A. Problem und Ziel
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16 - die Unvereinbarkeit des § 21 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) mit dem in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) normierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG geregelten Diskriminierungsverbot festgestellt. Bestehe im Geburtenregister die Pflicht zur Angabe des Geschlechts, müsse neben den Möglichkeiten "männlich", "weiblich" sowie "Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe " der Eintrag eines "positiven Geschlechtseintrags" für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (nach Angabe in der Entscheidung ca. 160.000 in Deutschland) vorgesehen werden. Zur Umsetzung der Entscheidung wurde eine Frist bis zum 31. Dezember 2018 gesetzt.
B. Lösung
Mit dem Gesetz wird an der Pflicht der personenstandsrechtlichen Registrierung des Geschlechts bei der Geburt in § 21 Absatz 1 Nummer 3 PStG festgehalten.
In § 22 Absatz 3 PStG wird die Möglichkeit eingeräumt, bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen neben den Angaben "weiblich" und "männlich" oder der "Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe ", auch die Bezeichnung "divers" zu wählen, wenn eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist.
In Fällen, in denen auch die weitere Geschlechtsentwicklung nicht zu einer Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter führt, oder in denen die Zuordnung nach der Geburt unrichtig erfolgte, wird betroffenen Personen die Möglichkeit eröffnet, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt die Zuordnung im Geburtseintrag ändern zu lassen und - soweit dies gewollt ist - neue Vornamen zu wählen.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für den Bund und die Länder entstehen keine Haushaltsausgaben. Bei den Gemeinden führt die Anpassung von vorhandener Software zu einer geringfügigen Erhöhung der laufenden Pflegekosten für das Fach- und Registerverfahren.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Für Bürgerinnen und Bürger mit Varianten der Geschlechtsentwicklung wird die Möglichkeit geschaffen, Erklärungen zum Geschlecht und zu Vornamen gegenüber dem Standesamt abzugeben. Hierdurch entstehen insgesamt für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger schätzungsweise ein einmaliger jährlicher Zeitaufwand von 53.000 Stunden sowie eine einmalige finanzielle Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa 530.000,00 EUR. Jährlich entstehen für die Betroffenen schätzungsweise ein Zeitaufwand von 500 Stunden sowie eine finanzielle Belastung in Höhe von 5.000,00 EUR.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Es werden keine Vorgaben - auch keine Informationspflichten - für die Wirtschaft eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft, so dass kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft entsteht.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für den Bund entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand. Für die kommunale Verwaltung werden drei Vorgaben neu eingeführt. Diese betreffen die Beurkundung und Entgegennahme einer Erklärung zum Wechsel der bei der Geburt eingetragenen Angabe zum Geschlecht oder die erstmalige Eintragung einer Angabe zum Geschlecht, wenn diese bei der Beurkundung der Geburt nicht eingetragen wurde, verknüpft mit einer Wahl neuer Vornamen. Hierfür entstehen den Kommunen schätzungsweise ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 11.000 Euro sowie ein einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von 1,12 Millionen Euro.
F. Weitere Kosten
Das Gesetz wirkt sich nicht auf die Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und insbesondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau aus.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 7. September 2018 Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben mit Begründung und Vorblatt.
Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig. Nur so ist es dem Gesetzgeber möglich, die ihm durch die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht auferlegte Verpflichtung, eine verfassungsmäßige Regelung bis zum 31. Dezember 2018 herbeizuführen, zu gewährleisten.
Fristablauf: 19.10.18
besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG
Federführend ist das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Personenstandsgesetzes
Das Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 45a folgende Angabe eingefügt:
" § 45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung.
2. § 22 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe "divers" in das Geburtenregister einzutragen."
3. Nach § 45a wird folgender § 45b eingefügt:
" § 45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung
(1) Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung können gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag durch eine andere in § 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung ersetzt oder gestrichen werden soll. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, können sie gegenüber dem Standesamt erklären, welche der in § 22 Absatz 3 vorgesehenen Bezeichnungen für sie maßgeblich ist, oder auf die Angabe einer Geschlechtsbezeichnung verzichten, wenn sie
- 1. Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind,
- 2. als Staatenlose oder heimatlose Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
- 3. als Asylberechtigte oder ausländische Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Inland haben oder
- 4. als Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt,
- a) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen,
- b) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhalten oder
- c) eine Blaue Karte EU besitzen.
Mit der Erklärung können auch neue Vornamen bestimmt werden. Die Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden; sie können auch von den Standesbeamten beglaubigt oder beurkundet werden.
