A. Problem und Ziel
Auf der Ebene der Europäischen Union und des Europarats wurden in den vergangenen Jahren zwei internationale Rechtsinstrumente zur strafrechtlichen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geschaffen, die in nationales Recht umzusetzen sind:
- 1. der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12. 2008, S. 55) und
- 2. das Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art.
B. Lösung
Die Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls sollen durch eine Änderung von § 130 des Strafgesetzbuches (Volksverhetzung) umgesetzt werden.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand Keine
- 2. Vollzugsaufwand Ein nennenswerter Mehraufwand ist nicht zu erwarten.
E. Sonstige Kosten
Für die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, entstehen keine Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 13. August 2010
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister
Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Mit freundlichen Grüßen
Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin
Dr. Guido Westerwelle
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art1)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches
§ 130 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Absatz 1 wird wie folgt gefasst:"
- (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
- 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
- 2. Absatz 2 Nummer 1 wird wie folgt gefasst:
"1. Schriften (§ 11 Absatz 3), die zum Hass gegen eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder ihre Menschenwürde dadurch angreifen, dass sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
- a) verbreitet,
- b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
- c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
- d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder"
- (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1) Dieses Gesetz dient der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55) und des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
I. Entstehungsgeschichte
In den vergangenen Jahren konnten auf europäischer und internationaler Ebene wichtige Fortschritte im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie bei der Angleichung der einschlägigen Strafvorschriften erreicht werden.
Am 28. November 2008 wurde der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom Rat angenommen. Die politische Einigung über den Rahmenbeschluss war am 19. April 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft gelungen. Der Rahmenbeschluss sieht eine Mindestharmonisierung von Strafvorschriften zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vor. Im Mittelpunkt steht das Verbot der öffentlichen Aufstachelung zu Gewalt und Hass gegen Menschen anderer Rasse, Hautfarbe, Religion oder anderer nationaler wie auch ethnischer Abstammung. Der Rahmenbeschluss ist bis zum 28. November 2010 in nationales Recht umzusetzen.
Auf der Ebene des Europarats wurde am 28. Januar 2003 das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art zur Zeichnung aufgelegt. Das Zusatzprotokoll ergänzt das Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität. Es bezweckt die internationale Angleichung des materiellen Strafrechts im Bereich der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Internet sowie die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich (vgl. Artikel 1 des Zusatzprotokolls). Eine solche Angleichung erleichtert die Bekämpfung dieser Straftaten auf internationaler Ebene, insbesondere soweit es für die Gewährung von strafrechtlicher Rechtshilfe auf das Vorliegen einer beiderseitigen Strafbarkeit ankommt. Deutschland hat das Zusatzprotokoll am 28. Januar 2003 in Straßburg gezeichnet. Eine Ratifikation des Zusatzprotokolls ist nach seinem Artikel 9 Absatz 2 erst ab dem Zeitpunkt möglich, ab dem die Ratifikationsurkunde für das Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität hinterlegt wird. Dies ist für Deutschland am 9. März 2009 geschehen.
II. Änderungsbedarf im deutschen Strafrecht
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Änderungen im deutschen Strafrecht zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls vorgeschlagen.
Das deutsche Strafrecht entspricht den zwingenden Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls bereits weitgehend. Umsetzungsbedarf ergibt sich jedoch in Bezug auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a und b des Rahmenbeschlusses und Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Zusatzprotokolls.
Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses muss jeder Mitgliedstaat die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definiert ist, oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe unter Strafe stellen. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses verbietet darüber hinaus die öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, von Bild- oder sonstigem Material mit entsprechendem Inhalt.
Das Zusatzprotokoll fordert in seinem Artikel 3 Absatz 1, dass jede Vertragspartei die vorsätzliche Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über Computersysteme unter Strafe stellt. "Rassistisches und fremdenfeindliches Material" im Sinne des Protokolls bedeutet nach seinem Artikel 2 Absatz 1 "jedes schriftliche Material, jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, das beziehungsweise die Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder eine Personengruppe befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt."
