Empfehlungen der Ausschüsse 816. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2005
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze - Antrag des Freistaates Bayern -

A


Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS),
der Ausschuss für Familie und Senioren (FS),
der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und
der Gesundheitsausschuss (G)

empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 1 (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II)

In Artikel 1 sind in § 7 Abs. 1 Satz 3 nach dem Wort "aufhalten" die Wörter ", oder soweit sich aus internationalen und europäischen Abkommen etwas anderes ergibt" einzufügen.

Als Folge ist

in der Begründung in Abschnitt "B. Besonderer Teil" der Einzelbegründung zu Artikel 1 (§ 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II) folgender Satz anzufügen:

§ 7 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz stellt klar, dass zwischenstaatliche Abkommen, wie beispielsweise das Europäische Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953, die Deutschschweizerische Fürsorgevereinbarung vom 14. Juli 1952 und das Deutschösterreichische Abkommen über Fürsorge- und Jugendwohlfahrtspflege vom 17. Januar 1966 auch weiterhin Geltung haben.

Begründung (nur für das Plenum):

Notwendige Ergänzung hinsichtlich zwischenstaatlicher Abkommen.

2. Zu Artikel 3 Nr. 1 (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII)

In Artikel 3 Nr. 1 ist § 23 Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu fassen:

Begründung (nur für das Plenum):

§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in der Fassung des Gesetzentwurfs stellt bei Ausländern, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Leistung der nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfe in das Ermessen des Sozialhilfeträgers. Das begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Anspruch auf Sozialhilfe wird aus den Grundrechten der Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes hergeleitet. Dabei handelt es sich um so genannte "Jedermann-Grundrechte", auf die sich nicht nur Deutsche, sondern alle in Deutschland lebenden Menschen berufen können. Auf die Gewährung der nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfe dürften daher alle in Deutschland lebenden Menschen einen Rechtsanspruch haben. Die nach dem Gesetzentwurf beabsichtigte Regelung ginge im Übrigen auch weiter als die vergleichbare Regelung nach § 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes.

3. Zu Artikel 3 Nr. 1 (§ 23 Abs. 4 Satz 2 und Absatz 5a - neu - SGB XII)

In Artikel 3 Nr. 1 ist § 23 wie folgt zu ändern:

Als Folge ist

in der Einzelbegründung zu Artikel 3 Nr. 1 die Einzelbegründung zu § 23 wie folgt zu ändern:

Begründung (nur für das Plenum):

Die Einfügung eines eigenständigen Absatzes, wonach internationales und europäisches Recht bzw. internationale und europäische Abkommen unberührt bleiben, hat klarstellenden Charakter. Hierdurch wird zum einen sichergestellt, dass sich rechtmäßig aufhaltende Unionsbürger insbesondere im Hinblick auf § 23 Abs. 3 SGB XII nicht anders als Inländer behandelt werden dürfen und Anspruch auf alle Leistungen des SGB XII haben. Weiterhin wird durch die Regelung gewährleistet, dass günstigere bilaterale Abkommen betreffend die Sozialhilfe (z.B. Schweiz) weiterhin anwendbar bleiben.

4. Zu Artikel 3 Nr. 2 ( § 82 Abs. 4 SGB XII) Nr. 3 - neu - (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 2 - neu - SGB XII) und Artikel 4 (Inkrafttreten, Übergangsvorschrift - neu -)

Als Folge ist

Im Einzelnen:

(1) Zu Satz 1:

Satz 1 der Vorschrift begrenzt die Heranziehung zu den Kosten grundsätzlich auf die Einsparungen für den Lebensunterhalt, wenn eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung lebt. Im Gegensatz zur Vorschrift des § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 9. Dezember 2004 stellt diese Regelung sicher, dass die Einkommensschonregelung

Der Bund hat zwar die Auffassung vertreten, dass im Wege der Interpretation die Einkommensschonregelung auch auf die Leistungen der Grundsicherung erstreckt werden könne. Dagegen spricht allerdings der Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XII. Insbesondere spricht die derzeitige Anrechnungspraxis verschiedener Sozialhilfeträger, die dazu führt, dass manche zu Hause lebenden (Ehe-) Partner auf das Sozialhilfeniveau zurückfallen, für die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns. Dies wird auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) betont. Rechtsaufsichtlich kann das Verhalten der Sozialhilfeträger nicht beanstandet werden, da der Gesetzeswortlaut für sie spricht und die Rechtslage zumindest höchst unklar ist. Zur Klarstellung und aus Gründen der Gleichbehandlung ist daher § 82 Abs. 4 SGB XII um die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu ergänzen.

Schließlich begrenzt im Gegensatz zur Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG die Vorschrift des § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 9. Dezember 2004 den Personenkreis, der sein Einkommen nur in der Höhe der häuslichen Ersparnis für die Kosten des Lebensunterhalts in der Einrichtung einsetzen muss, auf die untergebrachten Personen. Dies führt zu unerwünschten und nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen: Ein im eigenen Haushalt lebender Ehegatte bzw. Lebenspartner, der über Einkommen verfügt, das seinen eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt, muss gemäß § 19 Abs. 1 bzw. § 43 Abs. 1 i. V. m. § 19 Abs. 2 SGB XII mit der gesamten Einkommensüberschreitung für den Lebensunterhalt des in der Einrichtung lebenden Partners aufkommen. Damit verfügt dieser nur noch über den sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalt. Dagegen greift in umgekehrten Fällen, in denen der in der Einrichtung lebende Partner über höheres eigenes Einkommen verfügt, die Einkommensschonregelung und begrenzt damit grundsätzlich den Einkommenseinsatz auf die häusliche Ersparnis.

