Der Bundesrat hat in seiner 876. Sitzung am 5. November 2010 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ in Verbindung mit der Stärkung eines freiwilligen Erwachsenenengagements
Die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am 23. August 2010 mit Blick auf die Folgewirkungen des voraussichtlichen Aussetzens der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes vorgeschlagen, einen bundesweiten "Freiwilligen Zivildienst" mit staatlicher Förderung zu schaffen, der neben den bestehenden Freiwilligendiensten wie dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gebildet werden soll. Angesichts des einschneidenden Strukturwandels des Zivildienstes in einen Freiwilligendienst müssen auch die gesellschaftlichen Folgewirkungen bedacht und im Gesetzgebungsverfahren für einen freiwilligen Zivildienst berücksichtigt werden.
I. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, im Falle des Aussetzens der Wehrpflicht und der Einführung eines freiwilligen Zivildienstes die unmittelbar die Länderkompetenzen berührenden Vorschriften des Jugendfreiwilligendienstegesetzes unangetastet zu belassen und durch ergänzende Regelungen Folgendes für die Jugendfreiwilligendienste sicherzustellen:
- 1. Die nachhaltige Förderung und Stärkung der Jugendfreiwilligendienste.
- 2. Der Verbleib der Zuständigkeit für die Trägerzulassung bei den Ländern.
- 3. Eine gleichgewichtige Ausgestaltung der Bundesförderung der bestehenden Jugendfreiwilligendienste im Vergleich zum geplanten neuen freiwilligen Zivildienst.
- 4. Das Einbeziehen aller, auch kleinerer Träger in die Förderung der Jugendfreiwilligendienste.
- 5. Die besondere Berücksichtigung von Zielgruppen mit eingeschränkten Chancen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund.
- 6. Die bedarfsgerechte Bundesförderung bezüglich der Platzzahl in den Jugendfreiwilligendiensten (Aufhebung der Kontingentierung).
- 7. Das Schaffen attraktiver, im Ergebnis mit dem neuen freiwilligen Zivildienst vergleichbarer Anreize für die Stärkung der Akzeptanz der Jugendfreiwilligendienste.
II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Falle des Aussetzens der Wehrpflicht und der Einführung eines freiwilligen Zivildienstes Folgendes für den freiwilligen Zivildienst sicherzustellen:
- 1. Eine Bundesförderung des neuen freiwilligen Zivildienstes, die in ihren Auswirkungen die bestehenden Jugendfreiwilligendienste nicht gefährdet.
- 2. Das Einbeziehen aller, auch kleinerer Träger und Einsatzstellen in die Förderung des neuen freiwilligen Zivildienstes.
- 3. Das Einbeziehen von Engagementformen der Erwachsenen in eine nachhaltige Bundesförderung.
- 4. Die besondere Berücksichtigung der Belange des Zivil- bzw. Katastrophenschutzes.
- 5. Die Sicherstellung der Arbeitsmarktneutralität des freiwilligen Zivildienstes, um eine Schwächung des Arbeitsmarktes und eine Verdrängung von Fachkräften zu vermeiden.
Begründung:
Zunächst ist festzustellen, dass für die den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich der Länder berührenden Regelungen im Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) kein Änderungsbedarf besteht. Allerdings ist durch untergesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine spürbare Stärkung der bestehenden Jugendfreiwilligendienste hinsichtlich Status und finanzieller Ausstattung erforderlich ist. Eine besondere Förderung sollen Träger erhalten, die sich der Belange benachteiligter Menschen annehmen, um deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Da die Jugendfreiwilligendienste
Bestandteil der sozialen Infrastruktur eines jeden Landes sind, ist die Trägerauswahl den Ländern zu belassen.
Die Forderungen hinsichtlich der bundesgesetzlichen Regelungen im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes unterstützen die Pläne der Bundesregierung, einen freiwilligen Zivildienst zusätzlich zum FSJ/FÖJ einzuführen. Allerdings dürfen durch die Einführung eines freiwilligen Zivildienstes die bestehenden Freiwilligendienste FSJ/FÖJ nicht gefährdet werden. Insofern müssen mit der Umwandlung des bisher als Pflichtdienst konzipierten Zivildienstes in einen freiwilligen Zivildienst gegenüber den bestehenden, erfolgreichen Formaten FSJ und FÖJ sowohl fachlich als auch hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen vergleichbare Rahmenbedingungen hergestellt werden. Auf die zum Teil schon langjährig bestehenden und von den Ländern moderierten Kontakte mit den Trägern kann nicht verzichtet werden.