Im deutschen Recht entspricht § 130 des Strafgesetzbuches (StGB) den oben genannten Vorgaben bereits weitgehend. Nach § 130 Absatz 1 StGB macht sich strafbar, wer - in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören - zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert. Ebenso wird bestraft, wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
Jedoch erfasst § 130 Absatz 1 StGB in seiner bisherigen Fassung ausdrücklich nur "Teile der Bevölkerung", nicht dagegen Einzelpersonen. Demgegenüber verlangen sowohl der Rahmenbeschluss als auch das Zusatzprotokoll, dass die entsprechenden Strafvorschriften nicht nur die Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen bestimmte Gruppen, sondern auch gegen einzelne Mitglieder der Gruppen erfassen müssen.
Zur Umsetzung der Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls ist es daher erforderlich, den Wortlaut der Vorschrift auf Einzelpersonen zu erweitern.
In diesem Zusammenhang sollen auch die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses genannten Gruppen in § 130 Absatz 1 StGB zukünftig gesondert aufgeführt werden. Dies spiegelt nicht zuletzt wider, dass die Hetze gegen die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen einen wesentlichen Anwendungsfall des § 130 StGB in der Praxis bildet.
III. Anforderungen, denen das geltende Recht bereits genügt
Den übrigen Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls genügt das geltende Recht bereits heute.
Der Rahmenbeschluss verlangt in seinem Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und d die folgenden Handlungen unter Strafe zu stellen, wenn sie zu Gewalt oder Hass gegen Menschen aufstacheln, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definiert werden:
- 1. das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses),
- 2. das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang zum Londoner Abkommen vom 8. August 1945 (Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe d des Rahmenbeschlusses).
Der Rahmenbeschluss verpflichtet damit nur zu einer Kriminalisierung, wenn die Handlungen zu Gewalt oder Hass aufstacheln.
Auch das Zusatzprotokoll enthält eine entsprechende Vorschrift (Artikel 6 des Zusatzprotokolls), nach der das Leugnen, grobe Verharmlosen, Billigen oder Rechtfertigen von Völkermorden oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe zu stellen sind, wenn die Verbrechen in rechtskräftigen Endentscheidungen internationaler Gerichte festgestellt wurden. Die Strafbarkeit darf zusätzlich davon abhängig gemacht werden, ob damit zu Hass aufgestachelt werden soll (Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a). Das Zusatzprotokoll erlaubt darüber hinaus in seinem Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b den Vorbehalt, die Vorschrift insgesamt oder teilweise nicht anzuwenden.
Beide Instrumente räumen dem nationalen Gesetzgeber damit einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Es müssen nur solche Fälle unter Strafe gestellt werden, in denen mit der Leugnung, Billigung oder Verherrlichung der aufgeführten Verbrechen Hetze betrieben wird. Das "schlichte Leugnen", ohne dass zugleich zu Hass und Gewalt gegen die in Rahmenbeschluss und Zusatzprotokoll genannten Gruppen aufgestachelt wird, muss nicht kriminalisiert werden. Insoweit sind Änderungen im deutschen Strafrecht nicht notwendig.
Mit § 130 Absatz 1 StGB enthält das deutsche Strafrecht eine Vorschrift, mit der die Aufstachelung zu Hass gegen Teile der Bevölkerung oder die Aufforderung zu Gewalttaten unter Strafe gestellt wird, wenn dies in einer Weise geschieht, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Nach § 130 Absatz 2 StGB ist das Verbreiten von Schriften strafbar, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Nach § 130 Absatz 2 Nummer 2 StGB gilt dies ausdrücklich auch für die Verbreitung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste. Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen stehen nach § 11 Absatz 3 StGB den Schriften gleich.
