Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Impfung gegen die saisonale Grippe KOM (2009) 353 endg.; Ratsdok. 11970/1/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 16. Juli 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 09. Juli 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 10. Juli 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 243/96 = AE-Nr. 961223 und
Drucksache 667/03 (PDF) = AE-Nr. 032951

Begründung

Einleitung

Die Grippe ist eine hochansteckende Virusinfektion der Atemwege, die meist im Winter epidemieartig auftritt. Sie setzt gewöhnlich spontan mit einem typischen Muster miteinander verbundener Symptome ein, insbesondere mit sehr starken Kopfschmerzen. Es kommen auch milde und asymptomatisch verlaufende Fälle vor; die Genesung von der typischen Infektion dauert in der Regel eine Woche. Viele andere bakterielle oder virale Infektionen der Atemwege verursachen ähnliche Symptome, selten jedoch alle Symptome zusammen.

Ein ausgedehntes Krankheitsbild geht oft mit schwerer oder sogar tödlicher Lungenentzündung einher. Zwar können diese Komplikationen bei jedem Patienten auftreten, doch sind sie bei älteren Menschen oder bei Patienten mit chronischen Vorerkrankungen weitaus häufiger und führen zu hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten. Diese Personenkreise gelten als Risikogruppen (ECDC 20081).

Mit diesem Papier werden zwei miteinander verbundene Ziele verfolgt:

Allgemeine Krankheitslast

Die durch Grippe verursachte Krankheitslast ist vielfältig. Erstens gibt es schwere, tödlich verlaufende Erkrankungen. Zweitens gibt es eine Vielzahl von milde bis gemäßigt verlaufenden Fällen, die häufig zu Fehlzeiten und Produktivitätseinbußen bei Beschäftigten führen. Beides hat starke wirtschaftliche Auswirkungen. Die Krankheitslast schwankt von Jahr zu Jahr, was es schwierig macht, die jährliche Zahl der Todesfälle abzuschätzen. Laut einer Schätzung der auf Grippe zurückgeführten Todesfälle gibt es in Jahren leichterer Grippeerkrankungen etwa acht Todesfälle je 100 000 Einwohner, in Jahren schwererer, aber nicht pandemischer Erkrankungen 44 Todesfälle je 100 000 Einwohner. Eine andere unabhängige Schätzung kam zu ähnlichen Ergebnissen mit etwa 25 Todesfällen je 100 000 Einwohner in den Jahren 1989 und 1998. Rechnet man diese Daten hoch auf eine EU-Bevölkerung von etwa 500 Millionen Menschen im Jahre 2008, so kommt man auf etwa 40 000 Todesfälle in gemäßigten Jahren und 220 000 Todesfälle in einer besonders schweren Grippesaison, die allerdings in der letzten Zeit nicht mehr vorgekommen ist.

Diese nicht bereinigten Zahlen lassen unberücksichtigt, dass Grippeimpfungen von gefährdeten Gruppen in unterschiedlichem Maß in Anspruch genommen werden und dass der Anteil der hochbetagten und anfälligen Menschen in Europa steigt. Während die möglichen Folgen einer Pandemie im Mittelpunkt des Interesses stehen, findet nur wenig Beachtung, dass viel mehr Menschen in den zwischen zwei Pandemien liegenden Jahren an saisonalen Grippeepidemien sterben als an den Pandemien selbst. Von zusätzlicher und wachsender Bedeutung sind ausgedehnte Epidemien, welche eine Überlastung der notfallmedizinischen Versorgung und eine hohe Zahl von Krankenhauseinweisungen verursachen, die zusammen mit grippebedingten Personalengpässen in Krankenhäusern eine funktionierende Gesundheitsversorgung enorm beeinträchtigen.

Schätzungen der mit der Krankheit verbundenen Kosten

Die krankheitsbedingten Kosten werden meist als Summe aller direkten, indirekten und immateriellen Kosten berechnet. Die direkten Kosten entstehen durch den Einsatz medizinischer und nicht medizinischer Ressourcen. Die indirekten Kosten beruhen auf Produktivitätseinbußen und Fehlzeiten am Arbeitsplatz; immaterielle Kosten beziehen sich auf die Beeinträchtigung von Leistung und Lebensqualität.

