904. Sitzung des Bundesrates am 14. Dezember 2012
A
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Familie und Senioren (FS) empfehlen dem Bundesrat,
zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 1686a Absatz 1 Nummer 2 BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 1686a Absatz 1 Nummer 2 die Wörter "nicht widerspricht" durch das Wort "dient" zu ersetzen.
Begründung:
Eine positive Kindeswohlprüfung entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bezüglich des Auskunftsrechts immer vom "best interest of the child" spricht (= positive Kindeswohlprüfung). Auskunftsersuchen sind nicht zwingend weniger einschneidend für das Familiensystem als Umgangskontakte. Sie tangieren die Rechte der betroffenen Familienmitglieder, zumal auch Auskünfte über die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung erfasst sein werden. Regelmäßig müssen zum Beispiel Bilder,
Berichte oder Zeugnisse des Kindes an den biologischen Vater weitergegeben werden, ohne dass das Kind möglicherweise davon Kenntnis erlangt.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 1686a Absatz 1 Satz 2 - neu - BGB)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 1686a Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
"Rechte Dritter sind hinreichend zu wahren."
Begründung:
Neben der Kindeswohlprüfung sollte auch eine Abwägung der Rechte betroffener Dritter (zum Beispiel Mutter, rechtlicher Vater und Geschwister) erfolgen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Verletzung und einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Rechte des biologischen, nicht rechtlichen Vaters (nur) in Bezug auf das Recht auf Achtung des Privatlebens bejaht. Er hat nur für Ausnahmefälle eine Verletzung des Artikels 8 Absatz 1 EMRK (Familienleben) angenommen und Beispiele genannt, in denen diese vorliegen könnte. Er hat gerügt, dass keine hinreichenden Abwägungsprozesse - auch mit Bezug auf andere Beteiligte - erkennbar waren und insbesondere keine Prüfung erfolgte, inwieweit das Umgangs- oder Auskunftsrecht dem Kindeswohl diente. Maßgeblich bei alledem muss sein, dass die Wahrnehmung der Rechte des unstreitig biologischen Vaters dem Kindeswohl dient und dass die Rechte anderer Beteiligter - insbesondere weiterer Kinder - gewahrt bleiben, beziehungsweise maßgeblich berücksichtigt werden.
3. Zu Artikel 2 Nummer 3 ( § 167a FamFG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob es mit Blick auf die Interessen aller Beteiligten geboten ist, die im Gesetzentwurf vorgesehene inzidente Prüfung der biologischen Vaterschaft dadurch zu ersetzen, dass dem mutmaßlichen biologischen Vater unter einschränkenden Voraussetzungen ein Klärungsanspruch nach § 1598a BGB eingeräumt wird.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der mutmaßliche biologische Vater nur durch eine Inzidentprüfung im Rahmen des Verfahrens über das Umgangs- oder Auskunftsrecht klären lassen kann, ob das Kind tatsächlich von ihm abstammt. Das bedeutet, dass gerichtliche Umgangs- bzw. Auskunftsverfahren häufig auch in Fällen angestrengt werden müssten, in denen noch gar nicht feststeht, ob der Anspruchsteller tatsächlich der Erzeuger des Kindes ist. Dies stellt für alle Beteiligten eine Belastung dar, die vermieden werden könnte, wenn dem mutmaßlichen biologischen Vater stattdessen gegenüber Mutter und Kind ein Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a BGB eingeräumt würde. Es ist davon auszugehen, dass ein außergerichtlicher Vaterschaftstest von den Beteiligten als weniger belastend empfunden würde als eine inzidente gerichtliche Vaterschaftsfeststellung. Zudem würde die Inanspruchnahme der Gerichte von vornherein auf die Fälle beschränkt, in denen ein Umgangs- oder Auskunftsrecht tatsächlich in Betracht kommt. Der 19. Familiengerichtstag 2011 hat vor diesem Hintergrund eine Ausweitung des Anspruchs aus § 1598a BGB auf den mutmaßlichen biologischen Vater empfohlen.
Einem Missbrauch des Anspruchs nach § 1598a BGB könnte dadurch entgegengewirkt werden, dass die einschränkenden Voraussetzungen des neuen § 1686a BGB (Glaubhaftmachung der Beiwohnung, nachhaltiges Interesse am Kind) zur Voraussetzung für den Anspruch auf Einwilligung in die Abstammungsuntersuchung gemacht werden. Eine Missbrauchsgefahr würde zudem dadurch abgeschwächt, dass der mutmaßliche biologische Vater selbst für die Einholung des Abstammungsgutachtens sorgen müsste und dessen Kosten zu tragen hätte. Ihm würde hierdurch Gelegenheit gegeben, sein Interesse an dem Kind durch Eigeninitiative zu belegen.
B
4. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.