Gesundheit/soziale Dienste (z.B. CGT Santé-Sociaux und EDDSZ). Außerdem gehören EGÖD auch zahlreiche Berufsverbände an (z.B. DNO, RCM und Marburger Bund). Alle genannten Gewerkschaften vertreten Arbeitnehmer sowohl aus dem privaten als auch aus dem öffentlichen Bereich des Gesundheitswesens. Bei Ländern, wo es für den öffentlichen und den privaten Sektor unterschiedliche Gewerkschaften gibt (z.B. Belgien und Österreich), vertritt EGÖD in der Regel beide Sektoren. Zu den Mitgliedern von EGÖD zählen außerdem Organisationen, die ausschließlich im privaten Sektor aktiv sind.

3.2.1.2 Repräsentativität von EGÖD und HOSPEEM für den Krankenhaus- und Gesundheitssektor

Als 2006 der soziale Dialog auf Gemeinschaftsebene für den Krankenhaussektor aufgebaut wurde, bewertete die Kommission die Repräsentativität von EGÖD und HOSPEEM. Diese Verbände nehmen für sich in Anspruch, dass sie öffentliche, private und gemeinnützige Krankenhäuser bzw. Krankenhausverbände vertreten, die ein zentrales Element des Gesundheitswesens darstellen, Dienstleistungen wie Unterbringung, Verpflegung, Pflege, medizinische Behandlung und Rehabilitation von Patienten erbringen und in denen die medizinische Therapie von approbierten Ärzten koordiniert wird. Schon die Liste der nationalen Mitgliedsorganisationen macht deutlich, dass die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene für den Gesundheitssektor repräsentativ sind. Die Studie zur Repräsentativität veranschaulicht außerdem, dass HOSPEEM und EGÖD auch über sektorübergreifende Dimensionen verfügen, wobei HOSPEEM an den CEEP (Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft) angeschlossen ist, der als branchenübergreifender Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene und Vertreter der öffentlichen Arbeitgeber anerkannt ist.

Sowohl EGÖD als auch HOSPEEM gehören Organisationen aus Staaten an, die nicht Mitglied der EU sind.

EGÖD ist in allen 27 Mitgliedstaaten vertreten. Dem Verband gehören die größten nationalen Gewerkschaften der Branche an, und er vertritt die Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer dieses Sektors. Sämtliche Mitglieder von EGÖD nehmen an Tarifverhandlungen bzw. "Quasi-Tarifverhandlungen" (Defacto-Verhandlungen bzw. Konsultationen) teil.

HOSPEEM (einschließlich HOPE) ist in insgesamt 16 Mitgliedstaaten vertreten (AT, BE CZ. DE , DK, EE, FR, IE, IT, LU, LV, NL, PL, SE, SK und UK); in den 11 anderen Mitgliedstaaten gibt es keinen einschlägigen Arbeitgeberverband. Der Studie zufolge repräsentiert HOSPEEM weitaus mehr Länder als jeder andere europäische Verband.

3.2.1.3 Von den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene abgedeckte Bereiche

Den Angaben von EGÖD und HOSPEEM zufolge decken sie als Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene Tätigkeiten ab, die unter die NACE-Codes Q86 bis Q88 fallen, also u. a. Gesundheitswesen, Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, Arztpraxen für Allgemeinmedizin, Facharztpraxen, Heime, Pflegeheime, stationäre Einrichtungen zur psychosozialen Betreuung und Suchtbekämpfung, Altenheime bzw. Alten- und Behindertenwohnheime, sonstige Heime, soziale Betreuung älterer Menschen und Behinderter (ohne Heime), Tagesbetreuung von Kindern und sonstiges Sozialwesen (ohne Heime).