(2) Zu Satz 2:

Über die häusliche Ersparnis hinaus soll die Aufbringung der Mittel vom Heimbewohner sowie dessen (Ehe-) Partner in angemessenem Umfang verlangt werden, wenn der Leistungsberechtigte voraussichtlich auf längere Zeit Leistungen in einer Einrichtung bedarf.

Abweichend vom bisherigen Recht (BSHG) kann also künftig auch das Einkommen des (Ehe-) Partners eines Heimbewohners über die häusliche Ersparnis hinaus zu den so genannten "Hotelkosten" einer Heimunterbringung herangezogen werden. Auch das Tatbestandsmerkmal, dass der Heimbewohner einen anderen überwiegend unterhält, wurde gestrichen.

Die Änderungen sind aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Das bisherige Recht privilegierte die so genannten "Hausfrauen-Ehen", bei denen der Heimbewohner seinen zu Hause lebenden (Ehe-) Partner überwiegend unterhält, da in diesen Fällen der Einsatz des Einkommens des Heimbewohners nur in Höhe der häuslichen Ersparnis verlangt werden konnte. In den Fällen, in denen der zu Hause lebende (Ehe-) Partner über eigenes Einkommen verfügt und damit zumindest einen überwiegenden Teil seines Lebensbedarfs selbst decken kann, musste das Einkommen des Heimbewohners dagegen in voller Höhe zur Finanzierung der Kosten der Heimunterbringung eingesetzt werden. Dies führte dazu, dass Ehepaare - je nachdem, ob der Heimbewohner oder der zu Hause verbliebene Partner über Einkommen verfügt - in äußerst unterschiedlicher Höhe zu den Kosten der Heimunterbringung herangezogen wurden, auch wenn diese Paare über ein gleich hohes gemeinsames Einkommen verfügten.

(3) Zu Satz 3:

Welche Beteiligung an den Kosten der Heimunterbringung angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Neben der Art des Bedarfs, der Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie den besonderen Belastungen des Leistungsberechtigten ist nach Satz 3 der

Vorschrift auch die bisherige Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kinder zu berücksichtigen. Es handelt sich im Verhältnis zu § 19 Abs. 1 und 2 SGB XII um eine Spezialnorm.

Welcher Selbstbehalt dem im Haushalt verbliebenen (Ehe-) Partner sowie den im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kindern zu belassen ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Im Regelfall wird dem Betroffenen als Selbstbehalt ein oberhalb des sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalts liegender Betrag verbleiben.'

bbb) Nach der Einzelbegründung zu Artikel 3 Nr. 2 ist folgende neue Einzelbegründung anzufügen:

"c) Zu Nummer 3

Da nach der Neukonzeption des SGB XII die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht mehr Bestandteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen (Wegfall des § 27 Abs. 3 BSHG) ist, kann bei teilstationären oder stationären Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel kein häuslicher Lebensunterhalt erspart werden. Die Vorschrift des § 88 Abs. 1 Nr. 3 ist daher insoweit zu streichen, als sie die Aufbringung der Mittel in Höhe der häuslichen Lebensunterhaltsersparnis verlangt. Im Übrigen wird die Vorschrift des § 88 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII entsprechend der Neuregelung des § 82 Abs. 4 SGB XII angepasst. Die Neufassung des § 82 Abs. 4 SGB XII (Satz 3) bewirkt, dass auch bei der Prüfung, inwieweit für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel der Einsatz von Einkommen unterhalb der

Einkommensgrenze verlangt werden kann, der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen (Ehe-) Partners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen ist."

ccc) Die Einzelbegründung zu Artikel 4 ist wie folgt zu fassen: "4. Zu Artikel 4 (Inkrafttreten, Übergangsvorschrift)

Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Abweichend hiervon soll aus Gründen des Vertrauensschutzes die Vorschrift des § 82 Abs. 4 SGB XII in der Fassung des Artikels 4 Abs. 2 vom 1. Januar 2005 bis zum Tag nach Verkündung dieses Gesetzes in Kraft treten."

Begründung (nur für das Plenum):

Zu Buchstabe a:

Die Regelung der Heranziehung zu den Kosten der Sozialhilfe bei Dauerpflegeheimfällen soll entsprechend der Absicht des Gesetzgebers bei Verabschiedung des neuen SGB XII gestaltet werden. Als Einkommensschonregelung ist eine Heranziehung in angemessenem Umfang vorgesehen.

Zu Buchstabe b:

Notwendige Differenzierung des Inkrafttretens aus Gründen des Vertrauensschutzes.

5. Zu Artikel 3 Nr. 4 - neu - (§ 90 Abs. 2 Nr. 2a - neu - SGB XII)

Nach Artikel 3 Nr. 3 - neu - ist folgende neue Nummer anzufügen:

'4. In § 90 Abs. 2 wird nach Nummer 2 folgende neue Nummer eingefügt:

"2a. einer Versicherung, mit der eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende angemessene Bestattung sichergestellt werden soll; für eine andere Form der Vorsorge gilt dies entsprechend, wenn sichergestellt ist, dass das dafür verwendete Vermögen nur für die Bestattung verwendet werden kann," '

Als Folge ist

Begründung (nur für das Plenum):

Ergänzung des Katalogs für das Schonvermögen um die angemessene Vorsorge für den Sterbefall unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

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