Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 08. Juli 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Hinweis: vgl.
Drucksache 191/09 (PDF) = AE-Nr. 090073
Auf Verlangen des Bundesratsbeauftragten (Bayern) in der Expertengruppe des Rates "Strafrechtliche Zusammenarbeit" (Justiz) vom 13. Juli 2009 erscheint die Vorlage als Drucksache des Bundesrates.
Entwurf eines Rahmenbeschlusses 2009/.../JI des Rates vom ... über die Übertragung von Strafverfahren
Der Rat der Europäischen Union -
- gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b,
- auf Initiative ...,
- nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1,
- in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Die Europäische Union hat sich den Erhalt und die Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt.
- (2) Im Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union1 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, im Hinblick auf eine effizientere Strafverfolgung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer adäquaten Rechtspflege Möglichkeiten der Konzentration der Strafverfolgung in grenzüberschreitenden multilateralen Fällen in einem Mitgliedstaat in Betracht zu ziehen.
- (3) Eurojust ist mit dem Ziel errichtet worden, die Koordinierung der in den Mitgliedstaaten laufenden Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu fördern und zu verbessern.
- (4) Der Rahmenbeschluss des Rates zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren2 zielt darauf ab, die nachteiligen Folgen zu vermeiden, die sich ergeben können, wenn mehrere Mitgliedstaaten gegen dieselbe Person parallele Strafverfahren (Verfahren) wegen derselben Tat führen. Der genannte Rahmenbeschluss legt ein Verfahren für den Informationsaustausch und für direkte Konsultationen fest, mit dem Verstöße gegen den Grundsatz "ne bis in idem" vermieden werden sollen.
- (5) Um die Ermittlungen und die Strafverfolgung effizienter zu gestalten, ist es erforderlich, die justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten weiter auszubauen. Gemeinsame Regeln für die Mitgliedstaaten über die Übertragung von Verfahren sind wesentlich, um gegen die grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen. Solche gemeinsamen Regeln tragen dazu bei, Verstöße gegen den Grundsatz "ne bis in idem" zu vermeiden, und unterstützen die Arbeit von Eurojust. Außerdem sollte es in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Übertragung von Verfahren zwischen Mitgliedstaaten geben.
- (6) Dreizehn Mitgliedstaaten haben das Europäische Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung vom 15. Mai 1972 ratifiziert und wenden es an. Die anderen Mitgliedstaaten haben dieses Übereinkommen nicht ratifiziert. Damit sie die Einleitung von Verfahren in anderen Mitgliedstaaten veranlassen können, haben einige von ihnen sich auf den Mechanismus des Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 in Verbindung mit dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union1 vom 29. Mai 2000 gestützt. Andere wiederum haben bilaterale Abkommen oder eine informelle Zusammenarbeit genutzt.
- (7) Im Jahr 1990 ist ein Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften unterzeichnet worden. Das Übereinkommen ist jedoch aufgrund fehlender Ratifizierungen nicht in Kraft getreten.
- (8) Für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Übertragung von Verfahren gilt daher kein einheitliches Verfahren.
- (9) Mit diesem Rahmenbeschluss sollte ein gemeinsamer Rechtsrahmen für die Übertragung von Strafverfahren zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen werden. Die in dem Rahmenbeschluss vorgesehenen Maßnahmen sollten darauf abzielen, die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durch ein Instrument auszuweiten, mit dem Strafverfahren effizienter gestaltet werden und die geordnete Rechtspflege verbessert wird, indem gemeinsame Regeln für die Bedingungen aufgestellt werden, unter denen in einem Mitgliedstaat angestrengte Strafverfahren auf einen anderen Mitgliedstaat übertragen werden können.
- (10) Die Mitgliedstaaten sollten die zuständigen Behörden so benennen, dass der Grundsatz direkter Kontakte zwischen diesen Behörden gefördert wird.
- (11) Für die Zwecke der Anwendung dieses Rahmenbeschlusses könnte ein Mitgliedstaat entsprechende Zuständigkeit erlangen, sofern ihm diese Zuständigkeit von einem anderen Mitgliedstaat übertragen wird.
