Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 beschlossen, zu dem Jahreswirtschaftsbericht 2018 der Bundesregierung gemäß § 2 Absatz 1 StabG wie folgt Stellung zu nehmen:
A Dynamische Wirtschaft, erfolgreiche Wirtschaftspolitik - Jahresprojektion 2018 der Bundesregierung
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Bundesregierung, dass sich die deutsche Wirtschaft in einem kräftigen konjunkturellen Aufschwung befindet. Mit 2,2 Prozent (kalenderbereinigt 2,5 Prozent) wurde 2017 das höchste Wirtschaftswachstum seit 2011 verzeichnet. Getragen wird das Wachstum von der Inlandsnachfrage. Das Einkommen der privaten Haushalte wächst mit der steigenden Beschäftigung und damit der private Verbrauch. Hinzu kommen gestiegene Wohnungsbauinvestitionen und eine Belebung der Ausrüstungsnachfrage.
- 2. Mit 44,3 Millionen Erwerbstätigen ist der höchste Stand seit der Wiedervereinigung Deutschlands erreicht worden. Ursächlich war die Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die auch zum Rückgang der Arbeitslosigkeit beigetragen hat. Die Arbeitslosenquote ist auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung gesunken. Die Reallöhne der Beschäftigten sind weiter gestiegen.
- 3. Die konjunkturellen Aussichten sind günstig. Nach der Projektion der Bundesregierung sind ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent, eine weitere Zunahme der Erwerbstätigen von 1,1 Prozent und ein Rückgang der Arbeitslosenquote auf 5,3 Prozent zu erwarten.
Zu Recht weist die Bundesregierung auch auf die Unsicherheiten hin. Risiken können vor allem im globalen Umfeld liegen, etwa in einer Abschwächung in China, in den Finanzmärkten, durch geopolitische Krisen, im Brexit oder im Aufflammen protektionistischer Handelshemmnisse.
- 4. Der Bundesrat weist auf die mittel- und langfristigen Herausforderungen hin. Mit der demographischen Entwicklung sind langfristig ein sinkendes Erwerbspersonenpotenzial und steigende Ausgaben für die Alterssicherung, Gesundheit und Pflege verbunden. Der Anpassungsdruck durch die Digitalisierung, Globalisierung und den Klimawandel nimmt weiter zu. Unternehmenslandschaft und Geschäftsmodelle werden sich ebenso wie die Arbeitswelt verändern. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung die Zukunftsthemen in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftspolitik stellt. Gleichzeitig bittet er die Bundesregierung, weiterhin einen besonderen Fokus auf diese Themen bei wissenschaftlichen Studien und Dialogen zu legen.
B Solide Finanzpolitik, gesamtdeutsche Strukturpolitik
- 5. Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden verzeichnen dank der guten Konjunktur in Deutschland hohe Einnahmezuwächse. Diese Entwicklung sollte genutzt werden, um neben der Konsolidierung der Haushalte Mittel für zukunftsweisende und wachstumsfördernde Investitionen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Bildung und Infrastruktur einzusetzen. Bestrebungen des Bundes, die Länder und Kommunen bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und dem weiteren Ausbau der Breitbandinfrastruktur zu unterstützen, werden vom Bundesrat begrüßt. Daneben bedarf es auch weiterhin der Unterstützung durch den Bund für die Bewältigung besonderer Aufgaben.
- 6. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass trotz erreichter Fortschritte beim Aufbau Ost und bei der Bewältigung des Strukturwandels in altindustriell geprägten und ländlichen Regionen der westdeutschen Länder erhebliche Disparitäten fortbestehen. Das zu entwickelnde gesamtdeutsche System zur Förderung strukturschwacher Regionen muss die notwendigen Anpassungsprozesse durch die Stärkung von Innovationskraft, Investitionen, Infrastruktur und Daseinsvorsorge wirksam unterstützen. Seine Bedeutung wird angesichts der Beschleunigung des Strukturwandels durch die Digitalisierung, des fortschreitenden demografischen Wandels und auch zu erwartender Mittelkürzungen bei den EU-Struktur- und Investitionsfonds ab dem Jahr 2021 noch verstärkt.