(2) Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Erklärung abgeben. Im Übrigen kann ein Kind die Erklärung nur selbst abgeben; es bedarf hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung, wenn die Änderung der Angabe zum Geschlecht oder der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht; das Verfahren vor dem Familiengericht ist eine Kindschaftssache nach Buch 2 Abschnitt 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
- (3) Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist nachzuweisen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt.
(4) Für die Entgegennahme der Erklärung ist das Standesamt zuständig, das das Geburtenregister für die betroffene Person führt. Ist die Geburt nicht in einem deutschen Geburtenregister beurkundet, so ist das Standesamt zuständig, das das Eheregister oder Lebenspartnerschaftsregister der Person führt. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt sich auch danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt I in Berlin zuständig. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis der nach den Sätzen 3 und 4 entgegengenommenen Erklärungen."
Artikel 2
Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
In § 168a Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780) geändert worden ist, werden nach dem Wort "angezeigt," die Wörter "oder fehlt in den Fällen des § 45b Absatz 2 Satz 3 des Personenstandsgesetzes die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters" eingefügt.
Artikel 3
Bekanntmachungserlaubnis
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann den Wortlaut des Personenstandsgesetzes und der Personenstandsverordnung in der vom (einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4) an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt bekannt machen.
Artikel 4
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit dem Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (Personenstandsrechts-Änderungsgesetz - PStRÄndG) vom 7. Mai 2013 (BGBl. I S. 1122) wurde die Regelung des § 22 Absatz 3 PStG geschaffen. Danach ist ein Personenstandsfall ohne eine Angabe zum Geschlecht des Kindes in das Geburtenregister einzutragen, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16 - festgestellt, dass das in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG normierte allgemeine Persönlichkeitsrecht die geschlechtliche Identität schützt. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dieser Personenkreis ist auch gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts geschützt und wird in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als "weiblich" oder "männlich" zulässt.
Der Gesetzentwurf schafft die vom Bundesverfassungsgericht für das Personenstandsrecht geforderte Möglichkeit für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, einen anderen positiven Geschlechtseintrag zu wählen.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
An der Eintragung des Geschlechts bei der Geburt eines Kindes wird festgehalten. In § 22 Absatz 3 PStG wird zusätzlich zu den bestehenden drei Varianten ("weiblich", "männlich", "ohne Angabe ") die Möglichkeit vorgesehen, das Geschlecht als "divers" zu beurkunden, wenn zum Zeitpunkt der Geburt eine Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht nicht möglich ist. Die subjektive Geschlechtsidentität ist individuell, so dass es keine universell für alle Betroffenen geltende Bezeichnung einer weiteren Geschlechtsoption gibt. Da der Gesetzgeber nicht gehalten ist, jedes beliebige Identitätsmerkmal personenstandsrechtlich einzutragen, gibt die offene Formulierung potentiell vielen Betroffenen die Möglichkeit der Identifikation. Die Wahl des Begriffs "divers" entspricht dem Wunsch der Betroffenen, der in der Länder- und Verbändebeteiligung zum Ausdruck gekommen ist.
Der Anwendungsbereich der Regelung beschränkt sich auf Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Nach der aktuellen medizinischen Terminologie, die auf der bei der Konsensuskonferenz 2005 in Chicago vorgeschlagenen Klassifikation beruht, werden unter Varianten der Geschlechtsentwicklung Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind (Lee PA, Houk CP, Ahmed SF, Hughes IA: Consensus Statement on Management of Intersex Disorders. International Consensus Conference of Intersex. Pediatrics 2006; 118:E488-E500).
Um die Abbildung der Geschlechtsidentität im Geburtenregister zu gewährleisten, wird betroffenen Personen die Möglichkeit eröffnet, den Geburtseintrag im Falle einer ärztlich festgestellten Variante der Geschlechtsentwicklung durch Erklärung gegenüber dem Standesamt zu ändern. Die betroffene Person kann dabei zwischen den Angaben "weiblich" und "männlich" sowie der Bezeichnung "divers" und dem Streichen der Angabe zum Geschlecht wählen. Parallel können in der Erklärung die Vornamen angepasst werden. Für minderjährige Betroffene gelten besondere Regelungen. Sie können die Erklärung ab Vollendung des 14. Lebensjahres selbst abgeben; sie benötigen hierfür die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Die fehlende Zustimmung kann durch das Familiengericht im Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Buches 2 Abschnitt 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ersetzt werden. Mit der Altersbestimmung orientiert sich der Gesetzentwurf an anderen, die Erklärungen von Minderjährigen regelnden Normen, wie beispielsweise § 1617c des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Vor Vollendung des 14. Lebensjahres oder für ein geschäftsunfähiges Kind kann die Erklärung nur durch den gesetzlichen Vertreter abgegeben werden. Eine einmal vorgenommene Eintragung kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wieder geändert werden.