Da § 130 Absatz 1 und 2 StGB "jede" Form der Aufstachelung zu Hass unter Strafe stellt, fällt darunter grundsätzlich auch eine Aufstachelung, die in der Form der öffentlichen Leugnung oder gröblichen Verharmlosung von Völkermorden oder Kriegsverbrechen geschieht. Dies ist für bestimmte Fälle der Holocaustleugung auch höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH NStZ 1994, 140). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde das Schicksal der Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als "Erfindung" dargestellt und diese Behauptung mit dem Motiv der angeblichen Erpressung verbunden (sogenannte "qualifizierte Ausschwitzlüge"). Diese Grundsätze gelten nicht nur für den nationalsozialistischen Völkermord, sondern auch für andere Verbrechen entsprechend.
§ 130 Absatz 3 StGB stellt darüber hinaus die öffentliche Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von Völkermordhandlungen der in § 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) bezeichneten Art, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangen wurden, unter Strafe und geht insoweit über die zwingenden Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls hinaus.
Das öffentliche Billigen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ist bereits nach § 140 Nummer 2 in Verbindung mit § 126 Absatz 1 Nummer 2 StGB strafbar, wenn es geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Zudem stellt § 185 in Verbindung mit § 194 StGB die Beleidigung unter Strafe und verzichtet gemäß § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB auf das Strafantragserfordernis, wenn die verletzte Person einer unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgten Gruppe angehört, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt. Schließlich stellt § 189 StGB die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter Strafe. Der Schutzbereich dieser Vorschrift ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHSt 40, 97, 104) verletzt, wenn der nationalsozialistische Völkermord als "Gaskammerlüge", "Gaskammermythos", "Auschwitzlüge" oder mit ähnlichen Begriffen als bloße Erfindung abgetan und dies mit herabsetzenden Begriffen ("Lüge") negativ betont wird. Gleiches gilt für den Versuch, die alle Vorstellungen übersteigende Zahl der Opfer durch pseudowissenschaftliche Berechnungen ins Lächerliche zu ziehen.
Die Leugnungstatbestände des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls, die nicht unter den bereits bestehenden Straftatbestand der Holocaustleugnung ( § 130 Absatz 3 StGB) fallen, werden daher über die Tatbestände der Volksverhetzung nach § 130 Absatz 1 und 2 StGB, der öffentlichen Billigung von Straftaten nach § 140 Nummer 2 StGB, der Beleidigung nach § 185 in Verbindung mit § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 in Verbindung mit § 194 Absatz 2 StGB erfasst und bedürfen keiner weiteren Umsetzung. Es muss daher auch nicht von der Möglichkeit eines Vorbehalts nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b des Zusatzprotokolls Gebrauch gemacht werden. Danach kann sich eine Vertragspartei das Recht vorbehalten, die Leugnung, grobe Verharmlosung, Billigung oder Rechtfertigung von Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Artikel 6 Absatz 1 des Zusatzprotokolls nicht unter Strafe zu stellen.
Der Rahmenbeschluss erlaubt es den Mitgliedstaaten in seinem Artikel 1 Absatz 4 bei seiner Annahme oder danach eine Erklärung abzugeben, nach der sie die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und d genannten Verbrechen nur dann unter Strafe stellen, wenn ein (nationales oder internationales) Gericht sie endgültig festgestellt hat. Für Deutschland ist eine entsprechende Erklärung derzeit nicht abzugeben, denn für die insoweit einschlägigen Straftatbestände des StGB kommt es nicht darauf an, ob die geleugneten Völkermordhandlungen zuvor durch ein Gericht endgültig festgestellt wurden. Im Übrigen könnte eine entsprechende Erklärung nach Artikel 1 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses auch noch später abgegeben werden, falls sich die deutsche Rechtslage ändern sollte.
