902. Sitzung des Bundesrates am 2. November 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich eine weitere Harmonisierung der Bankenaufsicht in der EU und eine Reduzierung von Möglichkeiten der Aufsichtsarbitrage.
- 2. Er bekräftigt die in seiner Stellungnahme zur BR-Drucksache 733/11 (PDF) geäußerte kritische Haltung zu den umfassenden Ermächtigungen für die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Dies gilt sowohl für die in anderen Rechtsakten enthaltenen zahlreichen Ermächtigungsgrundlagen als auch für die in der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 enthaltenen Ermächtigungen. Letztere hat die EBA genutzt, um ohne vorherige Beteiligung von Rat und Parlament über Stresstests Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute festzusetzen. Derart weitgehende Rechtsetzungsbefugnisse sollten in Anlehnung an die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts den demokratisch legitimierten Gremien vorbehalten bleiben.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen die Frage zu erörtern, ob die Änderungen der Abstimmungsmodalitäten im Rat der Aufseher sachgerecht sind. Er sieht die Gefahr, dass durch diese Regelung die deutsche Aufsicht ihre Stimme nicht mehr nach ihrer fachlichen Auffassung im Rat der Aufseher abgeben darf, sondern dies der Europäischen Zentralbank (EZB) überlassen muss.
Die Änderungen dienen nach Darstellung der Kommission vor allem dazu, dem Vertreter der EZB keine Sperrminorität bei Sanktionen gegen ein Mitglied der Währungsunion einzuräumen. Diese Problematik entsteht nur dadurch, dass in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe l der vorgeschlagenen Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (BR-Drucksache 546/12 (PDF) ) festgelegt werden soll, dass der Vertreter der EZB im Rat der Aufseher den gemeinsamen Standpunkt der Mitglieder der Währungsunion "äußert". Es ist im Zusammenspiel der beiden Verordnungsvorschläge nicht klar, ob diese Regelung den Vertreter der EZB ermächtigt, alle 17 Stimmen der Mitgliedstaaten der Währungsunion geschlossen abzugeben oder ob die Aufseher dieser Mitgliedstaaten weiterhin unabhängig handeln dürfen. Würde der EZB-Vertreter alle 17 Stimmen geschlossen abgeben dürfen, hätte er stets eine einfache Mehrheit. Auch dies erscheint nicht sachgerecht.
Letztlich bedarf es einer Klarstellung dahingehend, dass die EZB bei den Mitgliedern der Währungsunion zwar auf einen gemeinsamen Standpunkt hinwirken soll und diesen - so er zustande kommt - auch äußern bzw. die Meinungsbildung innerhalb der Währungsunion wiedergeben darf. Es muss aber jeder nationalen Aufsicht möglich bleiben, ihre fachliche Auffassung auch im Rat der Aufseher zu äußern und entsprechend abzustimmen.
- 4. Für den Fall, dass die geforderte Klarstellung dazu führt, dass der Vertreter der EZB im Rat der Aufseher ermächtigt ist, die 17 Stimmen der Mitgliedstaaten der Währungsunion geschlossen abzugeben, äußert der Bundesrat die Sorge, dass die vorgesehene Übertragung der Bankenaufsicht an die EZB die Spaltung zwischen Euro- und Nicht-Euroländern vertiefen kann. Im Rahmen der koordinierenden und schlichtenden Aufgabe der EBA zwischen den nationalen Bankenaufsichtsbehörden auf der einen Seite und der EZB für die Euroländer auf der anderen Seite erhielte die EZB eine dauerhafte Mehrheit bei streitigen Entscheidungen, weil sie die Euroländer dann einheitlich vertreten würde. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung im weiteren Rechtsetzungsverfahren auf eine Prüfung hinzuwirken, wie eine Spaltung der EU im Bereich der Bankenaufsicht zwischen Euro- und Nicht-Euroländern vermieden werden kann.
- 5. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 6. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.