A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ),
der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In),
der Ausschuss für Kulturfragen (K) und
der Wirtschaftsausschuss (Wi)
empfehlen dem Bundesrat,
zu der Vorlage
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG
wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission nunmehr einen Vorschlag unterbreitet, der der Konvergenz der Medientechnologien und der Medienmärkte Rechnung trägt und den Anwendungsbereich der Richtlinie auf audiovisuelle Dienste ausweitet. Hierdurch werden nicht mehr zu rechtfertigende Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung der verschiedenen technischen Verbreitungsformen im Sinne eines technologieneutralen Ansatzes beseitigt. Gleichzeitig ermöglicht die vorgesehene Differenzierung zwischen nichtlinearen Diensten und linearen Diensten eine gestufte Regelungsdichte. Der Bundesrat bekräftigt seine in den Entschließungen vom 23. Mai 2003 - BR-Drucksache 332/03(B) - und vom 1. März 2002 - BR-Drucksache 116/02(Beschluss) - getroffenen Aussagen. Er nimmt hierzu ergänzend wie folgt Stellung:
- 2. Der Bundesrat vermisst in dem Richtlinienvorschlag zunächst eine klare Abgrenzung zwischen der im Anwendungsbereich erweiterten Fernsehrichtlinie und anderen europäischen Rechtsakten; dies insbesondere im Hinblick auf die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") und über die in der Diskussion befindliche Richtlinie für Dienste im Binnenmarkt ("Dienstleistungsrichtlinie").
- 3. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass z.B. Glücksspiele nicht erfasst sind.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher darauf hinzuwirken, dass Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich ausgenommen werden. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Verhinderung von Straftaten und des Schutzes der Verbraucher ist der Glücksspielbereich keine normale wirtschaftliche Betätigung. In Übereinstimmung mit den Regelungen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ist es deshalb notwendig, auch in der Fernsehrichtlinie deutlich zu machen, dass deren Regelungen zur Erleichterung grenzüberschreitender Aktivitäten sich nicht auf Glücksspiele jeder Art beziehen. In der Fernsehrichtlinie werden Glücksspiele zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch ist durch die vorgesehene Ausweitung des Herkunftslandprinzips auf nichtlineare audiovisuelle Mediendienste und insbesondere aufgrund der Definitionen in Artikel 1 Buchstaben f und j nicht auszuschließen, dass Glücksspieldienstleistungen von der Richtlinie erfasst werden. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 2. April 2004 (BR-Drucksache 128/04(B) ) zu dem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über Dienstleistungen ausführlich begründet, warum der Glücksspielbereich zur Wahrung des in Deutschland geltenden ordnungs- und strafrechtlichen Regelungssystems zur Zulassung von Glücksspielen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen ist. Diese Gründe gelten entsprechend für die geforderte Ausnahme des Glücksspiels vom Anwendungsbereich der Fernsehrichtlinie.
- 5. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Kommission offen für die Einführung von Selbstkontrollmechanismen zeigt und die Mitgliedstaaten auffordert, entsprechende Regelungen zu fördern. Unbeschadet dessen bleiben staatliche Regulierung und Aufsicht erforderlich.
- 6. Der Bundesrat lehnt die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Vorgaben für die Ausgestaltung der Aufsichtsbehörden als unzulässigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die nationale Regelungsstruktur ab. Die gewachsenen Aufsichtsstrukturen in Deutschland über den öffentlichrechtlichen und privaten Rundfunk haben sich grundsätzlich bewährt. Dies gilt insbesondere für das Zusammenwirken von binnenpluraler Gremienkontrolle und nachfolgender staatlicher Rechtsaufsicht; diese staatliche Letztverantwortung bleibt unverzichtbar.
- 7. Der Bundesrat vermisst eine Klarstellung in Artikel 3a der Fernsehrichtlinie*), wonach Gegenstand der gegenseitigen Anerkennung lediglich die in der nationalen Liste aufgeführten Ereignisse, die Definition des Begriffs "bedeutender Teil der Öffentlichkeit" und die verfügbare Form der Berichterstattung sein kann. Für die von der Kommission nach Artikel 3a Abs. 2 durchzuführende Prüfung sollte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH vorgesehen werden, dass sie mit einer förmlichen Entscheidung abschließt, die vor den europäischen Gerichten überprüft werden kann.
