903. Sitzung des Bundesrates am 23. November 2012
A
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi)
- 1. empfehlen dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 25. Oktober 2012 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zu verlangen.
Begründung:
- 2. a) Mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen
Beschäftigung werden in § 8 SGB IV die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigte von 400 auf 450 Euro angehoben.
Das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt von geringfügig entlohnten Beschäftigten betrug im Jahr 2010 im gewerblichen Bereich 259,56 Euro, in Privathaushalten 183,59 Euro. Eine Anpassung der Verdienstgrenzen erscheint somit nicht erforderlich.
Vielmehr ist zu befürchten, dass die Anhebung der Verdienstgrenze bei den geringfügig entlohnten Beschäftigten, die bereits heute einen Verdienst am Rande der Höchstgrenze erzielen, genutzt wird, um die Arbeitsstunden mit geringen Stundenlöhnen auszuweiten. Das Ergebnis wäre ein höherer Monatslohn durch noch mehr schlecht bezahlte Arbeitsstunden.
Aus Sicht des Bundesrates sind vielmehr Regelungen erforderlich, die Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eindämmen beziehungsweise beseitigen und dafür sorgen, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze zurückgedrängt werden.
Das eigentliche Problem, dass geringfügig Beschäftigte wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt werden, wird nicht angegangen, sondern noch verstärkt. Statt einer Anhebung der Verdienstgrenze wäre daher die Begrenzung der geringfügigen Beschäftigung auf wöchentlich höchstens 12 Stunden mit dem Ziel, einen Stundenlohn von circa 8,50 Euro zu erreichen, und Maßnahmen zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen Situation der richtige Weg gewesen (vgl. BR-Drucksache 768/11 (PDF) ).
Darüber hinaus würde die vorgesehene Anhebung der Verdienstgrenzen für geringfügige Beschäftigung und Beschäftigung in der Gleitzone zu Ausfällen bei der Lohn- und Einkommensteuer führen und Länder und Kommunen ausweislich der Gesetzesbegründung mit jährlich 115 Millionen Euro belasten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Einnahmeverluste in dieser Höhe angesichts der ohnehin bestehenden strukturellen Unterfinanzierung der Haushalte von Ländern und Kommunen und unter den Bedingungen der neuen Schuldenregel ohne Gegenfinanzierung nicht zu verkraften wären.
- 3. b) Die geringfügige Beschäftigung hat vor allem auf die Erwerbssituation von Frauen negative Auswirkungen. Die vorgesehene Ausdehnung der Verdienstmöglichkeiten würde eine noch stärkere Verbreitung dieser Beschäftigungsform begünstigen und ist daher abzulehnen.
Die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung bietet in der Hauptphase der Erwerbstätigkeit kaum Möglichkeiten, in eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu wechseln, und trägt so dazu bei, die geschlechtsspezifische Segregation am Arbeitsmarkt zulasten der Frauen zu verstärken.
In ihrem Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat sich die Sachverständigenkommission daher mit Nachdruck für die Abschaffung der Subventionierung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ausgesprochen. Aus der Perspektive der Geschlechtergleichstellung bezeichnete sie die gegenwärtige Minijobstrategie über den Lebensverlauf sogar als desaströs.
Einer Anhebung der Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigung - und parallel für die sogenannten Midi-Jobs - kann daher nicht zugestimmt werden.
Von der Bundesregierung werden vielmehr zeitnah Vorschläge erwartet, wie insbesondere unter gleichstellungspolitischen Aspekten Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze eingedämmt beziehungsweise beseitigt werden können.
B
- 4. Die Ausschüsse empfehlen dem Bundesrat ferner festzustellen, dass das Gesetz gemäß Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf.
Begründung:
- 5. Mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung werden in § 8 SGB IV die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigte von 400 auf 450 Euro angehoben. Über die dynamische Verweisung in § 40a Absatz 2 EStG auf § 8 SGB IV wird auch die Höchstgrenze für die pauschalierte Lohnsteuer angehoben. Die vorgesehene Anhebung der Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigte hätte somit Auswirkungen auf das Einkommensteuerrecht, sodass nach Artikel 105 Absatz 3 GG die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist.
