Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Unterstützung der Prävention von Radikalisierung, die zu extremistisch motivierter Gewalt führt - COM (2016) 379 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl. AE-Nr. . 140025, 150294, 160341

Brüssel, den 14.6.2016
COM (2016) 379 final

Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Unterstützung der Prävention von Radikalisierung, die zu extremistisch motivierter Gewalt führt

Einleitung

Die jüngsten Terroranschläge in Europa haben einmal mehr gezeigt, dass dringend Maßnahmen gegen Radikalisierung, die zu extremistisch motivierter Gewalt und Terrorismus führt, ergriffen werden müssen. Die meisten der in diese Anschläge verwickelten Terrorverdächtigen sind europäische, in EU-Mitgliedstaaten geborene und aufgewachsene

Bürger, die radikalisiert wurden und sich mit Gewalttaten gegen ihre Mitbürgerinnen und -bürger gewandt haben. Wie in der Europäischen Sicherheitsagenda1 betont wird, besteht ein zentraler Aspekt der Terrorbekämpfung darin, Radikalisierung zu verhindern.

Maßnahmen gegen Radikalisierung werden überwiegend vor Ort, auf lokaler aber auch regionaler oder nationaler Ebene konzipiert und umgesetzt. Sie fallen in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Lokale Akteurinnen und Akteure sind meist am besten in der Lage, Radikalisierung zu erkennen und sowohl kurz- wie auch langfristig zu verhindern.

Gleichzeitig hat die EU nicht zuletzt deshalb eine unterstützende Funktion wahrzunehmen, weil alle Mitgliedstaaten vor ähnlichen Herausforderungen stehen und das Ausmaß und die Verflechtungen der Problematik bedeuten, dass die Zusammenarbeit, die Vernetzung, die Finanzierung und der Austausch bewährter Verfahren auf Unionsebene ebenfalls eine Rolle spielen.

Seit über einem Jahrzehnt unterstützt die EU die Arbeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich. Der Aspekt der Prävention wurde 2005 in der EU-Strategie zur Terrorbekämpfung2 als eines von vier Arbeitsfeldern festgelegt. 2014 verabschiedete die Kommission eine eigene Mitteilung zu diesem Thema3, in der Prioritäten für weitere Maßnahmen festgelegt wurden. In der Europäischen Sicherheitsagenda vom April 2015 wurde die Prävention von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft in eine breitere Strategie eingebettet. Nachdem der Europäische Rat am 12. Februar 20154 sowie das Europäische Parlament5, der Rat "Auswärtige Angelegenheiten" am 9. Februar 20156, der Rat "Justiz und Inneres" am 20. November 20157 und am 24. März 20168 dazu aufgefordert hatten, schlug die Kommission in ihrer Mitteilung vom 20. April 20169 weitere konkrete Maßnahmen vor, um die Wirksamkeit der nationalen Strategien der Mitgliedstaaten gegen Radikalisierung wie folgt noch stärker zu unterstützen: bessere Koordinierungsstrukturen auf EU-Ebene, Nutzung EU-weiter Netzwerke, besserer Einsatz von Mitteln sowie Projekte auf europäischer Ebene. Die vorliegende neueste Mitteilung ergänzt auch den Aktionsplan der Vereinten Nationen zur Verhütung des gewalttätigen Extremismus10 (Januar 2016).

In Gewaltbereitschaft mündende Radikalisierung ist kein neues Phänomen; ihre jüngsten Manifestationen, ihr Ausmaß sowie der Einsatz neuer Kommunikationsmittel stellen neue Herausforderungen dar, die einen Ansatz verlangen, der sowohl die Wurzeln der Radikalisierung als auch die unmittelbaren Auswirkungen auf die Sicherheit in den Blick nimmt und alle relevanten Akteurinnen und Akteure aus allen Gesellschaftsbereichen einbindet.

In der vorliegenden Mitteilung geht es um die Frage, wie die EU die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen unterstützen kann, Radikalisierung zu verhindern, die zu extremistisch motivierter Gewalt und Terrorismus führt. Dieser vielschichtigen und komplexen Herausforderung kann nur mit einem Maßnahmenbündel begegnet werden, das mehrere Politikbereiche umspannt sowie die zuständigen Behörden und gesellschaftliche und gemeinschaftliche Akteurinnen und Akteure auf allen Ebenen - lokal, regional, national und europäisch - zusammenführt. Die vorliegende Mitteilung konzentriert sich darauf, wie Arbeiten auf EU-Ebene die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung dieser Herausforderung in sieben spezifischen Bereichen unterstützen können:

1. Radikalisierung und Gewaltbereitschaft: ein komplexes Phänomen, das fundierte Kenntnisse und eine vielschichtige Antwort erfordert

- Ein zunehmend komplexes und sich wandelndes Phänomen

Die EU sieht sich schon seit langem mit verschiedenen Formen von Terrorismus konfrontiert, die sich vor allem auf extreme politische Ideologien stützen. Derartige Ideologien werden EU-weit nach wie vor mit großer Sorge betrachtet und es gibt Anzeichen, dass sie zunehmend zu extremistisch motivierter Gewalt in Form von Terrorismus führen. Die Auslöser für die jüngsten Terrorakte in Europa unterscheiden sich jedoch von jenen bisherigen Radikalisierungsphänomenen - sie sind anders geartet und komplexer. Die gegenwärtige Radikalisierung hat andere Wurzeln, operiert mit unterschiedlichen Rekrutierungs- und Kommunikationstechniken und ist gekennzeichnet durch globalisierte und bewegliche Ziele innerhalb und außerhalb Europas. Sie entsteht in verschiedenen städtischen und stadtnahen Kontexten und wird von Ideologien befeuert und inspiriert, die zu Gewalt aufrufen und neue Zielgruppen ins Visier nehmen, zum Beispiel Frauen und sehr junge Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft. Darüber hinaus ist Radikalisierung und Gewaltbereitschaft eine komplexe Thematik, die von einem komplizierten Geflecht aus Push- und Pull-Faktoren abhängt. Radikalisierung geschieht nicht aufgrund eines einzelnen "Auslösers", sie hat auch nicht nur eine einzige Ursache und folgt keinem zwangsläufigen Weg, sondern ist für gewöhnlich das Ergebnis einer Kombination verschiedener Faktoren.

