Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material

A. Problem und Ziel

Schwerwiegende Straftaten wie Entführungs- und Mordfälle oder Sexualstraftaten berühren in besonderem Maße das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Die Aufklärung solcher Taten erfordert oftmals aufwändige, zum Teil mehrjährige polizeiliche Ermittlungen. Teilweise müssen von den Polizeidienststellen über 10.000 Spuren verfolgt werden. Diese Fälle machen deutlich, dass hinsichtlich der Regelungen der Strafprozessordnung zur Untersuchung von DNA-fähigem Spurenmaterial dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Während sich die wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten in diesem Bereich in den vergangenen Jahren erheblich erweitert haben, sind die gesetzlichen Grundlagen seit dem Jahr 2004 und damit auch die Handlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden unverändert geblieben.

B. Lösung

Es sollen die Untersuchungsmöglichkeiten in § 81e StPO auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie biologisches Alter erweitert werden.

C. Alternativen

Keine Änderung der geltenden gesetzlichen Regelungen oder Annahme weiterreichender oder weniger weitgehender Reformvorschläge.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keine.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keine.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für die Untersuchung von DNA-fähigem Material auf die erweiterten Merkmale werden Untersuchungsgeräte der "Next Generation Sequencing Technology" benötigt. Deren Anschaffungspreis (300.000 bis 500.000 EUR) liegt über dem der aktuell verwendeten Geräte (200.000 EUR). Geräte der "Next Generation Sequencing Technology" werden aber ohnehin im Lauf der Zeit angeschafft werden, da Spuren damit schneller und effizienter untersucht werden können.

Für die Analyse konkreter Spuren werden neben den Untersuchungsgeräten zusätzlich so genannte Analyse-Kits benötigt, deren Anschaffungspreis pro Stück rund 3.500 EUR beträgt. Die Kosten eines aktuell verwendeten Analyse-Kits belaufen sich dagegen auf circa 30 bis 50 EUR. Mit einem Analyse-Kit können maximal 20 gleichzeitig vorgelegte Spuren untersucht werden. Pro Jahr untersucht das Kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamts Baden-Württemberg - mit aktuell vier Untersuchungsgeräten - durchschnittlich ungefähr 20.000 Spuren. Die tatsächlich entstehenden laufenden Mehrkosten können nicht quantifiziert werden. Sie hängen vor allem davon ab, in wie vielen Fällen weitergehende Untersuchungen erforderlich sind und damit die in der Anschaffung teureren Analyse-Kits zu verwenden sind.

Dem stehen jedoch Erleichterungen bei der Ermittlungsführung und damit die Vermeidung ansonsten notwendiger Ermittlungstätigkeiten mit entsprechendem Aufwand gegenüber.

Insgesamt lässt sich die Kostenfolge nicht hinreichend sicher abschätzen.

F. Weitere Kosten

Keine.

Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg
Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material

Staatsministerium Baden-Württemberg
Stuttgart, 3. Februar 2017
Staatsminister und Chef der Staatskanzlei

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung von Baden-Württemberg hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material mit dem Ziel zuzuleiten, die Einbringung gemäß Artikel 76 Absatz 1 Grundgesetz beim Deutschen Bundestag zu beschließen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski

Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

§ 81e wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 wird gestrichen.

2. Absatz 2 wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelung

Schwerwiegende Straftaten wie Entführungs- und Mordfälle oder Sexualdelikte berühren in besonderem Maße das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Die Aufklärung solcher Taten erfordert oftmals aufwändige, zum Teil mehrjährige polizeiliche Ermittlungen. Teilweise müssen von den Polizeidienststellen über 10.000 Spuren verfolgt werden. Diese Fälle machen deutlich, dass hinsichtlich der Regelungen der Strafprozessordnung zur Untersuchung von DNA-fähigem Spurenmaterial dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Während sich die wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten in diesem Bereich in den vergangenen Jahren erheblich erweitert haben, sind die gesetzlichen Grundlagen seit dem Jahr 2004 und damit auch die Handlungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden unverändert geblieben.