Weitergehende sprachliche Anpassungen sind nicht erforderlich. Der weit überwiegende Teil der Rechtsvorschriften knüpft nicht an das Geschlecht an. In der Gesetzessprache findet dies regelmäßig seinen Niederschlag durch die Verwendung des generischen Maskulinums. Da das generische Maskulinum gerade nicht auf das somatische Geschlecht abstellt, ist eine sprachliche Anpassung von Rechtsvorschriften, die diese Form der Geschlechtsangabe verwenden, in Folge der neu geschaffenen Angabe "divers" im Personenstandsrecht nicht erforderlich. Auch in Rechtsvorschriften, in denen im Zuge der Herstellung der sogenannten geschlechtergerechten Sprache statt des generischen Maskulinums jeweils beide Geschlechter genannt werden, ist davon auszugehen, dass diese Variante nicht exklusiv wirken soll. Auch hier ist eine sprachliche Anpassung nicht erforderlich, da ohne weiteres ersichtlich ist, dass auch Menschen ohne Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter gemeint sind.
Soweit Rechtsvorschriften dagegen an das somatische Geschlecht anknüpfen, kann sich weiterer Regelungsbedarf außerhalb des Personenstandsrechts ergeben.
III. Alternativen
In der zitierten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auch die Möglichkeit des Gesetzgebers aufgezeigt, auf die Angabe des Geschlechts im Geburtenregister gänzlich zu verzichten. Hiervon war jedoch abzusehen.
Der Geschlechtseintrag bei der Geburt ist ein Referenzeintrag, der im täglichen Leben als Beweismöglichkeit im gesamten Rechtsverkehr dient. Im Gegensatz zu anderen Registern - wie z.B. dem Melderegister - kommt dem Personenstandsregister nach § 54 PStG Beweiskraft zu. Würde das Geschlecht daher nicht im Personenstandsregister, sondern ausschließlich in anderen Registern festgehalten, würde die Frage der Bestimmung des Geschlechts nur verschoben, die Rechtsposition der Bürger jedoch empfindlich geschwächt. In einigen Rechtsbereichen werden direkte Rechtsfolgen an das Geschlecht geknüpft. So muss nach den Vorgaben der internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) das Geschlecht in Reisepässen mit "weiblich", "männlich" oder mit "X" angegeben werden. Darüber hinaus unterliegen verschieden- und gleichgeschlechtliche Ehen unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Regelungen (Artikel 13 und Artikel 17b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)), so dass im Falle eines Auslandsbezugs klar sein muss, welchem Geschlecht die Eheleute angehören.
IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 (gerichtliches Verfahren) und Nummer 2 (Personenstandswesen) GG.
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Das Gesetzgebungsvorhaben ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
VI. Gesetzesfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Der Gesetzentwurf führt zur Verfassungsmäßigkeit von § 22 Absatz 3 PStG.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit dem Leitgedanken der Bundesregierung zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
3. Erfüllungsaufwand
a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft
Für Bürgerinnen und Bürger wird durch das Gesetz die Möglichkeit geschaffen, die bei der Geburt eingetragene Angabe zum Geschlecht zu ändern oder die Eintragung einer Angabe zum Geschlecht erstmalig einzutragen, wenn diese bei der Beurkundung der Geburt nicht eingetragen wurde. Dies kann mit einer Wahl neuer Vornamen verknüpft werden.
In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 wird davon ausgegangen, dass in Deutschland rund 160.000 Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung leben. Hiervon identifiziert sich maximal ein Drittel nicht mit der im Geburtenregister beurkundeten Angabe zu ihrem Geschlecht und wird daher potentiell eine Änderungserklärung abgeben (rund 53.000). Es ist davon auszugehen, dass jährlich schätzungsweise 1.500 Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland geboren werden. Dies entspricht 0,19 % der etwa 792.000 Neugeborenen im Jahr 2016. Dem Bundesverfassungsgericht folgend kann angenommen werden, dass hiervon jährlich ein Drittel, also 500 Personen, einen Antrag auf Geschlechts- und Vornamenswechsel stellen.
