Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung der neuen Haushaltsordnung KOM (2005) 181 endg.; Ratsdok. 11021/05
Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das grundsätzliche Anliegen der Kommission, eine weitere Vereinfachung und verbesserte Transparenz der Haushaltsordnung der EG zu sichern.
- 2. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushalt der EG grundsätzlich zustimmend zur Kenntnis. Er sieht jedoch in einzelnen Punkten Änderungsbedarf.
- 3. Zielsetzung der überarbeiteten Haushaltsordnung für die EG ist eine Vereinfachung der Verfahren bei der Verwaltung von Gemeinschaftsmitteln und die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den Anforderungen an die Verwaltung, den daraus resultierenden Verwaltungskosten und den Risiken, dass Gemeinschaftsmittel nicht verordnungskonform eingesetzt werden.
- 4. Im Rahmen der zentralisierten und dezentralisierten Mittelverwaltung der Strukturfonds sollen nach Auffassung der Kommission im Hinblick auf eine gemeinsame Kontrollregelung die Kontrollen verstärkt werden (vgl. Artikel 53, 56 des Verordnungsvorschlags). Eine derartige Verstärkung der Kontrollen ist abzulehnen, da sich die gängige Verwaltungs- und Kontrollpraxis bewährt hat und die zusätzlich vorgesehenen Kontrollen den Verwaltungsaufwand deutlich steigern würden. Diese zusätzlichen Kontrollen widersprechen auch dem Ansatz der Vereinfachung. Wesentliches gemeinsames Anliegen der Länder sind Vereinfachungen bei der Verwaltung der Gemeinschaftsmittel.
- 5. Der Bundesrat lehnt die Einführung einer gemeinsamen Kontrollregelung ab. Die vorgeschlagene gemeinsame Kontrollregelung ist ein neues Instrument, das bislang in den Entwürfen für die neuen Durchführungsverordnungen der Strukturfonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 nicht vorgesehen ist. Die vorgesehenen zusätzlichen Kontrollen sind nicht erforderlich und belasten die Mitgliedstaaten mit einem unnötigen Verwaltungsaufwand. Änderungen der Haushaltsordnung sollten nicht zu unnötigen Vorfestlegungen im Bereich der Mittelverwaltung der Strukturfonds führen.
- 6. In Artikel 53 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags sollen Aufgaben der Mitgliedstaaten im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung festgelegt werden. Nach Auffassung des Bundesrates ist die Haushaltsordnung der EG dafür jedoch grundsätzlich nicht der richtige Ort. Aufgaben der Mitgliedstaaten sollten vielmehr - soweit die Verwaltung von Gemeinschaftsmitteln angesprochen ist - in den entsprechenden Durchführungsverordnungen geregelt werden. Darüber hinaus sollte der Verhandlungsprozess zu den Durchführungsverordnungen für die Programmperiode 2007 bis 2013 nicht durch unnötige Vorfestlegungen zu Lasten der Mitgliedstaaten erschwert werden.
- 7. Die Ergänzung des Grundsatzes der Spezialität um die Möglichkeit der Kommission, eigenständig Übertragungen aus der Reserve zu beschließen, wenn für die betreffende Maßnahme zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans kein Basisrechtsakt existiert, dieser aber im Laufe des Jahres angenommen werden soll, wird abgelehnt. Es kann nicht sein, dass die Exekutive Mittel in den Haushaltsplan einsetzt und auch nur der Anschein entsteht, dass aus dieser Einsetzung sich dann quasi die Pflicht zum Erlass des Basisrechtsakts ergibt.
Hier muss die Annahme des Basisrechtsakts vollzogen oder zumindest aufschiebend bedingt unwiderruflich gesichert sein, sonst sind Übertragungen zumindest mit einer Rückübertragungsklausel zu versehen bzw. als rein "vorläufig" und nur unter der Bedingung der Annahme des Basisrechtsakts möglich. Hier sollte die Bundesregierung auf eine geeignete Lösung hinwirken.