Radikalisierung begünstigende Faktoren sind u.a. ein starkes Gefühl persönlicher oder kultureller Entfremdung, vermeintlich erfahrenes Unrecht oder Demütigung verstärkt durch soziale Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, eingeschränkte Bildungs- oder Beschäftigungschancen, Straffälligkeit, politische Faktoren, aber auch eine ideologische oder religiöse Dimension, schwache familiäre Bindungen, persönliche Traumata und andere psychische Probleme. Rekrutierer können diese Faktoren manipulativ nutzen, indem sie Gefühle der Verletzlichkeit und des Grolls ansprechen; sie können aber auch durch Selbstabschottung verstärkt werden. Soziale Medien bieten Konnektivität, virtuelle Teilhabe und eine Echokammer für gleichgesinnte extremistische Überzeugungen. Darüber hinaus haben Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis festgestellt, dass der Radikalisierungsprozess unter bestimmten Umständen zunehmend rascher vor sich gehen kann. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 4000 EU-Bürgerinnen und -Bürger sich terroristischen Organisationen in Konfliktländern wie Syrien und dem Irak angeschlossen haben.

Mit den jüngsten Terroranschlägen ist islamistisch motivierter Extremismus in den Mittelpunkt gerückt. Ideologische und religiöse Faktoren sind eine von vielen möglichen Triebfedern für Radikalisierung. Rekrutierer und extremistische Prediger haben gelernt, Gefühle des Grolls geschickt auszunutzen, religiöse Narrative und Symbole zu missbrauchen und damit Gewaltakte zu rechtfertigen. Gleichzeitig kann Religion eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, Radikalisierung zu verhindern oder ihr zu begegnen: Sie verbindet Gemeinschaften, stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und lenkt die Menschen in eine positive Richtung.

- Forschung, Aufbau einer Evidenzbasis, Monitoring und Vernetzung unterstützen

Aufgrund von EU-Forschung stehen hilfreiche Vergleichsdaten zu Radikalisierungs- und Deradikalisierungsprozessen junger Menschen sowie zum sich verändernden und komplexen sozialen Kontext von Religionen, Multikulturalität und politischem Extremismus in zahlreichen Mitgliedstaaten zur Verfügung. Im Rahmen dieser Forschung wurden und sollten weiterhin konkrete Instrumente und politische Analysen erstellt werden, die die Sicherheitspraktiker und Politikverantwortlichen der Mitgliedstaaten unmittelbar einsetzen bzw. nutzen können. Die jüngsten in Europa verübten Terroranschläge verweisen jedoch auf neue Trends beim Radikalisierungsprozess, die genauer untersucht werden müssen.

Im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (RP7)11 wurden mehrere Projekte zum Thema Radikalisierung gestartet. Die Zielsetzung dieser Projekte lautete, die treibenden Kräfte hinter dem Phänomen der Radikalisierung besser zu verstehen sowie Methodiken zur Messung der Wirksamkeit der eingesetzten Gegenmaßnahmen zu entwickeln.

Um die Kluft zwischen Sicherheitstheoretikern und -praktikern in diesem Bereich besser zu überbrücken, hat die Kommission im Jahr 2016 Radikalisierung und Inklusion als Forschungsthemen in das Programm "Horizont 2020"12 aufgenommen. Darüber hinaus wird intensiv zum Thema religiöse Vielfalt in Europa geforscht.13 Die im Rahmen dieser Projekte generierte neue Evidenz soll die Kapazität der Mitgliedstaaten stärken, bestehende strategische Ansätze zu verfeinern sowie neue Strategien und Vorgangsweisen zu entwickeln.

Weitere Forschungsschwerpunkte lauten u.a.: Systematisierung der verfügbaren Kenntnisse und Expertise, um die strategische Entscheidungsfindung zu unterstützen; Verbesserung der interdisziplinären Feldarbeit zu den Rekrutierungsgründen von Terroristen, zu ihrer Sozialisation und ihren Techniken; Rückgriff auf Big Data zur Analyse von Informationen darüber, welche Kommunikationspraktiken im Bereich von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft verwendet werden; Verbesserung bestehender Kontakte zwischen Wissenschaftlern einschließlich Nicht-EU-Forschern, Politikverantwortlichen und anderen Interessenträgern; Sprachen, Kulturen, Religionen und Ideologien als Forschungs- und Bildungsgegenstand.

Exzellenzzentrum des Aufklärungsnetzwerks gegen Radikalisierung

Das Exzellenzzentrum des Aufklärungsnetzwerks gegen Radikalisierung (RAN) ist die europäische Drehscheibe und Plattform, über die Erfahrungen ausgetauscht, Wissen gebündelt, bewährte Verfahren ermittelt und neue Initiativen entwickelt werden können, um gegen Radikalisierung vorzugehen. In dieses Netzwerk sind unterschiedliche Akteurinnen und Akteure eingebunden (z.B. Psychologen, Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen, führende Persönlichkeiten von Gemeinschaften sowie NRO gemeinsam mit Polizeikräften, Strafvollzugspersonal und Bewährungshelfern sowie Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Ministerien und Verwaltungen), die sich mit allen relevanten Bereichen - Stärkung der psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gegen extremistische Propaganda im Internet, Radikalisierung im Gefängnis ebenso wie im Bildungsumfeld - mit einem besonderen Schwerpunkt auf jungen Menschen befassen. RAN ist als Netzwerk-Netzwerk konzipiert, das die Kooperation mit anderen relevanten Netzwerken fördert; das RANExzellenzzentrum unterstützt die Bündelung relevanter Fachkenntnisse und einander verstärkender Initiativen in verschiedenen Politikbereichen. Die Kommission hat für das RAN-Exzellenzzentrum bis zu 25 Mio. EUR für vier Jahre veranschlagt, um Interessenträger in den Mitgliedstaaten gezielt bei der Konzeption umfassender Präventivstrategien, der Einrichtung von behördenübergreifenden Rahmen und Netzwerken sowie bei der Durchführung konkreter Projekte zu unterstützen. Und schließlich erstellt das RANExzellenzzentrum einen Überblick über die neuesten Forschungsergebnisse, die für die konkrete Arbeit von Praktikern und Behörden innerhalb der verschiedenen RAN-Arbeitsgruppen von unmittelbarer Relevanz sind.