Die direkten Kosten werden durch chronische Vorerkrankungen und andere Risikofaktoren (z.B. Alter) beeinflusst, die zum Anstieg der Zahl der Krankenhauseinweisungen und zur Verlängerung der Behandlung führen können. Grippe stellt eine beträchtliche volkswirtschaftliche Belastung für die Gesellschaft dar, und zwar nicht nur durch die medizinische Versorgung (Zunahme von Arztbesuchen, Krankenhauseinweisungen, klinischen Komplikationen, Arzneimittelverbrauch), sondern auch durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Es liegen verschiedene Schätzungen der gesamten wirtschaftlichen Auswirkungen einer Grippeepidemie vor. So können die gesamten Auswirkungen einer Grippeepidemie (geschätzte direkte und indirekte Gesamtkosten) in Industrieländern bis zu 56,7 Mio. EUR je Million Einwohner betragen.

In verschiedenen Studien wurden anhand unterschiedlicher Methoden Kostenschätzungen vorgenommen. Nach einem WHO-Bericht betrugen die geschätzten Kosten für die Grippeepidemie von 1996-1997 in Deutschland fast 987,8 Mio. EUR; eine französische Studie nannte mehr als 1 796 Mio. EUR als Gesamtkosten für die Grippe. In den Vereinigten Staaten wurden die jährlichen Gesamtkosten mit etwa 10 000 - 17 000 Mio. EUR angegeben. Rechnet man diese Kosten auf eine Standardbevölkerung von etwa 495 Millionen Einwohner der EU hoch, ergäben sich die Kosten, die in Tabelle 1 dargestellt sind, mit den oben erläuterten Schwankungen.

Tabelle 1: Geschätzte jährliche Kosten von Grippeepidemien (in Mio. EUR)
Land Bevölkerung (in Mio.) Jährliche Kosten (in Mio. EUR) Hochgerechnet auf die EU-Bevölkerung (495 Mio.)
Frankreich 63,4 (2007) 1 796 14 022
Deutschland 82,3 (2007) 988 5 942
USA 303,8 (2008) 10 000 - 17 000 27 699

Gleichwohl lässt sich das genaue Kosten-Nutzen-Verhältnis gezielter Impfungen von Risikogruppen schwer einschätzen.

Das ECDC hat eine allgemeine umfassende Studie vorgelegt, in der es die verschiedenen Elemente der Krankheitslast durch die saisonale Grippe in Europa aufführt und sich dafür ausspricht, Kosten-Nutzen-Analysen bei verschiedenen Risikogruppen unter Berücksichtigung der verschiedenen Gegebenheiten durchzuführen.

Effizienz und Effektivität von Impfungen

Effizienz und Effektivität von Impfungen werden unterschiedlich bewertet, je nach Übereinstimmung zwischen dem Impfstoff und dem im Umlauf befindlichen Virusstamm, der Altersgruppe und der klinischen Kategorie. Im Allgemeinen wirken Grippe-Impfstoffe bei älteren und chronisch kranken Menschen weniger gut. Versuche haben regelmäßig ergeben, dass laborbestätigte Erkrankungen bei 70-90 % gesunder Erwachsener verhindert werden konnten. Trotz des in der Regel harmlosen Verlaufs der Erkrankung ist die Verringerung der Zahl der Krankenhauseinweisungen und der Todesfälle mittels Grippe-Impfung immer noch sehr signifikant: 21-27 % weniger Krankenhauseinweisungen bei älteren Menschen und 12-48 % Verringerung des Sterberisikos.

Während beispielsweise die Wirtschaftlichkeit von Grippe-Impfungen für Personen über 65 Jahre an fast allen Orten gut belegt ist, kann sie je nach demografischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten unterschiedlich sein. So ist die Wirtschaftlichkeit zum Beispiel auch für Personengruppen zwischen 60 und 64 Jahren in den Niederlanden eindeutig nachgewiesen, in anderen Ländern kann dies jedoch anders sein.