- 7. Der Bundesrat hält mit Blick auf die Ausgestaltung der zukünftigen Regionalförderung folgende Punkte für besonders wichtig:
- - Kern des gesamtdeutschen Fördersystems bleibt die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW). Der klare Schwerpunkt der GRW soll auf der Förderung wirtschaftlichen Wachstums von Unternehmen, der Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur sowie der Stärkung von Innovationen liegen. - Bei Fachprogrammen des Bundes muss die Prüfung strukturpolitischer Komponenten unter Wahrung der fachpolitischen Zielrichtungen der Programme (z.B. Exzellenzprinzip bei bestimmten FuE-Förderungen) erfolgen, um mögliche Widersprüche zu diesen Zielsetzungen zu vermeiden.
- - Auch wenn eine enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Förderebenen und -programmen (EU, Bund, Länder) auch zukünftig notwendig sein wird, muss der Verwaltungsaufwand zur Koordinierung der Programme im Zuge der Umsetzung des neuen Fördersystems gering gehalten werden.
- 8. Der Bundesrat weist auf die hohe Bedeutung des europäischen Beihilferechts für die Möglichkeiten der Förderung strukturschwacher Regionen in Deutschland hin. Wesentliche Aspekte sind der Zuschnitt des Fördergebiets nach 2020, das Fördergefälle zu den Nachbarstaaten, besondere strukturpolitische Erfordernisse sowie die Möglichkeit, weiterhin auch größere Unternehmen zu fördern. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in enger Abstimmung mit den Ländern auf europäischer Ebene frühzeitig und nachdrücklich in den Prozess der Erstellung der neuen Regionalleitlinien auf europäischer Ebene einzubringen.
C Impulse für Investitionen und Innovationen, Stärkung der Industrie
- 9. Der Bundesrat begrüßt die Erhöhung der Investitionen in notwendige Verkehrs-, Bildungs- Forschungs-, Energieeffizienz- und Kommunikationsinfrastrukturen als unabdingliche Basis für die Entwicklung einer wachstumsorientieren und nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Die Verbesserung der digitalen Infrastruktur bleibt weiter eine zentrale Herausforderung, um die Voraussetzungen für neue Geschäftsmodelle, Kommunikations- und Produktionsprozesse realisieren zu können. Hier müssen weiterhin Förderprogramme für Länder und Kommunen vorgehalten werden. Zudem sind die bestehenden Informationsangebote der Mittelstand 4.0 Kompetenzzentren zu verstetigen.
- 10. Neue Fertigungstechnologien (3D-Druck) verändern Produktionsprozesse und Logistikketten. Um hier die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern, sind entsprechende Förderprogramme vorzusehen.
- 11. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene für die Stärkung einer nachhaltigen und international wettbewerbsfähigen Industrie einsetzt, wozu regulatorische Maßnahmen, Bürokratieabbau aber auch der Einsatz für die Begrenzung handelsverzerrender Praktiken im multilateralen Handelssystem zählen. Das Ziel, die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen von der wirtschaftlichen Entwicklung zu entkoppeln u.a. durch sinkenden Materialaufwand durch Leichtbau, kann neue Innovationsimpulse für die Industrie setzen.
- 12. Die Potenziale von Industrie 4.0 für eine neue industrielle Wertschöpfung gilt es bestmöglich zu nutzen. Die Konzentration auf Schlüsseltechnologien, Maßnahmen wie die Dialog-Plattform Industrie 4.0, Plattformen Künstliche Intelligenz und Lernende Systeme unterstützen dieses Ziel, gleichzeitig sollten aber auch die erforderlichen Qualifikationen künftiger Arbeitnehmer in den Blick genommen werden.
- 13. Elektromobilität, intelligente Mobilität und autonomes Fahren werden in den kommenden Jahren an Bedeutung nicht zuletzt im Lichte des aktuellen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zur grundsätzlichen Erlaubnis von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge zunehmen. Der Bund sollte Länder, Kommunen und insbesondere Städte beim Aufbau von Ladeinfrastrukturen und bei der Umsetzung neuer Pilotprojekte unterstützen. Im Bereich der urbanen Mobilität wird durch geändertes Nutzungsverhalten die Bedeutung von neuen Geschäftsmodellen wachsen. Beim Aufbau von Mobilitätsplattformen sollte eine maximale Offenheit für Anbieter von Geschäftsmodellen gesichert werden.
- 14. Wichtige Impulse für die FuE - wie die Förderung von Forschungskooperationen, der erleichterte Zugang zu FuE-Vorhaben für KMU und die Stärkung der Forschung in der Mikroelektronik - werden ausdrücklich begrüßt. Nach Ansicht des Bundesrates sollten die FuE-Ausgaben in Deutschland auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden.
- 15. Der Bundesrat begrüßt die finanzielle Unterstützung des Breitbandausbaus durch die Bundesregierung. Mit den bisher bereitgestellten 4,4 Milliarden Euro wird ein wichtiger Beitrag zum flächendeckenden Auf- und Ausbau von Gigabitnetzen in Deutschland geleistet. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass insbesondere die finanzielle Belastung der Kommunen durch die bei geförderten Ausbauprojekten zu tragenden Eigenanteile ein unnötiges Verfahrenshemmnis darstellt, das im Zuge einer Neuausrichtung der Förderpolitik beseitigt werden sollte. Insbesondere sollte die Bundesregierung die Fördersätze erhöhen und es den Ländern gestatten, die Eigenanteile der Kommunen nach eigenem Ermessen vollständig zu übernehmen.
- 16. Der Bundesrat bewertet das Ziel der Bundesregierung, Deutschland als Leitmarkt für 5G-Anwendungen zu positionieren, sehr positiv. Der substanzielle Ausbau der 5G-Konnektivität erfordert, insbesondere im ländlichen Raum, jedoch weitere Investitionen in ein flächendeckendes Glasfasernetz. Nach Ansicht des Bundesrates sollte zukünftig nur noch der Ausbau von Glasfasernetzen förderfähig sein. Darüber hinaus sollte es bei bereits beschiedenen Förderprojekten möglich sein, den Glasfaseranteil zu erhöhen, um konsequent die Anforderungen von 5G bei der Umsetzung geförderter Breitbandprojekte zu berücksichtigen.
D Gute Rahmenbedingungen für private Investitionen und Wettbewerbsbedingungen
- 17. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass junge Technologieunternehmen und Start-ups beim Strukturwandel der deutschen Wirtschaft hin zu einer digitalen Ökonomie unverzichtbar sind. Der Bundesrat begrüßt daher die erreichten Fortschritte bei der Wagniskapitalfinan-zierung, die sowohl ein stärkeres Engagement des Bundes und der KfW umfassen, als auch auf eine effizientere Förderung privater Wagniskapitalgeber und Business Angels abzielen. Mit der Auflage des dritten High-Tech-Gründerfonds, dem Ausbau des INVEST-Programms und der Rückkehr der KfW als Ankerinvestor wurden wichtige Weichenstellungen getroffen. Dennoch steht gerade technologieorientierten Unternehmen und Start-ups in der Gründungs- und Wachstumsphase noch kein ausreichendes Angebot an Wagniskapital zur Verfügung. Zur Verbesserung des Gründerklimas sind auch Überlegungen zu einem weiteren Bürokratieabbau bei Gründungsvorhaben einzubeziehen.
- 18. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der 9. GWB-Novelle die Ziele einer zeitgemäßen Gestaltung des Wettbewerbsrechts, der Berücksichtigung ökonomischer Besonderheiten der zunehmenden Digitalisierung und der Schließung von Rechtslücken erfolgreich umgesetzt wurden. Der Bundesrat befürwortet eine Evaluierung der Vorschriften der Novelle in den nächsten Jahren, um zu prüfen, ob sich die mit Blick auf die Besonderheiten der Märkte der digitalen Wirtschaft geschaffenen Regelungen bewährt haben und ob gegebenenfalls weiterer Anpassungsbedarf besteht.
- 19. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die Aktivitäten der Bundesregierung zur Verringerung des administrativen Aufwands und der damit einhergehenden Kosten für Unternehmen. Die Wettbewerbs- und Investitionsbedingungen werden mit einem sinnvollen und effektiven Bürokratieabbau und einer optimierten Rechtsetzung nachhaltig verbessert. Das Zweite Bü-rokratieentlastungsgesetz, die Einführung der elektronischen Vergabe in der Unterschwellenvergabeordnung und eine konsequente Anwendung des Prinzips "one in, one out" können sowohl die Wirtschaft als auch die öffentliche Hand deutlich entlasten.
