Der Bundesrat hat in seiner 958. Sitzung am 2. Juni 2017 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung
- 1. Neben den Geschlechtskategorien Mann und Frau existieren andere Geschlechtsidentitäten (so genannte Intersexualität und Transsexualität bzw. Transidentität), was jedoch im gesellschaftlichen Alltag bisher nicht hinreichend abgebildet wird. Diese Menschen stoßen im Alltag noch immer vielfach auf Vorurteile und Ablehnung.
- 2. Der Bundesrat bedauert, dass es an gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber diesen Menschen sowie ausreichender gesundheitlicher Versorgung und angemessenen Regelungen für diese Menschen weiterhin mangelt. Noch immer werden medizinisch nicht indizierte Operationen an intersexuellen Kindern durchgeführt, obwohl der Deutsche Ethikrat dies bereits 2012 kritisiert hat (BT-Drucksache 17/9088). Auch ist das Transsexuellengesetz (TSG) seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1981 nicht mehr grundlegend reformiert worden, währenddessen mehrere Regelungen des TSG bereits für verfassungswidrig erklärt worden sind.
- 3. Der Bundesrat begrüßt die Einrichtung einer Interministeriellen Arbeitsgruppe der Bundesregierung zum Schwerpunkt "Inter- und Transsexualität" und die Beauftragung wissenschaftlicher Gutachten durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, deren Ergebnisse bereits seit Februar 2017 veröffentlicht sind.
- 4. Der Bundesrat begrüßt ferner, dass die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrates zugestimmt hat, die nach bisherigem Recht vorgeschriebene Beteiligung des Vertreters des öffentlichen Interesses für Verfahren nach dem TSG entfallen zu lassen (vergleiche Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucksache 18/11612, Seiten 46, 47 und 50).
- 5. Der Bundesrat gibt aber zu bedenken, dass diese lediglich punktuelle Änderung des TSG angesichts des aus Sicht der Länder bestehenden dringenden Reformbedarfes bei weitem nicht ausreichend ist. Die Arbeitsgruppe der Bundesregierung tagt bereits seit 2014. Alle wesentlichen Fragen einer Reform sind durch mehrere, umfangreiche Gutachten geklärt. Ein weiteres Abwarten des angekündigten Abschlussberichts der Interministeriellen Arbeitsgruppe droht die notwendige Reform daher nur weiter zu verzögern - mit allen negativen Folgen für die Betroffenen, die sich zwischenzeitlich weiterhin einer teuren und unnötigen Begutachtungspflicht unterziehen müssen.
- 6. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, in einem nächsten Schritt darauf hinzuwirken, dass unverzüglich das TSG in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Gutachten aufgehoben und durch ein entsprechendes modernes Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung ersetzt wird. Dabei ist insbesondere die teure und unnötige Begutachtungspflicht vor einer Vornamens- bzw. Personenstandsänderung sofort abzuschaffen und durch ein Verwaltungsverfahren zur Anerkennung der Geschlechtsidentität zu ersetzen.