Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb

846. Sitzung des Bundesrates am 4. Juli 2008

A.

Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Agrarausschuss (A) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat begrüßt die Umsetzung der Richtlinie durch Integration in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unter Beibehaltung von dessen Konzeption.

Er bedauert, dass der Gesetzentwurf von der im Diskussionsentwurf vom 8. Mai 2007 und im Referentenentwurf vom 27. Juli 2007 verfolgten Linie einer möglichst schlanken Umsetzung der Richtlinie unter weitestgehender Beibehaltung der Formulierungen des UWG abweicht. Er bittet, die Abweichungen zum bisherigen Konzept des UWG im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überprüfen und möglichst zurückzuführen.

Begründung

Ziel des Diskussionsentwurfs und des Referentenentwurfs war es, die durch die Richtlinienumsetzung erforderlichen Änderungen möglichst schlank in das von der Richtlinie teilweise abweichende Konzept des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu integrieren. Davon weicht der nun vorliegende Gesetzentwurf in weiten Bereichen ab. Er orientiert sich wesentlich näher am Richtlinientext und übernimmt die Formulierungen der Richtlinie teilweise wörtlich.

Dies gilt beispielsweise für die Einführung der "geschäftlichen Handlung" statt der "Wettbewerbshandlung" als zentralen Begriff, für die Neufassung der Generalklausel in § 3 UWG-E, für die Regelung zur Verwechslungsgefahr im Zusammenhang mit Marken oder Kennzeichen in § 5 Abs. 2 UWG-E oder für die Übernahme von Nummer 26 des Anhangs I zur Richtlinie in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E.

Diese und weitere Änderungen dienen zwar einer näheren Angleichung an die Richtlinie, beinhalten aber die Gefahr von Brüchen und Widersprüchen zum bewährten System des erst 2004 umfassend reformierten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, ohne dass diese intensiv unter Beteiligung der Praxis diskutiert werden konnte. Auch sollten Änderungen des relativ jungen Gesetzes im Interesse der Anwender nur soweit vorgenommen werden, als sie unbedingt notwendig sind. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzentwurf manche, durch die Neukonzeption aufgetretenen Fragen nicht entscheidet, sondern der Klärung durch die Rechtsprechung überlässt. Diese Punkte sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren nochmals erörtert werden.

2. Zu Artikel 1 Nr. 3 (§ 3 Abs. 2 Satz 3 UWG)

Artikel 1 Nr. 3 § 3 Abs. 2 Satz 3 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Beim Schutz besonders leicht beeinflussbarer oder wehrloser Verbrauchergruppen ist vorrangig nicht die Vorhersehbarkeit, sondern die Zielrichtung des geschäftlichen Handelns maßgeblich, da diese den Hauptanwendungsfall der Vorschrift gemäß Artikel 5 Abs. 2 Buchstabe b und Absatz 3 der Richtlinie 2005/29/EG darstellt. Die Einschränkung, dass die Verbrauchergruppe "eindeutig identifizierbar" sein muss, ist praktisch kaum handhabbar. Geschäftliche Handlungen betreffen zudem fast nie nur eine bestimmte Verbrauchergruppe, sodass die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung leer laufen würde. Entscheidend für den Schutz besonderer Verbrauchergruppen ist die aus objektiven Kriterien zu ermittelnde Zielrichtung des geschäftlichen Handelns. Dies wird durch die vorgeschlagenen Änderungen klargestellt.

3. Zu Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe c (§ 4 Nr. 2 UWG)

In Artikel 1 Nr. 4 Buchstabe c § 4 Nr. 2 sind vor dem Wort "geeignet" die Wörter "darauf gerichtet oder" einzufügen.

Begründung

Beim Schutz besonders leicht beeinflussbarer oder wehrloser Verbrauchergruppen sollte neben der objektiven Eignung auch die Zielrichtung des geschäftlichen Handelns maßgeblich sein. Entscheidend für den Schutz besonderer Verbrauchergruppen ist nach Artikel 5 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2005/29/EG die nach objektiven Kriterien zu ermittelnde Zielrichtung des geschäftlichen Handelns. Dies wird durch die vorgeschlagenen Änderungen klargestellt.

4. Zu Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe b ( § 5 Abs. 2 UWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die Regelung in Artikel 1 Nr. 5 Buchstabe b § 5 Abs. 2 UWG notwendig ist und bejahendenfalls wie das Verhältnis zum Kennzeichenrecht und zu § 4 Nr. 9 UWG und § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG-E klargestellt werden kann.

Begründung

Die Vorschrift soll Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2005/29/EG umsetzen. Der Referentenentwurf hat mit ausführlicher Begründung den Bedarf einer Anpassung des Gesetzestextes an diese Bestimmung der Richtlinie verneint (Begründung des Referentenentwurfs S. 29 bis 31). Die nun erfolgte Umsetzung durch § 5 Abs. 2 UWG-E wirft nicht nur die Frage des Verhältnisses zu den Regelungen in § 4 Nr. 9 UWG und § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG-E auf sondern betrifft insbesondere auch das umstrittene Verhältnis zwischen kennzeichenrechtlichen und lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen. Nach der Entwurfsbegründung (BR-Drs. 345/08 (PDF) , S. 30, 47) soll die Klärung beider Fragen der Rechtsprechung überlassen bleiben.

