Der Bundesrat hat in seiner 813. Sitzung am 8. Juli 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission den Schwerpunkt der Finanzdienstleistungspolitik für die nächsten fünf Jahre in der Konsolidierung der erreichten Fortschritte auf dem Weg zu einem integrierten, offenen, wettbewerbsfähigen und wirtschaftlich effizienten europäischen Finanzmarkt und in der Beseitigung der verbleibenden wirtschaftlich bedeutenden Hindernisse sieht. Nach der Vielzahl der bereits erfolgten und angesichts der weiteren bereits in die Wege geleiteten Regelungen benötigt die Finanzwirtschaft eine Phase verminderter Gesetzgebungsaktivitäten, um die ihr auferlegten neuen Vorgaben erfüllen zu können. Darüber hinaus ist angesichts der erreichten Regelungsdichte nach Auffassung des Bundesrates zu überprüfen, inwieweit in Teilbereichen eine Deregulierung angebracht ist.
- 2. Die Kommission prüft derzeit die Gründe für das von ihr festgestellte niedrige Niveau bei der bisherigen grenzübergreifenden Konsolidierung des Finanzsektors, und ob ungerechtfertigte Hindernisse bestehen, die das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts hemmen (Ziffer 3.3 und Anhang I, Abschnitt IV).
Diesen Prüfungsansatz vertiefend hat die Kommission im April 2005 eine Konsultation zu dem Thema grenzüberschreitende Übernahmen und Fusionen eröffnet, deren umfassender Ansatz erwarten lässt, dass die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Bankenmarkts erneut in das Blickfeld politischer Betrachtungen gerät. Der Bundesrat weist darauf hin, dass deutsche Sparkassen und genossenschaftliche Kreditinstitute volkswirtschaftlich wichtige Funktionen insbesondere für die Finanzierung mittelständischer Unternehmen und die Versorgung ländlicher Räume erfüllen. Darüber hinaus bewirkt der durch die deutsche Bankenstruktur erzeugte hohe Wettbewerb günstige Konditionen für die Kreditnehmer. Daher darf die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Bankenmarkts nicht zur Disposition stehen. Daneben gibt es in der Finanzwirtschaft fast jeden europäischen Landes eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsformen und Geschäftsmodelle. Diese Pluralität Europas auch auf dem Gebiet der Finanzmärkte trägt nicht unwesentlich zur Stabilität des Finanzsystems bei.
Der Bundesrat weist im Übrigen darauf hin, dass durch die Verständigung über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zwischen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland vom 17. Juli 2001 festgestellt ist, dass die Rechtsform der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute in Deutschland von der Kommission akzeptiert wird. Einvernehmlich wurde festgehalten, dass Kommissar Monti und die deutsche Delegation überzeugt sind, dass mit der Umsetzung der Verständigung über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung die wirtschaftlichen Aktivitäten der Landesbanken und Sparkassen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar werden.
- 3. Die Kommission schlägt einen dreistufigen evolutionären Ansatz vor, der zur effizienten Aufsichtskooperation in einem integrierten Europäischen Finanzmarkt beitragen soll. Die Tätigkeiten der Aufsichtsbehörden sollen so weit wie möglich grenzübergreifend und sektorübergreifend den gleichen Aufsichtsanforderungen unterliegen, um die Konvergenz der Aufsicht in allen Finanzsektoren zu erreichen (Anhang I, Abschnitt III).
Der Bundesrat begrüßt, dass es nach Auffassung der Kommission das primäre Ziel sein soll, die bestehenden Instrumentarien zu optimieren. Er betont daher, dass die angesprochene Entwicklung neuer Aufsichtsstrukturen nur Ultima Ratio sein kann.
- 4. Der Bundesrat ist nämlich der Auffassung, dass eine europäische Finanzaufsicht derzeit kein geeignetes Instrumentarium darstellt. Damit würde den Besonderheiten der unterschiedlichen Strukturen des Finanzdienstleistungsgewerbes in den Mitgliedstaaten der EU nicht ausreichend Rechnung getragen. Tendenziell wären sogar Überregulierungen für kleine und mittelständische Finanzdienstleister zu befürchten. Der Bundesrat ist dagegen der Auffassung, dass der begonnene Ansatz der Kooperation der Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten intensiviert werden sollte, um sich den sich weiter integrierenden europäischen Finanzmärkten anzupassen.