- (12) Es wurden mehrere Rahmenbeschlüsse über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen angenommen, damit Urteile in anderen Mitgliedstaaten vollstreckt werden können, insbesondere der Rahmenbeschluss 2005/214/JI vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen1, der Rahmenbeschluss 2008/909/JI vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen2, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union und der Rahmenbeschluss 2008/947/JI vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen3. Der vorliegende Rahmenbeschluss sollte die Bestimmungen dieser Rahmenbeschlüsse ergänzen und sollte nicht dahingehend ausgelegt werden, dass deren Anwendung dadurch ausgeschlossen wird.
- (13) Die berechtigten Interessen von Beschuldigten und Opfern sollten bei der Anwendung dieses Rahmenbeschlusses berücksichtigt werden. Dieser Rahmenbeschluss sollte nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er die Befugnis der zuständigen Justizbehörden umgeht, zu bestimmen, ob das Verfahren übertragen werden soll.
- (14) Die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses sollten nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie die Rechte von Einzelpersonen berühren, geltend zu machen, dass die Verfolgung durch die Gerichte ihres eigenen oder eines anderen Staates erfolgen sollte, falls solche Rechte nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bestehen.
- (15) Die zuständigen Behörden sollten aufgefordert werden, einander zu konsultieren, bevor ein Ersuchen um Übertragung des Verfahrens ergeht und immer wenn dies zur Erleichterung einer reibungslosen und effizienten Anwendung dieses Rahmenbeschlusses für zweckmäßig erachtet wird.
- (16) Ist das Verfahren gemäß diesem Rahmenbeschluss übertragen worden, so sollte die empfangende Behörde ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren anwenden.
- (17) Dieser Rahmenbeschluss bildet keine Rechtsgrundlage für die Festnahme von Personen im Hinblick auf ihre physische Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat, damit dieser andere Mitgliedstaat diese Personen verfolgen kann.
- (18) Dieser Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere in deren Kapitel VI, zum Ausdruck kommen. Die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses sollten nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie es untersagen, eine Zusammenarbeit abzulehnen, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verfahren zum Zwecke der Bestrafung einer Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache, politischen Überzeugung oder sexuellen Ausrichtung eingeleitet wurden oder dass die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt werden kann -
Hat folgenden Rahmenbeschluss angenommen:
Kapitel 1
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1
Ziel und Geltungsbereich
- Mit diesem Rahmenbeschluss sollen die Strafverfahren effizienter gestaltet und die geordnete Rechtspflege im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verbessert werden, indem gemeinsame Regeln aufgestellt werden, die die Übertragung von Strafverfahren zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen von Beschuldigten und Opfern erleichtern.
Artikel 2
Grundrechte
- Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze .
Artikel 3
Begriffsbestimmungen
- Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
- a) "strafbare Handlung" eine nach innerstaatlichem Strafrecht strafbare Handlung;
- b) "übertragende Behörde" eine für die Stellung von Ersuchen um Übertragung des Verfahrens zuständige Behörde;
- c) "empfangende Behörde" eine für die Entgegennahme von Ersuchen um Übertragung des Verfahrens zuständige Behörde.
Artikel 4
Benennung der zuständigen Behörden
- (1) Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretariat des Rates mit, welche Justizbehörden nach seinem innerstaatlichen Recht dafür zuständig sind, gemäß diesem Rahmenbeschluss als übertragende bzw. empfangende Behörde (zuständige Behörden) aufzutreten.
- (2) Die Mitgliedstaaten können bei der Festlegung der für Entscheidungen nach diesem Rahmenbeschluss zuständigen Behörden auch Stellen benennen, die keine Justizbehörden sind, sofern diese nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren für vergleichbare Entscheidungen zuständig sind.
