Der Bayerische Ministerpräsident München, 4. Juni 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung und der Landesregierung Baden-Württemberg wird die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Unterstützung der Landwirte im Bereich Risikomanagement - Stärkung der Risikostrategie für landwirtschaftliche Unternehmen gegen witterungsbedingte Risiken mit dem Antrag übermittelt, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Es wird gebeten, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 978. Sitzung am 7. Juni 2019 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Söder
Entschließung des Bundesrates zur Unterstützung der Landwirte im Bereich Risikomanagement - Stärkung der Risikostrategie für landwirtschaftliche Unternehmen gegen witterungsbedingte Risiken
1. Der Bundesrat stellt mit Sorge fest, dass die Landwirtschaft durch den Klimawandel immer stärker dem Risiko von Wetterextremen ausgesetzt ist. Starkregen, Überschwemmungen, Spätfröste, Trockenheit und Dürre der letzten Jahren verursachten mit unterschiedlicher regionaler bzw. lokaler Betroffenheit immer häufiger witterungsbedingte Schäden in existenzbedrohendem Ausmaß für die Betriebe.
2. Der Bundesrat betont, dass in erster Linie die landwirtschaftlichen Betriebe selbst für eine adäquate Risikovorsorge verantwortlich und gefordert sind, für ihren Betrieb ein individuelles und angepasstes Risikomanagement zu entwickeln und umzusetzen. In Anbetracht der zunehmenden Witterungsrisiken wird es für die Landwirte jedoch immer schwieriger, eine ausreichende Absicherung zu betriebswirtschaftlich darstellbaren Konditionen zu erreichen. Die in den zurückliegenden Jahren in großem Umfang durchgeführten staatlichen Adhoc-Hilfen stoßen zunehmend an Grenzen. Deshalb ist es an der Zeit, die Adhoc-Hilfen durch ein langfristig angelegtes Risikomanagementsystem zu ersetzen.
3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, betriebliche Maßnahmen im Risikomanagement zu unterstützen. Dazu gehören
- − Prävention durch agrotechnische Maßnahmen,
- − Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe bei der Risikoabsicherung über (Mehrgefahren)Versicherungen gegen witterungsbedingte Risiken und Schaffung der bundesrechtlichen Voraussetzungen zur finanziellen Unterstützung einer Mehrgefahrenversicherung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) sowie die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln durch den Bund,
- − die Prüfung einer steuerlich begünstigten fonds- und zweckgebundenen Ernteausfall- und Klimagefahrenrücklage für Betriebe mit nachweisbarer betrieblicher Risikovorsorge unabhängig von der steuerlichen Gewinnermittlungsart und
- − die Absenkung des Versicherungssteuersatzes für das Risiko Trockenheit.
4. Im Hinblick auf die Maßnahmen des Risikomanagements sind nach Auffassung des Bundesrats die folgenden Rahmenbedingungen zu beachten:
a. Prävention durch agrotechnische Maßnahmen
Hierbei geht es darum, die landwirtschaftlichen Unternehmen dabei zu unterstützen, sich durch eine an die Klimaentwicklung angepasste Weiterentwicklung der Betriebsorganisation sowie technische Maßnahmen an die veränderte Risikosituation anzupassen und Schäden - wo möglich - zu verhindern. Hier sind beispielsweise Investitionen in Hagelschutznetze und in (gemeinschaftliche) Einrichtungen der Bewässerungsinfrastruktur gegen Frost- und Trockenheitsschäden zu nennen.
b. Risikoabsicherung über (Mehrgefahren)Versicherungen gegen witterungsbedingte Risiken
In Deutschland bestehen für eine Reihe von Witterungsrisiken und für einzelne Kulturen bisher keine oder keine in nennenswertem Umfang nachgefragten Versicherungsangebote am Markt, da die Versicherungsprämien teilweise sehr hoch und für die landwirtschaftlichen Unternehmen kaum tragbar sind. Deshalb ist es erforderlich, die landwirtschaftlichen Betriebe beim Abschluss von (Mehrgefahren)Versicherungen gegen witterungsbedingte Risiken zu unterstützen. Solche Versicherungen sind für unvorhersehbare Ereignisse mit existenzgefährdendem Schadenspotenzial, denen nicht oder nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vorgebeugt werden kann, erforderlich. Risiken wie beispielsweise in bestimmten Lagen regelmäßig und mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretende witterungsbedingte Probleme sind dagegen zu vertretbaren Konditionen nicht versicherbar. Hier muss Vorsorge auf einzelbetrieblicher Basis durch Prävention in technischer und finanzieller Hinsicht oder durch Umstellung auf eine standortangepasste Produktion getroffen werden.
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, einen Prämienzuschuss zu Versicherungen insbesondere für Sektoren und Risiken vorzusehen, in denen noch kein für die Betriebe wirtschaftlich tragbares Versicherungsangebot am Markt ist. Dabei sollten sich die Prämienzuschüsse auf den zur Absicherung existenzgefährdender Risiken notwendigen Versicherungsumfang beschränken. Deshalb sollte ein angemessener Selbstbehalt vorgesehen werden.