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass zur Gewährleistung eines grenzüberschreitenden Informationsflusses und eines ungehinderten Zugangs zu Informationen künftig ein Recht der Kurzberichterstattung vorgesehen wird. Er hält aber gerade unter dem Aspekt der Meinungsvielfalt die Ausgestaltung im Richtlinienvorschlag ausschließlich als Zugriffsrecht auf das vorhandene Sendesignal für unzureichend. Die Richtlinie sollte die Möglichkeit vorsehen, unter Würdigung urheberrechtlicher Folgefragen eine Regelung mit Zutrittsrecht, wie im deutschen Recht bereits enthalten, vorzunehmen.
- 9. Der Bundesrat erinnert an seine Forderung in der Entschließung vom 1. März 2002 zur Abschaffung der so genannten Programmquoten in Artikel 4 und 5 der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen". In Anbetracht der im Internet herrschenden Angebotsvielfalt ist die Einführung von Förderpflichten für Mediendiensteanbieter auch dann nicht geboten, wenn sie unter dem Vorbehalt praktischer Durchführbarkeit und der Angemessenheit der Mittel steht.
- 10. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission teilweise quantitative Beschränkungen der Werbung unter Berücksichtigung der Wahl- und Steuerungsmöglichkeiten der Nutzer flexibler gestaltet hat. Er sieht aber die Möglichkeiten einer Deregulierung der quantitativen Beschränkungen nicht ausreichend genutzt, teilweise werden sogar Regelungen verschärft. Er bekräftigt in diesem Zusammenhang seine bisherige Haltung aus den Entschließungen vom 1. März 2002 und 23. Mai 2003 und fordert erneut die Streichung der geltenden Artikel 10 Abs. 2, 11 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 18 und 18a.
- 11. Der Bundesrat betont zugleich seine Haltung, dass im Interesse eines in Europa einheitlichen Schutzes von Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen die bestehenden qualitativen Werberegelungen im Rahmen dieser Richtlinie beibehalten werden sollten. Dies gilt auch für den Grundsatz der Trennung von Werbung und Programm. Die vorgeschlagenen Normen zur Legalisierung von Produktplatzierungen sind jedenfalls nicht geeignet, eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen und die redaktionelle Unabhängigkeit zu sichern. Zudem sind sie zu unbestimmt und enthalten keine ausreichenden Transparenzvorgaben (Hinweis auf Produktplatzierung ohne werbliche Effekte) für legale Produktplatzierungen.
- 12. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission eine einheitliche Jugendschutzregelung aller elektronischen Medien unter Einbeziehung sowohl der durch diese Richtlinie bislang erfassten Dienste als auch der Dienste der Informationsgesellschaft vorsieht.
- 13. Der Bundesrat erinnert an seine Forderung, Fragen zur Übertragung oder zum Zugang einschließlich des so genannten "Must-Carry" zu regeln, um damit dem nationalen Gesetzgeber die Spielräume für eigene Regelungen zu erhalten. Nachdem der vorgelegte Entwurf diese Punkte nicht aufgreift, erwartet er entsprechende Regelungen in den zur Revision anstehenden Telekommunikations-Richtlinien.
- 14. Diese Stellungnahme ist vom Bund gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der europäischen Union (EUZBLG) maßgeblich zu berücksichtigen, weil bei dem Vorhaben der Revision der Fernsehrichtlinie im Schwerpunkt die Befugnisse der Länder zur Gesetzgebung im Hinblick auf die Ausgestaltung des Rundfunkrechts in und für Deutschland betroffen ist. Insoweit besitzt der Bund nach ständiger verfassungsrechtlicher Rechtsprechung kein Recht auf Gesetzgebung. Vielmehr besteht insoweit die Rechtsetzungskompetenz der Länder gemäß Artikel 30 und 70 GG.
- 15. Da das Vorhaben im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betrifft, ist gemäß § 6 Abs. 2 EUZBLG bei den Beratungen die Verhandlungsführung auf den Vertreter der Länder zu übertragen.
- 16.
Der Gesundheitsausschuss
empfiehlt dem Bundesrat,
von der Vorlage
gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG
Kenntnis zu nehmen.
*) Alle angegebenen Artikel beziehen sich auf die geltende Fassung der Fernsehrichtlinie, soweit nicht eine andere Rechtsgrundlage zitiert ist.