- (3) Jeder Mitgliedstaat kann, wenn sich dies aufgrund der Organisation seines internen Systems als erforderlich erweist, eine oder mehrere zentrale Behörden benennen, die die zuständigen Behörden bei der administrativen Übermittlung und Entgegennahme der Ersuchen unterstützen. Er setzt das Generalsekretariat des Rates davon in Kenntnis.
- (4) Das Generalsekretariat des Rates macht die erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und der Kommission zugänglich.Artikel 5 Zuständigkeit
- (1) Für die Anwendung dieses Rahmenbeschlusses ist jeder Mitgliedstaat befugt, eine strafbare Handlung, auf die das Recht eines anderen Mitgliedstaats Anwendung findet, nach innerstaatlichem Recht zu verfolgen.
- (2) Die einem Mitgliedstaat ausschließlich nach Absatz 1 eingeräumte Befugnis kann nur aufgrund eines Ersuchens um Übertragung des Verfahrens ausgeübt werden.
Artikel 6
Verzicht auf das Verfahren
- Jeder Mitgliedstaat, der nach innerstaatlichem Recht für die Verfolgung einer strafbaren Handlung zuständig ist, kann für die Anwendung dieses Rahmenbeschlusses auf die Einleitung eines Verfahrens gegen einen Beschuldigten verzichten oder es einstellen, damit die Übertragung des Verfahrens in Bezug auf diese strafbare Handlung an einen anderen Mitgliedstaat ermöglicht wird.
Kapitel 2
Übertragung des Verfahrens
Artikel 7
Kriterien für Ersuchen um Übertragung des Verfahrens
- Ist eine Person beschuldigt, nach dem Recht eines Mitgliedstaats eine strafbare Handlung begangen zu haben, so kann die übertragende Behörde dieses Mitgliedstaats die empfangende Behörde eines anderen Mitgliedstaats ersuchen, das Verfahren zu übernehmen, wenn dies eine effiziente und geordnete Rechtspflege verbessern würde und wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- a) die strafbare Handlung ist ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaats begangen worden oder die meisten Folgen oder ein wesentlicher Teil des durch die strafbare Handlung verursachten Schadens sind bzw. ist im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaats entstanden;
- b) der Beschuldigte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem anderen Mitgliedstaat;
- c) wesentliche Teile der wichtigsten Beweismittel befinden sich in dem anderen Mitgliedstaat;
- d) in dem anderen Mitgliedstaat ist ein Verfahren gegen den Beschuldigten anhängig;
- e) in dem anderen Mitgliedstaat ist ein Verfahren wegen derselben Tat oder damit zusammenhängender Taten, an denen andere Personen beteiligt sind, insbesondere in Bezug auf dieselbe kriminelle Vereinigung, anhängig;
- f) der Beschuldigte verbüßt eine freiheitsentziehende Maßnahme in dem anderen Mitgliedstaat oder hat diese zu verbüßen;
- g) die Vollstreckung des Urteils in dem anderen Mitgliedstaat verbessert voraussichtlich die Aussichten auf eine Resozialisierung des Verurteilten oder es bestehen sonstige Gründe, aus denen die Vollstreckung des Urteils in dem anderen Mitgliedstaat sich als zweckmäßig erweist; oder
- h) das Opfer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem anderen Mitgliedstaat oder es hat ein sonstiges erhebliches Interesse daran, dass das Verfahren übertragen wird.
Artikel 8
Unterrichtung des Beschuldigten
- Bevor ein Ersuchen um Übertragung gestellt wird, unterrichtet die übertragende Behörde gegebenenfalls den Beschuldigten nach innerstaatlichem Recht über die strafbare Handlung und die beabsichtigte Übertragung. Nimmt der Beschuldigte zu der Übertragung Stellung, so setzt die übertragende Behörde die empfangende Behörde davon in Kenntnis.
Artikel 9
Rechte des Opfers
- Bevor ein Ersuchen um Übertragung gestellt worden ist, trägt die übertragende Behörde den Interessen des Opfers der Straftat gebührend Rechnung und sorgt dafür, dass dessen Rechte nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts umfassend gewahrt werden. Dies gilt insbesondere auch für das Recht des Opfers, über die beabsichtigte Übertragung informiert zu werden.