Begründung dieses Vorschlags

Gesundheitlicher Nutzen der Grippe-Impfung und Zusammenhang mit der Bereitschaftsplanung für eine Grippepandemie

Die saisonale Grippe verursacht jedes Jahr eine erhebliche Morbidität und Mortalität. Derzeit verfügbare Virostatika sind, wenn überhaupt, von begrenztem Wert bei der Grippe-Prävention oder -Behandlung, da sie rechtzeitig nach Auftreten der ersten klinischen Symptome verabreicht werden müssen. Außerdem bestehen erhebliche Bedenken wegen der Resistenzentwicklung von Grippeviren, so dass Virostatika in der Regel nur begrenzt eingesetzt werden, damit sie ihre Wirksamkeit im Falle einer Pandemie nicht verlieren. Die beste Möglichkeit, die saisonale Grippe abzuschwächen, stellt die Impfung dar. Da das Genom l des Grippevirus häufigen Mutationen und Neuordnungen unterliegt, empfehlen Sachverständigengremien der WHO für jede Saison die drei geeignetsten Antigene, die in die Formulierung für die industrielle Impfstoffherstellung aufgenommen werden sollten. Zwar könnte die von einer einzigen Impfung hervorgerufene Immunreaktion länger anhalten und schützen, doch wegen der Antigenvariationen ist es erforderlich, jedes Jahr neu zu impfen.

Trotz des anerkannten Nutzens der Impfung gegen die saisonale Grippe ist die tatsächliche Durchimpfungsrate gering. In zwanzig Ländern wurde untersucht, wie viele Menschen über 65 Jahre sich gegen Grippe impfen ließen: die Ergebnisse reichen von 1,8 bis 82,1 %. Nur sieben Länder untersuchten die Impfquote von Personen mit Vorerkrankungen und stellten fest, dass diese zwischen 27,6 % und 75,2 % betrug. Den Studien zufolge gibt es verschiedene Gründe für diese niedrige Durchimpfungsrate. Die Erkrankung selbst oder Risikofaktoren (z.B. starkes Rauchen, Asthma) werden nicht immer als schwerwiegend genug betrachtet, um eine Impfung zu rechtfertigen, oder Impfstoffe werden nicht für ausreichend wirksam gehalten (vor allem aufgrund der Verwechslung der Grippe mit anderen "grippeähnlichen" Infekten, an denen auch eine geimpfte Person erkranken kann).

Risikopersonen könnten möglicherweise veranlasst werden, sich impfen zu lassen, wenn die behandelnden Ärzte bzw. das Gesundheitspersonal stärker versuchen würden, sie vom Nutzen der Impfung zu überzeugen. Hingewiesen wurde auch auf den Mangel an Kenntnissen über die Krankheit und allgemein über Impfungen in der allgemeinen Bevölkerung. Ein höheres Engagement der Gesundheitsbehörden und eine bessere Organisation der Impfkampagnen sowie die Kostenerstattung würden sicherlich zu höheren Durchimpfungsraten führen. Andererseits sind Messungen der genauen Durchimpfungsraten bestimmter Risikogruppen problematisch, da der genaue Umfang der Risikogruppe in manchen Mitgliedstaaten schwer festzustellen sein könnte. Aus diesem Grund haben sich die steigenden Durchimpfungsraten bei Risikogruppen als schwer fassbar erwiesen. Jedoch bemüht sich das ECDC derzeit um die Entwicklung eines zuverlässigen Überwachungsinstruments; dabei wurde ein erster Konsens darüber erzielt, wer zu den Risikogruppen gehört (Eurosurveillance, Oktober 20082).

Der Handlungsbedarf der Mitgliedstaaten ist bereits in mehreren Papieren der Weltgesundheitsversammlung, der Kommission und des Europäischen Parlaments deutlich gemacht worden.

