Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 27. Juni 2013
Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierungen der Länder Baden-Württemberg und Hamburg haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Jugendarbeitslosigkeit in der EU wirksam bekämpfen" zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013 aufzunehmen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski
Entschließung des Bundesrates "Jugendarbeitslosigkeit in der EU wirksam bekämpfen"
- 1. Der Bundesrat sieht im Hinblick auf die massive Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit akuten Handlungsbedarf auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. In der Europäischen Union sind zwischenzeitlich 5,6 Mio. Jugendliche unter 25 Jahren ohne Arbeit. Die Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union liegt im Durchschnitt bei 23,5 %, in manchen Ländern sogar bei über 50%. Es geht dabei nicht nur um die wirtschaftlichen Folgen. Die Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation ist auch ein gesamtgesellschaftliches Problem Europas. Die anhaltende Jugendarbeitslosigkeit führt zu einem starken Vertrauensverlust junger Menschen in die Handlungsfähigkeit ihrer Mitgliedstaaten, aber auch der Europäischen Union insgesamt.
- 2. Der Bundesrat sieht in den Maßnahmen des Europäischen Rates zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Der Pakt für Wachstum und Beschäftigung, den der Europäische Rat am 28./ 29. Juni 2012 beschlossen hat, ermöglicht eine gezielte Umprogrammierung von Strukturfondsmitteln der laufenden Förderperiode, unter anderem zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Arbeitslosigkeit junger Erwachsener über 25 Jahren. Dabei handelt es sich allerdings nur um die Umwidmung von Mitteln, die bereits für den ESF vorgesehen sind. In Fortführung dieser Maßnahme hat der Europäische Rat vom 7./ 8. Februar 2013 im Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 - 2020 Mittel in Höhe von 6 Mrd. EUR für die Entwicklung einer Beschäftigungsinitiative für Jugendliche vorgesehen. Die Mittel sollen allen Regionen mit einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 25% offen stehen, um unter anderem die Ratsempfehlung vom 28. Februar 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie zu realisieren, für deren Umsetzung allerdings die Mitgliedstaaten verantwortlich zeichnen.
- 3. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass diese Maßnahmen zwar grundsätzlich richtig, aber nicht ausreichend sind. Einzelne Projekte oder Hilfestellungen basierend nur auf dem bisherigen Finanzierungsvolumen werden die Jugendarbeitslosigkeit allein nicht bewältigen können. Bei der Mobilisierung von mehr Finanzmitteln muss aber das ohnehin gekürzte Volumen der Strukturfondsmittel für die stärker entwickelten Regionen unangetastet bleiben. Die aktuelle Arbeitsmarktsituation ist vor allem eine Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die bisherige einseitige Austeritätspolitik hat sich als kein wirksames Kriseninstrument erwiesen. Eine ausreichende Belebung der europäischen Wirtschaft konnte damit nicht erzielt werden. Vielmehr ist aus Sicht des Bundesrates zur Förderung von Wirtschaftswachstum eine europäisch koordinierte Wirtschaftsstrategie mit nachhaltigen Investitionen erforderlich.
- 4. Die bisherige einseitige Austeritätspolitik der Europäischen Union führt dazu, dass die Verwaltungskraft der Programmländer geschwächt wird. Die Europäische Union muss daher sicherstellen, dass die Beschäftigungsinitiative für Jugendliche in den Programmländern erfolgreich umgesetzt werden kann.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich auch die Länder mit Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Mitgliedstaaten nachdrücklich einbringen. Der Bundesrat appelliert an die Bundesregierung, die Zuständigkeiten, Erfahrungen und Kenntnisse der Länder bei der Konzipierung von Initiativen des Bundes zur Förderung der grenzüberschreitendenden und internationalen beruflichen Bildung zu berücksichtigen und die Länder bei der Umsetzung angemessen einzubinden. Der Bundesrat hält es in diesem Zusammenhang für erforderlich, dass Hilfsmaßnahmen der Länder für betroffene Mitgliedstaaten mit den europäischen Mitteln, die diesen Mitgliedstaaten zugewiesen sind, mitfinanziert werden können.
- 6. Es gibt bereits zahlreiche grenzüberschreitende und internationale Maßnahmen der Länder und Regionen bspw. im Rahmen der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit (ETZ). Sie betreffen zum Beispiel den Austausch und die Qualifizierung von Auszubildenden zum Erwerb arbeitsmarktrelevanter Fähigkeiten oder die Ausbildung von Multiplikatoren zur Entwicklung eines dualen Ausbildungssystems. Auch die Länder leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
- 7. Der Bundesrat sieht in der dualen Berufsausbildung eine zentrale Grundlage für existenzsichernde stabile Bildungs- und Beschäftigungsstrukturen für die nachwachsende Generation in Europa. Er hält es für wichtig, dass die positiven Erfahrungen mit der dualen Ausbildung in Deutschland - soweit auf die dortigen Verhältnisse übertragbar - auch von anderen europäischen Mitgliedstaaten geteilt werden können. Einige Länder haben bereits grenzüberschreitende Maßnahmen zur Stärkung der Mobilität und Zusammenarbeit im beruflichen Bereich ergriffen.
- 8. Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Sonderprogramm "Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften aus Europa" (MobiPro-EU) ein Beitrag für die Stärkung der Mobilität nach Deutschland im beruflichen Bereich geschaffen wurde. Dieses Förderprogramm wird insbesondere von Auszubildenden aus Südeuropa nachgefragt. Allerdings ist dieses Förderprogramm befristet und läuft 2016 aus. Um den an einer Ausbildung in Deutschland interessierten Jugendlichen eine verlässliche Perspektive für die gesamte Zeit ihrer Ausbildung zu bieten, ersucht der Bundesrat die Bundesregierung, frühzeitig ein Signal zu setzen und das Förderprogramm MobiPro-EU bereits jetzt zu verlängern.
- 9. Der Bundesrat betont die Notwendigkeit eines engen europaweiten Informationsaustausches über den Arbeitsmarkt sowie der Beratung von Arbeitgebern, Arbeitssuchenden und Grenzgängern und begrüßt die Rolle des EURES-Netzwerks und der EURES-Grenzpartnerschaften.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Erwerb praktischer Fähigkeiten für junge Menschen eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Arbeitsmarktfähigkeit und damit die Senkung der Jugendarbeitslosigkeit ist. Der Bundesrat würdigt in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Engagement der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Kammern der freien Berufe sowie der beteiligten Einrichtungen und Unternehmen bei den laufenden Projekten der Länder.
- 11. Der Bundesrat betont, dass auch im Rahmen der Makroregionalen Strategien und der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit eine Förderung der beruflichen Bildung durch die Länder stattfindet.