- 20. Der Bundesrat begrüßt das mit dem E-Goverment-Gesetz, dem Onlinezugangsgesetz und dem Portalverbund verbundene Ziel der Bundesregierung, für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen einen vollständigen digitalen Zugang zu allen Verwaltungsleistungen zu eröffnen. Er betont die Erfordernisse der größtmöglichen Kompatibilität zwischen dem Portalverbund mit dem geplanten zentralen digitalen Zugangstor der EU-Kommission sowie der Mindestharmonisierung der einzelnen Verwaltungsportale im Portalverbund zur Gewährleistung einer möglichst hohen Nutzerfreundlichkeit. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, insbesondere auf die Verwendung einer möglichst einheitlichen Systematik zur Strukturierung von Lebens- und Geschäftslagen hinzuwirken und die Erstellung einheitlicher Leistungsbeschreibungen weiter voranzutreiben.
- 21. Mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken, weist der Bundesrat auf die Notwendigkeiten hin, Bürokratiebelastungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren auf Bundes- und EU-Ebene weiter zu verringern, die weitere Vereinheitlichung des Vergaberechts zu prüfen sowie Grenz- und Schwellenwerte, Vorschriften und Pflichten für Unternehmen in verschiedenen Rechtsbereichen zu kontrollieren, ggf. zu reduzieren und zu vereinheitlichen. Von einem geringeren Erfüllungsaufwand profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen.
E Zeitgemäße und faire Gestaltung der Arbeitswelt und der sozialen Sicherung
- 22. Der Bundesrat begrüßt den fortgesetzten Einsatz der Bundesregierung, die Menschen, die bisher noch nicht an dieser positiven Arbeitsmarktentwicklung teilhaben konnten, bei der nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Gemeinsames Ziel mit starken Sozialpartnern muss dabei sein, sämtlichen Erwerbspersonen eine den Prinzipien von Guter Arbeit entsprechende Beschäftigung zu ermöglichen.
- 23. Große Herausforderungen für den Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktpolitik stellen gegenwärtig die gesellschaftlichen Megatrends demografischer Wandel und Digitalisierung dar. Insbesondere vor diesem Hintergrund sieht der Bundesrat ebenso wie die Bundesregierung die Schwerpunkte der Arbeitsmarktpolitik in der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, der Aus- und Weiterbildung sowie der qualifizierten Zuwanderung.
- 24. Der Bundesrat bestärkt die Bundesregierung deshalb darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen für qualifizierte Zuwanderung weiter zu vereinfachen und zu verbessern, beispielsweise durch die effiziente Zusammenführung sämtlicher relevanter Regelungen in einem Gesetz.
- 25. Mehr als zwei Dekaden nach der Wiedervereinigung wird mit dem Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung nun auch die Rentenberechnung zwischen Ost- und Westdeutschland schrittweise bis zum Jahr 2025 angeglichen. Der Bundesrat hat bereits in seinem Beschluss vom 7. Juli 2017 (BR-Drucksache 448/17(B) ) darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung damit auch seiner Forderung der letzten Jahre nach einem einheitlichen Rentenrecht nachkommt.
- 26. Gesundheitswirtschaft und insbesondere die Gesundheitsversorgung sind von den im Zuge von Digitalisierung und demografischem Wandel anstehenden Veränderungen nicht ausgenommen. Insbesondere hier zeigen sich die Auswirkungen des demografischen Wandels in einem Anstieg der Dienstleistungsnachfrage bei gleichzeitigen Knappheiten des Arbeitsangebots. Der Bundesrat sieht daher wie die Bundesregierung die Notwendigkeit, den Sozial- und Pflegeberufen in stärkerem Maße als bisher die ihnen zustehende materielle und immaterielle Wertschätzung zukommen zu lassen. Das Pflegeberufe-Reformgesetz mit der Abschaffung des Schulgeldes und der Einführung einer Ausbildungsvergütung ist dabei ein wichtiger Baustein.