Leitaktionen:

2. Terroristischer Propaganda und Hassreden im Internet etwas entgegensetzen: Bedrohungen abwehren, kritisches Denken stärken und zivilgesellschaftliches Engagement fördern

Terroristen missbrauchen das Internet zunehmend für ihre Zwecke. Einige terroristische Gruppierungen stecken aktuell signifikante Ressourcen in die Produktion umfangreichen und anspruchsvollen Materials mit terroristischen Inhalten, darunter die Veröffentlichung von Drohungen, Schulungshandbüchern, praktischen Ratschlägen wie man an Waffen kommt und sie importiert, wie man Bomben bastelt, Ziele auswählt sowie Anschläge plant und ausführt. Sie stellen Videos von erfolgreichen Anschlägen, von Folterungen und Hinrichtungen ihrer Opfer ins Netz und verbreiten über ausgeklügelte, verschlüsselte Kanäle Meldungen, die Terroranschläge und Gewalttaten gutheißen und zu weiteren aufrufen. Das Internet bietet radikalisierten Rekrutierern mehr Möglichkeiten, mit Personen zu interagieren, die sie mit herkömmlichen Mitteln nicht erreichen könnten. Online-Interaktionen mit Gleichgesinnten können einer einzelnen Person die physisch präsente Gemeinschaft ersetzen und ein virtuelles soziales Umfeld entstehen lassen, in dem abweichendes Verhalten und Gewalt akzeptabel sind. Derartiges Online-Material allein bewirkt noch nicht, dass sich Einzelne radikalisieren, es scheint jedoch eine Rolle bei der Beschleunigung des Radikalisierungsprozesses zu spielen. Die Interaktion mit anderen Menschen über Internetkanäle lässt das Gefühl entstehen, dazu zu gehören und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.

Um die Ursachen von Extremismus an der Wurzel zu packen, müssen deshalb Maßnahmen ergriffen werden, die sowohl Hassreden als auch der Verbreitung von Material mit extremistischen oder terroristischen Inhalten im Internet einen Riegel vorschieben. Darüber hinaus braucht es auch Maßnahmen, um die Resilienz jeder und jedes Einzelnen gegenüber derartiger Propaganda zu stärken.

- Mit der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten

Im Dezember 2015 richtete die EU das "EU-Internetforum" ein, über das sich die Wirtschaft, die Mitgliedstaaten, Partner aus den Bereichen Strafverfolgung und Zivilgesellschaft zusammengeschlossen haben, um auszuloten, wie der Online-Propaganda mit terroristischen und extremistischen Inhalten durch intensivere, freiwillige Zusammenarbeit entgegengetreten werden könnte, ohne Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung zu gefährden.

Im Hinblick auf terroristische Online-Inhalte konzentrieren sich die Anstrengungen derzeit auf zwei Bereiche: Einerseits soll der Zugang zu Material mit terroristischem Inhalt erschwert und andrerseits sollen zivilgesellschaftliche Partner in die Lage versetzt werden, der extremistischen, gewaltverherrlichenden Propaganda positive Narrative entgegenzusetzen. Der EU-Meldestelle für Internetinhalte bei Europol kommt bei der Unterstützung des ersten Ziels eine entscheidende Rolle zu. Sie spürt terroristische Inhalte im Netz auf und leitet das Material - sofern es gegen die Nutzungsbestimmungen des betreffenden Unternehmens verstößt - an das Unternehmen weiter, auf dessen Website es hochgeladen wurde. Die Entscheidung über die Entfernung der beanstandeten Inhalte liegt allerdings beim Unternehmen. Das RAN-Exzellenzzentrum und seine Arbeitsgruppe "Kommunikation und Narrative" werden weiter auf ihrer Erfahrung mit der Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnern zum zweiten Ziel aufbauen, und Einblicke in die Entwicklung von alternativen oder Gegen-Narrativen bieten.14

Die Kommission, Europol, die Mitgliedstaaten, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft arbeiten an einem Instrumentarium mit gezielten Maßnahmen, die in den nächsten Monaten anlaufen sollen. Darunter eine gemeinsame Meldeplattform, die die Internetindustrie mit Hilfe von Beiträgen verschiedener Interessenträger entwickeln soll mit dem Ziel, den Meldevorgang zu stärken und zu verhindern, dass bereits entferntes Material auf anderen Plattformen erneut hochgeladen wird. Darüber hinaus soll ein EU-weites Programm zur Stärkung der Zivilgesellschaft, das das RAN-Exzellenzzentrum gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten koordiniert, Schulungen, technische Unterstützung und Analysen über die Wirksamkeit von Initiativen für Gegennarrative bereitstellen. In diesem Kontext können Terroropfer, aber auch religiöse Führer und Gemeinschaften alternative und Gegenbotschaften besonders glaubhaft vermitteln. Die Durchführung der einzelnen Initiativen im Rahmen des EU-Internetforums soll mit gezielter Forschung zur Internetnutzung durch Terroristen unterstützt werden.

Darüber hinaus hat die Kommission gemeinsam mit Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft einen Verhaltenskodex festgelegt, um der Verbreitung illegaler Hassbotschaften im Internet in Europa Einhalt zu gebieten.15 Im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung der außerordentlichen Tagung des Rates "Justiz und Inneres" vom 24. März 2016 wird damit sichergestellt, dass IT-Unternehmen rasch und wirkungsvoll Hassbotschaften prüfen und diese entfernen, wenn sie gegen nationales Recht zur Umsetzung von EU-Recht16 verstoßen; und für die Zivilgesellschaft und die Behörden der Mitgliedstaaten wird es einfacher, illegale Inhalte zu melden. Weitere Arbeiten werden sich darauf konzentrieren, die Anwendung der Verfahren zur Meldung und Entfernung von Inhalten transparenter zu machen sowie alternative und Gegennarrative zu fördern.

Laufende Initiativen gegen Hassreden wie die vom Europarat unterstützte Initiative "No Hate Speech Movement" und weitere Basisinitiativen sind äußerst wichtig, um Gleichheit zu fördern sowie Rassismus und Radikalisierung zu verhindern. Über das Programm "Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft"17 unterstützt die Kommission die Zivilgesellschaft dabei, die Anziehungskraft und die Wirkung von Hassreden zu überwachen und zu schwächen.

