Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Grünbuch der Kommission: EU-Entwicklungspolitik zur Förderung eines breitenwirksamen Wachstums und einer nachhaltigen Entwicklung - Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größere Wirkung KOM (2010) 629 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Brüssel, den 10. 11.2010 KOM (2010) 629 endgültig

Grünbuch
EU-Entwicklungspolitik zur Förderung eines breitenwirksamen Wachstums und einer nachhaltigen Entwicklung - Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung

1. Einleitung

Im Jahr 2000 nahmen die Industrie- und die Entwicklungsländer acht Millenniumsentwicklungsziele (MDG) und damit verbundene Vorgaben zur Verringerung der Armut bis 2015 an. Auf der hochrangigen Plenartagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20.-22. September 2010 in New York stellten die Staats- und Regierungschefs fest, dass die Fortschritte zwar je nach MDG und Land sehr unterschiedlich sind, insgesamt jedoch viel erreicht wurde und Millionen von Menschen sich von der Armut befreien konnten.

Zwar war im letzten Jahrzehnt das Wirtschaftswachstum in vielen Teilen der Welt stabil, doch bleibt noch viel zu tun und viele Entwicklungsländer werden sich möglicherweise nicht so schnell von den negativen Auswirkungen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise erholen. Nach wie vor leben 1,5 Mrd. Menschen in extremer Armut (davon 51 % in Subsahara-Afrika) und ein Sechstel der Weltbevölkerung ist unterernährt. Viele der am wenigsten entwickelten Länder waren für die gegenwärtige Wirtschaftskrise schlecht gewappnet, so dass ihr BIP im Jahr 2009 meist zurückging. Bei der Verwirklichung der MDG, die Mütter- und Kindersterblichkeit zu verringern, konnten nur sehr geringe Fortschritte erzielt werden und die Qualität der Bildung sowie die voraussichtliche Entwicklung des Zugangs zur Sanitärversorgung sind bedenklich. Außerdem fielen die Fortschritte je nach Region sehr unterschiedlich aus. In manchen Fällen kam selbst in Ländern mit stabilem Wirtschaftswachstum der Nutzen des Wachstums nicht bei der breiten Bevölkerung an.

Was nun die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten betrifft, so hat die EU in den letzten zehn Jahren und insbesondere nach Annahme des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik1 im Jahr 2005 die Höhe ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) verdoppelt und die Bereitstellung der Hilfe effizienter gestaltet und die Mitgliedstaaten haben sich auf gemeinsame politische Konzepte geeinigt. Die Wirksamkeit der Hilfe2 wurde verbessert, die Partnerschaften und Kooperationsabkommen sowie die Finanzierungsinstrumente wurden modernisiert und Mechanismen zur Verbesserung der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung (PCD)3 wurden eingerichtet. In Anerkennung der Tatsache, dass vorrangig die Partnerländer für die Festlegung ihrer eigenen Entwicklungsstrategien zuständig sind und eine verantwortungsvolle Regierungsführung dabei eine wichtige Rolle spielt, strebt die EU zunehmend anstelle eines Geber-NehmerVerhältnisses Partnerschaften4 an, die auf vertraglichen Beziehungen und einem Politikdialog beruhen und bei denen durch spezifische Kooperationsprogramme oder -instrumente Ergebnisse erzielt werden sollen.

2010 nahm die EU einen ehrgeizigen Standpunkt im Hinblick auf die Verwirklichung der MDG ein. Unter anderem wurde das gemeinsame Ziel bekräftigt, bis zum Jahr 2015 0,7 % des BNE der ODA zu widmen. Die EU ist nach wie vor weltweit der größte Geber. Sie hat für Millionen Menschen auf der ganzen Welt Konkretes geleistet. Die EU ist stolz auf diese Erfolge, auch wenn noch weitere Anstrengungen nötig sind. Für sie bleibt die Entwicklungshilfe eine Frage der Solidarität, des Engagements und des gegenseitigen Interesses. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Entwicklungspolitik zu einem zentralen Anliegen der EU erhoben. Artikel 208 AEUV über die Entwicklungszusammenarbeit lautet:
"Hauptziel der Unionspolitik in diesem Bereich ist die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut. Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung."

Entwicklungshilfe wird auch weiterhin ein langfristiges finanzielles Engagement erfordern, weshalb es besonders wichtig ist, den EU-Bürgerinnen und -Bürgern ihre Bedeutung zu verdeutlichen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, am wichtigsten sind jedoch die Bekämpfung der Armut und die Bewältigung anderer globaler Herausforderungen. Der Klimawandel steht in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung, da er zur Erhöhung des Bedarfs an Entwicklungshilfe führt und eine stärkere Konzentration auf andere wichtige Fragen wie Zugang zu Energie und Energieversorgungssicherheit, Wasserknappheit und Ernährungssicherheit erforderlich macht. Die Entwicklungszusammenarbeit muss dazu beitragen, gegen eine schlechte oder schwache Regierungsführung, die Terrorismus, Piraterie, illegalem Handel und Kriminalität den Boden bereitet, vorzugehen und Migrationsströme besser zu steuern, indem die legale Migration entsprechend dem Bedarf auf den Arbeitsmärkten erleichtert, die illegale Migration bekämpft und aus der Migration ein möglichst großer Nutzen für die Entwicklung gezogen wird. Außerdem sollte die Entwicklungszusammenarbeit das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern fördern und ihre Integration in die Weltwirtschaft begleiten. In diesem Rahmen sind Informationen über Entwicklungsfragen und die Sensibilisierung für das Thema von strategischer Bedeutung, um die Unterstützung der europäischen Bürgerinnen und Bürger für die Entwicklungszusammenarbeit zu gewinnen.

Die Analyse der bisherigen Fortschritte im Hinblick auf die MDG verdeutlicht, dass die Welt die Anstrengungen der Länder zur Verwirklichung der MDG noch stärker unterstützen muss, und zwar nicht nur in Bezug auf die Höhe der öffentlichen Entwicklungshilfe, sondern - was mindestens ebenso wichtig ist - auch in Bezug darauf, wie die Hilfe geleistet und genutzt wird. So wird es mit Entwicklungshilfe allein niemals möglich sein, Millionen Menschen von der Armut zu befreien. Über die Gewährleistung und Verbesserung grundlegender Dienste hinaus kann Entwicklungshilfe nur wirksam sein, wenn die Ursachen für die mangelnden Fortschritte bei der Verwirklichung der MDG bekämpft werden. Entwicklungshilfe ist keine Patentlösung und nur eine von verschiedenen Finanzquellen für die Entwicklungsländer. Sie muss die Ursachen der Armut anstelle ihrer Symptome bekämpfen und vor allem die Fähigkeit der Entwicklungsländer fördern, ein breitenwirksames Wachstum zu generieren, das es den Menschen ermöglicht, zum Wirtschaftswachstum beizutragen und davon zu profitieren, und sie muss es den Ländern erleichtern, ihre wirtschaftlichen, natürlichen und Humanressourcen zur Unterstützung der Armutsminderungsstrategien zu mobilisieren. Es wird daher zunehmend deutlich, dass die MDG ohne ein größeres und breitenwirksameres Wachstum nicht erreicht werden. Ein Anstieg von 1 % des Bruttonationaleinkommens der Entwicklungsländer kann wesentlich mehr Wirkung zeigen als eine Erhöhung der Hilfe für diese Länder. Dies kann die Fähigkeit dieser Länder zur Armutsminderung erheblich verbessern und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und Sozialschutz eine Multiplikatorwirkung haben.

Das Erreichen der MDG bis 2015 muss daher Europas oberste und vornehmliche Priorität bleiben. Der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik nennt die wesentlichen Grundsätze für ein weiteres Vorankommen5. Die Bekämpfung der weltweiten Armut steht im Mittelpunkt der europäischen Werte, Ziele und Interessen und es liegt auf der Hand, dass die Verfolgung dieses Ziels auf EU-Ebene einen hohen Mehrwert bieten kann, insbesondere durch die globale und Reichweite und kohärente Präsenz überall auf der Welt, wodurch dem Handeln ein ganz anderes Ausmaß und politisches Gewicht verliehen wird. Außerdem ermöglicht dies eine Arbeitsteilung, die zu einer größeren Effizienz der Hilfe sowohl innerhalb der EU als auch in den Partnerländern führt.

Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen soll mit dem Grünbuch eine Diskussion darüber eröffnet werden, wie die EU die Anstrengungen der Entwicklungsländer, die Fortschritte bei der Verwirklichung der MDG zu beschleunigen, am besten unterstützen kann und wie sie neuen Möglichkeiten der Armutsminderung zum Durchbruch verhelfen kann. Im Grünbuch werden Fragen aufgeworfen, die sich auf vier große, von der EU und ihren Mitgliedstaaten gemeinsam zu verfolgende Ziele beziehen:

Das Grünbuch wird auf der Website der Kommission (http://ec.europa.eu/yourvoice/) veröffentlicht. Die Konsultation läuft vom 15. November bis 17. Januar 2011 und alle, die interessiert sind, können sich beteiligen. Einzelpersonen, Organisationen und Länder können ihre Beiträge in Form von Antworten auf die im Grünbuch gestellten Fragen und/oder als allgemeine Kommentare zu den angesprochenen Themen einreichen. Vor allem Beiträge der in den Entwicklungsländern tätigen Partner der EU sind sehr willkommen.

Die Beiträge werden - ggf. gekürzt - veröffentlicht, es sei denn, die betroffene Person hat wegen einer möglichen Schädigung ihrer berechtigten Interessen Einwände gegen die Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten. In diesem Fall kann der Beitrag anonym veröffentlicht werden. Ansonsten wird der Beitrag prinzipiell weder veröffentlicht noch berücksichtigt. Zudem werden Organisationen aufgefordert, das im Juni 2008 im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative eingeführte Register der Interessenvertreter (Lobbyisten) zu nutzen, damit sich die Europäische Kommission und die breite Öffentlichkeit über ihre Ziele, ihre Finanzierung und ihre Strukturen informieren können. Die Kommission behandelt grundsätzlich Beiträge von Organisationen, die nicht registriert sind, als Einzelbeiträge.

Die Beiträge sind an DEV-GREENPAPER-EUDEVPOL@eu.europa.eu zu senden. Fragen zu dieser Konsultation können an die gleiche Mailadresse oder an die Europäische Kommission, GD Entwicklung, Referat A/1, Büro SC-15 003/70 , 1049 Brüssel, Belgien, geschickt werden.

Das Ergebnis dieser Konsultation wird in die Vorschläge der Kommission für die Modernisierung der Europäischen Entwicklungspolitik, die in der zweiten Jahreshälfte 2011 vorgelegt werden sollen, und in andere politische Initiativen in hiermit verwandten Bereichen einfließen.

2. Entwicklungspolitik mit grosser Wirkung

Die Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit wird von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst, die den breiteren Rahmen der EU-Entwicklungspolitik bilden. Dazu gehören der globale wirtschaftliche Kontext, die eigenen politischen Maßnahmen der Partnerländer, die Kohärenz der Geberpolitik (in den Bereichen Handel, Landwirtschaft, Migration, humanitäre Hilfe, Klimaschutz usw.) und der Politikdialog, der den Entscheidungen über die Programmierung der Hilfe vorausgeht. In bestimmten Ländern hat die auswärtige Dimension der EU-Politik in anderen Bereichen als der Entwicklungspolitik größere Auswirkungen auf die Entwicklung als die Hilfe selbst.

Der Finanzbedarf für die Verwirklichung der MDG geht weit über die öffentlichen Mittel hinaus, die heute auf nationaler Ebene in den Entwicklungsländern oder auf internationaler Ebene im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und der neu entstehenden Süd-Süd- Zusammenarbeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird im gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkontext die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung den Druck auf die Hilfebudgets der Geber zunehmend erhöhen. Daher müssen innovative Lösungen ernsthaft in Betracht gezogen werden. Dazu zählen die Möglichkeiten, die im Rahmen der Diskussion über innovative Finanzquellen6 "mit hohem Einnahme-Potenzial"7 und der Anstrengungen zur Verbesserung der Wirkung der bestehenden ODA-Leistungen erörtert werden.

Es ist klar, dass die europäische Hilfe einen großen Mehrwert und ein gutes Kosten-NutzenVerhältnis erzielen und sich auf Bereiche mit klar erkennbarem Mehrwert konzentrieren muss. Mit anderen Worten muss die EU bei allen betreffenden Hilfsarten und in allen Sektoren zeigen, dass ihre Hilfsprogramme langfristig maximal wirksam sind und einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der MDG und darüber hinaus leisten werden. Hierfür gelten vier grundlegende Voraussetzungen: menschliche Entwicklung und Sicherheit als Vorbedingung für jedwede Entwicklung eines Landes sowie Wachstum und soziale Teilhabe aller als Vorbedingung für jedes langfristige Engagement. Hierbei handelt es sich um unverzichtbare und einander ergänzende Bedingungen, an denen wir konsequent arbeiten müssen.

2.1. Zusammenarbeit "mit großer Wirkung" in der Praxis

Wichtig ist, dass sich die oben beschriebenen Ziele in jeder Phase des Programmierungs- und Ausgabenzyklus widerspiegeln und somit in Projekte investiert wird, bei denen jeder ausgegebene Euro im Rahmen der Entwicklungshilfe, des Klimaschutzes oder anderer Maßnahmen im Partnerland eine Hebelwirkung haben und Wachstum bewirken kann. Die EU und ihre Mitgliedstaaten könnten eine Reihe von Bedingungen in Erwägung ziehen, die bei Programmen, Projekten und jedweder Unterstützung zu erfüllen wären:

  1. Mehrwert,
  2. EU-Koordinierung im Vorfeld der Genehmigung von Zuschüssen/der Programmierung beispielsweise mit Hilfe von Europäischen Länderstrategiepapieren
  3. Aufzeigen der Hebelwirkung der vorgeschlagenen Programme/Zuschüsse/Budgethilfen auf Reformen und solide politische Maßnahmen einerseits und auf andere Finanzquellen (z. B. durch Einbindung des Privatsektors oder Mobilisierung landeseigener Finanzmittel) andererseits.

Darüber hinaus sind die Überwachung und die Evaluierung der Ergebnisse der Hilfe sowie die Information hierüber vor dem Hintergrund der laufenden Haushaltskonsolidierung zunehmend wichtig, da die Hilfebudgets immer stärker unter Druck geraten könnten. Eine größere Rechenschaftspflicht und Sichtbarkeit des EU-Beitrags zeigen den Partnern auch, dass die EU ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt. Daher müssen wir in der Lage sein, die Erfolge der EU-Entwicklungszusammenarbeit überzeugend aufzuzeigen. Dies erfordert größere Anstrengungen zur Stärkung der Monitoring- und Evaluierungssysteme und die Pflicht zur Berichterstattung sowohl in der EU als auch in ihren Partnerländern.

  1. Wie könnten die EU und ihre Mitgliedstaaten Leitlinien für die Programmierung und Mittelverwendung entwickeln, in denen bestimmte Bedingungen gestellt werden, die bei allen Programmen und Projekten und bei jeglicher Unterstützung erfüllt werden müssen?
  2. Welche bewährten Methoden gibt es gegenwärtig auf EU-Ebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten, an die angeknüpft werden könnte?
  3. Wie könnten die erschiedenen Mittelzuflüsse (aus öffentlichen und privaten Quellen, aus den verschiedenen Budgets im Rahmen des auswärtigen Handelns) in geeigneter Weise kombiniert und verfolgt sowie darüber berichtet werden, so dass für eine maximale Wirkung, Rechenschaftspflicht und Sichtbarkeit gesorgt wird?

2.2. Wachstum für die menschliche Entwicklung

Ohne eine gebildete und gesunde Bevölkerung, deren Ernährungssicherheit gewährleistet ist, kann sich ein Land nicht weiterentwickeln und von der Armut befreien. Das Wirtschaftswachstum muss der gesamten Gesellschaft zugute kommen, wenn es eine nachhaltige Entwicklung bewirken soll, was Kohärenz und eine ausgewogene Politik voraussetzt. Die Reduzierung von Ungleichheiten durch Schaffung von Einkommen, einschließlich produktiver und menschenwürdiger Beschäftigung, die Gleichstellung der Geschlechter, sozialer Schutz sowie der Zugang aller zu guter Schul- und Berufsausbildung, ein anpassungsfähiges Hochschulsystem, das das benötigte Humankapital hervorbringt, und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sind für die Armutsminderung und die Verwirklichung der MDG unerlässlich und tragen zu sozialer Kohäsion, Menschenrechten und Frieden bei.

Dieses sind und bleiben die Prioritäten der EU und der Mitgliedstaaten bei ihren Entwicklungsanstrengungen in den bedürftigsten Ländern.

Da die EU fundierte Erfahrungen mit der Unterstützung der menschlichen und der sozialen Entwicklung hat und sich nicht auf die herkömmlichen Tätigkeitsbereiche beschränkt, ist sie in der Lage zu prüfen, wie Qualifikationen, Innovation, Kreativität und Unternehmertum stärker in den Mittelpunkt eines umfassenden sozialpolitischen Konzepts gerückt und wie aktive Arbeitsmarktpolitik, die Agenda für menschenwürdige Arbeit und die Entwicklung wirksamer nationaler Sozialschutzsysteme unterstützt werden können.