Die Antragstellung beim Standesamt bedeutet für den Bürger schätzungsweise einen Zeitaufwand von einer Stunde, wobei das Gespräch beim Standesamt mit etwa 30 Minuten veranschlagt wird. Weiter ist von einer finanziellen Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa 10,00 EUR auszugehen. Somit entstehen insgesamt für die Betroffenen schätzungsweise ein einmaliger jährlicher Zeitaufwand von 53.000 Stunden sowie eine einmalige finanzielle Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa 530.000,00 EUR. Jährlich entstehen schätzungsweise ein Zeitaufwand von 500 Stunden sowie ein finanzieller Aufwand in Höhe von 5.000,00 EUR.
Unternehmen werden nicht mit zusätzlichen Bürokratiekosten aus Informationspflichten belastet.
b) Erfüllungsaufwand für die Verwaltung
Bei den Gemeinden entstehen für die Anpassung von vorhandenen Softwarelösungen Kosten, die angesichts der unterschiedlichen Gestaltung der in den Standesämtern eingesetzten Fach- und Registerverfahren für die elektronische Personenstandsbeurkundung nicht beziffert werden können.
Für die Kommunen werden drei Informationspflichten neu eingeführt. Das Standesamt muss die beschriebenen Erklärungen zur Angabe zum Geschlecht und zum Vornamen beurkunden und entgegennehmen. Zudem muss das Standesamt eine Mitteilung an das Familiengericht senden, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu der Erklärung eines mindestens 14-jährigen Kindes nicht erteilt wird.
Ausgehend von einer Bearbeitungszeit von je 30 Minuten bei Lohnkosten von rund 42,30 Euro/Stunde, wäre - unter Berücksichtigung der dargestellten Fallzahlen - von einer Mehrbelastung in Höhe von etwa 21,15 EUR pro Beurkundung auszugehen. Mithin würde der einmalige Erfüllungsaufwand der Verwaltung schätzungsweise 1,12 Millionen Euro betragen. Darüber hinaus entstünde den Kommunen bei circa 500 Änderungserklärungen pro Jahr ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 11.000 Euro.
Hinsichtlich der Mitteilung an die Familiengerichte ist die genaue Höhe des Erfüllungsaufwandes nicht bezifferbar, dürfte aber sehr gering sein. Bei schätzungsweise 500 jährlichen Änderungserklärungen insgesamt in Deutschland dürfte der Anteil der 14- bis 18jährigen Kinder, die eine Änderung der Angabe zum Geschlecht erreichen wollen, kaum ins Gewicht fallen. Da keine statistischen Werte vorliegen, kann eine Angabe zum Erfüllungsaufwand nicht getroffen werden.
Im Meldewesen muss von den Fachverfahrensherstellern von Meldesoftware ein weiterer Schlüsselwert zur Angabe des Geschlechts in die Auswahlmasken und in die Datenbank aufgenommen werden. Die genaue Höhe des Erfüllungsaufwandes ist nicht bezifferbar, dürfte aber gering sein. Dieser Aufwand ist bereits durch Softwarewartungsverträge zwischen der Verwaltung einerseits und den Fachverfahrensherstellern andererseits abgedeckt. Die weitere Auswahlmöglichkeit bei der Angabe zum Geschlecht dürfte in der Praxis der Eintragung in das Melderegister unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsaufwandes kaum messbar sein.
4. Weitere Kosten
Der Gesetzentwurf wirkt sich nicht auf Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und insbesondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau aus. Für die Verwaltungsleistung können auch Gebühren von den Antragstellern erhoben werden. Die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wird allerdings in Einzelfällen zu zusätzlichen Verfahren bei den Familiengerichten, Oberlandesgerichten und eventuell auch beim Bundesgerichtshof führen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dadurch Mehrkosten für Bund, Länder und Kommunen entstehen, ist nicht zuverlässig abschätzbar. Da es bisher keine Statistik gibt, die ausweisen könnte, wie häufig eine Änderung der Geschlechtsangabe von über 14 Jahre alten Kindern begehrt werden wird und wie oft ihnen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters dazu in solchen Fällen verwehrt wird, ist der künftig zu erwartende personelle und finanzielle Mehraufwand, der den Gerichten entsteht, nicht bezifferbar.
5. Weitere Gesetzesfolgen
Keine.
VII. Befristung; Evaluierung
Eine Befristung oder Evaluierung ist nicht erforderlich.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Personenstandsgesetz)
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine Aktualisierung der Inhaltsübersicht.