Die Kommission finanziert weiterhin das Beratungsteam für strategische Kommunikation/Strategisches Kommunikationsnetzwerk. Die im Rahmen des Projekts aufgebaute Expertise steht den Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft sowie EU-Einrichtungen bei der Ausarbeitung eines geeigneten politischen Rahmens, von Kommunikationskampagnen oder Einzelinitiativen zur Verfügung. Neben der Einrichtung eines Netzwerks für die gemeinsame Nutzung und den Austausch bewährter Verfahren bietet das Projekt praktische Unterstützung und Beratung, die die Entwicklung wirkungsvoller Gegennarrative erleichtern kann.

- Rechtsvorschriften anpassen

Aufgrund der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste18 sind die Mitgliedstaaten bereits jetzt verpflichtet dafür zu sorgen, dass audiovisuelle Mediendienste wie TV-Sendungen und Videoon-Demand-Angebote keinen Aufruf zu Hass aufgrund der Rasse, des Geschlechts, der Religion oder der Nationalität enthalten. Da Hassreden auf Videoplattformen zunehmend Anlass zur Besorgnis geben, zielt die Kommission mit ihrem Vorschlag zur Überprüfung der Richtlinie19 darauf ab sicherzustellen, dass Videoplattformen verpflichtet sind, angemessene Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Aufrufen zu Gewalt und Hass zu ergreifen. Entsprechende Maßnahmen sind zum Beispiel Meldung und Kennzeichnung von Inhalten ("Flagging"). Der Vorschlag sieht vor, dass die von der Branche ausgearbeiteten Verhaltenskodizes der Kommission vorgelegt werden, dass die Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste um eine Stellungnahme zu diesen Kodizes ersucht werden kann und dass die nationalen audiovisuellen Regulierungsstellen befugt sind, sie durchzusetzen. Darüber hinaus wird die Kommission regelmäßig die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Selbstregulierung bewerten, um diese - wo nötig - zu unterstützen, u.a. durch die Schaffung eines geeigneten Rahmens, der für Rechtssicherheit sorgt, wo dies erforderlich ist. Als Teil ihrer Bemühungen, die Branche zur Ausarbeitung von Verhaltenskodizes zu bewegen, um die Umsetzung der vorgeschlagenen Aktualisierung der EU-Regelungen im audiovisuellen Bereich zu unterstützen, wird die Kommission auch eine neue Allianz für den besseren Schutz von Kindern im Internet20 verhandeln.

- Medienkompetenz fördern

Die Finanzierung der Infrastruktur für sicherere digitale Internetdienste über die Fazilität "Connecting Europe" ermöglicht es den nationalen Safer-Internet-Zentren, Kinder, Eltern und Lehrkräfte für die Gefahren zu sensibilisieren, denen Kinder im Internet ausgesetzt sein können, und sie im Umgang mit diesen Gefahren zu schulen. Einige Safer-Internet-Zentren haben bereits auf das Thema Radikalisierung im Internet reagiert; der angemessene Umgang mit dieser Problematik setzt spezielles Fachwissen voraus. Das Safer-Internet-Zentrum im Vereinigten Königreich hat zum Beispiel einen Leitfaden erstellt, wie Kinder vor Extremismus im Internet geschützt werden können. In Österreich arbeitet das Safer-InternetZentrum gemeinsam mit spezialisierten Organisationen an einer Strategie für den Umgang mit Radikalisierung im Internet. Und das schwedische Safer-Internet-Zentrum hat Unterrichtsmaterialien erstellt, das Teenagern helfen soll, Propaganda zu erkennen und zu durchschauen.

Leitaktionen:

3. Den Kreislauf durchbrechen: Umgang mit Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten

Die Europäische Kommission unterstützt bereits die Mitgliedstaaten - die primär dafür zuständig sind - in ihren Bemühungen, Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten zu verhindern bzw. dagegen vorzugehen. Gemäß den Schlussfolgerungen des Rates zum strafrechtlichen Vorgehen gegen Radikalisierung (2015)21 überwacht Eurojust Trends und Entwicklungen unter dem Aspekt des in den Mitgliedstaaten auf Terrorismus sowie Radikalisierung und Gewaltbereitschaft anzuwendenden Rechtsrahmens sowie der relevanten Rechtsprechung (u.a. Alternativen zu Strafverfolgung und Inhaftierung), um diese Informationen Politikverantwortlichen zur Verfügung zu stellen und in die Ausarbeitung zukünftiger Initiativen einfließen zu lassen. Dies geschieht u.a. mit Hilfe des Monitors für Verurteilungen wegen Terrorismus und im Rahmen der taktischen Sitzungen von Eurojust zu Terrorismusfragen. Darüber hinaus finanziert die Kommission 2015 und 2016 die Umsetzung der Schlussfolgerungen des Rates mit 8 Mio. EUR; diese Mittel fließen in die Entwicklung von Resozialisierungs- und Deradikalisierungsprogrammen in und außerhalb von Haftanstalten, von Instrumenten zur Risikobewertung und in Fachkräfteschulungen.

Darüber hinaus arbeitet die Kommission mit der Europäischen Organisation für Bewährungshilfe und der Europäischen Organisation der Justizvollzugsanstalten zusammen, die jeweils Betriebskostenzuschüsse aus dem Programm "Justiz" erhalten, und bezieht sie in spezielle Schulungen für Justizvollzugspersonal und Bewährungshelfer ein. Ferner arbeitet die Kommission eng mit dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten zusammen. Aktuell finanziert sie ein Schulungsprogramm für Richter/innen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen zum Thema Radikalisierung, um diesen Personenkreis mit dem für den Umgang mit radikalisierten Personen erforderlichen Wissen und den entsprechenden Fähigkeiten auszustatten. Darüber hinaus stellt die Kommission Instrumente für die Risikobewertung bereit sowie Methoden zur Feststellung des Bedrohungspotenzials, das von Terrorverdächtigen ausgeht. Ebenfalls wichtig ist es, den Mitgliedstaaten die gemeinsame Nutzung bewährter Verfahren gegen die Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten zu erleichtern.