  1. Wie können die EU und ihre Mitgliedstaaten am besten gewährleisten, dass die Hilfe in den Bereichen Bildung und Gesundheit gezielter eingesetzt wird und deren Wirksamkeit in Bezug auf die menschliche Entwicklung und das Wachstum weiter erhöht werden?
  2. Wie sollte die EU die Entwicklung von Qualifikationen in den Partnerländern im Einklang mit den Besonderheiten und dem Bedarf der lokalen Arbeitsmärkte, einschließlich im informellen Sektor, unterstützen? Wie könnte das allgemeine EU-Konzept für Migration hierzu beitragen?

2.3. Förderung von Governance

Die Erfahrung hat gezeigt, dass ohne eine verantwortungsvolle Regierungsführung Hilfsprogramme nur begrenzt Wirkung zeigen und eine wirksame Zusammenarbeit immer extrem schwierig ist. Daher sind demokratische Governance, die Achtung der Menschenrechte, die Bekämpfung der Korruption, die Rechtsstaatlichkeit sowie der Aufbau von Institutionen und des Staates feste Bestandteile der EU-Kooperationsstrategien.

Eine wirksame Regierungsführung setzt eine solide Finanzverwaltung und wirksame Präventions-, Kontroll-, Sanktions- und Abhilfemechanismen zur Bekämpfung von Korruption und Betrug voraus. Die Förderung von Transparenz, Rechenschaftspflicht und Partizipation an der Entscheidungsfindung ist ebenfalls entscheidend, insbesondere durch die Rolle des Parlaments, einer unabhängigen Justiz und der Rechnungsprüfungsbehörden. Ein Schwerpunkt muss auch auf die Stärkung der regulatorischen Fähigkeiten der Regierungen im Hinblick auf die Schaffung eines günstigen Umfelds für Unternehmen gelegt werden, wodurch die landeseigenen Ressourcen bestmöglich genutzt und inländische sowie ausländische Investitionen angezogen werden. Dies muss mit Mechanismen kombiniert werden, die sicherstellen, dass der Nutzen des Wachstums alle Teile der Gesellschaft erreicht. Hierbei kann die Erfahrung der EU mit Übergangssituationen von Wert sein. Organisationen der Zivilgesellschaft sind ebenfalls wichtige Partner. Die EU setzt sich bei ihrem Politikdialog mit den nationalen Behörden für Mindeststandards ein, die die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen begünstigen, und ermutigt zu einem echten Dialog zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren.

Die wichtigsten Grundsätze des gegenwärtigen Konzepts der EU sind der Dialog zwischen Partnern und ein Fokus auf Anreize für ergebnisorientierte Reformen. Dies geschieht durch die Integration von Fortschrittsindikatoren sowohl in die regelmäßigen Überprüfungen der Hilfezuweisungen als auch in besondere Programme oder Budgethilfe. Die EU ist bereits dazu übergegangen, sich stärker auf eine vertrags- und bedarfsorientierte Hilfeprogrammierung zu stützen, beispielsweise im Rahmen der Governance-Initiative8 mit Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP), der MDG-Vereinbarungen9 und der Governance-Klauseln in den EU-Partnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten sowie mit Ländern in Asien, Lateinamerika und der europäischen Nachbarschaft. Die regionale Dimension der Governance-Förderung ist wichtig, um eine bessere Akzeptanz und Legitimität von Reformen zu gewährleisten.

Der permanente Fokus auf die Verwendung der Hilfe als Katalysator für Verbesserungen beider Governance im Rahmen der Entwicklungspartnerschaften muss jedoch eine Priorität der EU-Entwicklungspolitik bleiben, und so besteht in manchen Partnerländern noch großer Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie beim Einsatz der Hilfe zur Förderung der Governance weitere Fortschritte erreicht werden können. Zwar bieten beispielsweise die über mehrere Jahre laufenden Exante-Länderzuweisungen den Entwicklungsländern eine gewisse finanzielle Vorhersehbarkeit, doch können auch neue Konzepte in Erwägung gezogen werden, die Anreize zu Reformen und zur Mobilisierung inländischer Ressourcen bieten.

  1. Wie kann die EU ihr Konzept, ihre Instrumente und ihre Indikatoren anpassen, so dass die Governance-Reformen in Entwicklungsländern/-regionen unterstützt werden?
  2. Wie und in welchem Umfang sollte die EU bei der Zuweisung der Hilfe für einzelne Länder oder thematische Bereiche mehr Anreize für Reformen aufnehmen?
  3. Wie sollte die EU solide Rahmen für die Bewertung und Überwachung von Entwicklungsergebnissen der Empfängerländer fördern?

2.4. Sicherheit und Fragilität

Ohne Frieden und Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, eine adäquate und berechenbare Rechtsetzung oder solide öffentliche Finanzen kann es mit Entwicklungshilfe allein nicht gelingen, den Menschen langfristig eine Zukunft zu geben. Diesem Umstand wird sowohl in der Europäischen Sicherheitsstrategie als auch dem Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik Rechnung getragen. Darüber hinaus ist eine enge Verbindung zwischen der EU-Entwicklungspolitik und dem allgemeinen auswärtigen Handeln der EU überaus wichtig, um die Wirksamkeit der Hilfe durch eine gut koordinierte und kosteneffiziente Vorgehensweise auf EU-Ebene und auf Ebene der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für fragile Staaten, Situationen nach Beendigung eines Konflikts und Länder, in denen eine Kombination mehrerer Faktoren dem Entstehen oder der Unterstützung von sozialer Gewalt und gewalttätigem Extremismus einen Nährboden bietet.

Mit den vom Lissabonner Vertrag eingeführten institutionellen Strukturen der EU bietet sich nun die Chance zu einem umfassenderen und besser koordinierten europäischen Konzept für die Bekämpfung von Konfliktursachen und die Unterstützung der Anstrengungen von Partnerländern beim Aufbau friedlicher, demokratischer, legitimer und inklusiver Staaten.

Die EU könnte insbesondere mit ihrem neuen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Kommissionsdienststellen kohärente und umfassende politische Strategien ausarbeiten, um Frühwarnung und präventive Diplomatie mit kurzfristigen Krisenreaktionsmaßnahmen (humanitäres, diplomatisches, ziviles und militärisches Krisenmanagement) und mit längerfristig ausgerichteten Instrumenten und politischen Maßnahmen (in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Handel, Umwelt und Anpassung an den Klimawandel zur Reduzierung der Anfälligkeit für Naturkatastrophen, Migration, usw.) zu koppeln. Dies könnte auch eine richtige Entwicklungskomponente zur Thematisierung von Governance, Staatsbildung ("State building") und anderen mit der Entwicklung zusammenhängenden, für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität und die Förderung der Menschenrechte erforderlichen Reformen umfassen.

In diesem Zusammenhang ist Kohärenz und die richtige Verzahnung mit den humanitären Aktivitäten für die Verringerung der Anfälligkeit krisengefährdeter Länder, die Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit und den erfolgreichen Übergang von Soforthilfe zu Wiederaufbauhilfe von wesentlicher Bedeutung.

  1. Welchen Zusammenhang sollte die EU zwischen Sicherheit und Entwicklung
    insbesondere in fragilen und konfliktgefährdeten Ländern herstellen und wie sollte sie bei der Programmierung von Entwicklungsmaßnahmen stärkeres Augenmerk auf demokratische Governance, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Reformen im Sicherheitssektor legen?
  2. Wie könnte die EU die Programmierung von Sicherheitsmaßnahmen besser mit
    Entwicklungsmaßnahmen koordinieren?
  3. Wie kann die EU die Verknüpfung von Soforthilfe, Rehabilitation und Entwicklung in
    Übergangs- und Wiederaufbausituationen am besten bewerkstelligen?

2.5. Für eine echte Koordinierung der Hilfe

Die wirksame Koordinierung der Hilfsprogramme ist eine rechtliche Verpflichtung der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Im Lissabonner Vertrag heißt es hierzu (Artikel 210 AEUV): "Die Union und die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und stimmen ihre Hilfsprogramme aufeinander ab, auch in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen, damit ihre Maßnahmen einander besser ergänzen und wirksamer sind." Die Bedeutung der Koordinierung der Hilfe mit anderen Gebern ist auch in dem Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik, dem Verhaltenskodex10 und dem auf der internationalen Agenda für die Wirksamkeit der Hilfe (Pariser Erklärung und Aktionsplan von Accra)11 basierenden operativen Rahmen 12 verankert.