Artikel 10
Verfahren zur Stellung des Ersuchens um Übertragung des Verfahrens
- (1) Bevor die übertragende Behörde ein Ersuchen um Übertragung des Verfahrens nach Artikel 7 stellt, kann sie die empfangende Behörde informieren oder diese konsultieren, insbesondere in Bezug darauf, ob diese voraussichtlich einen der Ablehnungsgründe nach Artikel 12 geltend machen wird.
- (2) Zur Konsultation der empfangenden Behörde nach Absatz 1, stellt die übertragende Behörde dieser zunächst Informationen über das betreffende Verfahren zur Verfügung; diese Informationen können schriftlich unter Verwendung des im Anhang wiedergegebenen einheitlichen Formblatts übermittelt werden.
- (3) Das in Absatz 2 genannte Formblatt wird von der übertragenden Behörde unmittelbar an die empfangende Behörde in einer Form übermittelt, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der empfangenden Behörde die Feststellung der Echtheit gestatten. Sämtliche weiteren offiziellen Mitteilungen erfolgen ebenfalls unmittelbar zwischen diesen Behörden.
- (4) Dem Ersuchen um Übertragung werden die Strafakten oder zweckdienliche Auszüge daraus in Urschrift oder beglaubigter Abschrift, alle sonstigen zweckdienlichen Schriftstücke sowie eine Abschrift der einschlägigen Rechtsvorschriften oder, wenn dies nicht möglich ist, eine Erklärung über das anwendbare Recht beigefügt. Ist keine Konsultation gemäß dem Verfahren nach Absatz erfolgt, so wird das Ersuchen um Übertragung schriftlich unter Verwendung des im Anhang wiedergegebenen Formblatts und gemäß dem Verfahren nach Absatz 3 gestellt.
- (5) Die übertragende Behörde unterrichtet die empfangende Behörde über alle das Verfahren betreffenden Verfahrenshandlungen oder Maßnahmen, die nach Übermittlung des Ersuchens im Mitgliedstaat der übertragenden Behörde vorgenommen worden sind. Dieser Mitteilung sind alle zweckdienlichen Schriftstücke beizufügen.
- (6) Die übertragende Behörde kann ihr Ersuchen um Übertragung jederzeit zurückziehen, bevor die empfangende Behörde sie gemäß Artikel 13 Absatz 1 über ihre Entscheidung unterrichtet hat, das Ersuchen anzunehmen.
- (7) Ist die empfangende Behörde der übertragenden Behörde nicht bekannt, so zieht die übertragende Behörde alle notwendigen Erkundigungen ein, darunter auch bei den Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes, um die Kontaktdaten der empfangenden Behörde in Erfahrung zu bringen.
- (8) Geht ein Ersuchen bei einer Behörde ein, die nicht die zuständige Behörde nach Artikel 4 ist, so leitet diese das Ersuchen von Amts wegen an die zuständige Behörde weiter und setzt die übertragende Behörde umgehend davon in Kenntnis.
Artikel 11
Beiderseitige Strafbarkeit
- Einem Ersuchen um Übertragung des Verfahrens kann nur entsprochen werden, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde eine strafbare Handlung darstellt.
Artikel 12
Ablehnungsgründe
- (1) Die empfangende Behörde eines Mitgliedstaats kann die Übertragung nur in folgenden Fällen ablehnen:
- a) die Tat stellt nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats keine strafbare Handlung gemäß Artikel 11 dar;
- b) die Einleitung eines Verfahrens würde dem Grundsatz "ne bis in idem" zuwiderlaufen;
- c) der Beschuldigte kann aufgrund seines Alters für die Tat nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden;
- d) nach dem Recht dieses Mitgliedstaats bestehen Immunitäten oder Vorrechte, die ein Tätigwerden unmöglich machen;
- e) die Strafverfolgung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaates wegen Verjährung nicht möglich;
- f) die strafbare Handlung war nach dem Recht jenes Mitgliedstaats Gegenstand einer Amnestie;
- g) die Kriterien nach Artikel 7 Buchstaben a bis h, auf die sich das Ersuchen stützt, werden als nicht erfüllt angesehen.