Im Jahre 2003 empfahl die Weltgesundheitsversammlung in ihrer Entschließung 56.193, die Grippe-Impfquote aller Risikopersonen zu steigern, um bis 2006 eine Durchimpfungsrate der älteren Bevölkerung von mindestens 50 % und bis 2010 von mindestens 75 % zu erreichen. Da diese Vorgabe immer schwerer zu erreichen scheint, schlagen wir nach Konsultation der WHO vor, 2015 oder den frühestmöglichen Zeitpunkt anzustreben.4

Das Virus der saisonalen Grippe unterscheidet sich zwar von dem einer Grippepandemie, doch hängen die Initiativen in beiden Fällen eng zusammen. Im Falle der Grippepandemie wird eines der Hauptmittel zur Bekämpfung der Pandemie - neben dem Einsatz von Virostatika, Masken und der Durchführung von Maßnahmen zur räumlichen Trennung - darin bestehen, die Bevölkerung mit dem die Pandemie auslösenden Virusstamm zu impfen. Pandemie-Impfstoffe werden in den gleichen Herstellungsbetrieben produziert wie Impfstoffe gegen die saisonale Grippe. Was die Bereitschaftsplanung mit Blick auf eine Grippepandemie betrifft, können wir folgende Initiativen auf EU-Ebene verzeichnen:

Am 22. April 2005 veröffentlichte die Kommission ein Papier mit dem Titel "Towards sufficiency of pandemic influenza vaccines in the EU"5 (Für eine ausreichende Versorgung der EU mit Grippeimpfstoffen). Es enthält Empfehlungen für eine Strategie zur Schaffung der Bedingungen für eine ausreichende Versorgung mit solchen Impfstoffen und umreißt eine öffentlichprivate Partnerschaft, d. h. zwischen öffentlichen Körperschaften und der Impfstoffindustrie. Einer der vorgeschlagenen Beiträge des öffentlichen Sektors besteht in der festen Verpflichtung ("Pull") aller EU-Mitgliedstaaten, die Grippe-Impfung in der Zeit zwischen Pandemien im Einklang mit der Entschließung 56.19 der Weltgesundheitsversammlung zu verstärken. Andererseits hat die Kommission zum wiederholten Male in der überarbeiteten Fassung des am 28. November 2005 angenommenen Bereitschafts- und Reaktionsplans der Europäischen Gemeinschaft mit Blick auf eine Influenzapandemie6 darauf hingewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der Verstärkung der saisonalen Grippe-Impfung, d. h. der Verwendung interpandemischer Impfstoffe, und der aktuellen Impfstoffherstellung zu sehen ist; letztere wird nicht für ausreichend gehalten, um den Bedarf der Gemeinschaft im Falle einer Pandemie ("Push") zu decken.

Am 26. Oktober 2005 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zu der Strategie zur Abwehr einer Grippepandemie7 an, in der es erklärte, dass

Das Europäische Parlament

Darüber hinaus nahm das Europäische Parlament am 14. Juni 2006 eine weitere Entschließung zu der Bereitschafts- und Reaktionsplanung der Europäischen Gemeinschaft mit Blick auf eine Influenzpandemie8 an, in der darauf hingewiesen wurde, dass