Bisher ist eine tatsächlich wirksame Hilfekoordinierung in der Programmierungsphase allerdings eher die Ausnahme als die Regel.

Die Koordinierung muss, wie vom Rat anerkannt13, viel systematischer und wirksamer werden. Auf Ersuchen des Rates wird die Kommission, ihm "bis 2011 einen Vorschlag vorlegen, der eine schrittweise Synchronisierung der Programmierungszyklen der EU und der Mitgliedstaaten auf Ebene der Partnerländer vorsieht, wobei die Entwicklungsstrategien dieser Länder zugrunde gelegt und ihre Programmierungszyklen berücksichtigt werden sollen." Die Kommission beabsichtigt, 2011 einen derartigen Mechanismus vorzuschlagen.

  1. Welche rechtlichen und praktischen Methoden und Strukturen sind am geeignetsten,
    um die Wirksamkeit der Hilfe zu steigern und die Europäischen Länderstrategiepapiere zu verwirklichen? Wie können die Vorgaben des Lissabonner Vertrags und die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Juni 2010 in dieser Hinsicht am besten in die Praxis umgesetzt werden?

2.6. Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung

Die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung (PCD) ist eine rechtliche Vorgabe des Lissabonner Vertrags14. Politische Entscheidungen in Bereichen wie Handel, Fischerei, Landwirtschaft, Migration oder Klima und Energie, um nur einige zu nennen, können auf die Fähigkeit der ärmsten Länder, Armut zu reduzieren und Wachstum zu generieren, immense Auswirkungen haben.

In dem von der Kommission am 21. April 2010 veröffentlichten15 "Zwölfpunkte-Aktionsplan der EU zur Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele" betonte sie Folgendes: "Die EU unterstützt die MDG auch durch Maßnahmen außerhalb der Entwicklungshilfe, die sie stärker auf die Entwicklungsziele ausrichtet. In den letzten fünf Jahren hat die EU zu diesem Zweck Exante- und Ex -post-Mechanismen eingeführt, einschließlich Folgenabschätzungen, um die externen Auswirkungen der Strategievorschläge zu bewerten. In dem PCD-Arbeitsprogramm sind konkrete Ziele und Indikatoren für die Bewertung von Fortschritten bei den PCD-Verpflichtungen festgelegt, welche die EU in einer Reihe von Politikbereichen eingegangen ist, die für die Bewältigung der folgenden fünf globalen Herausforderungen von Bedeutung sind: Handel und Finanzen, Klimawandel, Ernährungssicherheit, Migration und Sicherheit." Das Programm wird als Instrument eingesetzt, "an dem sich die Beschlussfassung der EU [insbesondere der Kommission, des Rates und des Parlaments] bei einer großen Anzahl von Beschlüssen orientieren kann, deren Relevanz für die Entwicklungsländer über die Entwicklungshilfe hinausgeht."

Um weitere Fortschritte zu erreichen, könnte ein Ansatz im proaktiven und frühzeitigeren Einsatz des PCD-Arbeitsprogramms bei der Vorbereitung neuer Initiativen bestehen. Nun muss weiter daran gearbeitet und darüber beraten werden, wie dieses Vorhaben in ein konkretes Aktionsprogramm umgewandelt werden kann. Darüber hinaus besteht eine große Schwierigkeit nach wie vor darin, die gegenwärtigen Konzepte zur Abschätzung der konkreten Folgen der politischen Maßnahmen der EU für Entwicklungsziele weiterzuentwickeln.

2.7. Verbesserung der Wirkung von Budgethilfe

Budgethilfe ist eine mögliche Form der Entwicklungshilfe, wobei den Staatskassen der Empfängerländer Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. In den letzten Jahren ist (allgemeine und sektorbezogene) Budgethilfe zu einer wichtigen Form der EU-Unterstützung einer soliden Wirtschafts- und Haushaltspolitik sowie der Reformagenden der Partnerländer geworden. Die Kommission hat sich verpflichtet sicherzustellen, dass Budgethilfe selektiv und mit der größtmöglichen Effektivität, Effizienz und Wirkung verwendet wird.

Da eine umfassende Überprüfung der Verwendung dieses bedeutenden Instruments so wichtig ist, hat die Kommission am 19. Oktober 2010 ein Grünbuch über "Die Zukunft der EU-Budgethilfe an Drittstaaten" 16 angenommen. Mit dem Grünbuch soll ein breite Öffentlichkeit konsultiert und sollen Meinungen und Fakten von einschlägigen Akteuren zusammengetragen werden, damit das Instrument der Budgethilfe dank der gewonnenen Erkenntnisse künftig sowohl auf Unions- als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten noch besser genutzt werden kann.

3. Entwicklungspolitik als Katalysator für EIN breitenwirksames nachhaltiges Wachstum

Die Hilfe soll als Katalysator wirken, Wachstum in den Partnerländern fördern und insbesondere dabei helfen, ein für ein nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum günstiges Umfeld zu schaffen, das es diesen Ländern ermöglicht, sich aus eigener Kraft von der Armut zu befreien. Im Hinblick auf die Armutsminderung hat das Wirtschaftswachstum - sofern es breitenwirksam ist - eine viel größere Wirkung als allmähliche Erhöhungen der öffentlichen Entwicklungshilfe.

Viele Faktoren tragen zu einem wachstumsfördernden Umfeld bei, darunter: politische und makroökonomische Stabilität, verantwortungsvolle Regierungsführung, Sicherheit, Achtung der Menschenrechte, günstige regulatorische und politische Rahmenbedingungen für Unternehmen, damit produktive und menschenwürdige Arbeitsplätze entstehen können, eine gut gebildete, gesunde und kreative Bevölkerung, eine nachhaltige Verwendung knapper natürlicher Ressourcen, wirtschaftliche Infrastruktur, Durchsetzung der Kernarbeitsnormen und eine effektive, nutzbringende Teilnahme am internationalen Handel.

Die EU ist bereits im Rahmen der bestehenden Partnerschaften mit Entwicklungsländern in all diesen Bereichen tätig. Es muss jedoch darüber nachgedacht werden, wie die Wirkung dieser Zusammenarbeit auf das Wachstum verbessert werden kann, und zwar nicht als Selbstzweck, sondern im Hinblick auf die Beseitigung der Armut.

Offensichtlich ist die Fähigkeit der einzelnen Entwicklungsländer, eine Politik der verantwortungsvollen Regierungsführung und der Wachstumsförderung zu verfolgen, sehr unterschiedlich. Für Länder, die eine Strategie der Wachstumsförderung einschlagen und für ein breitenwirksames Wachstum sorgen, ist eine wachstumsorientierte Zusammenarbeit besser geeignet, während für die bedürftigsten oder sich in einem Konfliktzyklus oder einer fragilen Situation befindenden Länder weiterhin die eher herkömmlichen Entwicklungsinstrumente eingesetzt werden müssen. Die Differenzierung zwischen Ländern und Regionen kann somit dazu führen, neue Konzepte für eine bessere Zusammenarbeit mit Ländern zu entwickeln, die bereit sind, sich zu neuen Formen der Partnerschaft zu verpflichten, während bei Bedarf weiterhin Staatsbildung, verantwortungsvolle Regierungsführung und Armutsbekämpfungsstrategien unterstützt werden. Daraus folgt, dass ein länderspezifischer Politikmix, der den besonderen Herausforderungen des Landes Rechnung trägt, im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit nach den Grundsätzen Eigenverantwortung, Ergebnisorientierung und gegenseitiger Rechenschaftspflicht wichtig ist.

Außerdem müssen die EU-Maßnahmen besser koordiniert und auf Bereiche konzentriert werden, in denen sie einen echten Mehrwert erbringen können. Der Lissabonner Vertrag und die neuen institutionellen Strukturen für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU sowie die neuen Zuständigkeiten in Bereichen, die für die Entwicklung relevant sind17, bieten neue Chancen für eine präziser ausgerichtete Entwicklungspolitik im allgemeinen Rahmen eines wirksameren auswärtigen Handelns.

Soll die Entwicklungspolitik als Katalysator für ein breitenwirksames Wachstum gefördert werden, so sind die folgenden Punkte besonders wichtig.

