Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bundesrat hat in seiner 816. Sitzung am 4. November 2005 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Anlage

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)

§ 7 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954, 2955)), zuletzt geändert durch ..., werden durch folgende Sätze ersetzt:

Artikel 2 Änderung des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU)

§ 2 Abs. 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986)), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 3 Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)

Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 4

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(2) Artikel 3 Nr. 2 tritt vom 1. Januar 2005 bis zum Ablauf des Tages der Verkündung dieses Gesetzes in folgender Fassung in Kraft:

Begründung

A. Allgemeiner Teil

B. Besonderer Teil

1. Zu Artikel 1 ( § 7 Abs. 1 SGB II)

In § 7 ist die Anspruchsberechtigung für Leistungen nach dem SGB II geregelt. Die im allgemeinen Teil dargestellten Ausschlusstatbestände wurden daher in § 7 Abs. 1 und nicht in § 8 Abs. 2 aufgenommen. Auf diese Weise wird auch klargestellt, dass nicht besondere Anforderungen an die Erwerbsfähigkeit von Ausländern gestellt werden sollen, sondern ein gänzlicher Ausschluss der Leistungsberechtigung normiert wird.

Der bisherige Verweis auf § 8 Abs. 2 entfällt. Die in § 8 Abs. 2 näher bestimmte besondere Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit von Ausländern fließt bereits über § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in die Prüfung der Leistungsberechtigung ein. Eine in Anlehnung an § 30 SGB I für den Bereich des SGB II entwickelte Begriffsbestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kann auch auf Ausländer übertragen werden. Durch den Verweis auf § 8 Abs. 2 in der geltenden Fassung wurde der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts für Ausländer ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung besonders definiert. Durch die Streichung der besonderen Definition des gewöhnlichen Aufenthalts für Ausländer soll insbesondere auch vermieden werden, dass an die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts von Ausländern geringere Anforderungen gestellt werden, als bei deutschen Staatsangehörigen. Der gewöhnliche Aufenthalt von EU-Bürgern der herkömmlichen Mitgliedstaaten ist nach der bisherigen Definition beispielsweise in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts und für den Zeitraum ihrer Arbeitssuche immer gegeben.

Der bisherige Satz 3 in § 7 Abs. 1 entfällt, da ihm durch den Verweis auf das FreizügG/EU kein eigenständiger Regelungsgehalt mehr verbleibt.

Zu den einzelnen Nummern im neuen Satz 2:

a) Zu Satz 2 Nr. 1

§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzt die in Artikel 24 Abs. 2 der EU-Freizügigkeits-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Leistungen nach dem SGB II während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines EU-Bürgers generell auszuschließen. Ausgenommen werden als Arbeitnehmer oder Selbständige freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, sowie Familienangehörige solcher Personen.

b) Zu Satz 2 Nr. 2

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 setzt darüber hinaus die in Artikel 24 Abs. 2 der EU-Freizügigkeits-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Leistungen nach dem SGB II während der Zeit der Arbeitssuche für einen längeren Zeitraum als drei Monate auszuschließen. Soweit ein Leistungsausschluss über einen längeren Zeitraum als drei Monate normiert werden soll, ist dies allerdings nur möglich, wenn und solange die Aufenthaltsberechtigung allein auf der Arbeitssuche beruht, da die Möglichkeit des Ausschlusses von Sozialhilfeleistungen mit der privilegierten aufenthaltsrechtlichen Stellung von Arbeitssuchenden korrespondiert. Vor diesem Hintergrund wird der Leistungsausschluss auf den Fall beschränkt, dass sich das Aufenthaltsrecht allein auf der Arbeitssuche begründet. Der Leistungsausschluss ist damit nicht ohne zeitliche Begrenzung vorgesehen; eine zeitliche Obergrenze bildet jedenfalls das nach fünfjährigem ununterbrochenen Aufenthalt begründete Recht auf Daueraufenthalt (vgl. § 2 Abs. 5 FreizügG/EU).

c) Zu Satz 2 Nr. 3

Der bisher in § 7 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz geregelte Ausschluss für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird ohne inhaltliche Änderungen in eine neue Ziffer 3 aufgenommen.