- 27. Die durch die Urbanisierung bedingte Wohnraumknappheit in einigen Städten und Ballungsräumen ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem großen sozialen Problem geworden. Im "Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen" arbeiten der Bund, die Wohnungs- und Bauwirtschaft sowie die Länder und Kommunen gemeinsam an Lösungen. Erste Erfolge des Bündnisses bzw. seiner Wohnungsbau-Offensive konnten bereits verzeichnet werden. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass die Bundesregierung weiterhin eine Mitverantwortung übernimmt.
F Moderne, wettbewerbsfähige und umweltverträgliche Energiepolitik; effektiver Klimaschutz
- 28. Der Bundesrat unterstützt die Energiewende als ein zentrales Projekt zur Erreichung der Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit und der Wirtschaftlichkeit. Er erkennt an, dass zahlreiche Vorhaben aus der 10-Punkte-Energie-Agenda in der 18. Legislaturperiode verabschiedet worden sind. Allerdings sind auch wichtige Vorhaben aus der Agenda bisher nicht umgesetzt worden. Das angestrebte Ziel einer nahezu CO₂-freien Energieversorgung in allen Sektoren führt zu zusätzlichem Strombedarf und erfordert eine Erhöhung des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Der effiziente Einsatz von erneuerbarem Strom für Wärme und Verkehr als Beitrag zur Dekarbonisierung bedarf dringend auch einer Überarbeitung der Struktur von Steuern, Abgaben und Umlagen sowie einer Weiterentwicklung von EnEG/EnEV und EEWärmeG.
- 29. Der Bundesrat stellt fest, dass die Umstellung auf Ausschreibungen bei den erneuerbaren Energien erheblich zur Kosteneffizienz und zu sinkenden Preisen beigetragen hat. Er stellt fest, dass das im Juli 2017 verabschiedete Mieterstromgesetz bisher die Erwartungen nicht erfüllt hat. Maßnahmen zur Optimierung des bestehenden Rechtsrahmens sind daher zu prüfen.
- 30. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, weitere Anstrengungen zum Ausbau und zur Modernisierung der Energienetze zu unternehmen. Die bestehenden Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen zügig vorangebracht werden. Der Bundesrat stellt fest, dass das im Jahr 2017 verabschiedete Netzentgeltmodernisierungsgesetz zu einer Dämpfung der Verteilernetzentgelte beigetragen hat. Er bittet die Bundesregierung, die Verordnung zur Umsetzung der bereits beschlossenen bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte unverzüglich zu erarbeiten. Die bestehende Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sollte weiterentwickelt und modernisiert werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, ihre Gespräche mit der Kommission zügig fortzusetzen, mit dem Ziel, die Rechtssicherheit für KWK-Anlagen in der Eigenstromversorgung zu gewährleisten. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Strukturwandel in den Braunkohleregionen zu unterstützen und hierbei die enge Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern und Vertretern der Region zu gewährleisten.
- 31. Der Bundesrat begrüßt das Bekenntnis der Bundesregierung zur deutschen Verantwortung für den internationalen Klimaschutz. Hierbei kommt einem international abgestimmten Vorgehen entscheidende Bedeutung zu. Der europäische Emissionshandel ist als ein Grundpfeiler der europäischen Energie- und Klimapolitik weiter zu entwickeln. Auch sind weitere Maßnahmen erforderlich, um auf nationaler Ebene das Klimaschutzziel 2030 zu erreichen.
G Vertrauen in ein starkes Europa und in stabile Finanzmärkte
- 32. Ein gut funktionierender europäischer Binnenmarkt und anhaltendes Wachstum in der EU sind für die deutsche Wirtschaft von grundlegender Bedeutung. Der Bundesrat unterstützt die Bundesregierung in ihrem Einsatz für ein starkes und wettbewerbsfähiges Europa und eine stabilere Wirtschafts- und Währungsunion. Er teilt die Einschätzung, dass die aktuell guten wirtschaftlichen Zeiten für Investitionen, Innovationen, Strukturreformen und die Rückgewinnung von Vertrauen genutzt werden sollten.
- 33. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU stellt für die engen Wirtschafts-, Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien eine erhebliche Belastung dar. Mit einem Handelsvolumen von 121,5 Milliarden Euro im Jahr 2017 ist Großbritannien der fünftgrößte Handelspartner der deutschen Wirtschaft.