3.1. Partnerschaften für ein breitenwirksames Wachstum

Inländische und ausländische Investitionen anzuziehen und zu halten, setzt berechenbare, transparente, auf Regeln basierende und diskriminierungsfreie wirtschaftliche Rahmenbedingungen voraus sowie die Förderung von Investitionen im produktiven Sektor und das Vorhandensein von Absatzmöglichkeiten. Daher stellt sich die Frage, ob die EU neue gemeinsame Strategien für ein breitenwirksames Wachstum ausarbeiten soll. Dies könnte in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit einzelnen oder Regionalzusammenschlüssen von Entwicklungsländern, aber auch unter Einbindung von Akteuren des privaten Sektors (Unternehmen, Stiftungen, Hochschulen und Organisationen der Zivilgesellschaft im weitesten Sinne usw.) geschehen, die alle das Ziel vor Augen haben, dass im Hinblick auf Fragen, bei denen sie gemeinsam handeln können, messbare Fortschritte erreicht werden. Diese gemeinsamen Strategien können im Rahmen der bestehenden formellen Partnerschaftsvereinbarungen zwischen der EU und Gruppen von Entwicklungsländern oder mit einzelnen Ländern ausgearbeitet werden.

Nichtstaatliche Akteure, die zahlreiche Rollen - als Interessenvertreter, Dienstleister, Geld- oder Kreditgeber - übernehmen und Insiderwissen und Mehrwert liefern leisten zur Entwicklung einen unerlässlichen Beitrag. Daher muss mit ihnen ein regelmäßiger Dialog geführt werden, wie der von der Kommission eingeleitete strukturierte Dialog18, mit dem ein Konsens über die anstehenden Herausforderungen und die Bereiche, in denen Änderungen am nötigsten sind, gefunden werden soll.

Derartige gemeinsame Strategien können sich auf verschiedene Prioritäten stützen, wobei sich die EU und die Partnerländer auf klare jeweilige Zuständigkeiten und zu erbringende Leistungen einigen:

- Förderung und Unterstützung produktiver und nachhaltiger Investitionen - aus dem Ausland wie auch dem Inland - in den ärmsten Entwicklungsländern, insbesondere in denjenigen, die nicht von einem stärkeren Handel profitieren und gegenwärtig keine nennenswerten Investitionen anziehen. Möglich wären die Mobilisierung von Hilfe zur Förderung zusätzlicher Infrastrukturinvestitionen zur Ergänzung von privaten Investitionen (z. B. zur Beförderung von Produkten zu den Märkten), und die Unterstützung von risikobehafteten Projekten, die für Privatinvestoren nicht attraktiv sind, ggf. in Form von Finanzierungen auf Risikoteilungsbasis. Derartige Investitionen sollten weniger auf die Unterstützung bestehender Wirtschaftstätigkeiten, insbesondere der Rohstoffindustrie, als vielmehr auf Aktivitäten mit Wertschöpfung, vor allem in der weiterverarbeitenden Industrie, ausgerichtet werden. Außerdem sollten von diesen Maßnahmen möglichst viele Menschen in dem betroffenen Land profitieren.

- Zugang zu Kapital und erschwinglichen Krediten, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Kleinstunternehmen, ist für das Wachstum der lokalen Landwirtschaft, der Industrie und des Dienstleistungssektors von entscheidender Bedeutung und fördert die Hebelwirkung zwischen Hilfe und Finanzinstrumenten. Ist der Zugang zu inländischem Kapital schwierig oder unmöglich, könnte die EU außerdem die schrittweise Entwicklung des heimischen Bankensystems und lokaler Kapitalmärkte unterstützen, wodurch sich die Beteiligung inländischer oder ausländischer Investoren an entwicklungsrelevanten Maßnahmen erreichen lässt, für die sich anderenfalls wegen der möglichen Risiken keine Investoren gefunden hätten. Dies könnte beispielsweise über einen gemeinsam von den EU-Institutionen, europäischen Entwicklungsbanken und Finanzinstitutionen betriebenen integrierten EU-Fonds oder EU-Mechanismus geschehen, der zur Förderung privater Investitionen in Entwicklungsländern eng abgestimmte Möglichkeiten für zinsbegünstigte Darlehen, gegebenenfalls technische und finanzielle Hilfe sowie eine Risikobeteiligung bieten würde.

- Rechtlicher und regulatorischer Rahmen: Der Aufwand und die Kosten der Gründung eines neuen Unternehmens, insbesondere eines KMU, oder des Betreibens eines bestehenden Unternehmens sind ein sehr wichtiger Faktor. Dies betrifft nicht nur die Registrierungsformalitäten zu Beginn, sondern beispielsweise auch anschließend die Entrichtung der Steuern, die Bekämpfung von Korruption und Kapitalflucht sowie Genehmigungsfragen. Die EU kann Reformen in diesem Bereich mit finanzieller und technischer Hilfe unterstützen, wenn Partnerländer sich zur Einführung von Verbesserungen verpflichtet haben und eine entsprechende Entschlossenheit an den Tag legen. Dazu gehören auch Investitionsschutz, transparente und offene Verfahren zur Registrierung und Schließung von Unternehmen sowie erschwingliche und zuverlässige Möglichkeiten der Vertragsdurchsetzung. Aufgrund der weltweit wachsenden Nachfrage gewinnt die Verwaltung der mit der Nutzung, dem Management oder der Veräußerung natürlicher Ressourcen (Land, Wasser, Rohstoffe oder Fischbestände) zusammenhängenden Rechte an Bedeutung. Bei derartigen Fragen hängt der Fortschritt allerdings zum großen Teil von der Entschlossenheit der Partnerländer ab.

- Innovation: Wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit, Kapazitätenaufbau sowie Investitionen in Wissen, Innovation und neue Technologien können bei der Beschleunigung eines breitenwirksamen Wachstums und der Befreiung der Menschen aus der Armut eine Schlüsselrolle spielen. Eine der größten Herausforderungen für die Entwicklungsländer besteht darin, die Bereiche herauszufinden, in denen sie einen Wettbewerbsvorteil haben, und diesen dann zu nutzen, um insbesondere mit größeren Schwellenländern konkurrieren zu können. Folglich sind länderspezifische Maßnahmen zur Förderung der technischen Entwicklung und des Technologietransfers, die in rentable Wirtschaftsaktivitäten umgesetzt werden können, überaus wichtig, um die Investitionsmöglichkeiten zu vervielfachen. Ebenfalls besondere Aufmerksamkeit sollte den möglichen Auswirkungen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf das Wachstum der lokalen Wirtschaft vieler Entwicklungsländer geschenkt werden. Der Schutz und die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im Einklang mit internationalen Verpflichtungen sowie die Berücksichtigung des Entwicklungsniveaus und -bedarfs können bei der Unterstützung von Innovationen eine wichtige Rolle spielen. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) können auf allen sozioökonomischen Gebieten einen gewaltigen und schnellen Wandel bewirken und sind in Bezug auf Dienstleistungen in Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Energie und Umweltmanagement, Verkehr, öffentliche Verwaltung oder Handel und Finanzdienste außerordentlich kosteneffektiv19.

- Menschenwürdige Arbeit und Sozialschutz: Größere Ungleichheiten bremsen drastisch die Armutsminderung und haben erhebliche negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Durch Reduzierung der Ungleichheiten und Unterstützung der am stärksten benachteiligten Menschen trägt der Sozialschutz zu Investitionen in das Humankapital, zur Verbesserung der Produktivität, zu sozialpolitischer Stabilität und zur Schaffung solider Institutionen bei. Daher ist eine integrierte Agenda für Beschäftigung und breitenwirksames Wachstum erforderlich, in deren Mittelpunkt Qualifikationen, Produktivität und ein unternehmensfreundlicher Regelungsrahmen stehen. Bei der Zusammenarbeit der EU mit lateinamerikanischen Ländern beispielsweise stellt der soziale Zusammenhalt ein zentrales Ziel dar und wird als Schlüsselelement für ein breitenwirksames Wachstum gesehen.

In all diesen Bereichen müssen die Achtung der Menschenrechte und der Standards für soziale und ökologische Nachhaltigkeit durch Verweis auf den Global Compact der Vereinten Nationen und die Leitlinien der OECD gewährleistet werden, und zwar entweder durch sektorbezogene Vereinbarungen oder Vorschriften, wie den Abkommen über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor (FLEGT)20, partnerschaftliche Fischereiabkommen, die Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie21 oder den Kimberley-Prozess22, oder durch soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)23 und Rechenschaftspflicht. Diese Initiativen sollten die zur Verbesserung des Geschäftsumfelds auf Länderebene unternommenen Anstrengungen ergänzen, aber nicht ersetzen, und dabei helfen, Lücken in der Gesetzgebung und der Durchsetzung zu schließen.