Den Trägern kommt bei dem neuen freiwilligen Zivildienst eine Schlüsselfunktion zu. Bei Trägern von Jugendfreiwilligendiensten soll die Förderung des Bundes nach einem Verfahren gebündelt werden können, das die Steuerung der Finanzierung ihrer Einsatzstellen ermöglicht und bestehende Strukturen durch die Einführung eines neuen freiwilligen Zivildienstes nicht gefährdet. Ausdrücklich sollen auch kleinere Einsatzstellen und Träger in den Genuss der Förderung des neuen freiwilligen Zivildienstes kommen, um eine Vielfalt der Angebote sicherstellen zu können. Besondere Berücksichtigung sollen auch hier Programme für spezielle Zielgruppen finden, um deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Da mit der Aussetzung des Wehrdienstes und des Zivildienstes auch die Grundlage für eine Freistellung als Helfer im Zivil- bzw. Katastrophenschutz mit einer Verpflichtungsdauer von vier Jahren entfällt, sollen in diesem Aufgabengebiet alle Möglichkeiten für wirksame und bedarfsgerechte Anreize ausgeschöpft werden.
Ein bedeutsames Gewicht kommt der Steigerung der Attraktivität aller Jugendfreiwilligendienste zu. Sie haben besondere Bedeutung bei der Orientierung hin zum sozialen Berufsfeld. Durch die Tätigkeit an sich wird durch nonformales und informelles Lernen ein Gewinn an Kompetenzen erzielt. Unabhängig davon muss durch besondere Vergünstigungen hervorgehoben werden, dass der Ableistung der Jugendfreiwilligendienste eine herausragende gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Dies kann zum Beispiel durch verbesserte Zugangsbedingungen zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unter Wahrung der Arbeitsmarktneutralität verdeutlicht werden.
Nicht zuletzt bedarf es einer Gesamtbetrachtung der Konsequenzen aus der Umwandlung des bisher verpflichtenden Zivildienstes in einen freiwilligen Zivildienst. Nach Expertenmeinung ist davon auszugehen, dass dadurch die Zahl der einen freiwilligen Dienst leistenden Jugendlichen verdoppelt werden kann. Daraus folgt, dass mit dieser Entwicklung ein starker Impuls für die Zivilgesellschaft insgesamt verbunden ist. Die Jugendlichen sollen ja mit ihrer Zeit im Jugendfreiwilligendienst auch für ein Engagement im Erwachsenenalter motiviert werden. Auch hierfür müssen wirkungsvolle gesellschaftliche Rahmenbedingungen über alle Generationen hinweg, zum Beispiel bei der fachlichen Qualifizierung und bei der Bereitstellung förderlicher Rahmenbedingungen, geschaffen werden. Insofern soll die Chance, zeitgleich mit der nachhaltigen Finanzierung des Bundes im Bereich des neuen freiwilligen Zivildienstes auch das bürgerschaftliche Engagement im Erwachsenenalter zu fördern, genutzt werden. Gerade angesichts der demografischen Perspektive und mit Blick auf wichtige gesellschaftliche Aufgaben, zum Beispiel der Integration der Menschen mit Migrationshintergrund, ist dieser Aspekt von herausragender Bedeutung.
Im Zentrum der Fördermaßnahmen des Erwachsenenengagements steht die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen und Organisationskosten. Ein vergleichbares Engagement der Erwachsenen über längere Zeiträume hinweg soll wie ein ganzjährig geleisteter freiwilliger Zivildienst unterstützt werden. Der Nachweis der geleisteten Stunden wird jährlich durch den Träger und die Einsatzstelle erbracht. Eine Stückelung in sinnvolle Unterrichtseinheiten, zum Beispiel drei Tage, soll ermöglicht werden.