Nach Auskunft des international renommierten Kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts Baden-Württemberg können - insbesondere auf Grundlage von Studien des in den schon seit einigen Jahren umfassendere DNA-Analysen zulassenden Niederlanden tätigen Prof. Manfred Kayser (vgl. hierzu Kayser, Forensic International: Genetics 18 [2015] 33) - zwischenzeitlich aufgrund molekulargenetischer Untersuchungen derartigen Spurenmaterials mit hoher Wahrscheinlichkeit verlässliche Aussagen zur konkreten Augen- und Haarfarbe, zur Hautfarbe sowie zum biologischen Alter der Person getroffen werden, von der die jeweilige Spur stammt.

DNA-fähiges Spurenmaterial fällt insbesondere bei schweren Sexual- und Gewaltstraftaten an. Es liegt auf der Hand, dass es für die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der in aller Regel sehr zeit- und personalintensiven Täterermittlungen hilfreich wäre, frühzeitig Kenntnis von den genannten Merkmalen zu haben. Auf diese Weise könnten die in einem Verfahren bestehenden Ermittlungsansätze sinnvoll gewichtet, Ermittlungsschwerpunkte gesetzt und Ermittlungshandlungen priorisiert werden. Damit können auch etwaige Eingriffsmaßnahmen gegen Unbeteiligte, die an Hand der zusätzlich getroffenen Feststellungen als Täter wenig wahrscheinlich sind (zB auch im Rahmen von DNA-Reihenuntersuchungen), vermieden werden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Ausweitung der Untersuchungsmöglichkeiten bestehen im Ergebnis nicht (so auch SK-Rogall, StPO, 4. Aufl. 2014, § 81e Rn. 9). Die vorgesehene Erweiterung der Untersuchung von DNA-fähigem Material auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie das biologisches Alter berührt wie schon die Untersuchung im Hinblick auf das Geschlecht (Löwe-Rosenberg/Krause, StPO, 26. Aufl. 2008, § 81e Rn. 24; BT-Drs. 15/350, S. 12) nicht den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit, da sie regelmäßig von außen ohne weiteres - insbesondere auch ohne genetische Untersuchung - erkennbare Merkmale einer Person betreffen.

Eine molekulargenetische Untersuchung von äußerlich nicht erkennbaren genetischen Anlagen des Betroffenen und genetisch bedingten Merkmalen wie psychischen, charakter- oder krankheitsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen oder Erbanlagen wird ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 103, 21 Rn. 50 - zitiert nach juris). So untersagt § 81e Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Satz 3 StPO idF des Entwurfs eine Ausforschung schutzbedürftiger genetischer Anlagen des Betroffenen und genetisch bedingter schutzbedürftiger Persönlichkeitsmerkmale. Von diesem Verbot umfasst ist - im Einklang mit der Gesetzesbegründung bei der Einführung des § 81e StPO (BT-Drs. 013/667, S. 7) und der wohl überwiegenden Kommentarliteratur (Löwe-Rosenberg/Krause, StPO, 26. Aufl. 2008, § 81e Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 81e Rn. 4) - auch das Verbot der Verwertung sogenannter Überschussinformationen, also Informationen über schutzbedürftige Persönlichkeitsmerkmale, die im Rahmen einer Untersuchung gegebenenfalls unvermeidbar anfallen.

Da aus dem Spurenmaterial konkrete persönliche Lebenssachverhalte bzw. persönliche Merkmale ermittelt werden sollen, über die der Einzelne grundsätzlich nur selbst disponieren darf, berührt die Ausweitung der Untersuchungsmöglichkeiten zwar das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen. Weil in dieses Recht aber durch oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden kann, in der Abwägung die Strafverfolgungsinteressen der Allgemeinheit überwiegen und der Eingriff nicht unverhältnismäßig ist, ist der Eingriff vorliegend gerechtfertigt.

Anpassungen des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz) sind nicht erforderlich, da dieses nach dessen § 2 Abs. 2 Nr. 2a für die vorliegenden Untersuchungszwecke auf der Basis der Strafprozessordnung nicht gilt.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Es sollen die Untersuchungsmöglichkeiten in § 81e StPO auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie biologisches Alter erweitert werden.

III. Alternativen

Keine Änderung der geltenden gesetzlichen Regelungen oder Annahme weiterreichender oder weniger weitgehender Reformvorschläge.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt für die hier vorgeschlagenen Änderungen aus dem Kompetenztitel des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes - GG (Gerichtsverfassung, gerichtliches Verfahren).

