Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen, das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) als Ausgleichsmaßnahme für den Wegfall der Binnengrenzkontrollen durch den in Kürze zu erwartenden Beitritt auch der neuen Mitgliedstaaten der EU zum so genannten "Schengenraum" zügig verfügbar zu machen und hierfür die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Zugleich wird der Ansatz begrüßt, den SIS-Rechtsrahmen besser auf das EU-Recht abzustimmen sowie eine breitere Nutzung des SIS II bei der Ausschreibung von Drittstaatsangehörigen zu erzielen und hierdurch den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten ein effektives System für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung und für verbesserte Identifizierungsmöglichkeiten missbräuchlich eingereister Personen zur Verfügung zu stellen.
- 2. Gegen den Verordnungsvorschlag bestehen jedoch Bedenken. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass dem Vorschlag in der jetzigen Form nicht zugestimmt werden kann.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den Beratungen des Beschlussvorschlags für folgende Änderungen einzusetzen:
- 3. Artikel 15 der Verordnung konkretisiert die Voraussetzungen für eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung durch die nationalen Verwaltungs- oder Justizbehörden.
Auch wenn eine Harmonisierung dieser Regelung vor dem Hintergrund eines zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Gemeinschaftsrechts mit Bindungswirkung für alle Mitgliedstaaten wünschens- und erstrebenswert ist, erscheinen die Hürden, die vom Verordnungsvorschlag für eine solche Ausschreibung angelegt werden, zu hoch, um eine konsequente Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in der EG gewährleisten zu können. Es wird eine stärkere Orientierung am bisher geltenden Artikel 96 SDÜ gefordert.
So fordert Artikel 15 Abs. 1 Buchstabe a das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, während für eine Ausschreibung nach Artikel 96 SDÜ das Vorliegen einer Gefahr ausreicht. Daneben ist die Frage, wann und ob eine Gefahr als schwerwiegend zu bewerten ist, im Lichte der Aufzählung in Nummern i und ii zu bewerten, die einen entsprechenden Maßstab vorgeben. Insbesondere Nummer i erfordert hierbei strengere Voraussetzungen als die bisherige Regelung in Artikel 96 Abs. 2 Buchstabe b: So wird bei Übernahme der geplanten Regelung z.B. eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung wegen fortgesetzter gefährlicher Körperverletzung im Rahmen von Hooliganismus in zahlreichen Fällen nicht geschehen (können), da diese Straftat in Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl nicht genannt ist (selbst bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen dieser Straftat kann eine Ausschreibung dann nicht erfolgen, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist - vgl. Artikel 15 Buchstabe a Nr. ii i.V.m. §§ 11, 54 Nr. 1 AufenthG). Dies erscheint gerade angesichts der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland kontraproduktiv.
Mindestens ist daher zu fordern,
- - das Wort "schwerwiegend" aus dem Verordnungsentwurf zu streichen und
- - Nummer i wie folgt zu fassen: "... der Drittstaatsangehörige wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist;"
um keine höheren Hürden für Ausschreibungen aufzurichten als im Rahmen der bewährten Regelung des Artikels 96 Abs. 2 SDÜ.
- 4. Artikel 96 Abs. 2 Buchstabe b SDÜ lässt für eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung den begründeten Verdacht einer schweren Straftat genügen. Diese Regelung findet in der Verordnung kein Äquivalent. Daher wird vorgeschlagen eine Regelung im Sinne des Artikels 96 Abs. 2 Buchstabe b SDÜ in den Verordnungsentwurf aufzunehmen.
- 5. In Artikel 17 der Verordnung werden die für den Zugriff berechtigten Dienststellen aufgezählt. Hier fehlt eine klare Rechtsgrundlage für den Zugriff auf Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung für die Polizei (des Bunds und der Länder), wenn sie im Binnenbereich (Schleierfahndung) agiert, und für den Zoll. Dies führt zu einem Informationsdefizit bei der Kontrolle illegal eingereister Personen oder von an den Außengrenzen nicht kontrollierten Personen im Binnenbereich der EU.