- (2) Gründet sich die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der das Ersuchen entgegengenommen hat, ausschließlich auf Artikel 5, so kann die empfangende Behörde, zusätzlich zu den Ablehnungsgründen nach Absatz 1, die Übertragung auch ablehnen, wenn sie der Ansicht ist, dass diese die effiziente und geordnete Rechtspflege nicht verbessern würde.
- (3) Bevor die empfangende Behörde in den Fällen des Absatzes 1 Buchstabe g beschließt, die Übertragung abzulehnen, konsultiert sie auf geeignete Art und Weise die übertragende Behörde und ersucht diese gegebenenfalls um die unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen zusätzlichen Angaben.
Artikel 13
Entscheidung der empfangenden Behörde
- (1) Nach Eingang eines Ersuchens um Übertragung des Verfahrens befindet die empfangende Behörde unverzüglich über die Annahme des Ersuchens und ergreift, sofern sie sich nicht dafür entschieden hat, einen der Ablehnungsgründe nach Artikel 12 geltend zu machen, alle erforderlichen Maßnahmen, um dem Ersuchen gemäß innerstaatlichem Recht zu entsprechen.
- (2) Die empfangende Behörde unterrichtet die übertragende Behörde unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, über ihre Entscheidung. Entscheidet die empfangende Behörde, die Übertragung abzulehnen, so teilt sie dies der übertragenden Behörde unter Angabe der Gründe mit.
Artikel 14
Konsultationen zwischen übertragenden und empfangenden Behörden
- Die übertragenden und empfangenden Behörden können einander jederzeit konsultieren, um die reibungslose und effiziente Anwendung dieses Rahmenbeschlusses zu erleichtern.
Artikel 15
Zusammenarbeit mit Eurojust und dem Europäischen Justiziellen Netz
- Jede zuständige Behörde kann in jeder Verfahrensphase die Unterstützung von Eurojust oder des Europäischen Justiziellen Netzes anfordern.
Kapitel 3
Wirkungen der übertragung
Artikel 16
Wirkungen im Mitgliedstaat, der übertragenden Behörde
- (1) Spätestens bei Eingang der Mitteilung der empfangenden Behörde, dass diese die Übertragung des Verfahrens annimmt, setzt der Mitgliedstaat der übertragenden Behörde nach innerstaatlichem Recht das Verfahren wegen der Tathandlungen, die dem Übertragungsersuchen zugrunde liegen, aus bzw. stellt es ein; dies gilt nicht in Bezug auf etwaige notwendige Ermittlungen, einschließlich Rechtshilfe für die empfangende Behörde.
- (2) Die übertragende Behörde kann ein Verfahren einleiten oder wieder aufnehmen, wenn die empfangende Behörde sie über ihre Entscheidung unterrichtet, das Verfahren wegen der Tathandlungen, die dem Ersuchen zugrunde liegen, einzustellen.
- (3) Die übertragende Behörde darf ein Verfahren nicht einleiten bzw. wiederaufnehmen, wenn sie von der empfangenden Behörde darüber unterrichtet worden ist, dass beim Abschluss des Verfahrens im Mitgliedstaat der übertragenden Behörde eine Entscheidung ergangen ist und diese nach dem Recht dieses Mitgliedstaats ein Hindernis für weitere Verfahren begründet.
- (4) Dieser Rahmenbeschluss lässt das Recht der Opfer unberührt, ein Strafverfahren gegen den Täter anzustrengen, wenn dies nach innerstaatlichem Recht möglich ist.
Artikel 17
Wirkungen im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde
- (1) Nach der Übertragung richtet sich das Verfahren nach dem Recht des Mitgliedstaats, dem es übertragen wurde.