Wenn der Gesetzgeber nunmehr anders als zuvor die Notwendigkeit der Umsetzung von Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie in einer eigenen Vorschrift bejaht, sieht er offensichtlich die bestehenden Regelungen nicht mehr als ausreichend an. Dann sollte er dieses Verhältnis aber auch zum Ausdruck bringen. Auch besteht die Gefahr, dass die Fassung von § 5 Abs. 2 UWG-E dahin gehend verstanden werden kann, dass der nach bisherigem Recht von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Vorrang des Kennzeichenrechts nicht mehr gelten soll. Auch dazu sollte sich der Gesetzgeber, wenn er eine Neufassung vornimmt, äußern.

5. Zu Artikel 1 Nr. 6 ( § 5a Abs. 4 UWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die mit § 5a Abs. 4 UWG-E für den Rechtsanwender verbundene problematische Rechtsunsicherheit dadurch vermieden werden kann, dass die Vorschrift anders gefasst und durch einen Anhang 2 zum Gesetz ergänzt wird.

Begründung

In Umsetzung von Artikel 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG benennt § 5a Abs. 4 UWG-E Informationspflichten, die jedenfalls als wesentlich gelten. Er verzichtet aber auf die Übernahme der nicht erschöpfenden Liste von im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Anhang II zur Richtlinie.

Im Vergleich zur Fassung des Referentenentwurfs stellt die Vorschrift insofern eine Verbesserung dar, als nicht mehr pauschal auf "die im Gemeinschaftsrecht festgelegten Informationsanforderungen" verwiesen wird, sondern auf gemeinschaftsrechtliche Verordnungen und das nationale Umsetzungsrecht bei Richtlinien.

Gleichwohl ist der Umfang der Informationspflichten, deren Verletzung nach dieser Vorschrift zwingend eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, nicht absehbar. Gerade die Begründung des Gesetzentwurfs gegen eine Übernahme des Anhangs II der Richtlinie in das Gesetz, der Anhang II sei nicht abschließend und unterliege zudem einem ständigen Wechsel (BR-Drs. 345/08 (PDF) , S. 52 f.), macht die Problematik für den Rechtsanwender deutlich.

Während der Gesetzgeber die Bestimmung der Informationspflichten der Rechtsprechung überlässt, wird den Normadressaten das Risiko aufgebürdet, sich unlauter zu verhalten und abgemahnt zu werden.

Zumindest die unmittelbar geltenden gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen - wobei der Begriff "Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft" möglicherweise für den Adressaten klarer wäre - sollten in einem Anhang 2 zum Gesetz aufgeführt werden. Insoweit erscheinen die in der Entwurfsbegründung gegen eine Auflistung vorgebrachten Argumente nicht durchgreifend.

Hinsichtlich der innerstaatlichen Informationspflichten, die in Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien geschaffen wurden, könnte die Vorschrift in Anlehnung und gleichzeitig in Abgrenzung zu § 4 Nr. 11 UWG neu formuliert werden.

6. Zu Artikel 1 Nr. 8 (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG)

In Artikel 1 Nr. 8 § 7 Abs. 2 Nr. 2 sind nach den Wörtern "vorherige ausdrückliche

Einwilligung" die Wörter "in Textform" einzufügen.

Begründung

In § 7 Abs. 2 Nr. 2 erste Alternative UWG-E greift die Bundesregierung ihre Änderungsvorschläge aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung (Stand: 13. März 2008) auf, wonach eine Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher nur erlaubt ist, wenn der Verbraucher dieser vorher und ausdrücklich zugestimmt hat. Damit soll klargestellt werden, dass der Verbraucher seine Einwilligung ausdrücklich d.h. nicht lediglich konkludent, und zeitlich vor dem Anruf erklärt haben muss.

Dieser Änderungsvorschlag ist nicht durch die Notwendigkeit zur Umsetzung von EU-Richtlinienvorgaben veranlasst. Sofern jedoch im Zuge dieser UWG-Novellierung auch gesetzliche Anforderungen für die Einwilligung des Verbrauchers normiert werden sollen, die gegenwärtig zur Bekämpfung der unlauteren Telefonwerbung diskutiert werden, ist es aus Gründen des Verbraucherschutzes erforderlich für die Einwilligung die Textform gemäß § 126b BGB zu fordern. Dies sorgt für mehr Rechtsklarheit und -sicherheit, da Gegenstand und Reichweite der vom Verbraucher erteilten Einwilligung auf einem Dokument nachzuweisen sind. Es dient auch dem verbesserten Verbraucherschutz, wenn sich ein Unternehmer nicht mehr auf eine mündlich erteilte Einwilligung zum Werbeanruf berufen kann. Bisher ist eine Umgehung des Verbots unlauterer Telefonwerbung denkbar, indem der Verbraucher - ohne seine Einwilligung - per Telefon angesprochen und überredet wird, mündlich sein Einverständnis zu weiteren Werbeanrufen zu erklären. Damit belästigende Telefonwerbung nicht zur Legalisierung derselben ausgenutzt werden kann, ist daher die Textform für eine wirksame Einwilligung des Verbrauchers zu fordern.