Das RAN-Exzellenzzentrum und ganz besonders dessen Arbeitsgruppe "Strafvollzug und Bewährungshilfe" widmet sich auch weiterhin dem Thema Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten: Praktiker vor Ort erhalten die Möglichkeit, bewährte Verfahren auszutauschen; die Arbeitsgruppe spricht Empfehlungen aus, erstellt Leitfäden und Handbücher zur Umsetzung von Mechanismen und Programmen, die die Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten verhindern bzw. dieser etwas entgegensetzen sowie die Resozialisierung und Reintegration fördern sollen; dazu zählen vor allem Beratung bei der Konzeption eines behördenübergreifenden Ansatzes sowie spezifischerer Interventionsinstrumente, z.B. Risikobewertungen. Erste Erkenntnisse, Empfehlungen und festgestellte Probleme wurden im RAN-Bilanzpapier "Dealing with radicalisation in a prison and probation context" dargelegt, das Aspekte wie behördenübergreifende Zusammenarbeit, Risikobewertung, Risikomanagement, einschließlich Gestaltungsmöglichkeiten bei Haftbedingungen und im Vollzug, sowie Wiedereingliederungsprogramme umfasst.22

Leitaktionen:

4. Inklusive Bildung und gemeinsame europäische Werte fördern

Langfristig gesehen ist das wirksamste Mittel gegen soziale Ausgrenzung, die bei manchen Menschen zur Radikalisierung beiträgt, qualitativ hochwertige Bildung ab der Vorschule. Allerdings ist nach wie vor der sozioökonomische Hintergrund eines Kindes ausschlaggebend dafür, welche Chancen es hat und was es erreicht. 11,1 % der jungen Europäerinnen und Europäer beenden ihre Schullaufbahn frühzeitig und steigen mit einem Handicap in den Arbeitsmarkt ein, das sie später kaum mehr wettmachen können.23 Zwei wesentliche Präventivmaßnahmen im Zusammenhang mit dieser Problematik lauten: jungen Menschen gemeinsame europäische Werte vermitteln und ihnen fundierte Entscheidungen ermöglichen.

Am 17. März 2015 verabschiedeten die Bildungsminister/innen und die Europäische Kommission die Erklärung zur Förderung von Politischer Bildung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung24, in der gemeinsame Zielsetzungen für die Mitgliedstaaten festgelegt und Unterstützungsmaßnahmen auf EU-Ebene gefordert werden. Auf dieser Grundlage hat die Kommission ihre Politik- und Finanzinstrumente bereits mobilisiert und wird weitere konkrete Schritte setzen, um die Mitgliedstaaten in ihrer Arbeit zu unterstützen.

- Den Rahmen für strategische Unterstützung und Kooperation stärken

Zwar sind die Mitgliedstaaten für die Bildungssysteme zuständig, die EU-Politik kann jedoch nationale Maßnahmen unterstützen und bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen helfen, insbesondere im Rahmen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung ("ET 2020")25. Die Kommission wird einen Entwurf für eine Ratsempfehlung zur Förderung wirksamer Maßnahmen und bewährter Verfahren samt Finanzierungsmöglichkeiten vorschlagen und so einen EU-weit stärker koordinierten Ansatz ermöglichen. Diese Empfehlung wird konkrete Leitlinien für Politikverantwortliche liefern und ihnen helfen, die Schritte zu setzen, die notwendig sind, um die nationalen und lokalen Zielsetzungen der Pariser Erklärung zu erreichen. Die Erfahrung mit strategischen Rahmen wie jenem für frühzeitige Schul- und Ausbildungsabgänger26 hat gezeigt, dass dieser Ansatz rasche und wirksame Ergebnisse zeitigt.

- EU-Finanzierungen optimal nutzen

Über Erasmus+ werden transnationale Kooperationsprojekte sowie die Unterstützung politischer Reformen finanziert.27 Allein 2014 wurden mehr als 1700 Projekte in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport unterstützt. Ab 2016 erhalten Aktionen und Projekte Priorität, die im Zeichen der Zielsetzungen der Pariser Erklärung Inklusion und grundlegende Werte fördern. Daher stehen nun 400 Mio. EUR zur Entwicklung neuer Strategien und Projekte zur Förderung dieser Prioritäten zur Verfügung; weitere 13 Mio. EUR sollen ausgegeben werden, um bürgernahe Initiativen zu verbreiten und auszubauen.

- Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen unterstützen

Schulen spielen eine Schlüsselrolle, wenn es um die Förderung von Inklusion geht. Sie sind ein wichtiger Teil der Gemeinschaft und arbeiten eng mit Eltern und lokalen Vereinen zusammen. Regelmäßige Kontakte mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft sowie mit Rollenmodellen können junge Menschen motivieren und verhindern, dass sie gesellschaftlich ins Abseits geraten. In einigen Mitgliedstaaten gibt es solche Netzwerke bereits28 und sie sollten auf EU-Ebene ausgebaut werden, um eine kritische Masse junger Menschen zu erreichen. Daher wird die Kommission ein Netzwerk einrichten, das es lokalen Interessenträgern ermöglicht, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, wie Unternehmer/innen, Künstler/innen, Sportler/innen, sowie - falls dies sinnvoll ist - ehemalige radikalisierte Personen einzuladen, Schulen, Jugendzentren, Sportclubs und Gefängnisse zu besuchen und über ihre Erfahrungen zu berichten.29

Besonders wichtig sind Lehrkräfte. Sie sollten frühe Anzeichen von Radikalisierung bei Schülerinnen und Schülern wahrnehmen können und darauf reagieren. Lehrkräfte sollten generell in der Lage sein, Diversität im Klassenzimmer zu thematisieren und den Schülerinnen und Schülern gemeinsame Werte zu vermitteln. Da die Lehrkräfte in vielen Mitgliedstaaten vor ähnlichen Herausforderungen stehen, können Peer-Learning und der direkte Austausch auf EU-Ebene bei der Suche nach bewährten Verfahren helfen. Die EU unterstützt diese Form des Austausches weiterhin im Rahmen von eTwinning, einer Internetplattform, über die Lehrkräfte und Klassen in ganz Europa miteinander in Kontakt treten können30, sowie im Rahmen der RAN-Arbeitsgruppe "Bildung". Und schließlich arbeitet die Kommission eng mit dem Europarat und der UNESCO zusammen, um bestehende Instrumente zur Unterstützung von Lehrkräften31 besser zu implementieren .