- (2) Sofern dies mit dem Recht des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde vereinbar ist, hat jede Verfahrens- oder Ermittlungsmaßnahme, die im Mitgliedstaat der übertragenden Behörde vorgenommen wird, oder jede die Verjährung unterbrechende oder hemmende Maßnahme die gleiche Wirkung in dem anderen Mitgliedstaat, als wäre sie in diesem Mitgliedsaat oder von dessen Behörden rechtsgültig vorgenommen worden.
- (3) Hat die empfangende Behörde entschieden, die Übertragung des Verfahrens anzunehmen, so kann sie alle nach innerstaatlichem Recht zulässigen Verfahrensmaßnahmen treffen.
- (4) Ist das Verfahren in beiden Mitgliedstaaten von einem Strafantrag abhängig, so ist der im Mitgliedstaat der übertragenden Behörde gestellte Strafantrag auch in dem anderen Mitgliedstaat wirksam.
- (5) Sieht nur das Recht des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde vor, dass ein Strafantrag zu stellen oder ein anderes Mittel zur Einleitung des Verfahrens anzuwenden ist, so gelten für diese Förmlichkeiten die Fristen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Die anderen Mitgliedstaaten werden davon in Kenntnis gesetzt. Die Frist läuft ab dem Tag, an dem die empfangende Behörde entscheidet, die Übertragung des Verfahrens anzunehmen.
- (7) Im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde wird die nach seinem Recht vorgesehene Sanktion auf die strafbare Handlung angewendet, sofern dieses Recht nicht etwas anderes bestimmt. Beruht die Zuständigkeit ausschließlich auf Artikel 5, so darf die in diesem Mitgliedstaat verhängte Sanktion nicht strenger sein als jene, die im Recht des anderen Mitgliedstaats vorgesehen ist.
Kapitel 4
Schlussbestimmungen
Artikel 18
Unterrichtung durch die empfangende Behörde
- Die empfangende Behörde unterrichtet die übertragende Behörde über die Einstellung des Verfahrens bzw. über jede Entscheidung, die zum Abschluss des Verfahrens ergangen ist, wobei sie auch angibt, ob diese Entscheidung ein Hindernis für weitere Verfahren nach dem Recht des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde begründet, und übermittelt ihr sonstige zweckdienliche Information. Sie leitet ihr auch eine Abschrift der schriftlichen Entscheidung zu.
Artikel 19
Sprachen
- (1) Das Formblatt im Anhang sowie die zweckdienlichen Auszüge aus den Strafakten werden in die Amtssprache oder eine der Amtssprache des Mitgliedstaats, an den sie übermittelt werden, übersetzt.
- (2) Jeder Mitgliedstaat kann zum Zeitpunkt der Annahme dieses Rahmenbeschlusses oder später in einer beim Generalsekretariat des Rates hinterlegten Erklärung angeben, dass er eine Übersetzung in eine oder mehrere andere Amtssprachen der Organe der Europäischen Union akzeptiert. Das Generalsekretariat macht die erhaltenen Angaben den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission zugänglich.
Artikel 20
Kosten
- Die Kosten, die bei der Anwendung dieses Rahmenbeschlusses entstehen, werden vom dem Mitgliedstaat der empfangenden Behörde getragen, ausgenommen solche, die ausschließlich im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaats entstehen.
Artikel 21
Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen
- (1) In den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten, die durch das Europäische Übereinkommen vom 12. Mai 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung gebunden sind, treten die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses ab dem in Artikel 22 Absatz 1 genannten Zeitpunkt an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des genannten Übereinkommens.
- (2) Es steht den Mitgliedstaaten frei, die geltenden bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte oder Vereinbarungen auch weiterhin anzuwenden, sofern diese die Möglichkeit bieten, über die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen, und zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Übertragung des Verfahrens beitragen.
- (3) Es steht den Mitgliedstaaten frei, nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen zu schließen, sofern diese die Möglichkeit bieten, über die Vorschriften dieses Beschlusses hinauszugehen, und zu einer Vereinfachung oder Erleichterung der Übertragung von Verfahren beitragen.