Zu Nummer 2 (§ 22 Absatz 3)
Durch die Erweiterung wird für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung die Möglichkeit geschaffen, einen positiven Geschlechtseintrag zu wählen, wenn sie sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen. Bislang wird nach der Geburt eines Kindes das Geschlecht mit der Angabe "weiblich" oder "männlich" beurkundet. Ist diese Einordnung nicht möglich, wird keine Angabe eingetragen. Die jetzt getroffene Regelung eröffnet eine weitere einheitliche Option. Die gewählte Angabe "divers" soll als Sammelbegriff jeder betroffenen Person die Möglichkeit der geschlechtlichen Identifikation geben. Ein Anspruch auf personenstandsrechtliche Eintragung beliebiger Identitätsmerkmale, die einen Bezug zum Geschlecht haben, ergibt sich aus der Verfassung nicht.
Zu Nummer 3 (§ 45b)
Absatz 1 der neuen Regelung eröffnet Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung die Möglichkeit, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt die Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag nach der Geburt zu harmonisieren. Der Geburtseintrag im Geburtenregister erfolgt kurz nach der Geburt.
Zu diesem Zeitpunkt kann das Neugeborene eine eigene Geschlechtsidentität nicht kommunizieren. Die bei der Geburt getroffene Geschlechtseinordnung muss daher ab einem Zeitpunkt, zu dem die betroffene Person zur Entwicklung einer eigenen Geschlechtsidentität in der Lage ist, abänderbar sein.
Parallel zu anderen Regelungen im geltenden Recht wird davon ausgegangen, dass ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, hinreichend entwickelt ist, um hierzu eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Ab Vollendung des 14. Lebensjahres kann bei einem beschränkt geschäftsfähigen Kind davon ausgegangen werden, dass durch die Pubertät - auch wenn sie noch nicht abgeschlossen ist - eine deutliche Entwicklung der Geschlechtsidentität begonnen hat, die dem Kind in zunehmendem Maße eine Einordnung seiner selbst ermöglicht. Die festgelegte Altersgrenze ist dabei das Ergebnis einer Abwägung, die das Selbstbestimmungsrecht des Kindes (Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG) einerseits und das elterliche Erziehungsrecht (Artikel 6 Absatz 2 GG) andererseits angemessen berücksichtigt. Angesichts des höchstpersönlichen Charakters der Entscheidung über die Geschlechtsidentität und damit auch derjenigen über die im Personenstandsregister enthaltene Geschlechtsangabe soll das Kind in dieser Frage ab Vollendung des 14. Lebensjahrs grundsätzlich selbst zur Entscheidung berufen sein. Allerdings ist es angezeigt, ihm dabei die Unterstützung seines gesetzlichen Vertreters zukommen zu lassen. Die Regelung sieht deshalb ein Zustimmungserfordernis des gesetzlichen Vertreters vor. Trotz der dem Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahres grundsätzlich zugebilligten Entscheidungsfähigkeit über die eigene Geschlechtsidentität handelt es sich nämlich bei der Herausbildung einer solchen um einen Prozess, der in dieser Altersphase in der Regel noch im Fluss ist und dem heranwachsenden Kind womöglich nicht sofort die erforderliche Gewissheit hinsichtlich der Geschlechtsidentität verschafft, mit der es leben will. Zudem führt die Änderung des Geschlechtseintrags und gegebenenfalls des Namens zu einer Änderung der Art und Weise, wie das Kind in seinem gesamten sozialen Umfeld wahrgenommen wird, deren Auswirkungen das Kind möglicherweise nicht immer im gesamten Ausmaß hinreichend überblickt. Es ist daher erforderlich, dass der gesetzliche Vertreter im Rahmen der Ausübung der elterlichen Sorge das Kind bei seiner Entscheidung begleitet und unterstützt und seine Zustimmung zur Entscheidung des Kindes erteilt, abhängig von den Interessen und dem Wohl des Kindes und unter Berücksichtigung des Alters und der Entwicklung des Kindes im konkreten Fall.