- 34. Nach Ansicht des Bundesrates sollte sich das künftige Verhältnis des Vereinigten Königreichs zum Binnenmarkt so nah wie möglich am Status quo orientieren. Die Länder setzen sich für den Erhalt der grenzüberschreitenden industriellen Liefer- und Wertschöpfungsketten und ein umfassendes Partnerschafts- und Freihandelsabkommen ein. Künftige Zollregelungen dürfen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exporte nicht beeinträchtigen. Nichttarifäre Handelshemmnisse sind durch die Vereinbarung gemeinsamer Standards und Anerkennungsverfahren zu vermeiden und die Harmonisierungen im Gesellschaftsrecht sind beizubehalten. Auch sollten KMU und junge Unternehmen weiterhin Zugang zum britischen Finanzmarkt haben und die Forschungskooperationen mit Großbritannien sind fortzusetzen. Der Dienstleistungs- und Warenaustausch ist möglichst weitgehend zu erhalten und der Austausch von Studierenden und Auszubildenden sollte weiterhin möglich sein.
- 35. Der Bundesrat ist wie die Bundesregierung der Auffassung, dass die Errichtung der Bankenunion einen Beitrag zur Erhöhung der Stabilität des europäischen Finanzsektors leisten kann. Gleichzeitig teilt er die Einschätzung, dass vor der Umsetzung weiterer Schritte, wie insbesondere der Schaffung einer möglichen europäischen Einlagensicherung, weitere erhebliche Fortschritte vor allem beim Abbau von Risiken im Bankensektor unabdingbar sind. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Beschlüsse vom 24. November 2017 (BR-Drucksache 687/17(B) ) und 29. Januar 2016 (BR-Drucksache 640/15(B) ). Notwendig ist auch nach seiner Einschätzung nicht nur eine risikoadäquate Unterlegung von Staatsanleihen mit Eigenmitteln sowie die Einführung einer verbindlichen Verschuldungsquote ("Leverage Ratio"), sondern auch das Vorhandensein von ausreichend hochwertigen Verlustpuffern (MREL/TLAC) für den Fall der Abwicklung eines systemrelevanten Institutes. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung insbesondere auf, durch gezielte regulatorische Maßnahmen zu verhindern, dass "Bailin"-fähige Schuldverschreibungen im nennenswerten Umfang von Banken und anderen systemrelevanten Finanzintermediären gehalten werden. Die Abwicklung von systemrelevanten Institutionen muss im Sinne einer nachhaltigen Anreizwirkung glaubwürdig sein. Dies kann nur gelingen, wenn das "Bailin"-Instrument nicht selbst zum systemischen Risiko wird.
H Gegen Protektionismus, für moderne Handelsregeln und nachhaltige Entwicklung
- 36. Der Bundesrat begrüßt die Bereitschaft der Bundesregierung, die Globalisierung aktiv durch ein regelbasiertes und multilaterales Handelssystem zu gestalten und dem wieder erstarkenden Protektionismus entschlossen entgegenzutreten. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass eine moderne Handels- und Investitionspolitik durch den Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen zu verfolgen ist. Hierbei müssen die Standards der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Umwelt-, Verbraucher-, Sozial- und Arbeitsschutzes sowie der Grundrechte sichergestellt sein. Da der Eintritt in ausländische Märkte für kleine und mittlere Unternehmen mit spezifischen Schwierigkeiten verbunden ist, sollte ihren Bedürfnissen und Interessen bei Fragen des Markzugangs stärker Rechnung getragen werden.
- 37. Das multilaterale System der WTO ist der beste Weg zu einer transparenten und demokratischen Gestaltung von Handelsabkommen, die eine faire Handelspolitik ermöglichen.
- 38. Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, dass kein Handelsabkommen der EU zu einem niedrigeren Niveau bei europäischen Standards und der bestehenden europäischen Gesetzgebung, v.a. beim Verbraucher-, Umwelt-, Klima-, Lebensmittel- und Datenschutz, führen darf.
- 39. Die Bundesregierung wird darin bestärkt, auf deutscher Ebene sowie auf Ebene der EU die "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" der Vereinten Nationen durch konkrete Ziele umzusetzen. Der Bundesrat begrüßt die verschiedenen Initiativen zur Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern, u.a. mit den Ländern Afrikas.