3.2.1.4 Verhandlungsbefugnis

Eines der Kriterien für die Repräsentativität auf europäischer Ebene ist die Befugnis der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene, Verhandlungen im Namen ihrer Mitglieder zu führen. Die Kommission bewertete diese Befugnis im Jahr 2006 bei der Einrichtung des sozialen Dialogs im Krankenhaussektor. Der Repräsentativitätsstudie zufolge verfügt EGÖD gemäß seiner Satzung über das Mandat, Verhandlungen im Rahmen des sozialen Dialogs auf Gemeinschaftsebene zu führen. Auch HOSPEEM wurde von seinen Mitgliedern ein Verhandlungsmandat für den sozialen Dialog auf Gemeinschaftsebene erteilt.

Die Unterzeichner der Vereinbarung sind also hinreichend repräsentativ für den Krankenhaussektor und das Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie für die in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer. Alle Bedingungen für die Repräsentativität der Unterzeichner sind somit erfüllt.

3.2.2. Rechtmäßigkeit der Bestimmungen der Vereinbarung

Die Kommission hat sämtliche Bestimmungen der Vereinbarung sorgfältig geprüft und keinen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht festgestellt.

Der Gegenstand der Vereinbarung fällt in den Geltungsbereich von Artikel 137 Absatz 1 Buchstabe a EG-Vertrag (Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer).

Die Vereinbarung enthält eine Mindeststandardklausel, die besagt, dass bestehende und künftige nationale und gemeinschaftliche Bestimmungen, die einen besseren Schutz der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorsehen, von der Vereinbarung unberührt bleiben (Paragraf 11).

Nach Auffassung der Kommission sind daher die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung erfüllt.

3.2.3. Bestimmungen über kleine und mittlere Unternehmen

Nach Artikel 137 Absatz 2 EG-Vertrag sollen Rechtsvorschriften im sozialen Bereich "keine verwaltungsmäßigen, finanziellen oder rechtlichen Auflagen vorschreiben, die der Gründung und Entwicklung von kleinen oder mittleren Unternehmen entgegenstehen."

Zwar sieht die Vereinbarung keine spezifischen Vorkehrungen für KMU vor, offensichtlich hat jedoch keine der Bestimmungen unangemessene Belastungen der KMU zur Folge.

3.3. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag zielt darauf ab, auf europäischer Ebene eine möglichst sichere Arbeitsumgebung zu erreichen, und zwar durch die Prävention von Verletzungen von Arbeitnehmern durch scharfe/spitze medizinische Instrumente (einschließlich Nadelstichverletzungen) und den Schutz gefährdeter Arbeitnehmer im Krankenhaus- und Gesundheitsbereich. Maßnahmen der Mitgliedstaaten allein reichen daher nicht aus, um ein EU-weites Mindestniveau an Schutz vor Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente zu gewährleisten. Dies lässt sich somit besser auf Gemeinschaftsebene erreichen. Sowohl die europäischen Sozialpartner als auch die Kommission sind davon überzeugt, dass ein Tätigwerden der Gemeinschaft in diesem Bereich notwendig ist.

Die Tatsache, dass die wesentlichen Bestimmungen der Vereinbarung im Anhang zum Vorschlag von den rechtmäßigen Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Gemeinschaftsebene (also von denjenigen, die am stärksten von den konkreten Maßnahmen betroffen sind) formuliert wurden, ist eine weitere Gewähr für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips.

Was die Verhältnismäßigkeit betrifft, so geht der Vorschlag nicht über das für die Verwirklichung der angestrebten Ziele erforderliche Maß hinaus. Er sieht genügend Spielraum für die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft vor, um Bestimmungen zu erlassen, die einen besseren Schutz der Arbeitnehmer vor Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorsehen (Paragraf 11). Außerdem handelt es sich bei der Vereinbarung um eine "Rahmenvereinbarung".

Der Vorschlag, der auf der richtigen Ebene angesiedelt ist und angesichts der angestrebten Ziele nicht über das hinausgeht, was auf EU-Ebene absolut notwendig ist, steht daher mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit im Einklang.