Wird die Zustimmung nicht erteilt, so muss im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Kindes und den höchstpersönlichen Charakter der Entscheidung über die Geschlechtsidentität eine Ersetzungsmöglichkeit bestehen. Bestünde die vorgeschlagene Ersetzungsmöglichkeit nicht, käme allenfalls die Ersetzung im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB in Betracht. Die Hürde, ein solches Verfahren anzustoßen, erscheint, zumal für einen sich womöglich in einer psychischen Zwangslage befindlichen Minderjährigen, jedoch zu hoch und würde ihn in dieser ohnehin schon in mehrfacher Hinsicht konfliktbelasteten Situation noch weiter belasten. Dasselbe würde gelten, würde man dem noch minderjährigen Kind auferlegen, durch einen eigenen Antrag das Ersetzungsverfahren einzuleiten. Daher hat das Standesamt in Fällen der fehlenden Zustimmung das Familiengericht zu informieren (vgl. Artikel 2 des Entwurfs). Dieses ersetzt die Zustimmung, wenn die beabsichtigte Änderung - des Geschlechtseintrags, der Vornamen oder beides - dem Kindeswohl nicht widerspricht. Da das Kind ab 14 Jahren in Fragen der Geschlechtsidentität grundsätzlich eine eigene Entscheidung treffen können soll, kann sich der gesetzliche Vertreter über den Wunsch des Kindes nur hinwegsetzen, wenn kindeswohlrelevante Gründe hierfür vorliegen. Die vom Kind gewünschte Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll mithin insbesondere dann nicht scheitern, wenn die Eltern eines Kindes im Jugendalter mit großem Leidensdruck etwa aus rein egoistischen Motiven eine Änderung der Geschlechtsangabe und ggf. des Vornamens verweigern, sondern nur dann, wenn sie dem Wohl des Kindes widerspricht. Bei dem gerichtlichen Verfahren zur Ersetzung der nach § 45b PStG erforderlichen Zustimmung handelt es sich um eine Kindschaftssache nach § 151 FamFG. Die Vorschriften des Buches 2 Abschnitt 3 FamFG sind anzuwenden.
Aber auch schon vor Vollendung des 14. Lebensjahres sind Fälle denkbar, in denen die Angleichung des Geschlechtseintrags an die Geschlechtsidentität notwendig erscheint. Es kann Fälle geben, in denen sich die Geschlechtszuweisung bei entsprechend früh einsetzender Pubertät und damit einhergehender früher Ausprägung der Geschlechtsidentität durch das Kind als sehr belastend erlebt wird. In diesen Fällen darf dem gesetzlichen Vertreter des Kindes nicht verwehrt werden, in Wahrnehmung seines Sorgerechts eine entsprechende Erklärung für das Kind abzugeben.
Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist nachzuweisen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. Die Bescheinigung muss keine genaue Diagnose enthalten; vielmehr genügt das Attest des Arztes, dass die betroffene Person eine Variante der Geschlechtsentwicklung aufweist.
Wurde die Angabe zum Geschlecht im Geburtenregister durch eine Erklärung zur Geschlechtsidentität verändert, kann durch eine weitere Erklärung eine Anpassung der Vornamen erfolgen. Dies ermöglicht eine Harmonisierung der Vornamen mit der neu beurkundeten Angabe zum Geschlecht.
Beide Erklärungen müssen öffentlich beglaubigt werden. Dies entspricht der Systematik der materiellen Namensänderungen (z.B. § 1355 Absatz 3 BGB).
Erklärungen nach Absatz 1 können mehrfach abgegeben und eine einmal vorgenommene Eintragung damit revidiert werden.
Absatz 1 stellt sicher, dass auch bei Verfahren nach § 45b PStG, an denen Ausländer beteiligt sind, ein ausreichender Inlandsbezug gegeben ist. Grundsätzlich ist es dem jeweiligen Heimatrecht überlassen, ob der Name oder die Geschlechtszugehörigkeit geändert werden können, da Friktionen mit den namensrechtlichen Kollisionsvorschriften (Artikel 10, 47, 48 EGBGB) zu vermeiden sind. Diese Erwägung kann allerdings dann nicht Platz greifen, wenn die betroffene Person sich nicht nur vorübergehend im Inland aufhält und ihr Heimatrecht eine vergleichbare Regelung nicht kennt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität gebietet es im Zusammenwirken mit dem Gleichbehandlungsgebot, diesen Personen in gleicher Weise wie Personen, die in Personenstandsregistern erfasst sind, die Möglichkeit zu geben, eine entsprechende Erklärung abzugeben.
Absatz 4 regelt die Zuständigkeit des jeweiligen Standesamtes.
Zu Artikel 2 (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
Die Änderung stellt sicher, dass das Standesamt in den Fällen des § 45b Absatz 2 Satz 3 PStG bei Fehlen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters das Familiengericht informiert und so die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des gesetzlichen Vertreters, die Zustimmung zu verweigern, ermöglicht. Die Mitteilung gilt als Anregung des Verfahrens vor dem Familiengericht im Sinne von § 24 FamFG.
Zu Artikel 3 (Bekanntmachung)
Die Vorschrift gestattet die Bekanntmachung des Gesetzes in der geänderten Form ohne erneute Beteiligung der parlamentarischen Gremien.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Absatz 1 NKRG: NKR-Nummer 4427, BMI: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben
Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.