- 6. Die vorgesehene Anhebung der Verdienstgrenzen für geringfügige
Beschäftigung und Beschäftigung in der Gleitzone würde zu Ausfällen bei der Lohn- und Einkommensteuer führen und Länder und Kommunen ausweislich der Gesetzesbegründung mit jährlich 115 Millionen Euro belasten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Einnahmeverluste in dieser Höhe angesichts der ohnehin bestehenden strukturellen Unterfinanzierung der Haushalte von Ländern und Kommunen und unter den Bedingungen der neuen Schuldenregel ohne Gegenfinanzierung nicht zu verkraften wären.
C
- 7. Für den Fall, dass die Einberufung des Vermittlungsausschusses keine Mehrheit erhält, empfehlen die Ausschüsse dem Bundesrat, dem Gesetz gemäß Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen.
Begründung:
- 8. a) Mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen
Beschäftigung werden in § 8 SGB IV die Höchstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigte von 400 auf 450 Euro angehoben.
Das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt von geringfügig entlohnten Beschäftigten betrug im Jahr 2010 im gewerblichen Bereich 259,56 Euro, in Privathaushalten 183,59 Euro. Eine Anpassung der Verdienstgrenzen erscheint somit nicht erforderlich.
Vielmehr ist zu befürchten, dass die Anhebung der Verdienstgrenze bei den geringfügig entlohnten Beschäftigten, die bereits heute einen Verdienst am Rande der Höchstgrenze erzielen, genutzt wird, um die Arbeitsstunden mit geringen Stundenlöhnen auszuweiten. Das Ergebnis wäre ein höherer Monatslohn durch noch mehr schlecht bezahlte Arbeitsstunden.
Aus Sicht des Bundesrates sind vielmehr Regelungen erforderlich, die Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen eindämmen beziehungsweise beseitigen und dafür sorgen, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze zurückgedrängt werden.
Das eigentliche Problem, dass geringfügig Beschäftigte wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt werden, wird nicht angegangen, sondern noch verstärkt. Statt einer Anhebung der Verdienstgrenze wäre daher die Begrenzung der geringfügigen Beschäftigung auf wöchentlich höchstens 12 Stunden mit dem Ziel, einen Stundenlohn von ca. 8,50 Euro zu erreichen, und Maßnahmen zur Verbesserung der arbeitsrechtlichen Situation der richtige Weg gewesen (vgl. BR-Drucksache 768/11 (PDF) ).
Darüber hinaus würde die vorgesehene Anhebung der Verdienstgrenzen für geringfügige Beschäftigung und Beschäftigung in der Gleitzone zu Ausfällen bei der Lohn- und Einkommensteuer führen und Länder und Kommunen ausweislich der Gesetzesbegründung mit jährlich 115 Millionen Euro belasten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Einnahmeverluste in dieser Höhe angesichts der ohnehin bestehenden strukturellen Unterfinanzierung der Haushalte von Ländern und Kommunen und unter den Bedingungen der neuen Schuldenregel ohne Gegenfinanzierung nicht zu verkraften wären.
- 9. b) Die geringfügige Beschäftigung hat vor allem auf die Erwerbssituation von Frauen negative Auswirkungen. Die vorgesehene Ausdehnung der Verdienstmöglichkeiten würde eine noch stärkere Verbreitung dieser Beschäftigungsform begünstigen und ist daher abzulehnen.
Die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung bietet in der Hauptphase der Erwerbstätigkeit kaum Möglichkeiten, in eine reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu wechseln, und trägt so dazu bei, die geschlechtsspezifische Segregation am Arbeitsmarkt zulasten der Frauen zu verstärken.
In ihrem Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat sich die Sachverständigenkommission daher mit Nachdruck für die Abschaffung der Subventionierung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ausgesprochen. Aus der Perspektive der Geschlechtergleichstellung bezeichnete sie die gegenwärtige Minijobstrategie über den Lebensverlauf sogar als desaströs.
Einer Anhebung der Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigung - und parallel für die sogenannten Midi-Jobs - kann daher nicht zugestimmt werden.
Von der Bundesregierung werden vielmehr zeitnah Vorschläge erwartet, wie insbesondere unter gleichstellungspolitischen Aspekten Fehlanreize und Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zugunsten regulärer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze eingedämmt beziehungsweise beseitigt werden können.