Eine wichtige Rolle spielen auch Studierende und das Personal an Hochschuleinrichtungen. Die Kommission fordert Hochschuleinrichtungen auf, sich in lokalen Gemeinschaften zu engagieren und entsprechende Bemühungen der Studierenden anzuerkennen, z.B. indem sie Leistungspunkte für Freiwilligentätigkeit oder andere Lernmodule vergeben.

Leitaktionen:

5. Eine inklusive, offene und resiliente Gesellschaft fördern und junge Menschen erreichen

Die EU steht für Gesellschaften, die gekennzeichnet sind durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichstellung der Geschlechter.32 Der Kampf gegen soziale Ausgrenzung und Diskriminierung sowie die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und sozialem Schutz sind eigenständige Ziele der EU.33 Solche Gesellschaften sollten sich als widerstandsfähiger gegenüber der Bedrohung durch extremistisch motivierte Gewalt erweisen.

Zentrale Elemente einer solchen Gesellschaft sind die Nichtduldung von Diskriminierung, z.B. aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, der Rasse oder der ethnischen Herkunft; die Bekämpfung von Hass und der Stigmatisierung von Gemeinschaften sowie das Vorgehen gegen Hassverbrechen und schwerwiegende Formen der Hassrede. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, EU-Recht zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie von Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung durchzusetzen. Nun ist die Zustimmung zum Kommissionsvorschlag34 zur Ergänzung des Rechtsrahmens gegen Diskriminierung (u.a. aufgrund der Religion) gefragt. Besonders wichtig ist der interkulturelle und interreligiöse Dialog zwischen Gemeinschaften. Führende Persönlichkeiten lokaler Gemeinschaften und die Zivilgesellschaft müssen unterstützt werden, wenn sie gemeinsame Projekte und den Austausch zwischen verschiedenen Gemeinschaften fördern. Für 2016 hat die Kommission 4,5 Mio. EUR für Projekte zugewiesen, die das gegenseitige Verständnis unterschiedlicher, darunter auch religiöser Gemeinschaften fördern und so Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch interreligiöse und interkulturelle Aktivitäten verhindern bzw. abbauen.

Die Sozial- und Beschäftigungspolitik der EU zielt darauf ab, Armut zu beseitigen und inklusive Arbeitsmärkte und Gesellschaften zu fördern. Einer der besten Wege gegen soziale Ausgrenzung führt über die Beschäftigung. Die Mitgliedstaaten stehen unter anderem vor der Herausforderung, die Zahl der jungen Menschen zu verringern, die weder einen Arbeitsplatz haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren (NEET). Die EU kann ihren Beitrag in Form von politischen Leitlinien im Rahmen von Instrumenten wie der Jugendgarantie und der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen, den Empfehlungen zur Langzeitarbeitslosigkeit und der vor Kurzem angenommenen Agenda für Kompetenzen35 leisten. Dazu kommt noch die Richtlinie 2000/78 zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf36, mit der Diskriminierung bekämpft werden soll, u.a. durch die entsprechende Sensibilisierung von Interessenträgern, der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner.

Darüber hinaus unterstützt der Europäische Sozialfonds nationale Programme und kleine lokale Projekte. Im Zeitraum 2014 bis 2020 sollen 25,6 Mrd. EUR direkt in die Förderung der sozialen Inklusion benachteiligter Gruppen fließen, zum Beispiel im Rahmen von maßgeschneiderten Schulungsprogrammen und Systemen der sozialen Absicherung. Zusätzlich dazu sollen 8 Mrd. EUR dafür eingesetzt werden, Schulen im Kampf gegen den frühen Ausstieg aus der schulischen Bildung zu unterstützen und den Zugang zu qualitätsvoller Bildung für alle zu verbessern, z.B. durch die Anpassung von Lehrplänen, Lehrerbildungskurse und individuelle Unterstützung für benachteiligte Lernende. Über den Europäischen Sozialfonds werden voraussichtlich 2,5 Millionen benachteiligte Menschen erreicht, von denen 1,3 Million arbeitslos oder nicht erwerbstätig sind. Zusätzlich dazu können innovative lokale Projekte, die die soziale Inklusion fördern, über das Programme für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) finanziert werden.

Jugendarbeit eignet sich hervorragend, um junge Menschen zu erreichen, insbesondere benachteiligte junge Menschen. Sie unterstützt junge Menschen dabei, sich als Bürgerinnen und Bürger zu engagieren, Ausgrenzung zu vermeiden und extremistischen Ansichten gegenüber immun zu sein. Die Einbindung von in der Jugendarbeit Tätigen ist wichtiger Teil einer breiter angelegten Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren, einschließlich Bildungseinrichtungen, Gemeinschaftsorganisationen, Arbeitgebern und jenen, die jungen Menschen am nächsten stehen: Familien und Freunden. Als Unterstützung wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein eigenes Instrumentarium mit bewährten Verfahren für in der Jugendarbeit und in der Erziehung Tätige erstellen. Das Instrumentarium wird Beispiele zu folgenden Fragestellungen enthalten: Wie kann man junge Menschen dabei unterstützen, ihre demokratische Resilienz zu stärken, Medienkompetenz zu erwerben und kritisch zu denken? Wie kann man junge Menschen lehren, Konflikte zu lösen und die Ansichten anderer Menschen zu respektieren? Was sind erste Anzeichen einer Radikalisierung und wie reagiert man darauf? Um die Wirkung der lokalen Jugendarbeit noch zu erhöhen, wird die Kommission auch den Europäischen Freiwilligendienst durch eine Erhöhung des Budgets37 weiter stärken und Projekten, die die Grundwerte fördern und sich an benachteiligte Personen und Gemeinschaften richten, Priorität einräumen.