Zu Satz 3

Satz 3 regelt eine Ausnahme vom Leistungsausschluss nach Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 für Personen, denen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen erlaubt wird. Von der Ausnahmeregelung des Satzes 3 werden Personen nicht erfasst, die abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Eine entsprechende Regelung ist für das SGB XII vorgesehen.

§ 7 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz stellt klar, dass zwischenstaatliche Abkommen, wie beispielsweise das Europäische Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953, die Deutschschweizerische Fürsorgevereinbarung vom 14. Juli 1952 und das Deutschösterreichische Abkommen über Fürsorge- und Jugendwohlfahrtspflege vom 17. Januar 1966 auch weiterhin Geltung haben.

2. Zu Artikel 2 (§ 2 Abs. 3 FreizügG/EU)

a) Zu Satz 2

Die bisherige Regelung der Aufrechterhaltung einer Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder Selbständiger im Falle der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit wird entsprechend Artikel 7 Abs. 3 lit. b EU-Freizügigkeits-Richtlinie nur insofern aufrechterhalten, als die wirtschaftliche Betätigung länger als 12 Monate angedauert hat. Im Übrigen erfolgen sprachliche Anpassungen.

b) Zu Satz 3

Der neu angefügte Satz 3 erkennt eine zeitlich befristete Weitergeltung der Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger für den Fall an, dass die unfreiwillige Arbeitslosigkeit nach einjähriger oder kürzerer wirtschaftlicher Betätigung eingetreten ist. Entsprechend den Vorgaben der EU-Freizügigkeits-Richtlinie wird eine Weitergeltung der Freizügigkeitsberechtigung (als Arbeitnehmer oder Selbständiger) nach § 2 Abs. 1 nur für weitere sechs Monate festgeschrieben. Dies führt insbesondere dazu, dass während des Fortgeltungszeitraums die Anspruchsberechtigung für Leistungen nach dem SGB II nicht gemäß Artikel 24 Abs. 2 der EU-Freizügigkeitsrichtlinie ausgeschlossen werden kann. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist endet die aufrechterhaltene Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger. Originär erlangte Freizügigkeitsrechte nach § 2 Abs. 1, wie insbesondere das Freizügigkeitsrecht als Arbeitssuchender, bleiben von dieser zeitlich begrenzten Fortgeltung unberührt. Folge ist aber, dass mit dem Ende der Fortgeltung der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der EU-Freizügigkeits-Richtlinie für den Zeitraum der Arbeitssuche (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II n. F.) zulässig wird.

3. Zu Artikel 3

a) Zu Nummer 1

§ 23 SGB XII enthält Sonderregelungen für Leistungen an Ausländer. Zu den einzelnen Absätzen:

(1) Zu Absatz 1

Nach der bisherigen Regelung können Ausländer schon dann, wenn sie sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten, Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Die deutschen Transferleistungssysteme dürfen aber nicht zur Ermöglichung von illegalen Aufenthalten beitragen. Satz 1 stellt deshalb nicht mehr auf den tatsächlichen, sondern auf einen rechtmäßigen Aufenthalt ab. Bei einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Sozialhilfe.

Satz 2 ist dem bisherigen Absatz 3 Satz 2 nachgebildet und stellt die zwingend notwendige medizinische Versorgung sicher; im Übrigen darf nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe gewährt werden. Üblicherweise wird dies die Hilfe sein, die zur Rückkehr in das Heimatland erforderlich ist. Die Gewährung des soziokulturellen Existenzminimums ist nicht erforderlich, da sich ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt nicht verfestigen soll.

(2) Zu Absatz 2

Absatz 2 greift den Gedanken des bisherigen Absatzes 3 Satz 1 auf, dass Ausländer, die in das Bundesgebiet eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch auf Leistungen haben. Diese Vorschrift hat sich bisher als wenig praktikabel erwiesen, weil es dem Träger der Sozialhilfe in aller Regel nicht möglich ist, den geforderten Nachweis zu führen. Absatz 2 Satz 1 enthält deshalb eine Umkehr der Beweislast. Künftig muss der Hilfe suchende Ausländer glaubhaft machen, dass er bei seiner Einreise nicht die Absicht hatte, seinen Aufenthalt zu Lasten der deutschen Transferleistungssysteme zu finanzieren.