I. Zusammenfassung
Bürgerinnen und Bürger Jährlicher Zeitaufwand: Jährliche Sachkosten: Einmaliger Zeitaufwand: Einmalige Sachkosten: Wirtschaft | 500 Stunden (12.500 Euro) 5.000 Euro 53.000 Stunden (1,325 Mio. Euro) 530.000 Euro Keine Auswirkungen |
Verwaltung Länder und Kommunen Jährlicher Erfüllungsaufwand: Einmaliger Erfüllungsaufwand: | 11.000 Euro 1,12 Mio. Euro |
Weitere Kosten | Es können Gebühren erhoben werden. Deren Höhe wurde vom Ressort nicht geschätzt, könnte nach Einschätzung des NKR aber einmalig 530.000 Euro und jährlich 5.000 Euro betragen. |
Das Ressort hat die Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwands methodengerecht und nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsentwurf. |
II. Im Einzelnen
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 festgestellt, dass im Geburtenregister neben den Möglichkeiten "männlich", "weiblich" sowie "Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe " der Eintrag eines "positiven Geschlechtseintrags" für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung möglich sein müsse ("drittes Geschlecht"). Zur Umsetzung der Entscheidung dient das vorliegende Regelungsvorhaben.
Geregelt wird auch, dass in den Fällen, in denen die weitere Geschlechtsentwicklung nicht zu einer Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht führt, oder in denen die Zuordnung nach der Geburt unrichtig erfolgte, die Möglichkeit eröffnet wird, die Zuordnung im Geburtseintrag ändern zu lassen und ggf. neue Vornamen zu wählen. Dafür bedarf es der ärztlichen Feststellung. Eine einmal vorgenommene Eintragung kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wieder geändert werden.
Minderjährige Betroffene können die Erklärung ab Vollendung des 14. Lebensjahres selbst abgeben. Sie benötigen hierfür die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, die auch durch das Familiengericht ersetzt werden kann.
II.1 Erfüllungsaufwand
Das Ressort hat die Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand übersichtlich und methodengerecht dargestellt. Es hat die Länder um Rückmeldung zum Vollzugsaufwand gebeten. Diese gab es jedoch nicht.
Bürgerinnen und Bürger
Für Bürgerinnen und Bürger wird durch das Gesetz die Möglichkeit geschaffen, die bei der Geburt eingetragene Angabe zum Geschlecht zu ändern oder die Eintragung einer Angabe zum Geschlecht erstmalig einzutragen, wenn diese bei der Beurkundung der Geburt nicht eingetragen wurde. Dies kann mit einer Wahl neuer Vornamen verknüpft werden.
In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 wird davon ausgegangen, dass in Deutschland rund 160.000 Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung leben. Davon identifiziert sich schätzungsweise ein Drittel nicht mit dem im Geburtenregister beurkundeten Geschlecht. Dies entspricht circa 53.000 Personen, die eine Änderungserklärung abgeben werden. Die Antragstellung beim Standesamt bedeutet für den Bürger schätzungsweise einen Zeitaufwand von einer Stunde, wobei das Gespräch beim Standesamt mit etwa 30 Minuten veranschlagt wird. Weiter ist von einer finanziellen Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa 10,00 EUR in den Fällen auszugehen, in denen die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen.
Somit entstehen für die 53.000 bereits existierenden Betroffenen ein einmaliger Zeitaufwand von 53.000 Stunden (bzw. 1,325 Mio. Euro) sowie eine einmalige finanzielle Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa 530.000 Euro. Letztere werden vermutlich von den Krankenkassen getragen.
Es ist davon auszugehen, dass in Deutschland jährlich schätzungsweise 0,19 Prozent, d.h. 1.500 der Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung geboren werden. Dem Bundesverfassungsgericht folgend nimmt das Ressort an, dass hiervon jährlich ein Drittel, also 500 Personen, einen Antrag auf Geschlechts- und Vornamenswechsel stellen. Die oben genannten Aufwände des Einzelfalls zu Grunde gelegt, entstehen jährliche Aufwände von 500 Stunden (bzw. 12.500 Euro) sowie 5.000 Euro für die ärztliche Bescheinigung.
Die Wirtschaft ist nicht betroffen.