  1. Wie und in welchem Umfang sollte die Hilfe der EU Projekte der Industrie unterstützen, die Investitionen in Entwicklungsländern vorsehen, und wie kann das richtige Gleichgewicht zwischen der Entwicklung der rohstoffgewinnenden Industrie/ Energiewirtschaft und der Förderung der rohstoffverarbeitenden und sonstigen Industrie gefunden werden?
  2. Wie kann die EU sicherstellen, dass die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung eine faire Teilhabe aller an ihrem Nutzen garantiert, für einen besseren Schutz der sozialen und wirtschaftlichen Rechte, einschließlich der Durchsetzung der Kernarbeitsnormen, sorgt und die Rechenschaftspflicht der Unternehmen stärkt?
  3. Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden - und wie sollten sie am besten differenziert werden -, um den Entwicklungsländern bei der Schaffung eines wirtschaftlichen Umfelds zu helfen, mit dem das Unternehmertum und vor allem KMU gefördert werden können?
  4. Welche Maßnahmen oder Strukturen könnten mit den Partnerländern und europäischen sowie internationalen Finanzinstitutionen entwickelt werden, um finanzielle Unterstützung und ggf. kostengünstige Kredite und Finanzgarantien zur Förderung eines derartigen Wachstums zur Verfügung zu stellen?
  5. Welche Instrumente könnte die EU verwenden, um Kreativität, Innovation und Technologietransfer zu fördern und deren tragfähige Anwendungen in Entwicklungsländern zu gewährleisten?

3.2. Förderung der regionalen Integration und Handel im Interesse der Entwicklung

Förderung der regionalen Integration

Der Erfolg der Europäischen Union bei der Schaffung von Frieden und Wohlstand und ihrer geografischen Erweiterung ist der schrittweisen Integration ihrer Märkte in rechtlicher, wirtschaftlicher, finanzieller, politischer und steuerrechtlicher Hinsicht zu verdanken. Durch den Ausbau der Infrastruktur für Verkehr, Telekommunikation und Energie konnte sich der Handel entwickeln und das Wachstum florieren. Es hat sich erwiesen, dass der wichtigste Ausgangspunkt für Wachstum und Entwicklung ein integrierter und lebhafter regionaler Markt ist.

In den Entwicklungsländern in Afrika, Südost- und Ostasien und in Lateinamerika lässt sich ein ähnlicher Prozess feststellen, der sich allerdings noch in einem viel früheren Stadium befindet. So entfällt der Löwenanteil des afrikanischen Handels auf Länder außerhalb Afrikas und es gibt Aufsplitterungen und Überschneidungen regionaler Zusammenschlüsse; zudem sind die Infrastrukturverbindungen zwischen den Mitgliedern regionaler Zusammenschlüsse häufig unzureichend.

In den letzten Jahren haben sich in vielen Regionen die Fortschritte in Richtung auf eine echte regionale Integration allerdings beschleunigt. Diese Fortschritte sind vor allem wirtschaftlich motiviert (genau wie im Falle der EU, wo am Anfang die wirtschaftliche Integration im Vordergrund stand). Aber auch auf politischer Ebene hat beispielsweise die Afrikanische Union in letzter Zeit wichtige Schritte in Bezug auf die Friedens- und Sicherheitsarchitektur eingeleitet und sich an regionalen Vermittlungsanstrengungen beteiligt.

  1. Wie können die Erfahrungen der EU den Regionen, die eine stärkere Integration anstreben, helfen?

Fortsetzung eines Handels im Interesse der Entwicklung

Damit die Entwicklungsländer ihr wirtschaftliches Potenzial voll entfalten können, müssen sie erfahrungsgemäß eigene Reformen mit Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, kombinieren und zeitlich abstimmen. Entwicklung geht normalerweise mit der schrittweisen Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungshandels in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld einher, das die Integration in die Weltwirtschaft und die regionale Integration erleichtert.

Die EU gehört für die Entwicklungsländer zu den offensten Märkten der Welt. Gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten ist sie ein wichtiger Geber von Handelshilfe ("Aid for Trade"), die im Jahr 2008 eine Rekord-Höhe von 10,4 Mrd. EUR erreichte - eine Steigerung um 3,4 Mrd. EUR (48 %) seit 2007. Seit Jahren wendet die EU handelsbezogene Instrumente zur

Förderung sowohl des sozialen als auch des wirtschaftlichen Wohlstands in Entwicklungsländern an.

Die wichtigsten Ziele für die nahe Zukunft bestehen darin, Kohärenz zwischen der EU-Handelspolitik und den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit zu gewährleisten, mit Entwicklungsländern umfassende, entwicklungsfördernde Kooperations- und Handelsabkommen zu schließen, die Handelshilfe und ihre Wirkung vor Ort weiter zu verstärken und mögliche Synergien zwischen nationalen und regionalen Handelsstrategien auszuloten.

  1. Was kann getan werden, um zwischen der EU-Handelspolitik und der EU-Entwicklungspolitik mehr Kohärenz zu gewährleisten?
  2. Wie kann die Bereitstellung der Handelshilfe verbessert werden, damit ihre Hebelwirkung optimal zur Ausweitung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten in den Entwicklungsländern genutzt und dadurch weiteres Wachstum erzeugt werden kann?

4. Nachhaltige Entwicklung als eine neue Triebkraft

Für die nächsten Jahrzehnte wird davon ausgegangen, dass eine der wichtigsten Triebkräfte für das weltweite Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum die Entwicklungsländer sein werden. Ein beschleunigtes und weit verbreitetes Wachstum stellt enorme Herausforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit und den Klimaschutz und die Anpassung an die Klimafolgen. Doch dürfen die erforderlichen Maßnahmen zur Begegnung des Klimawandels kein Grund dafür sein, die Anstrengungen zur Armutsbekämpfung zu vernachlässigen.

4.1. Klimawandel, biologische Vielfalt und Entwicklung

Der Klimawandel mit seinen Folgen stellt für die Entwicklungsländer eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts und die größte Gefahr für die Verwirklichung der MDG dar. Um die Menschen aus der Armut zu befreien, müssen mehr Menschen Zugang zu Energie erhalten. Dies wird den Energieverbrauch erheblich steigern, was mit dem Ausstoß von Treibhausgasen verbunden ist und Auswirkungen auf die weltweite Umwelt hat. Aus diesen Gründen muss die nachhaltige Entwicklung sowohl bei unserer Entwicklungspolitik und als auch bei unseren Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels im Mittelpunkt stehen, damit diese dem Wachstumspotenzial der Ärmsten der Welt nutzen und es nicht etwa gefährden.

Eine auf nachhaltiger Wirtschaft fußende Entwicklung könnte den Entwicklungsländern viele Wachstumsmöglichkeiten bieten. Dies lässt sich am wirksamsten durch Berücksichtigung des Klimawandels in allen Bereichen der Entwicklung erreichen. Ein strategisches Konzept zum Schutz der Entwicklung vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels - eine Kombination von Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Anpassung an die Klimafolgen, zur Katastrophenvorsorge und -vorbeugung - ist entscheidend, und Initiativen, die eine geringe CO₂-Emissionen verursachende Entwicklung mit einer strategischen Planung zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit verbinden, werden den Entwicklungsländern in vielerlei Hinsicht nützen. 24

Eine nachhaltige Entwicklung setzt Strategien voraus, mit denen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltthemen angegangen werden. Zur Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit muss sowohl der Verbrauch als auch das Management der natürlichen Ressourcen, insbesondere von Land, Wasser, Wäldern und der biologischen Vielfalt, in Angriff genommen werden. Die Einbindung der Prioritäten für die Anpassung an den Klimawandel und der Übergang zu einer emissionsarmen Entwicklung sind für die Gewährleistung der Nachhaltigkeit der Entwicklung von grundlegender Bedeutung.

Die Wirtschaft der Entwicklungsländer hängt in erheblichem Maße von der Nutzung der natürlichen Ressourcen durch Landwirtschaft oder Rohstoffgewinnung ab. Gleichzeitig festigt sich aber die Erkenntnis, dass Ökosysteme wie Wälder und Feuchtgebiete eine wichtige Rolle als Produktivvermögen spielen und nutzbringende Waren- und Dienstleistungsströme generieren. Daher ist es überaus wichtig zu verstehen, wie sehr die Wirtschaft von der biologischen Vielfalt und den Ökosystemdienstleistungen abhängen kann, und es müssen sämtliche Auswirkungen berücksichtigt werden, die der Verlust an biologischer Vielfalt auf das Potenzial zur Entwicklung neuer Produkte, neuer Arbeitsplätze und neuer Technologien haben kann. Die Studie über die Ökonomie der Ökosysteme und biologische Vielfalt (TEEB) machte darauf aufmerksam, indem einer Vielzahl von Leistungen der Natur, die in konventionellen Wirtschaftsmodellen keine Rolle spielten, ein wirtschaftlicher Wert beigemessen wird.