Es wird kein strikter Nachweis gefordert; es genügt vielmehr die Glaubhaftmachung. Eine Glaubhaftmachung wird sicher nicht vorliegen, wenn der Ausländer auf Befragen nicht darlegen kann, welche realistischen Gedanken er sich zur Bestreitung seines Lebensunterhalts in Deutschland ohne Inanspruchnahme von Transferleistungen gemacht hat.

Um keinen überflüssigen Verwaltungsaufwand zu erzeugen, ist die Glaubhaftmachung nur auf Verlangen des Sozialhilfeträgers erforderlich. Damit kann dieser gezielt die Fälle näher betrachten, bei denen der Verdacht auf Einreise zum Zweck der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht von vorne herein ausgeschlossen ist.

Satz 2 greift den bisherigen Absatz 3 Satz 2 auf, wobei eine Anpassung an § 4 Abs. 1 AsylbLG vorgenommen und damit kein Ermessen in Form einer "Soll-Vorschrift" eingeräumt wird.

(3) Zu Absatz 3

Absatz 3 entspricht dem bisherigen Absatz 1. Im Zusammenspiel mit der Grundsatznorm des neuen Absatzes 1 ergibt sich jedoch nun, dass die Leistungen nur zu erbringen sind, wenn der Aufenthalt des Ausländers rechtmäßig ist.

(4) Zu Absatz 4

Absatz 4 Satz 1 setzt die in der EU-Freizügigkeitsrichtlinie eingeräumte Möglichkeit in deutsches Recht um, den Bezug von Sozialhilfe während der ersten drei Monate des Aufenthalts eines EU-Bürgers generell auszuschließen. Was für EU-Bürger gilt, muss natürlich ebenso für sonstige Ausländer gelten.

Satz 2 trifft eine Ausnahme von Satz 1 für Personen, denen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt wird. Nicht erfasst werden von dieser Ausnahmeregelung Personen, die abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten (vgl. § 23 Abs. 5 SGB XII). Eine entsprechende Regelung ist für das SGB II vorgesehen.

(5) Zu Absatz 5

Absatz 5 entspricht wörtlich dem bisherigen Absatz 2.

(6) Zu Absatz 6

Absatz 6 weist klarstellend auf den Vorrang internationalen und europäischen Rechts (wie etwa der EU-Freizügigkeitsrichtlinie) sowie internationaler und europäischer Abkommen hin.

(7) Zu Absätze 7 und 8

Absatz 7 und Absatz 8 entsprechen den bisherigen Absätzen 4 und 5.

(8) Zu Absatz 9

Nach bisherigem Recht können Ausländer Leistungen der Sozialhilfe erhalten, ohne dass sie eine Gegenleistung erbringen müssen, obwohl sie hierzu grundsätzlich in der Lage wären. Denn die Regelungen zur Verpflichtung zu gemeinnütziger Tätigkeit wie sie das BSHG bisher vorsah, sind im Hinblick auf die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) entfallen. EU-Ausländer aus den neuen Beitrittsländern könnten damit Transferleistungen ohne jede Gegenleistung beziehen und wären damit besser gestellt als arbeitsfähige Deutsche. Nach Absatz 9 können daher Ausländer, die arbeitsfähig sind, denen jedoch die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt ist oder erlaubt werden kann, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden. Dies entspricht dem Grundsatz des "Fördern und Fordern". Die Folgen der Verweigerung einer angebotenen gemeinnützigen Tätigkeit ergeben sich aus § 39 SGB XII: Verminderung der Leistung in mehreren Stufen bis hin zum Wegfall der Leistung.

b) Zu Nummer 2

Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch hatte der Gesetzgeber beabsichtigt, die bisherige Einkommensschonregelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG in das neue SGB XII (§ 82 Abs. 4) zu übertragen. Die Träger der Sozialhilfe sollten damit die Möglichkeit erhalten, ihre bisherige Praxis der Heranziehung zu den Kosten der Heimunterbringung im Wesentlichen beizubehalten. Dies ist jedoch nicht gelungen, da unter anderem der insoweit eindeutige Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XII die Schonregelung auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII begrenzt.

Im Einzelnen:

(1) Zu Satz 1:

Satz 1 der Vorschrift begrenzt die Heranziehung zu den Kosten grundsätzlich auf die Einsparungen für den Lebensunterhalt, wenn eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung lebt. Im Gegensatz zur Vorschrift des § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 9. Dezember 2004 stellt diese Regelung sicher, dass die Einkommensschonregelung

Anwendung findet.