Verwaltung (Länder/Kommunen)
Das Standesamt muss die Erklärungen zur Geschlechtsidentität und zum Vornamen entgegennehmen und beurkunden. Ausgehend von einer Bearbeitungszeit von je 30 Minuten und bei Lohnkosten von rund 42,30 Euro/Stunde, geht das Ressort von einer Mehrbelastung in Höhe von etwa 21,15 Euro pro Beurkundung aus. Unter Berücksichtigung der einmaligen Fallzahl von 53.000 Anträgen würde der einmalige Erfüllungsaufwand der Verwaltung schätzungsweise 1,12 Mio. Euro betragen. Darüber hinaus entsteht den Kommunen bei circa 500 Änderungserklärungen pro Jahr ein jährlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 11.000 Euro.
Die Fälle, in denen das Standesamt eine Mitteilung an das Familiengericht sendet, falls die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu der Erklärung eines mindestens 14jährigen Kindes nicht erteilt wird, sind zu vernachlässigen. Bei schätzungsweise 500 Änderungserklärungen pro Jahr dürfte der Anteil der 14- bis 18-jährigen Kinder, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, kaum ins Gewicht fallen.
Bei den Gemeinden entstehen für die Anpassung von vorhandenen Softwarelösungen Kosten, die angesichts der unterschiedlichen Gestaltung der in den Standesämtern eingesetzten Fach- und Registerverfahren für die elektronische Personenstandsbeurkundung nicht einzeln beziffert werden können. Auf Nachfrage schätzt das Ressort, dass sich die Erhöhung der Pflegekosten einschließlich allgemeiner Preissteigerungen für alle seit 2017 erforderlichen Anpassungen im Personenstandsrecht, u.a. für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, auf rund 3 Prozent belaufen, was Schätzungen zufolge rund 150.000 Euro pro Jahr entspricht.
Im Meldewesen muss von den Fachverfahrensherstellern von Meldesoftware ein weiterer Schlüsselwert zum Geschlecht in die Auswahlmasken und in die Datenbank aufgenommen werden. Die genaue Höhe des Erfüllungsaufwandes ist nach Aussage des Ressorts nicht bezifferbar, wird aber als gering bewertet. Zudem sei dieser Aufwand bereits durch Softwarewartungsverträge zwischen der Verwaltung einerseits und den Fachverfahrensherstellern andererseits abgedeckt. Diese Einschätzung wird Vom NKR aufgrund vergleichbarer Fälle der Vergangenheit geteilt.
II.2 Weitere Kosten
Für die Verwaltungsleistung können Gebühren von den Antragstellern erhoben werden. Das Ressort hat die mögliche Höhe der Gebühren nicht geschätzt und verweist auf die Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörden. Ggf. wird sogar gänzlich auf Gebühren verzichtet, wie dies z.B. seit Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes bei der Umwandlung von Lebenspartnerschaften in Ehen überwiegend der Fall ist.
Nach Einschätzung des NKR ist davon auszugehen, dass jedoch Gebühren für die Ausstellung der berichtigten Geburtsurkunde erhoben werden, die üblicherweise 10 Euro beträgt. Demnach ist mindestens mit einer Gebührenbelastung von einmalig 530.000 Euro und einer jährlich 5.000 Euro zu rechnen.
Die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wird in Einzelfällen zu zusätzlichen Verfahren bei den Familiengerichten, Oberlandesgerichten und eventuell auch beim Bundesgerichtshof führen. Es wird jedoch angenommen, dass die Zahl der Fälle sehr begrenzt sein wird.
II.3 Erwägungen zu anderen Lösungsmöglichkeiten
Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Möglichkeit aufgezeigt, auf die Angabe des Geschlechts im Geburtenregister gänzlich zu verzichten. Diese Alternative hat das Ressort geprüft und verworfen. Der Geschlechtseintrag sei ein Referenzeintrag, der im täglichen Leben als Beweismöglichkeit im gesamten Rechtsverkehr dient. Das Personenstandsregister sei der einzige Ort, an dem das Geschlecht beweiskräftig dokumentiert werden könne. Würde das Geschlecht daher nicht im Personenstandsregister festgehalten, würde die Rechtsposition der Bürger empfindlich geschwächt. In einigen Rechtsbereichen würden direkte Rechtsfolgen an das Geschlecht geknüpft, insbesondere in Bezug zur Rechtslage im Ausland. So unterlägen verschieden- und gleichgeschlechtliche Ehen unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Regelungen. Im Falle eines Auslandsbezugs müsse klar sein, welchem Geschlecht die Eheleute angehören.
III. Ergebnis
Das Ressort hat die Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwands methodengerecht und nachvollziehbar dargestellt. Der Nationale Normenkontrollrat erhebt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellung der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsentwurf.
Dr. Ludewig Holtschneider
Vorsitzender Berichterstatter