Punkt 17a der 873. Sitzung des Bundesrates am 9. Juli 2010
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat bedauert, dass die verkürzte Beratung des Gesetzes weder den Ländern noch den betroffenen Verbänden die Möglichkeit gegeben hat, sich inhaltlich detailliert mit der Neuregelung zu befassen. Außerdem liegt dem Gesetz mit der Verkürzung der Wehrpflicht kein Gesamtkonzept zu den zukünftigen Aufgaben der Bundeswehr, deren Organisationsstruktur und der Zukunft des Wehrdienstes zugrunde. Solange die von der Strukturkommission bis Ende 2010 zu erarbeitenden Eckpunkte für eine effiziente Organisationsstruktur der Bundeswehr nicht vorliegen, ist die Entscheidung über eine Verkürzung des Wehrdienstes daher verfrüht. Die Bundeswehr wird vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Aussetzung oder Abschaffung der Wehrpflicht durch das vorliegende Gesetz zu überflüssigen Strukturveränderungen gezwungen, die zusätzliche Kosten verursachen und erheblich Personal binden.
- 2. Durch die weitere Verkürzung des Grundwehrdienstes besteht die Gefahr, dass die Ausbildungszeit nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur späteren Verwendung steht. Beispielsweise sind im Sanitätsdienst Wehrpflichtige künftig mangels angemessener Ausbildungsdauer voraussichtlich nicht mehr einsetzbar.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Länder bei weiteren Überlegungen zur Reform des Wehrdienstes frühzeitig zu beteiligen, und dabei insbesondere die Auswirkungen einer Reduzierung der Truppenstärke auf die Standorte, die zivilmilitärische Zusammenarbeit und die Erhaltung der Einsatzfähigkeit des Zivil- und Katastrophenschutzes konkret darzustellen.
- 4. Ebenso bedürfen die Auswirkungen auf den Zivildienst und die Folgen der Verkürzung für die soziale Infrastruktur der Länder genauer Prüfung. Die finanziellen Auswirkungen auf Länder und Kommunen sind zurzeit noch nicht konkret bezifferbar. Viele soziale Einrichtungen in Ländern und Kommunen sind zu erheblichen Umstrukturierungen gezwungen, da die Zivildienstleistenden, deren Einsatz für neun Monate geplant war, nur noch sechs Monate zur Verfügung stehen. Die Einsatzmöglichkeit der Zivildienstleistenden wird überdies durch die Verkürzung erheblich eingeschränkt. Soweit das Gesetz zur Lösung der Probleme einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst vorsieht, ist zu kritisieren, dass damit ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis geschaffen wird, in dem Löhne gezahlt werden, die unter 4 Euro pro Stunde liegen. Damit wird im Rahmen des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses ein Niedriglohnsektor geschaffen, obwohl gerade erst ein Mindestlohn von 8,5 Euro im Westen bzw. 7,5 Euro im Osten für Pflegehilfskräfte eingeführt wurde.
- 5. Der Bundesrat fordert zudem, dafür Sorge zu tragen, dass die Eigenständigkeit der Jugendfreiwilligendienste, wie sie im Gesetz zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste vom 16. Mai 2008 geregelt sind, auch mittel- und langfristig gewahrt bleibt.
Die Absenkung der Förderung für Kriegsdienstverweigerer nach § 14c ZDG führt in einigen Bereichen der Jugendfreiwilligendienste zu Finanzproblemen der Träger und Einsatzstellen. Zu begrüßen ist die Absicht der Bundesregierung, die Jugendfreiwilligendienste durch Bundesmittel zu verstärken und die Bundesmittel in Höhe von 35 Mio. Euro, die durch die Absenkung der Förderung frei geworden sind, künftig zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste zu verwenden.
- 6. Der Bundesrat empfiehlt mit Blick auf die Folgen des Gesetzes für die Länder, die Mittel für die Jugendfreiwilligendienste generell anzuheben und die Förderhöhen unter Berücksichtigung der jeweiligen Strukturen dem erheblich gewachsenen Bedarf an pädagogischer Betreuung anzupassen. Die Träger der Jugendfreiwilligendienste, die von den zuständigen Landesbehörden zugelassen sind und keinem der acht bundeszentralen Träger angehören, müssen in die Förderung einbezogen werden.