Der Bund hat zwar die Auffassung vertreten, dass im Wege der Interpretation die Einkommensschonregelung auch auf die Leistungen der Grundsicherung erstreckt werden könne. Dagegen spricht allerdings der Wortlaut des § 82 Abs. 4 SGB XII. Insbesondere spricht die derzeitige Anrechnungspraxis verschiedener Sozialhilfeträger, die dazu führt, dass manche zu Hause lebenden (Ehe-) Partner auf das Sozialhilfeniveau zurückfallen, für die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns. Dies wird auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS) betont. Rechtsaufsichtlich kann das Verhalten der Sozialhilfeträger nicht beanstandet werden, da der Gesetzeswortlaut für sie spricht und die Rechtslage zumindest höchst unklar ist. Zur Klarstellung und aus Gründen der Gleichbehandlung ist daher § 82 Abs. 4 SGB XII um die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu ergänzen.

Schließlich begrenzt im Gegensatz zur Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG die Vorschrift des § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 9. Dezember 2004 den Personenkreis, der sein Einkommen nur in der Höhe der häuslichen Ersparnis für die Kosten des Lebensunterhalts in der Einrichtung einsetzen muss, auf die untergebrachten Personen. Dies führt zu unerwünschten und nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen: Ein im eigenen Haushalt lebender Ehegatte bzw. Lebenspartner, der über Einkommen verfügt, das seinen eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt, muss gemäß § 19 Abs. 1 bzw. § 43 Abs. 1 i. V. m. § 19 Abs. 2 SGB XII mit der gesamten Einkommensüberschreitung für den Lebensunterhalt des in der Einrichtung lebenden Partners aufkommen. Damit verfügt dieser nur noch über den sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalt. Dagegen greift in umgekehrten Fällen, in denen der in der Einrichtung lebende Partner über höheres eigenes Einkommen verfügt, die Einkommensschonregelung und begrenzt damit grundsätzlich den Einkommenseinsatz auf die häusliche Ersparnis.

(2) Zu Satz 2:

Über die häusliche Ersparnis hinaus soll die Aufbringung der Mittel vom Heimbewohner sowie dessen (Ehe-) Partner in angemessenem Umfang verlangt werden, wenn der Leistungsberechtigte voraussichtlich auf längere Zeit Leistungen in einer Einrichtung bedarf.

Abweichend vom bisherigen Recht (BSHG) kann also künftig auch das Einkommen des (Ehe-) Partners eines Heimbewohners über die häusliche Ersparnis hinaus zu den so genannten "Hotelkosten" einer Heimunterbringung herangezogen werden. Auch das Tatbestandsmerkmal, dass der Heimbewohner einen anderen überwiegend unterhält, wurde gestrichen.

Die Änderungen sind aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Das bisherige Recht privilegierte die so genannten "Hausfrauen-Ehen", bei denen der Heimbewohner seinen zu Hause lebenden (Ehe-) Partner überwiegend unterhält, da in diesen Fällen der Einsatz des Einkommens des Heimbewohners nur in Höhe der häuslichen Ersparnis verlangt werden konnte. In den Fällen, in denen der zu Hause lebende (Ehe-) Partner über eigenes Einkommen verfügt und damit zumindest einen überwiegenden Teil seines Lebensbedarfs selbst decken kann, musste das Einkommen des Heimbewohners dagegen in voller Höhe zur Finanzierung der Kosten der Heimunterbringung eingesetzt werden. Dies führte dazu, dass Ehepaare - je nachdem, ob der Heimbewohner oder der zu Hause verbliebene Partner über Einkommen verfügt - in äußerst unterschiedlicher Höhe zu den Kosten der Heimunterbringung herangezogen wurden, auch wenn diese Paare über ein gleich hohes gemeinsames Einkommen verfügten.

(3) Zu Satz 3:

Welche Beteiligung an den Kosten der Heimunterbringung angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Neben der Art des Bedarfs, der Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie den besonderen Belastungen des Leistungsberechtigten ist nach Satz 3 der Vorschrift auch die bisherige Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kinder zu berücksichtigen. Es handelt sich im Verhältnis zu § 19 Abs. 1 und 2 SGB XII um eine Spezialnorm.