Die Nutzung der natürlichen Ökosysteme als Kohlendioxidsenken und als Ressourcen zur Anpassung an die Klimafolgen wird zunehmend als erforderliche, effiziente und relativ kostengünstige Möglichkeit gesehen, um dem Klimawandel zu begegnen. Es werden verschiedene Managementstrategien zur Landnutzung benötigt, um die Emission von Treibhausgasen durch veränderte Landnutzung zu reduzieren und die Ökosystemdienstleistungen zu erhalten, die bei der Anpassung an den Klimawandel von grundlegender Bedeutung sind. Schutzgebiete spielen eine besonders wichtige Rolle bei der Entwicklung von nationalen Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Deshalb sind ein stärkerer Schutz derartiger Gebiete sowie die vollständige Erfassung und das Management solcher Gebiete besonders wichtig.

Die Berücksichtigung der mit dem Klimawandel zusammenhängenden Fragen in allen Bereichen der Entwicklungspolitik hat finanzielle Auswirkungen. Auf der Konferenz in Kopenhagen sagte die EU 7,2 Mrd. EUR als unmittelbare Anschubfinanzierung für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen, einschließlich Katastrophenvorsorge und -vorbeugung in katastrophengefährdeten Ländern, für den Zeitraum 2010-2012 zu. Zudem verpflichteten sich die Industrieländer, bis 2020 jährlich 100 Mrd. USD aus verschiedenen, auch alternativen Quellen bereitzustellen, vorausgesetzt, die Entwicklungsländer ergreifen nennenswerte Klimaschutzmaßnahmen und gewährleisten Transparenz in Bezug auf ihre Emissionen von Treibhausgasen. Eine ausgewogene Zuweisung von Mitteln für die Anpassung an den Klimawandel bzw. zum Klimaschutz sollte dazu beitragen, dass die Wirtschaften der Entwicklungsländer dem Klimawandel besser standhalten können und der Übergang zu einer emissionsarmen Entwicklung unterstützt wird .25 Die Anpassungsmaßnahmen werden weiterhin vor allem mit Zuschüssen finanziert und zielen zunächst darauf ab, die Entwicklungsländer bei der Aufstellung von Nationalen Aktionsplänen zur Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, wohingegen bei Klimaschutzmaßnahmen auch auf Darlehen zu Vorzugsbedingungen und Kofinanzierungen aus dem Privatsektor zurückgegriffen werden muss. Mit den Finanzmitteln für den Klimaschutz und die Entwicklung sollte daher auch dazu beigetragen werden, dass Investitionen in Niedrigemissionstechnologien und nachhaltige Landnutzung auf allen Ebenen der Gesellschaft attraktiver sind. Auf der Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, die im Oktober 2010 in Nagoya stattfand, waren sich alle Vertragsparteien darin einig, dass zum Erhalt der biologischen Vielfalt Ressourcen mobilisiert werden müssen, insbesondere um die Entwicklungsländer bei der Umsetzung des auf der Konferenz angenommenen zehnjährigen Strategieplans zu unterstützen.

4.2. Energie und Entwicklung

Unter den zahlreichen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung ist der Zugang aller zu einer nachhaltigen Energieversorgung von zentraler Bedeutung, denn er ist eine Voraussetzung für die Erfüllung der meisten MDG. Der Zugang zu einer zuverlässigen Energie- und insbesondere Stromversorgung zu stabilen Preisen trägt maßgeblich zur Beseitigung der Armut bei und ist für Gesundheitsfürsorge, Bildung, Landwirtschaft und wirtschaftliche Entwicklung äußerst wichtig. Hierfür werden innovative Lösungen benötigt und viele Chancen können sich daraus ergeben, dass dem Klimawandel in den Entwicklungs- und Kooperationsstrategien Rechnung getragen ("climate proofing") und in nachhaltige Entwicklung investiert wird.

In Subsahara-Afrika beispielsweise haben weniger als 30 % der Menschen Zugang zu einem öffentlichen Stromnetz. Selbst für diejenigen, die Zugang haben, ist es jedoch wegen der häufigen Stromausfälle keine zuverlässige Energiequelle. Dies gilt für viele Entwicklungsländer und hat immense Folgen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere für die Verwirklichung der MDG.

In den letzten Jahrzehnten hat es bei Erdöl enorme Preisschwankungen gegeben, was weitreichende Auswirkungen auf fragile und sich in der Entwicklung befindende Länder hatte, insbesondere auf jene, deren Wirtschaft stark vom Öl abhängig ist, und vor allem dort, wo u. a. wegen der unzuverlässigen Stromversorgung Dieselgeneratoren eine wichtige Rolle spielen. Zudem wird beim Kochen mangels Strom häufig Holz oder Kohle verwendet, was häufig zu Gesundheitsproblemen und Entwaldung führt.

Jedoch lassen sich in den Entwicklungsländern vielerorts ideale Möglichkeiten für die Entwicklung erneuerbarer Energien (darunter Wasserkraft, Windenergie, Sonnenenergie mittels Photovoltaik oder CSP-Technologie) finden, was insbesondere an den überaus günstigen natürlichen Bedingungen (wasserueber.htmressourcen, Sonnenlicht) liegt. Darüber hinaus können die Gesamtkosten dort reduziert werden, wo keine Energieinfrastruktur vorhanden ist und erneuerbare Energie netzunabhängig bereitgestellt werden kann. Oft kann in vielen

Entwicklungsländern durch Investition in eine lokale, wettbewerbsfähige Erzeugung erneuerbarer Energie eine technische Generation übersprungen werden. Außerdem würde sich die Energieeffizienz durch Einführung moderner Lösungen für die Energieproduktion und -verteilung erheblich steigern lassen. Mit moderner Technik können die Treibhausgasemissionen stark reduziert und die lokalen Umweltbedingungen erheblich verbessert werden. Im Hinblick auf Letzteres kann Europa eine Schlüsselrolle durch Bereitstellung von Knowhow spielen. Dort, wo bereits eine Infrastruktur vorhanden ist, kann die Modernisierung bestehender Einrichtungen und deren Verbindung untereinander einen breiteren Zugang zu Energie gewährleisten.

Durch Kombination von EU-Entwicklungshilfe, die durch umfangreiche Finanzierungen aus anderen Quellen ergänzt wird, mit den bereits erwähnten in Kopenhagen zugesicherten schnell einsetzenden Anschubfinanzierungen für erneuerbaren Strom in Entwicklungsländern wären enorme Fortschritte bei der Versorgung der ärmsten Länder der Welt mit nachhaltiger Energie möglich. Die Erschließung erneuerbarer Energiequellen in diesen Ländern, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern, birgt einen weiteren sehr wichtigen Entwicklungsvorteil, da sie dadurch den Folgen stark schwankender Ölpreise weniger ausgesetzt sind.

Für eine derartige Unterstützung ist die EU besonders gut gerüstet. Bei der Herstellung von Technologien für erneuerbare Energie nimmt sie eine Spitzenposition ein. Die EU verfügt über die größte Erfahrung damit, welche rechtlichen und verwaltungstechnischen Maßnahmen zur Kanalisierung von Investitionen in erneuerbare Energien erforderlich sind. Dies liegt auch daran, dass die EU als einzige Region der Welt allen ihren Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Ziele gesetzt hat. So hat sich die EU dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2020 20 % ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.

Außerdem benötigen Energieinvestitionen nicht nur Unterstützung in Form von Zuschüssen. Entwicklungshilfe allein wird niemals ausreichen, um die für die Versorgung aller Menschen mit nachhaltigem Strom erforderlichen Investitionen von Hunderten von Milliarden Euro zu finanzieren. Derartige Investitionen können durchaus rentabel sein. Daher dürfte die Ergänzung der EU-Haushaltsmittel durch Mittel anderer Geber und Finanzinstitutionen, auch des Privatsektors, in diesem Bereich leichter als in anderen zu realisieren sein.

Deshalb sollte in Erwägung gezogen werden, dass die EU und Entwicklungsländer und/oder regionale Zusammenschlüsse im Rahmen der bestehenden Partnerschaften konkrete gemeinsame Programme zur schrittweisen Ausweitung der Versorgung mit nachhaltiger Energie auf alle Bürgerinnen und Bürger aufstellen.