Nach seinem Artikel 1 Absatz 2 stellt es der Rahmenbeschluss den Mitgliedstaaten frei, die Strafbarkeit zusätzlich davon abhängig zu machen, ob die Handlungen in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören, oder ob sie Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen. Der Rahmenbeschluss erlaubt damit eine Fortführung des geltenden deutschen Rechts, das die Strafbarkeit nach § 130 Absatz 1 und 3 StGB davon abhängig macht, dass die Handlung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. An diesem Tatbestandsmerkmal soll im deutschen Recht festgehalten werden. Wie das Bundesverfassungsgericht zu § 130 Absatz 4 StGB jüngst festgestellt hat (Beschluss vom 4. November 2009, 1 BvR 2150/08, Rn. 94), handelt es sich beim Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Friedens um ein Korrektiv, das es insbesondere erlaubt, auch grundrechtlichen Wertungen im Einzelfall Geltung zu verschaffen. Bei der förmlichen Annahme des Rahmenbeschlusses hat Deutschland durch eine Protokollerklärung klargestellt, dass der in § 130 StGB verwendete Begriff "öffentlicher Friede" für die Umsetzung des Rahmenbeschlusses dem in Artikel 1 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses verwendeten Begriff "öffentliche Ordnung" genügt.
Artikel 2 des Rahmenbeschlusses verlangt, dass die Anstiftung zu den in seinem Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und d genannten Handlungen und die Beihilfe zur Begehung der in seinem Artikel 1 genannten Handlungen unter Strafe zu stellen sind. Anstiftung und Beihilfe zu diesen Handlungen werden bereits von den §§ 26 und 27 StGB erfasst, so dass kein Umsetzungsbedarf besteht.
Nach Artikel 3 des Rahmenbeschlusses hat jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen bedroht sind. Dabei ist sicherzustellen, dass die in Artikel 1 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen im Höchstmaß mit mindestens einem Jahr bedroht sind. § 130 StGB, ggf. auch in Verbindung mit den §§ 26 und 27 StGB, sieht wirksame, angemessene und abschreckende Strafen vor. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von § 130 Absatz 1 bis 3 StGB liegt bei drei (Absatz 2) und fünf Jahren (Absatz 1 und 3).
Nach Artikel 4 des Rahmenbeschlusses ist sicherzustellen, dass bei anderen als den in seinen Artikeln 1 und 2 aufgeführten Straftaten rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe entweder als erschwerender Umstand gelten oder dass solche Beweggründe bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden können. Auch hier besteht kein Umsetzungsbedarf, weil nach § 46 StGB u.a. Beweggründe und Ziele des Täters sowie die Gesinnung, die aus seiner Tat spricht, bei der Strafzumessung abzuwägen sind. Es ist in der deutschen Rechtspraxis anerkannt, dass rassistische Beweggründe nach § 46 StGB zu berücksichtigen sind und regelmäßig zu einer Strafschärfung führen. Darüber hinaus erfüllt eine derartige Motivation regelmäßig das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe im Sinne des § 211 StGB (vgl. Fischer, StGB, 56. Auflage 2009, § 211 Rn. 21; Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 1. Auflage 2003, § 211 Rn. 80, 83; jeweils m. w. N.). Dies ist auch für die Auslegung des Strafzumessungsmerkmals "Beweggründe und Ziele" gemäß § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB heranzuziehen (vgl. Theune in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2007, § 46 Rn. 84). Damit können solche Beweggründe bei der Festlegung des Strafmaßes berücksichtigt werden (Artikel 4, 2. Alternative des Rahmenbeschlusses). Dies geschieht in der Praxis auch (vgl. Kupna, Das Konzept der "Hate Crimes" in Deutschland, 2010, S. 197 f; OLG Brandenburg, 2 Ss 071/00 , 1 Ss 97/ 06; LG Neuruppin, 13 Ns 326 Js 14869/01 (20/02); AG Weimar, 596 Js 36556/06 2 Ls jug.; 556 Js 22206/08 2 Ls jug.).
Die Artikel 5 und 6 des Rahmenbeschlusses enthalten Vorgaben über die Verantwortlichkeit juristischer Personen und entsprechende Sanktionen. Mit den §§ 30 und 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) besteht im deutschen Recht ein Instrumentarium, das diesen Anforderungen genügt.
Der von Artikel 7 des Rahmenbeschlusses geforderten Achtung und Wahrung verfassungsmäßiger Bestimmungen und Grundprinzipien wird im deutschen Recht Rechnung getragen. So sind nach Artikel 1 Absatz 3 des Grundgesetzes (allgemeigg_ges.htm ) Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Ferner folgen aus Artikel 20 Absatz 3 GG die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht.