Welcher Selbstbehalt dem im Haushalt verbliebenen (Ehe-) Partner sowie den im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kindern zu belassen ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles. Im Regelfall wird dem Betroffenen als Selbstbehalt ein oberhalb des sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalts liegender Betrag verbleiben.

c) Zu Nummer 3

Da nach der Neukonzeption des SGB XII die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht mehr Bestandteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen (Wegfall des § 27 Abs. 3 BSHG) ist, kann bei teilstationären oder stationären Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel kein häuslicher Lebensunterhalt erspart werden. Die Vorschrift des § 88 Abs. 1 Nr. 3 ist daher insoweit zu streichen, als sie die Aufbringung der Mittel in Höhe der häuslichen Lebensunterhaltsersparnis verlangt. Im Übrigen wird die Vorschrift des § 88 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII entsprechend der Neuregelung des § 82 Abs. 4 SGB XII angepasst. Die Neufassung des § 82 Abs. 4 SGB XII (Satz 3) bewirkt, dass auch bei der Prüfung, inwieweit für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel der Einsatz von Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze verlangt werden kann, der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen (Ehe-) Partners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen, unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen ist.

d) Zu Nummer 4

Angesichts der Tatsache, dass ein Sterbegeld von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr bezahlt wird, werden auf privatrechtlicher Basis abgeschlossene Sterbeversicherungen künftig eine verstärkte Bedeutung erhalten. Für viele Menschen ist das Bewusstsein, dass eine würdige Bestattung nach ihrem Ableben ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe sichergestellt ist, wesentlicher Bestandteil ihrer Lebensqualität. Diese Sicherheit können sie sich durch den Abschluss einer Sterbeversicherung verschaffen.

Schon bisher ist es nicht nachvollziehbar gewesen, dass die Sozialhilfe - bevor sie eingetreten ist - die Verwertung einer derartigen Versicherung verlangt hat. Dies beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass letztendlich nach Auflösung der Versicherung häufig doch die Sozialhilfe für die Bestattungskosten aufkommen muss.

Die Erweiterung des Katalogs für das Schonvermögen in § 90 Abs. 2 SGB XII beendet diesen unbefriedigenden Zustand. Sterbeversicherungen müssen - soweit sie angemessen sind - künftig nicht mehr vor dem Bezug von Sozialhilfe aufgelöst werden. Dies ist insbesondere für ältere Menschen eine wichtige Änderung. Die Mehrkosten für die Sozialhilfeträger werden sich in überschaubarem Rahmen halten, da in nicht geringem Maße ansonsten durch die Sozialhilfe zu tragende Bestattungskosten entfallen. Die gewählte Formulierung stellt sicher, dass örtliche Gegebenheiten (einschließlich der Kosten) und die Lebensverhältnisse des Verstorbenen berücksichtigt werden können, und dass Versicherungen, soweit sie über eine angemessene Bestattung hinausgehen, nicht dem Vermögensschutz unterfallen.

Die gleiche Wirkung soll eintreten, wenn eine andere Form der Vorsorge gewählt wird, wenn mit ihr sichergestellt wird, dass das angelegte Vermögen nur für die Bestattung, nicht aber für andere Zwecke verwendet werden kann. Diese Einschränkung ist notwendig, da sonst jede Form des Sparens als Vermögensanlage für die Bestattung bezeichnet werden könnte. Es muss vielmehr sichergestellt sein, dass das für die Bestattung vorgesehene Geld dem jederzeitigen Zugriff und der jederzeitigen Verfügung des Betroffenen entzogen ist.

Mit der Erweiterung des Katalogs für das "Schonvermögen" wird gleichzeitig der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 11. Dezember 2003 (BVerwG 5 C 84.02) Rechnung getragen, dass "der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tode vorzusorgen, dahin zu respektieren ist, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt haben".

4. Zu Artikel 4 (Inkrafttreten, Übergangsvorschrift)

Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Abweichend hiervon soll aus Gründen des Vertrauensschutzes die Vorschrift des § 82 Abs. 4 SGB XII in der Fassung des Artikels 4 Abs. 2 vom 1. Januar 2005 bis zum Tag nach Verkündung dieses Gesetzes in Kraft treten.