7. Zum Gesetzentwurf insgesamt*

Der Bundesrat anerkennt die Dringlichkeit einer raschen Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr. Dessen ungeachtet sieht der Bundesrat weiterhin die Notwendigkeit, durch zusätzliche Regelungen auch im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zeitnah wirksame Instrumente zur Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung zu schaffen.

Begründung

Bund und Länder haben die Notwendigkeit erkannt, den Bürger wirksamer als bisher vor unerlaubten Werbeanrufen und den damit verbundenen Folgen zu schützen. Mit der Stellungnahme soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zeitnah um die notwendigen zusätzlichen Instrumente zur Bekämpfung dieser unlauteren Geschäftspraxis ergänzt werden.

8. Zu Artikel 1 Nr. 12 (Nummer 6 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG)

In Artikel 1 Nr. 12 Anhang zu § 3 Abs. 3 sind in Nummer 6 die Wörter "etwas

Fehlerhaftes" durch die Wörter "eine fehlerhafte Ausführung der Ware oder

Dienstleistung" zu ersetzen.

Begründung

Die vorgeschlagene Neuformulierung bringt das Gewünschte klarer zum Ausdruck und ist für den Normadressaten, der die Entwurfsbegründung nicht kennt verständlicher.

9. Zu Artikel 1 Nr. 12 (Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, wie der Begriff "Kinder" in Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E näher bestimmt werden kann.

Begründung

Der Referentenentwurf ging davon aus, dass Kinder Personen sind, die noch nicht 14 Jahre alt sind. Mangels einer Definition des Begriffs "Kinder" in der Richtlinie 2005/29/EG sei auf die Begriffsbestimmung im Jugendschutzgesetz zurückzugreifen (S. 60 der Begründung des Referentenentwurfs). Der Gesetzentwurf führt dagegen aus, dass der Begriff "Kind" gemeinschaftsrechtlich auszulegen sei. Es könne also nicht vom deutschen Rechtsverständnis ausgegangen werden. Seine Definition bleibe der Rechtsprechung vorbehalten (BR-Drs. 345/08 (PDF) , S. 69).

Damit wird das Risiko unlauteren Verhaltens auf den Normadressaten verlagert, ohne ihm auch nur einen Anhaltspunkt zu geben, was erwartet wird. Solange eine anderweitige gemeinschaftsrechtliche Auslegung nicht bekannt ist, sollte daher die nationale Auslegung Maßstab sein.

10. Zu Artikel 1 Nr. 12 (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Nummerierung der unzulässigen Wettbewerbshandlungen in der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG-E übereinstimmend mit der Nummerierung in Anhang I zur Richtlinie zu fassen.

Begründung

Der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG-E entspricht im Wesentlichen dem Anhang I der Richtlinie und führt die geschäftlichen Handlungen auf, die gegenüber Verbrauchern stets unzulässig sind. Er übernimmt auch die Reihenfolge des Anhangs I der Richtlinie, allerdings mit zwei Ausnahmen: Nummer 31 des Anhangs I zur Richtlinie ist Nummer 17 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG-E, wodurch die Nummern 17 bis 26 im Anhang zum Gesetz jeweils eine um eins höhere Ordnungsnummer haben als im Anhang I zur Richtlinie. Zum anderen wurde Nummer 26 des Anhangs I der Richtlinie nicht in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG-E übernommen, sondern durch eine Änderung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG umgesetzt. Dadurch haben die Nummern 27 bis 30 im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG-E wieder dieselben Ordnungsziffern wie in der Anlage I zur Richtlinie.

Für das Vorziehen von Nummer 31 des Anhangs I der Richtlinie gibt es systematische Gründe. Aus systematischen Gründen spräche allerdings auch viel dafür, thematisch vergleichbare Sachkomplexe wie die Nummern 16, 17 und 20 oder 12 und 30 oder 22 und 29 räumlich zusammenzufassen.

Für einen strikten Gleichlauf der Nummerierung in Gesetz und Richtlinie sprechen aber wesentlich gewichtigere Gründe: Gerade weil die einzelnen unzulässigen Handlungen nicht immer wörtlich übernommen wurden, erleichtert eine übereinstimmende Nummerierung wesentlich den Vergleich zwischen den beiden Fassungen. Hinzu kommt, dass im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch eine europarechtskonforme Auslegung erfolgen kann und im Falle von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ein Divergieren der Nummerierung misslich und auch fehlerträchtig ist. Schließlich sollte bei Nummer 26 redaktionell vermerkt werden, dass diese unzulässige geschäftliche Handlung in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG-E erfasst ist, damit für den Normadressaten, dem die Entwurfsbegründung nicht vorliegt, klar ist, wo die Umsetzung von Nummer 26 des Anhangs I zur Richtlinie erfolgt ist.

B.