c. Prüfung einer steuerlich begünstigten Ernteausfall- und Klimagefahrenrücklage für Betriebe mit nachweisbarer betrieblicher Risikovorsorge
Bei der Bildung zweckgebundener Rücklagen zur Absicherung witterungsbedingter Risiken sollten die landwirtschaftlichen Unternehmen nach Auffassung des Bundesrates durch steuerliche Anreize unterstützt werden. Eine solche Ernteausfall- und Klimagefahrenrücklage sollte in den Ansparjahren das Einkommen steuerlich mindern. Die Versteuerung würde erst nachgelagert bei der Auflösung der Rücklage stattfinden. Der Bundesrat erinnert insoweit an seine Entschließung zur Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage vom 21.09.2018 (BR-Drs. 438/18 (PDF) [B]). Eine Ernteausfall- und Klimagefahrenrücklage muss so ausgestaltet sein, dass sie fonds- und zweckgebunden ist und allen landwirtschaftlichen Betrieben unabhängig von der Gewinnermittlungsart zur Verfügung steht.
d. Absenkung des Versicherungssteuersatzes für das Risiko Trockenheit
Während für die Schadrisiken Hagel, Sturm, Starkregen und Überschwemmungen ein ermäßigter Steuersatz von 0,03 % der Versicherungssumme angewendet wird, gilt für das Risiko Dürre (Trockenheit) ein Steuersatz von 19 % der Versicherungsprämie. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, für das Risiko Dürre ebenfalls den ermäßigten Steuersatz von 0,03 % der Versicherungssumme anzuwenden, da dies zu einer Kostenentlastung führt und die Einführung von Dürreversicherungen unterstützt.
Begründung:
Die Wetterrisiken sind in der Land- und Forstwirtschaft eine zunehmende Herausforderung für das betriebliche Risikomanagement. Neben den betrieblichen Maßnahmen wie Anbau- und Unternehmensdiversifizierung bieten die Direktzahlungen der 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ebenfalls ein wichtiges, aber nicht ausreichendes Sicherheitsnetz.
Die Erfahrungen aus anderen Ländern wie Österreichzeigen, dass eine breite Absicherung von flächenhaften Risiken nur dann zu erreichen ist, wenn Versicherungsprämien bezahlbar bleiben. Um risikogerechte Prämiensätze für Mehrgefahrenversicherungen auf dem Markt anbieten zu können, muss eine ausreichende Marktdurchdringung gewährleistet sein. In anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird eine erhöhte Nachfrage nach Mehrgefahrenversicherungen durch staatliche Förderung der Versicherungsbeiträge erreicht. So gibt es in Österreich bereits seit langer Zeit staatlich unterstützte (Mehrgefahren)Versicherungen. Die Absicherung von Ackerkulturen, Grünland, Obst- und Weinbau sowie Gartenbau wird dort von Bund und Ländern, die aktuell jeweils einen Prämienzuschuss in Höhe von 27,5 Prozent (bis 2018 25 Prozent) leisten, gemeinsam gefördert. Dieses Versicherungsmodell zeichnet sich durch eine umfassende Produktpalette und eine hohe Durchversicherung aus, so dass der Staat keine Adhoc-Zahlungen nach Schadensfällen leisten muss. Die Einführung eines Prämienzuschusses sollte auch in Deutschland erwogen werden, um bisher nicht am Markt angebotene Versicherungen oder nicht erschwingliche Versicherungsangebote für die landwirtschaftlichen Unternehmen attraktiver zu machen. Ein derartiges Versicherungsmodell mit staatlicher Unterstützung kann dazu beitragen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe sich künftig eigenverantwortlich besser gegen Ertrags- und Witterungsrisiken absichern können. Selbstverständlich bleibt es jedem Betrieb unbenommen, sich darüber hinaus durch eine Zusatzversicherung abzusichern. Außerdem sollte ein Prämienzuschuss nur zu solchen Versicherungen gewährt werden, bei denen etwa durch Rückgriff auf Wetterdaten sichergestellt ist, dass ein Witterungsereignis die Schadensursache ist.
In diesem Zusammenhang setzt sich der Bundesrat dafür ein, dass tragfähige und nachhaltige Finanzierungskonzepte für entsprechende Maßnahmen zur Unterstützung und zum Ausbau der Risikovorsorge aufgrund ihrer nationalen Bedeutung und des finanziellen Volumens auch in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) für die vom Bund gemeinsam mit den Ländern finanzierten Maßnahmen verankert werden.
Eine steuerlich begünstigte Ernteausfall- und Klimagefahrenrücklage für Betriebe mit nachweisbarer betrieblicher Risikovorsorge soll den Betrieben in Notlagen die Liquidität sichern. Vor diesem Hintergrund, dass der "Notgroschen" liquide vorgehalten werden soll, müsste die Rücklage nach dem Vorbild des § 3 Forstschäden-Ausgleichsgesetz ausgestaltet werden. Um einen Anreiz zum Abschluss von Mehrgefahrenversicherungen zu schaffen, sollten Betriebe nur dann in den Genuss der steuerlichen Förderung gelangen, wenn sie sich versichern oder nicht versicherbare betriebliche Risiken vorliegen, d.h. eine Versicherungsgesellschaft die Übernahme einer Versicherung gegenüber dem Landwirt abgelehnt hat ("keine Rücklage ohne Versicherung"). Bei versicherbaren Risiken wird davon ausgegangen, dass die Rücklage die bei der Mehrgefahrenversicherung vereinbarte Selbstbeteiligung für mehrere Jahre abdeckt. Bei einer Selbstbeteiligung von z.B. 30 % könnte die Rücklage beispielsweise drei Jahre abdecken, also auf maximal 90 % eines durchschnittlichen Jahresertrags der letzten drei Jahre begrenzt werden. Bei nicht versicherbaren Risiken sollte sie mindestens einen durchschnittlichen Jahresertrag abdecken. Die erstmalige Bildung, laufende Bestandsveränderungen und die Auflösung der Rücklage müssen ebenfalls entsprechend § 3 Forstschäden-Ausgleichsgesetz ausgestaltet werden.