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Keine.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

4. Erfüllungsaufwand

Für die Untersuchung von DNA-fähigem Material auf die erweiterten Merkmale werden Untersuchungsgeräte der "Next Generation Sequencing Technology" benötigt. Der Anschaffungspreis dieser Geräte beträgt zwischen 300.000 und 500.000 EUR, während sich der Anschaffungspreis der aktuell verwendeten Geräte auf rund 200.000 EUR beläuft. Geräte der "Next Generation Sequencing Technology" werden aber ohnehin im Lauf der Zeit angeschafft werden, da Spuren damit schneller und effizienter untersucht werden können. Dies gilt insbesondere für Mischspuren, also Spuren, die mehr als einer Person zugeordnet werden können.

Für die Analyse konkreter Spuren werden neben den Untersuchungsgeräten zusätzlich so genannte Analyse-Kits benötigt, deren Anschaffungspreis pro Stück rund 3.500 EUR beträgt. Die Kosten eines aktuell verwendeten Analyse-Kits belaufen sich dagegen auf circa 30-50 EUR. Mit einem Analyse-Kit können maximal 20 gleichzeitig vorgelegte Spuren untersucht werden. Pro Jahr untersucht das Kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamts Baden-Württemberg - mit aktuell vier Untersuchungsgeräten - durchschnittlich ungefähr 20.000 Spuren. Die tatsächlich entstehenden laufenden Mehrkosten können nicht quantifiziert werden. Sie hängen vor allem davon ab, in wie vielen Fällen weitergehende Untersuchungen erforderlich sind und zwingend die hochpreisigen Analyse-Kits zu verwenden sind.

5. Weitere Kosten

Keine.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Keine.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung - StPO)

Zu Nummer 1 (§ 81e Absatz 1 StPO-E)

Die Änderung des Absatzes 1 beruht auf dem Umstand, dass die Bestimmung des Geschlechts (sowie der neuen, durch Nummer 2 eingefügten Merkmale) nur bei Material von zum Zeitpunkt der Analyse unbekannten Spurenlegern in Frage kommt. Klargestellt wird damit, dass bei Material von bekannten Spurenlegern lediglich die Abstammung und die Tatsache, ob aufgefundenes Spurenmaterial von dem Beschuldigten oder dem Verletzten stammt, festgestellt werden dürfen. Ein Erfordernis zur Feststellung sonstiger Merkmale besteht nicht.

Zu Nummer 2 (§ 81e Absatz 2 StPO-E)

Durch die Änderung des Absatzes 2 sollen die zulässigen Untersuchungen von DNA-fähigem Material um die Merkmale Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie biologisches Alter erweitert werden.

Diese äußerlich sichtbaren Körpermerkmale können nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Untersuchungen genetischer Informationen mit der im Folgenden jeweils angegebenen Vorhersagegenauigkeit bestimmt werden:

Dass mit den Untersuchungen keine Feststellungen getroffen werden können, die für sich genommen eine Zuordnung zu einer bestimmten Person mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erlauben, steht den Erhebungen nicht entgegen. Die Erweiterung der Untersuchungsmöglichkeiten dient der Ausweitung der Erkenntnismöglichkeiten, namentlich der Priorisierung bestimmter Maßnahmen im Ermittlungsverfahren im Hinblick auf einen möglichen Täterkreis. Die hierdurch möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse könnten - z.B. im Rahmen einer DNA-Reihenuntersuchung - letztlich zu verschiedenen Verdächtigen führen, deren DNA mit dem Spurenmaterial verglichen werden könnte. Erst eine Übereinstimmung insoweit könnte dann tatsächlich zu einer Überführung des Täters führen und eine Verurteilung ermöglichen.

Die Vorhersagegenauigkeit in Bezug auf das biologische Alter einer Person liegt bei +/- 3 bis 5 Jahren. Im Einzelfall sind Abweichungen bis zu zehn Jahren möglich. Der Umstand, dass das biologische Alter aufgrund der Lebensumstände besonders ab dem mittleren Alter vom Erscheinungsbild abweichen kann, ist hierbei bereits berücksichtigt. Zwar bergen diese Feststellungen durchaus Ungenauigkeiten. Solche Ungenauigkeiten treten jedoch auch (und erst recht) bei Aussagen von Augenzeugen auf, die das Alter einer Person einschätzen.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen eine solche Ausweitung der Untersuchungsmöglichkeiten keine (siehe hierzu oben A. I.).

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Artikel 2 regelt das Inkrafttreten. Die Neuregelung soll am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.