3.4. Wahl des Instruments

Der Begriff "Beschluss des Rates" in Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag wird in der allgemeinen Bedeutung eines rechtsverbindlichen Instruments im Sinne von Artikel 249 EG-Vertrag verwendet. Es obliegt der Kommission, zu entscheiden, welches der drei Rechtsinstrumente (Richtlinie, Verordnung oder Entscheidung/Beschluss) am besten geeignet ist, und dieses dem Rat vorzuschlagen. Zweck der Vereinbarung ist es, Mindestvorschriften festzulegen. Angesichts der Art und des Inhalts der Vereinbarung empfiehlt sich eine indirekte Durchführung im Wege von Bestimmungen, die von den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern in innerstaatliches Recht umzusetzen sind. Das geeignete Instrument ist daher eine Richtlinie des Rates mit der Vereinbarung im Anhang.

3.5. Entsprechungstabelle

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften, mit denen sie diese Richtlinie umgesetzt haben, sowie eine Entsprechungstabelle zu übermitteln.

3.6. Europäischer Wirtschaftsraum

Da die Vereinbarung für den Europäischen Wirtschaftsraum von Bedeutung ist, wird die Richtlinie nach einem entsprechenden Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses auch für die Nicht-EU-Mitgliedstaaten gelten, die dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt.

5. Detaillierte Erläuterung der einzelnen Bestimmungen

5.1. Wortlaut der Richtlinie

Artikel 1

Dieser Artikel besagt, dass die Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern durch die Richtlinie des Rates, der sie als Anhang beigefügt ist, gemäß Artikel 139 Absatz 2 EG-Vertrag in der Europäischen Union rechtsverbindlich wird.

Artikel 2

Bei dem vorgeschlagenen Artikel handelt es sich um eine Standardklausel in Bezug auf Sanktionen, die eine wirksame Durchführung der Vereinbarung gewährleisten soll.

Artikel 3, 4 und 5

Diese Artikel enthalten die üblichen Bestimmungen für die Umsetzung in einzelstaatliches Recht sowie besondere Bestimmungen für eine mögliche Umsetzung im Wege von Tarifverträgen.

5.2. Wortlaut der Vereinbarung im Anhang der Richtlinie

Paragraf 1: Zweck

Paragraf 2: Anwendungsbereich

Paragraf 3: Definitionen

Paragraf 4: Grundsätze

Paragraf 5: Risikobewertung

Paragraf 6: Beseitigung, Prävention und Schutz

Paragraf 7: Information und Sensibilisierung

Paragraf 8: Schulung

Paragraf 9: Meldeverfahren

Paragraf 10: Reaktion und Folgemaßnahmen

Paragraf 11: Umsetzungsbestimmungen

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der von HOSPEEM und EGÖD geschlossenen Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe / spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor (Text von Bedeutung für den EWR)

Der Rat der europäischen Union - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 139 Absatz 2; auf Vorschlag der Kommission18, in Erwägung nachstehender Gründe:

Hat folgende Richtlinie erlassen:

Artikel 1

Artikel 2

Artikel 3

Artikel 4

Artikel 5


Geschehen zu Brüssel am [...]
Im Namen des Rates
Der Präsident [...]

Anhang
Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe / spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor

Präambel:

Allgemeine Erwägungen

Paragraf 1: Zweck

Paragraf 2: Anwendungsbereich

Paragraf 3: Definitionen

Paragraf 4: Grundsätze

Paragraf 5: Risikobewertung

Paragraf 6: Beseitigung, Prävention und Schutz

Paragraf 7: Information und Sensibilisierung

Paragraf 8: Schulung

Paragraf 9: Meldeverfahren

Paragraf 10: Reaktion und Folgemaßnahmen

Paragraf 11: Umsetzungsbestimmungen


Brüssel, den 17. Juli 2009
Im Namen von EGÖD: Karen Jennings
Im Namen von HOSPEEM: Godfrey Perera