Der Bundesrat hat in seiner 811. Sitzung am 27. Mai 2005 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf allgemein
1. Die Länder erklären die Bereitschaft, ihren Beitrag zur Realisierung zu der auf dem Job-Gipfel am 17. März 2005 vereinbarten Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen zu leisten. Deutschland braucht in der Tat so bald wie möglich Wachstumsimpulse.
- - Mit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes wird ein Signal - insbesondere für ausländische Investoren - gesetzt, das die Stellung Deutschlands als Investitionsstandort verbessern kann. Allerdings wird dieser von seinem Entlastungsvolumen her besonders gewichtige Schritt seine Wirkung nur dann entfalten können, wenn auch die übrigen Rahmenbedingungen - vor allem im Arbeits- und Tarifrecht - kein Investitionshindernis mehr darstellen.
- - Die Entlastung von Personenunternehmen durch die Verbesserung der pauschalen Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer stellt zwar letztlich nur ein Kurieren an Symptomen dar, hat aber den Vorteil, dass der Weg für eine spätere durchgreifende Reform der Unternehmensbesteuerung nicht verbaut wird.
2. Der Bundesrat hält die von der Bundesregierung vorgesehenen Finanzierungsvorschläge für nicht akzeptabel: Sie sind nach Überzeugung des Bundesrates zu optimistisch, in wesentlichen Punkten nicht belastbar und teilweise auch wachstumspolitisch kontraproduktiv.
- Repatriierung deutschen Gewinnsubstrats
Die Bundesregierung will einen wesentlichen Teil der Senkung des Körperschaftsteuersatzes durch "Sicherung des nationalen Steuersubstrats" gegenfinanzieren. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung der Bundesregierung, auf Grund des auf 19 v.H. gesenkten Körperschaftsteuersatzes nehme die Standortattraktivität Deutschlands so entscheidend zu, dass künftig Unternehmen wieder einen größeren Teil ihrer Gewinne im Inland versteuern würden.
Der Bundesrat hält das im Finanzierungstableau ausgewiesene Volumen von 2,2 Mrd. Euro für völlig unrealistisch. Damit würden über 40 v.H. des Entlastungsvolumens von Kapitalgesellschaften nur buchmäßig oder "virtuell" finanziert. Dies kann nicht als seriöse Gegenfinanzierung bezeichnet werden. Die Erfahrungen mit der erst kürzlich ausgelaufenen Steueramnestie haben gezeigt, dass einmal geflüchtetes Kapital nur sehr schwer zur Rückkehr zu bewegen ist.
Angesichts einer verbleibenden Unternehmenssteuerbelastung im Inland von gut 33 v.H. für Kapitalgesellschaften und bis zu 42 v.H. bei Personenunternehmen ist es nicht gerechtfertigt, die Niedrigsteuergrenze des § 8 Abs. 3 des AStG herabzusetzen. Entgegen dem Gesetzesvorhaben - Sicherung deutscher Arbeitsplätze - kann diese Maßnahme zu einer Begünstigung der Einkünfteverlagerung ins Ausland führen.
- Verschärfung der Mindestbesteuerung
Eine weitere Einschränkung der Verlustverrechnungsmöglichkeit auf 50 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte wäre konjunktur- und wachstumspolitisch kontraproduktiv. Der Bundesrat hält es nicht für vertretbar, gerade Unternehmen mit Verlustvorträgen einen Gegenfinanzierungsbeitrag leisten zu lassen. Gerade diese Unternehmen müssen schnellstmöglich wieder in die Lage versetzt werden, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Wer die effektive Nutzung der Verlustvorträge weiter beschneidet, entzieht den Unternehmen Liquidität und arbeitet der erklärten Zielsetzung des Gesetzes entgegen.
