C(2018) 6729 final
Brüssel, 18.10.2018 C(2018) 6729 final
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael MÜLLER
Leipziger Straße 3-4
D - 10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Förderung der automatischen gegenseitigen Anerkennung von im Ausland erworbenen Hochschulabschlüssen und Abschlüssen der Sekundarstufe II sowie der Ergebnisse von Lernzeiten im Ausland (
COM (2018) 270 final}.
Der Vorschlag der Kommission stützt sich auf die Ergebnisse des Sozialgipfels in Göteborg sowie auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2017, in denen die Staats- und Regierungschefs ihren Willen zum Ausdruck brachten, mehr in den Bereichen Bildung und Kultur zu tun, und feststellten, dass Bildung und Kultur der Schlüssel zum Aufbau inklusiver und von Zusammenhalt geprägter Gesellschaften und zur Erhaltung unserer Wettbewerbsfähigkeit sind.
Die vorgeschlagene Empfehlung des Rates soll gewährleisten, dass allen Studierenden, Auszubildenden sowie Schülerinnen und Schülern, die - zur Erlangung einer Qualifikation oder im Rahmen der Lernmobilität - einen Lernaufenthalt im Ausland absolviert haben, diese Erfahrung automatisch für die Zwecke ihrer weiteren Ausbildung anerkannt wird. Das Recht von Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen, selbst über ihre Zulassungsbedingungen zu entscheiden, wird dadurch nicht eingeschränkt.
Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass die Unterschiede zwischen den Bildungs- und Ausbildungssystemen der Mitgliedstaaten respektiert werden müssen. Zugleich erkennt die Kommission die in Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union .festgeschriebene ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung der Bildungssysteme uneingeschränkt an. Die Kommission möchte jedoch daran erinnern, dass ein Ziel der Tätigkeit der Europäischen Union gemäß dem Vertrag darin besteht, die "Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten" zu fördern.
Im Vorschlag der Kommission für ein nicht verbindliches Instrument werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich politisch dazu zu verpflichten, bis 2025 eine automatische Anerkennung zu verwirklichen. Diese freiwillige Verpflichtung würde durch Maßnahmen flankiert, die den Mitgliedstaaten helfen, Vertrauen in die Bildungssysteme der jeweils anderen aufzubauen und die Anerkennung zu verbessern, sodass die Lernmobilität erleichtert wird.
Im Bereich der Hochschulbildung baut die vorgeschlagene Empfehlung auf den Ergebnissen des Bologna-Prozesses auf an dem auch Drittländer teilnehmen. Dank der zentralen Verpflichtungen des Bologna-Prozesses (3-Zyklen-System mit Bachelor, Master und Promotion, Qualitätssicherung, automatische Anerkennung) wird die Hochschulbildung transparenter, und Qualifikationen lassen sich besser vergleichen. In diesem Bereich wurden zwar bereits erhebliche Fortschritte erzielt, doch die zentralen Verpflichtungen werden uneinheitlich umgesetzt, was die Mobilität behindert. Im Kommunique der Pariser Bologna-Konferenz vom Mai 2018 heben die Hochschulminister der am Bologna-Prozess beteiligten Länder hervor, dass die Umsetzung dieser Verpflichtungen mit Nachdruck vorangetrieben werden muss. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Kommission einen Peerto-Peer-Prozess für gegenseitige Unterstützung einrichten.
Zugleich haben sich die Mitgliedstaaten bereit erklärt, bei der Anerkennung - der zentralen Komponente des Europäischen Bildungsraums - das Tempo zu erhöhen, was in den Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Dezember 2017 zum Ausdruck kommt. Die automatische gegenseitige Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und absolvierten Lernzeiten innerhalb der Europäischen Union wird sich auch positiv auf Drittländer auswirken.
Angesichts der Vielfalt der Hochschuleinrichtungen und Studienprogramme ist es unwahrscheinlich, dass eine Bildungskomponente in zwei verschiedenen Programmen identische Lernergebnisse hervorbringt. Daher sollte sich die Anerkennung von Qualifikationen, die in einem anderen Umfeld erworben wurden, eher auf die Vergleichbarkeit der Lernergebnisse als die Gleichwertigkeit von Lehrveranstaltungsinhalten stützen. Die Arbeiten zur Umsetzung der Transparenz- und Qualitätssicherungsinstrumente der Union (aktualisierter Lehrveranstaltungskatalog, Diplomzusatz und Europäischer Qualifikationsrahmen) sollten fortgeführt werden, um das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Bildungssysteme der jeweils anderen zu stärken; dies ist unerlässlich für die Verwirklichung einer automatischen Anerkennung bis 2025. In diesem Zusammenhang teilt die Kommission die Auffassung des Bundesrates, dass der Europäische Qualifikationsrahmen ein Instrument zur Förderung der Transparenz der Bildungs- und Berufsbildungssysteme ist und nicht als Anerkennungsinstrument genutzt werden sollte.
Auf Ebene der Sekundarstufe II sind die Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung weitaus weniger entwickelt; das hat die Konsultation der Interessenträger im Zuge der Vorbereitung des Empfehlungsentwurfs ergeben. Inhaber von Qualifikationen, die in einem Mitgliedstaat zum Hochschulstudium berechtigen, können sich oftmals nicht sicher sein, dass sie damit auch an einer Hochschule in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen werden. Der Vorschlag zielt nicht auf die Schaffung neuer Strukturen, er soll vielmehr die Transparenz und das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Bildungssysteme der jeweils anderen fördern.
Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates .für die Lernmobilität im Allgemeinen und für die Mobilität in der beruflichen Sekundarbildung im Besonderen. Sie weist darauf hin, dass in der vorgeschlagenen Empfehlung nicht ausdrücklich eine automatische Anerkennung von Auslandslernzeiten in der allgemeinen und beruflichen Sekundarbildung gefordert wird, vielmehr soll die Anerkennung von Auslandslernzeiten in der allgemeinen und beruflichen Sekundarbildung mit Folgendem verknüpft werden:
- i) einer Bewertung der während der Lernmobilität erworbenen Kompetenzen und
- ii bestehenden Verfahren für die Lernmobilität in der beruflichen Aus- und Weiterbildung im Rahmen des Programms Erasmus+.
In Bezug auf die Berichtspflichten sieht die vorgeschlagene Empfehlung vor, dass die Mitgliedstaaten unter Rückgriff auf die bestehenden Rahmen und Instrumente Bericht erstatten, sodass die Belastung für die Mitgliedstaaten so gering wie möglich gehalten wird. Eine Berichterstattung ist jedoch notwendig, damit die Umsetzung der Empfehlung überwacht werden kann.
Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Tibor Navracsics
Mitglied der Kommission
Frans Timmermans
Erster Vizepräsident