- 8. Der Bundesrat lehnt den Vorschlag, EU-Forderungen im Rahmen der Einziehungsvorschriften Steuerforderungen in den Mitgliedstaaten im Vollstreckungsverfahren gleichzustellen, ab. Das Fiskusprivileg wurde in Deutschland abgeschafft. Eine Pauschalzustimmung im Hinblick auf ein beliebiges, noch zu entwickelndes Modell - beispielsweise als Analogon irgendeiner mitgliedstaatlichen Regelung - können die Länder nicht abgeben.
- 9. Der Bundesrat sieht in den vorgesehenen Änderungen der Haushaltsordnung einen beachtlichen Beitrag zur Effizienz und Transparenz im öffentlichen Auftragswesen. Allerdings weisen die Neuregelungen auf dem Gebiet des Rechtsschutzes noch erhebliche Lücken auf, die im Verlauf der weiteren Beratungen der Vorlagen in den Gremien der EU geschlossen werden sollten.
Auch wenn die Regeln über die Vergabeverfahren in der Haushaltsordnung nunmehr an die von den Mitgliedstaaten der EG bis zum 31. Januar 2006 umzusetzende Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. EG vom 30. April 2004 Nr. L 134 S. 114) angepasst werden und damit eine erhebliche Erleichterung für die sich um, allgemein dem EG-Vergaberegime unterliegenden Aufträge, bewerbenden Unternehmen eintritt, weil auch insoweit einheitliche Regeln gelten, sollten die EG-Beschaffungsstellen auch verpflichtet werden - wie nationale öffentliche Auftraggeber -, sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Verdingungsunterlagen vollständig die Stellen anzugeben, an die sich Bewerber und Bieter wegen vermeintlicher oder gegebener Fehler im Vergabeverfahren zur Wahrung ihrer wohlverstandenen Rechte wenden können.
Mit der Umsetzung des für die Mitgliedstaaten geltenden EG-Vergaberegimes werden für alle Wirtschaftsteilnehmer einheitliche Verfahren im nationalen und EG-Beschaffungsgeschäft geschaffen, nicht jedoch hinsichtlich der Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Es ist nicht ersichtlich, ob und wie die EG-Beschaffungsstellen verpflichtet sind, in der Vergabebekanntmachung und in den Verdingungsunterlagen die Stelle zu bezeichnen, an die sich Bewerber und Bieter im Falle vermeintlicher oder tatsächlicher Verstöße gegen das Vergaberegime wenden können. Wie die Veröffentlichungen in TED, der elektronischen EG-Ausschreibungsdatenbank, zeigen, sind dort, im Gegensatz zur Pflicht der Beschaffungsstellen der Mitgliedstaaten, keine Hinweise enthalten.
Zwar gilt die so genannte Nachprüfungsrichtlinie 89/665/EWG (ABl. EG 1989 Nr. L 395 S. 33) in der Fassung des Artikels 41 der Richtlinie 92/50/EWG (ABl. EG 1992 Nr. L 209 S. 1) nicht für die EG-Beschaffungsstellen, sondern nur für die Mitgliedstaaten. Die Wahrnehmung ihrer auch gegenüber den EG-Beschaffungsstellen bestehenden Rechte von Bewerbern und Bietern wäre aber wesentlich einfacher, wenn bereits in der Vergabebekanntmachung und im Einzelnen in allen Verdingungsunterlagen die zuständige Stelle benannt wird, an die sich Betroffene wenden können. Betroffene wenden sich, oftmals in Unkenntnis, wahlweise an die Kommission, den Bürgerbeauftragten oder unmittelbar an das Gericht Erster Instanz der EG (siehe beispielhaft Urteil des Gerichts vom 17. März 2005, Rechtssache T-160/03).
- 10. Bei den weiteren Beratungen sollten begriffliche und inhaltliche Abweichungen von der Richtlinie 2004/18/EG auf ihre Notwendigkeit überprüft werden. Dies gilt insbesondere für Artikel 91 Abs. 1 Buchstabe c und Artikel 97 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags.