Der Bundesrat hat in seiner 854. Sitzung am 13. Februar 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Eine verbesserte EU-Zinsrichtlinie könnte dazu beitragen, die effektive Besteuerung von Zinserträgen umfassender zu gewährleisten und zugleich unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. Der Bundesrat begrüßt daher im Grundsatz die Bestrebungen der Kommission, den Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtline zu verbessern.
- 2. Die von der Kommission entwickelten Lösungsvorschläge gehen zwar in die richtige Richtung, sind aber nach Auffassung des Bundesrates nicht ausreichend. Der Bundesrat unterstützt daher nachhaltig die Bemühungen der Bundesregierung, auf weitere Verbesserungen durch eine Ausweitung des sachlichen, persönlichen und räumlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie hinzuwirken.
- 3. Nach der bisher geltenden Fassung der EU-Zinsrichtlinie sind die Kreditinstitute dazu verpflichtet, den Wohnsitz des Kunden anhand eines beweiskräftigen Dokuments zu bestimmen. Als beweiskräftiges Dokument gilt nach Rz. 17 des BMF-Schreibens vom 30. Januar 2008 (BStBl I, S. 320) beispielsweise eine Strom- oder Wasserrechnung, aber auch eine vom Kunden unterzeichnete Erklärung. Nach Artikel 3 des Richtlinienvorschlags soll künftig der Wohnsitz von den Kreditinstituten anhand des Personalausweises oder eines amtlichen Dokuments oder Identitätsnachweises festgestellt werden. Dies stellt eine erhebliche Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar und würde deutlichen administrativen Mehraufwand nach sich ziehen. In einer Vielzahl von Ländern ist die Anschrift nicht im Pass oder Personalausweis eingetragen. Auch kann die im Pass eingetragene Anschrift z.B. in Umzugsfällen veraltet sein. Viele Länder haben darüber hinaus keine den deutschen Vorschriften vergleichbaren Meldebehörden, so dass der Kunde nicht im Besitz einer Meldebescheinigung ist, die als amtliches Dokument gelten könnte. Dies führte bereits bei Einführung der EU-Zinsrichtlinie im Jahre 2005 zu erheblichen Schwierigkeiten, konnte jedoch mit der praktikablen Regelung, wonach eine Selbsterklärung des Kunden als Nachweis genügt, befriedigend gelöst werden. Sollte nunmehr nur ein amtliches Dokument als Wohnsitznachweis gelten, würden sich diese Probleme in verschärfter Form erneut stellen. Es ist nicht zu befürchten, dass die bisherige Regelung missbrauchsanfällig ist und daher verschärft werden müsste. Denn in Fällen, in denen ein Kunde von der EU in ein Drittland umzieht, ist bereits heute die Vorlage einer amtlichen Bescheinigung vorgesehen. Dies reicht aus.
- 4. Weiterhin ist in Artikel 3 vorgesehen, dass das Kreditinstitut die Informationen zum Wohnsitz aktualisieren muss, wenn der Pass oder Personalausweis ausläuft. Auch diese geplante Vorschrift würde zu einem erheblichen Aufbau an Bürokratie führen. Wenn ein Kunde umzieht, hat das Kreditinstitut den Wohnsitz nach den Vorschriften der EU-Zinsrichtlinie bereits heute erneut festzustellen (Rz. 19b des BMF-Schreibens vom 30. Januar 2008; a. a. O.). Darüber hinaus ist es im Interesse des Kunden wie auch des Kreditinstituts, dass der jeweils aktuelle Wohnsitz bekannt ist, der über die Zusendung von Unterlagen o. ä. ohnehin regelmäßig verifiziert werden dürfte. Es ist daher nicht ersichtlich, welchen konkreten Nutzen die turnusmäßige Prüfung des Wohnsitzes mit sich bringen soll. Der zusätzliche administrative Aufwand wäre jedoch enorm.
- 5. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich gegen den zusätzlichen Aufbau neuer administrativer Pflichten durch die beabsichtigte Neufassung des Artikels 3 zu wenden.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, gegenüber der Kommission darauf hinzuwirken, dass die vorgeschlagene Richtlinie sämtliche Kapitaleinkünfte erfasst, die mit Zinserträgen vergleichbar sind. Vor allem der neu eingefügte Artikel 6 Absatz 1 Doppelbuchstabe aa der vorgeschlagenen Richtlinie könnte weiter gefasst werden. Es ist vorgesehen, die Anwendung der vorgeschlagenen Richtlinie an die Rückzahlung von 95 Prozent des investierten Kapitals bei Laufzeitende zu knüpfen. Für eine sichere Anwendung durch die Zahlstellen sollte klargestellt werden, dass es auf die vereinbarte Rückzahlung ankommt. Käme es nämlich auf die tatsächliche Rückzahlung an, könnte die Zahlstelle bei Zinszahlungen während der Laufzeit nicht beurteilen, ob die vorgeschlagene Richtlinie anzuwenden ist oder nicht. Zudem gibt es Produkte, die eine Rückzahlung nur zu einem Anteil garantieren (z.B. Teilgarantiezertifikate). Daher regt der Bundesrat an zu prüfen, ob anstelle von 95 Prozent ein niedrigerer Prozentsatz (z.B. 50 Prozent) ausreicht.
- 7. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der vorgeschlagenen Richtlinie sieht eine Erweiterung des Begriffs "Zinszahlung" auf Erträge aus Lebensversicherungsverträgen vor, soweit die Verträge zwei Voraussetzungen erfüllen. Zum einen muss der Vertrag ein biometrisches Risiko (z.B. den Todesfall) während der Vertragslaufzeit im Schnitt mit weniger als 5 Prozent des versicherten Kapitals abdecken. Zum anderen muss die tatsächliche Vertragsleistung vollständig an Zinsen oder vergleichbare Erträge im Sinne der vorgeschlagenen Richtlinie geknüpft sein. Erträge aus Kapitallebensversicherungen gehören nach dem deutschen Einkommensteuerrecht zu den grundsätzlich steuerpflichtigen Kapitalerträgen, so dass für die inländische Besteuerung möglichst umfassende Informationen über im Ausland erzielte Erträge aus Kapitallebensversicherungen bereitgestellt werden sollten. Die Informationspflichten ausländischer Zahlstellen sollten sich daher grundsätzlich auf alle Erträge aus Kapitallebensversicherungen (jeweils Unterschiedsbetrag zwischen Versicherungsleistung im Erlebensfall und geleisteten Beiträgen) erstrecken. Eine Beschränkung auf Produkte, die als Kapitalanlagen mit Sparcharakter behandelt werden, weil die Absicherung des biometrischen Risikos von ganz untergeordneter Bedeutung ist, ist hierbei nicht zielführend. Den beteiligten Staaten kann allerdings - wie bei Investmentfonds bereits vorgesehen - das Recht eingeräumt werden, Versicherungserträge (aus fondsgebundenen Versicherungen) von der Anwendung der Zinsrichtlinie auszunehmen, wenn der Anteil der verzinslichen Anlagen im Vertragskapital nicht mehr als 15 Prozent beträgt. Auch bei Inanspruchnahme einer solchen Ausnahmeregelung bliebe die Informationspflicht für Versicherungserträge aus Kapitallebensversicherungen mit Sparcharakter erhalten. Mit einer grundsätzlichen Ausdehnung auf alle Kapitallebensversicherungsprodukte wird die Definition des Anwendungsbereichs der vorgeschlagenen Richtlinie erheblich vereinfacht. Eine möglichst umfassende Informationspflicht dürfte auch den Belangen inländischer Versicherungsunternehmen und Anlageinstitute entgegenkommen, deren Produkte dem inländischen Steuerabzug unterliegen und die aus Wettbewerbsgründen an der Sicherstellung der Besteuerung ausländischer Versicherungserträge ein Interesse haben.