- (4) Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission bis zum [...] über die Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 2, die sie weiterhin anwenden wollen. Die Mitgliedstaaten unterrichten den Rat und die Kommission auch über alle neuen Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3 binnen drei Monaten nach deren Unterzeichnung.
Artikel 22
Umsetzung
- (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis zum [...] nachzukommen.
- (2) Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr nationales Recht umgesetzt haben.
Artikel 23
Inkrafttreten
- Dieser Rahmenbeschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Geschehen zu
Im Namen des Rates
Der Präsident
Anhang
Formblatt für die Übertragung der Strafverfahren
(gemäß Artikel 10 des Rahmenbeschlusses 2009/.../JI)
Dieses Formblatt dient
zu Informations- und Konsultationszwecken im Hinblick auf eine mögliche Übertragung des Verfahrens
als Ersuchen um Übertragung des Verfahrens
Mitgliedstaat der übertragenden Behörde:
Mitgliedstaat der empfangenden Behörde:
Bezeichnung:
Anschrift:
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n):
Name:
Funktion (Titel/Dienstgrad):
Aktenzeichen:
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
E-mail (sofern vorhanden):
Bezeichnung:
Anschrift:
Eine Konsultation ist nicht erfolgt.
Name:
Funktion (Titel/Dienstgrad):
Aktenzeichen (sofern bekannt):
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl)
E-mail (sofern vorhanden):
Name:
Staatsangehörigkeit:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Kennnummer oder Sozialversicherungsnummer (sofern vorhanden):
Anschrift:
Sprache oder Sprachen, die die betreffende Person versteht (sofern bekannt):
Der Beschuldigte wurde über die beabsichtigte Übertragung unterrichtet.
Der Beschuldigte hat zu der beabsichtigten Übertragung Stellung genommen. Stellungnahme des Beschuldigten:
Die Strafakte oder eine beglaubigte Abschrift davon liegt bei.
Die wesentlichen Teile der Strafakte oder eine beglaubigte Abschrift von diesen liegen bei.
Eine Abschrift der einschlägigen Rechtsvorschriften liegt bei.
Eine Abschrift der einschlägigen Rechtsvorschriften liegt nicht bei. Erklärung über das anwendbare Recht:
die strafbare Handlung ist ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde begangen worden,
die meisten Folgen oder ein wesentlicher Teil des durch die strafbare Handlung verursachten Schadens sind bzw. ist im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der empfangenden Behörde entstanden
der Beschuldigte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde
wesentliche Teile der wichtigsten Beweismittel befinden sich im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde
im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde ist ein Verfahren gegen den Beschuldigten anhängig
im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde ist ein Verfahren wegen derselben Tat oder damit zusammenhängender Taten, an denen andere Personen beteiligt sind (insbesondere in Bezug auf kriminelle Vereinigung), anhängig
der Beschuldigte verbüßt eine freiheitsentziehende Maßnahme im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde oder hat diese zu verbüßen
die Vollstreckung des Urteils im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde verbessert voraussichtlich die Aussichten auf eine Resozialisierung des Verurteilten
es bestehen sonstige Gründe, aus denen die Vollstreckung des Urteils im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde sich als zweckmäßiger erweist
das Opfer hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat der empfangenden Behörde
das Opfer hat ein sonstiges erhebliches Interesse daran, dass das Verfahren übertragen wird
Diese Gründe bitte angeben:
Name:
Staatsangehörigkeit:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Kennnummer oder Sozialversicherungsnummer (sofern vorhanden):
Anschrift:
Sprache oder Sprachen, die die betreffende Person versteht (sofern bekannt):
Sonstige Angaben von Interesse:
Das Opfer wurde über die beabsichtigte Übertragung unterrichtet.
Sonstige einschlägige Schriftstücke liegen bei, und zwar:
- 1 Stellungnahme vom ...
- 1 ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.
- 2 Dokument 8535/09
- 1 ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 3.
- 1 ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16.
- 2 ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27.
- 3 ABl. L 337 vom 16.12.2008, S. 102.