Im Falle einer Pandemie würden die 27 EU-Mitgliedstaaten mindestens 495 Mio. Dosen (monovalenter) Pandemie-Impfstoffe benötigen. Die jährliche Produktion von Impfstoffen gegen die saisonale Grippe wird auf 223 Mio. Dosen geschätzt; davon werden 105 Mio. Dosen in der EU vermarktet. Impfstoffe gegen die saisonale Grippe sind allerdings trivalent (d. h. sie enthalten drei verschiedene Virusstämme der saisonalen Grippe). Für die Impfstoffherstellungskapazität bedeutet dies, dass die Kapazität für die Herstellung einer Impfstoff-Dosis gegen die saisonale Grippe derjenigen für die Herstellung von drei Pandemie-Impfstoffdosen entspricht und dass für die Impfung einer Person gegen die saisonale Grippe die gleiche Menge an Impfstoff nötig ist wie für die Impfung von drei Personen gegen die pandemische Grippe. Um die gesamte EU-Bevölkerung zu impfen, müssen wir daher die Herstellung trivalenter Impfstoffe gegen die saisonale Grippe für die EU auf 165 Mio. Dosen aufstocken, was der Menge von 495 Mio. monovalenter Impfstoffdosen gegen die pandemische Grippe entspricht. Diese Aufstockung von 105 Mio. auf 165 Mio. Dosen entspricht einem Anstieg um 57 % (d. h. 60 Mio. Dosen) im Einsatz trivalenter Impfstoffe gegen die saisonale Grippe. Mit dieser Aufstockung hätte die Industrie die Kapazität, ausreichend Pandemie-Impfstoff für die gesamte EU-Bevölkerung herzustellen. Das Ziel einer erhöhten Impfquote von Risikogruppen wird somit der EU helfen, dieses Ziel für Pandemie-Impfstoffe zu erreichen.

Darüber hinaus ist der logistische Aufwand einer raschen Impfung der gesamten EU-Bevölkerung nicht zu unterschätzen: je höher die zu erreichende Impfquote ist, umso höher muss die Kapazität zur Verabreichung der Impfstoffe im Notfall sein. Die Mitgliedstaaten haben bereits Vorkehrungen zur Erhöhung der Kapazität zur Verabreichung von Impfstoffen getroffen, beispielsweise indem Krankenpflegepersonal erlaubt wurde, Grippe-Impfungen zu verabreichen. Dennoch lässt sich diese Kapazitätsaufstockung nicht planen, sondern sie muss schrittweise geprüft werden. Mit der Verdopplung der aktuellen Durchimpfungsrate der Allgemeinbevölkerung gegen Grippe ließe sich tatsächlich eine allgemeine Durchimpfung von 30 % erreichen. Dies bedeutet, dass sich der Arbeitsaufwand für Impfungen in dem vorgesehenen Zeitfenster zwischen der Freigabe des saisonalen Impfstoffs und dem Einsetzen der Erkrankungsfälle in den meisten Fällen verdoppeln würde. Für eine einzelne Arztpraxis würde dies bedeuten, dass die Grippe-Impfung eine ganze Woche in Anspruch nehmen könnte. Bereits jetzt treten Jahr für Jahr logistische Probleme dabei auf, die Impfstoffe zum Ort der Versorgung zu bringen.

Da derzeit die Kapazitäten für die Herstellung und Verabreichung von Impfstoffen nicht ausreichen, wird es schwierig sein, die Durchimpfungsziele zu erreichen; außerdem wird es zu Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten kommen.

Notwendigkeit von Verhaltensänderungen sowie organisatorischer Veränderungen und Forschungsbedarf

Einige Mitgliedstaaten haben bereits durch gute Organisation (Aufklärung, Kostenerstattung, Verabreichung des Impfstoffs) eine hohe Durchimpfungsrate erzielt. Einige andere Mitgliedstaaten sind hiervon jedoch noch weit entfernt, deshalb erhöhen sie ihre Anstrengungen, um die Beschäftigten des Gesundheitswesens und Risikogruppen auf die Notwendigkeit höherer Impfquoten aufmerksam zu machen.

Die Mitgliedstaaten haben ebenso wie die aufeinanderfolgenden Forschungsrahmenprogramme der Kommission erheblich in die Grippe-Forschung investiert und eine Reihe von Projekten zur Impfstoffentwicklung finanziell gefördert. Zwar konzentrierten sich die meisten dieser Projekte auf Pandemie-Impfstoffe, doch sie umfassten auch neue Konzepte, wie intranasale Verabreichung, zellbasierte Verfahren zur Impfstoffherstellung und die Prüfung neuer Adjuvantien, die für saisonale Impfstoffe relevant sind. Dennoch bedarf es verstärkter Sozial- und Verhaltensforschung, epidemiologischer Studien zur Impfstoffwirksamkeit und -effizienz sowie fortlaufender Prüfung der oben genannten biologischen und technologischen Innovationen, um das Ziel eines besseren Schutzes der Bevölkerung zu erreichen. An der Finanzierung sollten sich Impfstoffhersteller und öffentliche Hand beteiligen.