Diese Programme, die aus EU-Mitteln im Rahmen der Entwicklungshilfe und Klimapolitik, ergänzt durch umfangreiche Mittel aus anderen Quellen, finanziert werden sollen und an denen die EU und die Entwicklungsländer sowie die Energieindustrie und EU-Finanzinstitutionen beteiligt wären, könnten Zeitpläne für das gemeinsame Handeln umfassen und in Ländern mit niedrigem Einkommen Reformen sowohl im Hinblick auf Investitionsschutz und Besteuerung als auch bezüglich der regionalen Zusammenarbeit vorsehen. Dabei sollten bereits bestehende Maßnahmen im Rahmen von Energiepartnerschaften wie der Energiepartnerschaft EU-Afrika berücksichtigt werden. Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energie können ein wichtiger Beitrag zur Deckung des Energiebedarfs der Entwicklungsländer sein. Sie müssen jedoch nahtlos in eine allgemeinere Energiepolitik integriert werden, die beispielsweise auch Energieeffizienz, Netze und Infrastruktur, die Gewährleistung einer effektiven Versorgung sowie die

Entwicklung anderer, "traditionellerer" Energiequellen zum Gegenstand hat. Die Zusammenarbeit sollte auch Gebern außerhalb der EU sowie internationalen Organisationen offenstehen und könnte u. a. auf folgende Punkte ausgerichtet sein:

5. Landwirtschaft Ernährungssicherheit

In vielen Entwicklungsländern, in denen immer noch 75 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängen, bleibt die Ernährungssicherung eine wichtige Herausforderung für die Stadt- und Landbevölkerung. Schätzungen zufolge muss die landwirtschaftliche Produktion weltweit um 70 % ansteigen, um die Weltbevölkerung ernähren zu können, die laut UN-Prognosen bis 2050 auf 9 Milliarden Menschen ansteigen dürfte. Unterernährung wirkt sich auf die menschliche Entwicklung, die soziale und politische Stabilität sowie die Aussicht auf Erreichung der MDG aus. Die Preisentwicklungen auf den weltweiten Nahrungsmittelmärkten haben in letzter Zeit deutlich gemacht, vor welchen

Herausforderungen insbesondere Nahrungsmittel importierende Entwicklungsländer laufend stehen.

Entwicklung und Ernährungssicherung gehen Hand in Hand. Die Erfahrung zeigt, dass Reformen in der Landwirtschaft und die Fähigkeit, die Bevölkerung eines Landes zu ernähren, Voraussetzungen für die Entwicklung im Allgemeinen und die Armutsreduzierung sind. Die meisten der Armen und Unterernährten dieser Welt leben in ländlichen Gebieten, wo die Landwirtschaft die wichtigste wirtschaftliche Aktivität darstellt und kleinbäuerliche Betriebe vorherrschen.

In Afrika beispielsweise produzieren Kleinbauern rund 80 % der auf dem Kontinent konsumierten Nahrungsmittel. Die Landwirtschaft verfügt allerdings auch über ein großes Potenzial zur Stimulierung eines Einkommenswachstums, das der breiten Bevölkerung zugute kommt: In Entwicklungsländern leistet das von der Landwirtschaft erzeugte BIP-Wachstum einen vier mal so hohen Beitrag zur Armutsminderung wie das in anderen Sektoren generierte Wachstum26. Investitionen in die Lebensmittelsicherheit durch Anwendung von Gesundheits- und Pflanzenschutznormen fördern auch die Ernährungssicherheit und die menschliche Gesundheit. Für eine nachhaltige Landwirtschaft und eine adäquate Ernährung sind außerdem der Schutz der biologischen Vielfalt und die damit zusammenhängenden Ökosystemdienstleistungen wichtig. Die Landwirtschaft weist bedeutende Querverbindungen zu anderen Sektoren auf und ihr Wachstum hat Multiplikatorwirkung auf die gesamte Wirtschaft. Darüber hinaus ist eine gut betriebene Landwirtschaft ein wichtiger Faktor bei der Abschwächung von Umweltbedrohungen wie Entwaldung, Bodendegradation, Wasserknappheit oder Klimawandel. Ein beschleunigter Übergang zu einer CO₂-armen Agrarproduktion wird auch zur weltweiten Preisstabilität und zur Entstehung einer Vielfalt verlässlicher Produktionsstandorte beitragen.

Eine konzertierte Initiative der EU für Investitionen in eine breitenwirksame, intensivierte, nachhaltige und ökologisch effiziente Landwirtschaft kann daher für alle von Vorteil sein, indem ein stärkeres grünes Wachstum mit weniger Emissionen und eine größere soziale Stabilität erreicht werden 27. Damit dies gelingt, sollte die Produktion im Zusammenhang mit einer Wertschöpfungskette gesehen werden, bei der ein angemessener Zugang zu Finanzmitteln, zur Verarbeitung und zu den Märkten gegeben ist. In diesem Zusammenhang könnten Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und dem Privatsektor eine wichtige Rolle spielen.

Das Ziel, eine "große Wirkung" der EU-Entwicklungszusammenarbeit an sich zu gewährleisten, ist besonders für die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit wichtig. Die Erfahrung hat insbesondere gezeigt, dass diese Herausforderung ganzheitlich, unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette (Forschung und entsprechende landwirtschaftliche Ausbildung, Zugang zu Land, geeignete Düngemittel, Bewässerungssysteme, Warentransport zu den Märkten, Lagerung, Finanzierung, Banken und Versicherungen sowie Verarbeitungskapazitäten) angegangen werden muss. So können Forschung und Innovation eine Schlüsselrolle bei der Einleitung eines grundlegenden Wandels hin zu einer besseren Nahrungsmittelproduktion spielen, wenn sie bedarfsorientiert, partizipatorisch und den Bedürfnissen und Prioritäten der Begünstigten angepasst sind. Die EU verfügt über ein breites Fachwissen zur nachhaltigen Landwirtschaft unter verschiedenen Bedingungen sowie über weit verzweigte Netze mit Entwicklungsländern.

Daher sollte die EU im Bereich der Landwirtschaft und der Ernährungssicherung ihre Fähigkeit zu einer Zusammenarbeit mit hoher Wirkung und zur Förderung eines breitenwirksamen und grünen Wachstums erproben, indem sie ihre Anstrengungen darauf konzentriert, dass bei der Gewährung von Unterstützung die gesamte Produktionskette berücksichtigt wird. Dies könnte geschehen, indem die EU-Programme auf die Wertschöpfungskette fokussiert werden oder besser und enger mit den Partnerländern und anderen Gebern zusammengearbeitet wird, um die Anstrengungen zu bündeln. Die Zusammenarbeit könnte sich im Rahmen einer Partnerschaft mit Gebern außerhalb der EU und internationalen Organisationen u. a. auf bedarfsorientierte Forschung und Innovation, Sektorpolitik und Wertschöpfungsketten, regionale Agrar- und Nahrungsmittelmärkte konzentrieren.

Bei diesem umfassenden Ansatz für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sollte auch dem ernährungsphysiologischen Aspekt Rechnung getragen werden. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Unterernährung die Entwicklungsbemühungen behindert und das Wirtschaftswachstum untergräbt, wodurch bis zu 3 % des BIP verloren gehen können. Sie ist bei Kindern die wichtigste Todesursache, und kann bei denjenigen, die überleben, irreparable geistige und körperliche Schäden hinterlassen. Die Bekämpfung der Unterernährung hat "Multiplikatorwirkung" auf die Verwirklichung der MDG.

Schließlich können auch Fischereiprodukte bei der allgemeinen Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit und ihrer Folgen für die Ernährung der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen. Daher haben die EU und die Entwicklungsländer ein gemeinsames Interesse an der Förderung einer nachhaltigen Fischerei, einschließlich wirksamer Beobachtungs-, Kontroll- und Überwachungssysteme und einer nachhaltigen Entwicklung der Aquakultur. Die Rolle partnerschaftlicher Fischereiabkommen und regionaler Fischereiorganisationen ist in dieser Hinsicht von grundlegender Bedeutung.

  1. Wie kann die EU-Entwicklungspolitik am besten zur Förderung der Ernährungssicherheit beitragen und gleichzeitig die Erhaltung der Umweltqualität gewährleisten? Welche Politik und welche Programme bieten für Kleinbetriebe und die Privatwirtschaft im Bereich Landwirtschaft und Fischerei die besten Investitionsanreize?
  2. In welchen strategischen Bereichen, insbesondere in Bezug auf Afrika, sollte sich die EU engagieren? Wie kann die EU ökologische Konzepte für die Landwirtschaft und die nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft und die nachhaltige Fischerei und Aquakultur fördern?
  3. Wie sollte die EU die Bekämpfung der Unterernährung unterstützen?

6. Schlussfolgerungen

Die Kommission ist entschlossen, die Modernisierung der EU-Entwicklungspolitik und ihrer
Ausgabenprogramme fortzusetzen, um einen größeren Mehrwert, ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und wirksame Ergebnisse zu erzielen. Im Anschluss an das Grünbuch und auf der Grundlage der eingegangenen Antworten wird die Kommission eine Mitteilung über eine modernisierte EU-Entwicklungspolitik vorlegen, in der u. a. die Frage behandelt wird, ob der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik überarbeitet werden sollte.