Artikel 8 des Rahmenbeschlusses fordert, dass jeder Mitgliedstaat die Maßnahmen trifft, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die Ermittlungen bei Handlungen nach den Artikeln 1 und 2 des Rahmenbeschlusses oder deren strafrechtliche Verfolgung zumindest in den schwerwiegendsten Fällen, in denen die Handlung in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Opfer Anzeige erstattet oder Klage erhebt. Auch dies erfordert keine gesonderte Umsetzung, weil für die zur Umsetzung heranzuziehenden Vorschriften (§§ 130, 140 Nummer 2 und § 185 in Verbindung mit § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB, soweit der Verletzte der Strafverfolgung nicht widerspricht, § 194 Absatz 1 Satz 3 StGB sowie § 189 in Verbindung mit § 194 Absatz 2 Satz 2 StGB, soweit ein Antragsberechtigter der Verfolgung nicht widerspricht) kein Strafantragserfordernis besteht und die Strafverfolgung daher von Amts wegen erfolgt.
Artikel 9 des Rahmenbeschlusses betrifft die "gerichtliche Zuständigkeit" in Form des Strafanwendungsrechts. Auch insoweit ergibt sich kein Umsetzungsbedarf. Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses hat jeder Mitgliedstaat seine Zuständigkeit in Bezug auf die in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen zu begründen, wenn diese ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurden. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist im deutschen Recht bereits durch § 3 StGB (in Verbindung mit § 9 Absatz 1 StGB) gewährleistet.
Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf die in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen zu begründen, wenn diese von einem seiner Staatsangehörigen begangen wurden. Dieses Erfordernis wird durch § 7 Absatz 2 Nummer 1 StGB abgedeckt. Zwar gilt nach § 7 Absatz 2 Nummer 1 StGB für Taten deutscher Staatsangehöriger, die im Ausland begangen werden, das deutsche Strafrecht nur dann, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder wenn der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses verbietet den Mitgliedstaaten jedoch nicht, ihre gerichtliche Zuständigkeit von der Tatortstrafbarkeit abhängig zu machen. Dies zeigt ein Vergleich mit anderen neueren Instrumenten auf der Ebene der Europäischen Union und des Europarats. Artikel 9 des Rahmenbeschlusses enthält nämlich gerade keine Regelung, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass ihre Zuständigkeit bei Auslandstaten eigener Staatsangehöriger nicht von der Tatortstrafbarkeit abhängig gemacht werden darf. Anders ist dies zum Beispiel bei Artikel 25 Absatz 4 des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch vom 25. Oktober 2007, bei Artikel 8 Absatz 2 des Vorschlags der Europäischen Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz von Opfern sowie zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI vom 25. März 2009 ( KOM (2009) 136 endgültig) und bei Artikel 13 Absatz 3 des Vorschlags der Europäischen Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates vom 26. März 2009 (KOM (2009) 135 endgültig). Dasselbe kann im Ergebnis auch für den Fall unterstellt werden, dass der Tatort überhaupt keiner Strafgewalt unterliegt; ganz abgesehen davon dürfte dieser Fall praktisch nicht vorkommen. Demnach ist hier auch nicht erforderlich, von der Möglichkeit des Artikels 9 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses Gebrauch zu machen.