Zusammenarbeit in Europa

Die Gesundheit der EU-Bürger hängt davon ab, dass gemeinsam in abgestimmter Weise gegen die saisonale Grippe vorgegangen wird, eine Krankheit, die in jüngerer Zeit mehrere schwere Pandemien ausgelöst hat. Die "spanische Grippe" von 1918 verursachte beispielsweise mehr Todesfälle als die militärischen Handlungen im 1. Weltkrieg. Aufgrund der umfangreichen Reisebewegungen in der EU könnte sich ein Pandemie-Virus sehr rasch in der Bevölkerung ausbreiten; diese Ausbreitung würde zudem durch die schwache Durchimpfung begünstigt. Die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei den Durchimpfungsraten gegen die saisonale Grippe zeigen, dass ein hohes Potenzial für die Senkung der Krankheitslast bei Risikogruppen in Europa besteht, von dem diejenigen Mitgliedstaaten mit geringerer Durchimpfung am meisten profitieren würden. Zudem käme es dem Wohl der EU insgesamt zugute, wenn die Krankheitsausbreitung verringert würde, was zu erheblichen Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben, aber auch zur Verringerung wirtschaftlicher Verluste führen würde.

Im Falle einer Pandemie wird sich der Zugang zu ausreichenden Dosen von Pandemie-Impfstoffen als schwierig erweisen. Dies wird zu Problemen bei der Auswahl der zu impfenden Bevölkerung führen.

Definition von Risikogruppen

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten hat eine wissenschaftliche Stellungnahme darüber vorgelegt, welche Risikogruppen am meisten von der Impfung profitieren. Aus der Literaturanalyse geht hervor, dass es zwei Risikogruppen gibt, bei denen eine routinemäßige Impfung gegen die saisonale Grippe aus wissenschaftlichen Gründen und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in Europa gerechtfertigt ist:

Aus Berechnungen des ECDC geht hervor, dass durchschnittlich etwa 25 % der EU-Bevölkerung den beiden größten Risikogruppen zuzuordnen sind.

Ferner sollte das ECDC in der Lage sein, den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, Standardverfahren und Überwachungsmethoden zu entwickeln, um eine bessere Vergleichbarkeit der Durchimpfung gegen die saisonale Grippe zu ermöglichen. Das ECDC könnte dazu beitragen, die Durchführung der vorgeschlagenen Empfehlung und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu begleiten.

Zweck dieses Vorschlags

Um die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, eine Durchimpfungsrate von 75 % der Risikogruppen (ältere Menschen über 65 und Menschen mit bestimmten Erkrankungen) zu erzielen, schlägt die Kommission dem Rat hiermit vor, eine Empfehlung zur Impfung gegen die saisonale Grippe anzunehmen. Diese Empfehlung schlägt eine Reihe spezifischer Maßnahmen vor, die von den Mitgliedstaaten durchzuführen wären, um so früh wie möglich, spätestens jedoch im Winter 2014/2015, die Zielvorgabe zu erreichen.

Die Tatsache, dass es keine Herstellungstechnologien (wie zellbasierte Herstellung) gibt, mit denen sich die Produktion leicht steigern ließe, ist ein weiterer Grund für die nicht ausreichende Kapazität bei plötzlich steigender Nachfrage. Forschung zu effizienteren Adjuvantien würde dazu beitragen, mehr Menschen mit geringeren Mengen an Antigenen zu immunisieren. Impfstoffhersteller sollten mehr in die Forschung investieren, um die angestrebte Produktionskapazität zu erreichen.

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Impfung gegen die saisonale Grippe (Text von Bedeutung für den EWR)

Der Rat der Europäischen Union -

Empfiehlt:


Geschehen zu Brüssel, am [...]
Im Namen des Rates
Der Präsident