Leitaktionen:

6. Die Sicherheitsdimension im Umgang mit Radikalisierung

Wie die Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung "Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda im Hinblick auf die Bekämpfung des Terrorismus und die Weichenstellung für eine echte und wirksame Sicherheitsunion" betont, hat der Versuch, Radikalisierung zu verhindern und ihr etwas entgegenzusetzen, eine starke Sicherheitsdimension. Die Mitgliedstaaten können Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um junge Menschen davon abzuhalten, in Konfliktgebiete auszureisen und sich terroristischen Gruppen anzuschließen. Dazu zählen Maßnahmen wie Reiseverbote, Reisen in ein Drittland zu terroristischen Zwecken unter Strafe zu stellen, aber auch Maßnahmen, über die Familien und Freunde die Hilfe von Behörden in Anspruch nehmen können, wie z.B. Hotlines. Darüber hinaus können extremistische Prediger und Personen, die terroristische Propaganda verbreiten oder dafür anfällige Einzelpersonen rekrutieren, u.U. strafrechtlich verfolgt werden. Die Mitgliedstaaten können Reiseverbote aussprechen, um extremistische Prediger an der Einreise in die EU zu hindern, und sie können mit verwaltungsrechtlichen Maßnahmen gegen die Verbreitung extremistischer Botschaften vorgehen. Solche Maßnahmen sind eine notwendige Ergänzung zu Maßnahmen, die die Resilienz gegenüber Radikalisierung erhöhen.

In dieser Hinsicht ist auch der Informationsaustausch von zentraler Bedeutung. Das Grenzmanagement, die Rahmenregelungen für die Zusammenarbeit in Migrations- und Sicherheitsfragen sowie die entsprechenden Informationsinstrumente der EU müssen miteinander verbunden, gestärkt und umfassend genutzt werden38, um EU-Bürgerinnen und -Bürger, die terroristische Ziele verfolgen, an der Ausreise in Konfliktgebiete zu hindern, und unter den Rückkehrern jene aufzudecken, die eine Gefahr darstellen. Diese und andere Rahmenregelungen und Instrumente müssen für den Informationsaustausch über jene Personen genutzt werden, die im Verdacht stehen, sich radikalisiert zu haben, damit die relevanten Behörden leichter grenzübergreifend die geeigneten Maßnahmen gegen Personen ergreifen können, die ein hohes Sicherheitsrisiko darstellen.

Das Schengener Informationssystem (SIS) ist in dieser Hinsicht besonders wichtig. Eine Warnung im SIS kann verschiedene Aktionen generieren, je nach Bewertung und Absicht des Mitgliedstaats, der sie eingibt, d.h. eine Person kann festgenommen, unter Schutz gestellt oder einer diskreten oder spezifischen Überprüfung unterzogen werden. Das SIS hat sich als hilfreich dabei erwiesen, Reisen zu terroristischen Zwecken zu unterbinden und die Reiserouten von Personen nachzuverfolgen, die unter Terrorverdacht stehen. Im Zusammenhang mit ausländischen terroristischen Kämpfern ermutigt die Kommission die Mitgliedstaaten zu signalisieren, dass die Warnung eine "Aktivität mit terroristischem Hintergrund" betrifft, ohne sie auf ausländische terroristische Kämpfer oder kriminelle Handlungen an sich einzugrenzen. Auf diese Weise kann das System genutzt werden, um Warnungen zu Personen aufzunehmen, die im Verdacht stehen, sich radikalisiert zu haben und bereit zu sein, Terrorakte zu verüben.

Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen in die Richtung intensivieren, dass geeignete Informationen ausgetauscht und mit Europol geteilt werden. Das vor kurzem bei Europol eingerichtete Europäische Zentrum zur Terrorismusbekämpfung (ECTC) soll zu einer zentralen Informationsdrehscheibe im Kampf gegen den Terrorismus in der EU werden, auch im Hinblick auf Radikalisierungsrisiken.

Ferner soll das Europol-Informationssystem (EIS) als zentraler Speicher für Strafverfolgungsdaten dienen, darunter die konsolidierte Liste aller bekannten ausländischen terroristischen Kämpfer und Personen, die im Verdacht stehen, welche zu sein. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen noch deutlich erhöhen, um Europol die erforderlichen Daten zu ausländischen terroristischen Kämpfern zu liefern.

Leitaktionen:

7. Die internationale Dimension: Umgang mit Gewaltbereitschaft aufgrund von Radikalisierung jenseits der EU-Grenzen

Genau wie die EU-Mitgliedstaaten stehen auch Drittländer vor der Herausforderung, auf die Bedrohung der Sicherheit durch Radikalisierung zu reagieren, ihre Ursachen zu bekämpfen sowie resiliente und kohäsive Gesellschaften aufzubauen. Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen der Vereinten Nationen, des Europarats und der OSZE gegen extremistisch motivierte Gewalt, beispielsweise im Rahmen der laufenden Initiativen des Global Counterterrorism Forum (GCTF).39

Auf der internationalen Bühne verfolgt die EU zwei einander ergänzende Handlungsansätze. Erstens umfasst die EU-Unterstützung für Drittländer Antworten, die auf Strafverfolgung zielen, mit den Menschenrechten vereinbar sind und radikalisierte Einzelpersonen davon abhalten sollen, Terrorakte zu verüben. Zweitens, und dies ist noch wichtiger, verstärkt die EU ihr Engagement im Bereich von Präventivmaßnahmen, um so die Ursachen bestimmter Formen der Radikalisierung zu bekämpfen, die zu extremistisch motivierter Gewalt führen können.

- Die Sicherheitskapazitäten der Partnerländer stärken

Wo dies möglich ist, erfolgt die EU-Unterstützung im Rahmen breiter angelegter Reformen, die die Sicherheitskapazitäten in den Partnerländern stärken sollen, da nachweislich Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität, Schmuggel und illegalem Handel sowie schlechtem Grenzmanagement und Radikalisierung und Gewaltbereitschaft bestehen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen besser für die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden in Drittländern ausgerüstet werden.

Zu diesem Zweck wird die EU ihre Sachkenntnis über Hochrisikoländer ausbauen und die Lageeinschätzung verfeinern. Im Nahen Osten und Nordafrika soll zum Beispiel der Aufbau funktionierender Strafrechtssysteme unterstützt und so die regionale und internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Radikalisierung gestärkt werden.