Auch aus Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe c des Rahmenbeschlusses ergibt sich mit Blick auf Absatz 3 kein Umsetzungsbedarf. Nach dieser Vorschrift trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um seine Zuständigkeit in Bezug auf die in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenbeschlusses genannten Handlungen zu begründen, wenn diese zugunsten einer juristischen Person, deren Hauptsitz sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet, begangen wurden. Wenn eine solche Tat im Ausland zugunsten einer juristischen Person mit Hauptsitz im Inland begangen wurde, findet nach § 3 in Verbindung mit § 9 Absatz 1, 3. Fall StGB deutsches Strafrecht Anwendung, wenn damit gleichzeitig der tatbestandliche Erfolg auch im Inland eintritt. Deutsches Recht ist demgegenüber nicht anzuwenden, wenn der Erfolg einer im Ausland begangenen Tat zugunsten einer im Inland ansässigen juristischen Person nur im Ausland eintritt. Eine Erstreckung deutschen Rechts auf derartige Fallgestaltungen erscheint auch nicht angezeigt. Für die danach nicht erfassten Fälle macht Deutschland deshalb von der Möglichkeit des Artikels 9 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses Gebrauch, wonach ein Mitgliedstaat beschließen kann, die hier in Rede stehende Zuständigkeitsregelung des Rahmenbeschlusses nicht oder nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Umständen anzuwenden.
Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses bestimmt, dass ein Mitgliedstaat seine gerichtliche Zuständigkeit auch für Fälle zu begründen hat, in denen die Handlungen im Rahmen eines Informationssystems begangen werden und
- 1. der Täter bei Begehung der Handlungen in seinem Hoheitsgebiet physisch anwesend ist, unabhängig davon, ob die Handlungen Inhalte betreffen, die sich in einem in seinem Hoheitsgebiet betriebenen Informationssystem befinden (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses) oder
- 2. die Handlungen Inhalte betreffen, die sich in einem in seinem Hoheitsgebiet betriebenen Informationssystem befinden, unabhängig davon, ob der Täter bei Begehung der Handlungen in seinem Hoheitsgebiet physisch anwesend ist (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses).
Die Vorgaben des Buchstabens a werden durch § 3 in Verbindung mit § 9 Absatz 1, 1. Fall StGB erfüllt.
Auch hinsichtlich der Vorgaben des Buchstabens b besteht kein Umsetzungsbedarf. Wenn die Handlungen Inhalte betreffen, die auf einem inländischen Informationssystem abgelegt und in Deutschland abrufbar sind, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum "Erfolgsort" im Sinne des § 9 Absatz 1, 3. Fall StGB bei dem abstraktkonkreten Gefährdungsdelikt des § 130 Absatz 1 und 3 StGB das deutsche Strafrecht auch in Fällen der Verbreitung über das Internet (BGHSt 46, 212). Die Anwendbarkeit von § 130 StGB ergibt sich aus § 3 StGB in Verbindung mit § 9 StGB. Denn es liegt eine Inlandstat (§ 3 StGB) vor, weil der zum Tatbestand gehörende Erfolg in Deutschland eintritt (§ 9 Absatz 1, 3. Fall StGB). Aufgrund der Formulierung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses sind auch nur solche Inhalte gemeint, die nicht bloß auf einem inländischen Server gespeichert, sondern auch im Inland abrufbar sind. Denn Buchstabe b bezieht sich auf die "Handlungen" des Artikels 1 (bzw. des Artikels 2) des Rahmenbeschlusses, die jeweils ein Öffentlichmachen der Information voraussetzen.
IV. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht).
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
V. Gesetzesfolgen
Das Vorhaben selbst wird Bund, Länder und Gemeinden nicht mit Mehrkosten belasten. Auch auf der Vollzugsseite ist nicht mit nennenswertem Mehraufwand zur rechnen.
Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf die Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, oder die Umwelt zu erwarten.
Das Vorhaben trägt dazu bei, die Innere Sicherheit zu gewährleisten und die Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Extremismus zu schützen; im Übrigen berührt es keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.
Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind ebenfalls nicht zu erwarten.
VI. Bürokratiekosten
Mit dem Gesetzentwurf werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches) Zu Nummer 1 ( § 130 Absatz 1 StGB)
Die Neufassung des § 130 Absatz 1 StGB dient der innerstaatlichen Umsetzung der Vorgabe des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls, die Aufstachelung zu Gewalt und Hass gegen Einzelpersonen unter Strafe zu stellen. Sie präzisiert die Vorschrift darüber hinaus für die im Rahmenbeschluss und im Zusatzprotokoll genannten Gruppen.
Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe unter Strafe gestellt wird. Auch das Zusatzprotokoll verbietet das Befürworten, Fördern oder Aufstacheln zu Hass oder Gewalt gegen eine Person oder eine Personengruppe (vgl. Artikel 2 Absatz 1 des Zusatzprotokolls).
§ 130 Absatz 1 StGB nennt als Angriffsobjekte dagegen ausdrücklich nur "Teile der Bevölkerung", d.h. zahlenmäßig nicht unerhebliche Personenmehrheiten. Die Hetze gegen eine Einzelperson wird damit vom Wortlaut der Strafvorschrift bisher nicht erfasst.
Zwar gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1967 (BGHSt 21, 371), in der es darum ging, dass auf dem Wahlplakat eines jüdischen Bewerbers das Wort "Jude" hinzugefügt worden war. Der BGH deutete dies als Forderung nach Ausschluss "der Juden" insgesamt von öffentlichen Ämtern und sah in dem Angriff auf einen Einzelnen daher zugleich auch einen Angriff auf eine Gruppe. Jedoch genügt eine solche höchstrichterliche Einzelentscheidung, die zudem lange zurück liegt und einen auch mit Blick auf die deutsche Geschichte speziellen Einzelfall betraf, nicht, um die gesetzgeberische Umsetzungsverpflichtung aus dem Rahmenbeschluss zu erfüllen. Vielmehr erscheint es europarechtlich geboten, § 130 StGB explizit an die Vorgaben des Rahmenbeschlusses anzupassen. Denn das EU-Recht verlangt, dass die innerstaatliche Umsetzung hinreichend klar und bestimmt erfolgt und bei den Bürgerinnen und Bürgern keine Zweifel entstehen, wie sie behandelt werden. Maßstab sind insbesondere die Anforderungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten an die Bestimmtheit von Straftatbeständen.
Durch die Neufassung werden nunmehr auch Einzelpersonen ausdrücklich in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen. Dabei wird durch die vorgeschlagene Ergänzung "wegen seiner Zugehörigkeit zu" deutlich, dass das Erfordernis der Gruppenbezogenheit, das auch in der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu finden ist, beibehalten wird. Es fällt daher nicht schon der Angriff auf eine Einzelperson als solche unter den Tatbestand, sondern nur das Aufstacheln zum Hass oder das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen eine Einzelperson wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der genannten Gruppen oder eines bestimmten Bevölkerungsteils.
Durch die ausdrückliche Aufnahme von Einzelpersonen in den Wortlaut des § 130 Absatz 1 StGB wird daher nicht nur den Vorgaben des Rahmenbeschlusses entsprochen, sondern auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung getragen.
Die Aufnahme von Einzelpersonen in den Wortlaut des § 130 Absatz 1 StGB soll nicht auf die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen beschränkt werden. Sie erfasst vielmehr alle Personenmehrheiten, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als erkennbare Einheit herausheben, und daher als Teile der Bevölkerung schon nach der bisherigen Rechtslage von § 130 StGB geschützt werden. Damit gilt für Angriffe auf Einzelne z.B. wegen ihrer Homosexualität oder wegen ihrer Behinderung die gleiche Rechtslage wie für Angriffe auf Einzelne wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Nationalität. Denn ob jemand aufgrund seiner Zugehörigkeit z.B. zu einer religiösen Gruppe oder zu einer bestimmten Berufsgruppe angegriffen wird, macht insoweit keinen Unterschied, wenn die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 130 Absatz 1 StGB vorliegen.