- Hälftige Steuerpflicht bei Aufdeckung stiller Reserven bei Immobilienveräußerungen
Auch die zeitlich begrenzte steuerliche Privilegierung der Aufdeckung stiller Reserven aus Immobilienveräußerungen ist keine dauerhafte und belastbare Finanzierungsalternative. Für Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien gibt es bereits im geltenden Recht mit der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG ein Instrument, das jedenfalls in Umstrukturierungsfällen der dort näher bezeichneten Art attraktiver zu sein scheint, als die angebotene befristete Steuervergünstigung. Im Ergebnis teilt der Bundesrat auch in diesem Punkt die zu optimistische Aufkommenseinschätzung der Bundesregierung nicht.
- Einschließung der Verluste bei Steuerstundungsmodellen
Verlustzuweisungsgesellschaften nutzen nach gegenwärtiger Rechtslage auf unterschiedliche Weise die Systematik der Gewinn- oder Überschussermittlung, um ihren Anlegern steuerlich abzugsfähige Verluste zu vermitteln. Hierdurch werden volkswirtschaftlich als fragwürdig anzusehende Investitionen auf Kosten der Allgemeinheit gefördert. Letztendlich findet eine Kapitalfehllenkung statt.
Es ist deshalb richtig, für Fonds, deren Konzeption darauf ausgerichtet ist, ihren Anlegern vor allem in der Anfangsphase hohe steuerliche Verluste zuzuweisen, eine Verlustabzugsbeschränkung einzuführen.
Der Bundesrat bittet allerdings darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die systematische Stellung der Vorschrift zu überprüfen und die Vorschrift konkreter auszugestalten.
§ 15b EStG(neu) soll auf Verluste der dort bezeichneten Steuerstundungsmodelle anzuwenden sein, denen der Steuerpflichtige nach dem 4. Mai 2005 beigetreten ist oder für die nach dem 17. März 2005 (Job-Gipfel) mit dem Außenvertrieb begonnen wurde.
Der Bundesrat hält es für verfassungsrechtlich äußerst problematisch, als Anwendungszeitpunkt einer wirtschaftlich nachteiligen Regelung einen Tag zu bestimmen, an dem die Bundesregierung eine hinsichtlich der Ausgestaltung wenig konkrete Absichtserklärung zur künftigen Behandlung von Verlustzuweisungsmodellen abgegeben hat. Eine derartige Regelung verletzt nicht nur das Vertrauen von Unternehmen und Anlegern in eine verlässliche und nachhaltige Steuerpolitik; sie stellt zugleich einen nicht hinnehmbaren Eingriff in bereits getätigte Investitionen dar (z.B. den Erwerb von Immobilien, der durch einen geschlossenen Fonds finanziert wird).
3. Eine Kompensation der beabsichtigten Steuersatzsenkung durch höhere Verschuldung kommt angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte keinesfalls in Betracht. Der Bundesrat hält deshalb eine vollständige und belastbare Finanzierung für zwingend erforderlich.
4. Die Bundesregierung beabsichtigt (Allgemeiner Teil der Begründung zum Gesetzentwurf),
eine Anhebung der Gewerbesteuerumlage zugunsten des Bundes zu prüfen, wenn die kommunalen Gewerbesteuereinnahmen sich künftig konjunkturunabhängig außerplanmäßig positiv entwickeln.
Der Bundesrat sieht darin den Versuch der Bundesregierung, im Ergebnis an ihrem ursprünglichen Vorhaben festzuhalten, die Gewerbesteuerumlage zu Lasten der Kommunen zu erhöhen. Es geht nicht an, dass die Bundesregierung bei wirtschaftlich günstiger Einnahmenentwicklung Finanzkraft der Kommunen abschöpft und sich bei negativer Aufkommensentwicklung mit einer finanziellen Unterstützung der Kommunen Zeit lässt.
5. Deutschland braucht auch in der Steuerpolitik eine klare Perspektive. Steuerpolitische Hauptaufgabe bleibt deshalb eine große Steuerreform, die den Bürgern ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht bringt sowie den Unternehmen eine international wettbewerbsfähige Besteuerung sichert. Dabei muss der besonderen Unternehmensstruktur unseres Landes mit einer großen Zahl von Personenunternehmen Rechnung getragen werden.