Mit den betreffenden Ländern arbeitet die EU im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sowie gezielter und verstärkter Sicherheitsdialoge zusammen, die in Maßnahmenpakete und Fahrpläne für die Terrorismusbekämpfung münden. Im Rahmen der Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik erhalten die Themen Jugend, Bildung und sozioökonomische Entwicklung - also Aspekte mit Bezug zur Bekämpfung von Radikalisierung - Priorität. Spürbare Fortschritte wurden bisher mit Tunesien, dem Libanon und Jordanien erzielt. Für die Durchführung des regionalen Aktionsplans der EU für die Sahelzone sollen weitere Maßnahmen gegen extremistisch motivierte Gewalt gestartet werden. In Pakistan und Südostasien wird eine Reihe spezifischer Maßnahmen gegen Radikalisierung durchgeführt. Ähnliche Arbeiten finden am Horn von Afrika statt und die EU-Unterstützung soll nach erfolgreichem Abschluss verschiedener Pilotprojekte in der Region ausgeweitet werden.

- Drittländer im Kampf gegen die Ursachen der Radikalisierung unterstützen

Prävention und Bekämpfung extremistisch motivierter Gewalt haben sich zu einem zentralen Element der EU-Außentätigkeit im Bereich der Terrorismusbekämpfung entwickelt und wurden als Querschnittsaufgabe in die Entwicklungspolitik aufgenommen, um die Lücke zwischen Sicherheit und Entwicklung zu schließen. Das von der EU finanzierte Maßnahmenpaket "Strengthening Resilience to Violence and Extremism" (STRIVE)40 ist ein erster Schritt in Richtung der Entwicklung zahlreicher Initiativen mit folgenden Zielen: herausfinden, was junge Menschen in die Arme von Extremisten treibt; Frauen stärken; den Dialog mit Gemeinschaften fördern; lokale Akteurinnen und Akteure stärken; Medien- und Bildungskapazitäten ausbauen, um der Radikalisierung durch Ideologien etwas entgegenzusetzen.

Wie in der Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik 1541 festgelegt, wird bei den Fördermitteln, die an die Zivilgesellschaft vergeben werden, die AntiRadikalisierungsdimension berücksichtigen werden. Die EU wird weiterhin mit der Zivilgesellschaft, Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis, einschließlich jenen in den Partnerländern, zusammenarbeiten, um die maßgeblichen Faktoren besser zu verstehen und wirksame Antworten zu finden. Die im Rahmen des RAN-Netzwerks gewonnene Erfahrung und Sachkenntnis soll wenn möglich außerhalb der EU-Grenzen in prioritären Drittländern - vor allem der Türkei, der MENA-Region und der westlichen Balkanregion - mobilisiert werden, sofern bestimmte Anforderungen erfüllt sind.

Im Rahmen gezielter Kommunikation mit jungem Publikum, das u.U. anfälliger für Radikalisierung ist, bietet die EU ein positiveres Narrativ an. Bei den zahlreichen laufenden Aktivitäten arbeitet eine Taskforce für strategische Kommunikation mit den EU-Delegationen in arabischen Ländern und der Internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat zusammen, um gemeinsame Werte zu identifizieren und konkrete Aktionen zu entwickeln. So kofinanziert die EU zum Beispiel ein Projekt in Tunesien, bei dem die finanzielle Inklusion sozial benachteiligter Gemeinschaften durch die Vergabe von Mikrokrediten verbessert werden soll. Für Tunesien, Marokko und den Libanon finanziert die Kommission ein Projekt mit 3 Mio. EUR. Dabei soll durch die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und durch strategische Kommunikation als Stimmenverstärker die Resilienz der Gemeinschaft aufgebaut werden.

Die EU fördert direkte Kontakte zwischen den Menschen. Sie wird die eTwinning-Plattform weiter ausbauen und ausgewählte Länder der Europäischen Nachbarschaft einbeziehen, vor allem jene, die mit Problemen aufgrund von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft konfrontiert sind und in denen es besonders dringend einen interkulturellen Dialog braucht.42 Die Kommission wird auch ein Erasmus+-Projekt starten, um Studierende und andere junge Menschen aus der EU und Drittländern miteinander in Kontakt zu bringen. Dieser moderierte virtuelle Austausch soll jungen Menschen helfen, Verständnis und Respekt füreinander zu entwickeln sowie die interkulturellen Kompetenzen zu verbessern, die Arbeitgeber nachfragen.

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Schlussfolgerung

Radikalisierung und Gewaltbereitschaft stellen eine zunehmend komplexe und sich verändernde Herausforderung dar, die neue und breit angelegte Antworten erfordert - von unmittelbaren Sicherheitsbedenken bis zum Umgang mit den Faktoren, die dem Problem zugrunde liegen. In der Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda heißt es u.a.:

"Mit absolutem Vorrang muss verhindert werden, dass mehr Menschen radikalisiert werden; bereits radikalisierte Menschen müssen an Deradikalisierungsprogrammen teilnehmen und daran gehindert werden, terroristische Propaganda und Hassreden zu verbreiten." An vorderster Front stehen die Mitgliedstaaten: Seien es ihre Sicherheits- und Justizbehörden, Lehrkräfte, Sozialarbeiter/innen oder die Zivilgesellschaft. Die EU kann eine unterstützende Rolle übernehmen, indem sie ihre Politikbereiche, ihre Koordinierungskapazität und ihre Finanzinstrumente mobilisiert, um nationale Aktionen zu unterstützen und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten einen echten Mehrwert vor Ort zu bieten.

Die vorliegende Mitteilung enthält konkrete Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten dabei unterstützen sollen, Initiativen und Strategien zu starten, die uns helfen, Radikalisierung und extremistisch motivierte Gewalt innerhalb der EU und in Drittländern zu verhindern bzw. ihr entgegenzutreten. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die diversen auf EU-Ebene vorhandenen Unterstützungsmaßnahmen und Kooperationsinstrumente für ihre Arbeit zu nutzen. Letztlich kann das Problem der Radikalisierung und Gewaltbereitschaft nur mit einer gemeinsamen Anstrengung aller Interessenträger auf nationaler, EU- und internationaler Ebene erfolgreich bewältigt werden.

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament und den Rat, die vorliegende Mitteilung zu billigen, damit die vorgeschlagenen Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren umgesetzt werden können.