Die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen werden nunmehr ausdrücklich in den neuen § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB aufgenommen und neben den Begriff "Teile der Bevölkerung" gestellt. Dies ist notwendig, um die internationalen Vorgaben eindeutig umzusetzen, einen einheitlichen Sprachgebrauch in den Absätzen 1 und 2 des § 130 StGB zu gewährleisten und damit mögliche Irritationen oder falsche Umkehrschlüsse auszuschließen. Für die Umschreibung der vom Rahmenbeschluss erfassten Gruppen greift der Entwurf auf die bisher bereits in § 130 Absatz 2 StGB vorhandene Aufzählung zurück, die nur in einem Punkt sprachlich modernisiert wird: In Anlehnung an § 6 VStGB, der mit dem Gesetz zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches vom 26. Juni 2002 (Artikel 2 Nummer 10) den Tatbestand des § 220a a. F. StGB übernommen hat, wird das bisher verwendete Tatbestandsmerkmal "durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe" durch die Formulierung "durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe" ersetzt. Eine Änderung des sachlichen Gehalts der Vorschrift ist damit nicht verbunden. Durch das Merkmal der ethnischen Herkunft werden die im Rahmenbeschluss verwendeten Begriffe "Hautfarbe" und "Abstammung" ebenfalls erfasst.
Der Rahmenbeschluss beschränkt den Schutz vor rassistischer und fremdenfeindlicher Hetze nicht auf inländische Gruppen oder Gruppenmitglieder. Dies gilt auch für § 130 StGB in Bezug auf die dort genannten Gruppen oder Einzelpersonen. Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auf jeden Inlandsbezug verzichtet wird. Der Rahmenbeschluss stellt es nämlich in seinem Artikel 1 Absatz 2 den Mitgliedstaaten frei, nur Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören (vgl. A. III., S. 6). Von dieser Möglichkeit macht Deutschland Gebrauch. Es bleibt daher in § 130 Absatz 1 StGB dabei, dass die Tat geeignet sein muss, den öffentlichen Frieden zu stören. Aus diesem Erfordernis ergibt sich, dass die Tat, wie auch schon nach der bisherigen Rechtslage, einen Inlandsbezug aufweisen muss.
Während der Rahmenbeschluss nur von der Aufstachelung zu Gewalt und Hass spricht, stellt § 130 Absatz 1 Nummer 2 StGB darüber hinaus auch den Angriff auf die Menschenwürde anderer durch das Beschimpfen, das Böswilligverächtlich-Machen oder das Verleumden von Teilen der Bevölkerung unter Strafe. Auch für diese Fälle soll der Schutz auf Einzelpersonen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der genannten Gruppen erweitert werden. Dies wird gerechtfertigt durch den engen Sachzusammenhang mit § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB und durch die Strafwürdigkeit eines solchen Verhaltens. Insoweit geht die Neuregelung über die Forderungen des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls hinaus.
Zu Nummer 2 ( § 130 Absatz 2 StGB)
Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses ist die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe durch öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, Bild- oder sonstigem Material unter Strafe zu stellen.
Nach Artikel 3 Absatz 1 des Zusatzprotokolls besteht die Verpflichtung, das vorsätzliche
Verbreiten oder anderweitige Öffentlichverfügbar-Machen rassistischen oder fremdenfeindlichen Materials über ein Computersystem unter Strafe zu stellen. "Rassistisches und fremdenfeindliches Material" im Sinne des Protokolls ist nach seinem Artikel 2 Absatz 1 "jedes schriftliche Material, jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, das beziehungsweise die Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder eine Personengruppe befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt."
Artikel 1 Nummer 2 setzt diese Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls insoweit um, als nun auch die Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen Einzelpersonen, die in Schriftform erfolgt, unter Strafe gestellt wird. Dies geschieht durch eine In-Bezugnahme von § 130 Absatz 1 StGB.
Die Begehung einer Handlung nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses durch öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, Bild- oder sonstigem Material löst demgegenüber keinen Umsetzungsbedarf aus, weil die Vorgaben bereits von § 130 Absatz 2 StGB in Verbindung mit § 11 Absatz 3 StGB erfasst sind. Nach § 11 Absatz 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleich.
Auch in seiner neuen Fassung enthält § 130 Absatz 2 StGB - anders als Absatz 1 dieser Vorschrift - keine Beschränkung auf das Inland, weil eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens nicht erforderlich ist. Somit schützt § 130 Absatz 2 StGB auch Gruppen, deren Angehörige sich teilweise oder sogar ausschließlich im Ausland aufhalten.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.