833. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2007
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A), der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der EU, die Besteuerung von Gasöl und Benzin EU-weit zu koordinieren, um Wettbewerbsverzerrungen und Tanktourismus abzubauen.
- 2. Er begrüßt daher eine stärkere Harmonisierung der Steuersätze für Benzin und Gasöl innerhalb der EU.
- 3. Der Bundesrat hält eine Harmonisierung der Kraftstoffsteuern für das Transportgewerbe aus finanz-, umwelt-, verkehrs- und wettbewerbspolitischen Erwägungen für dringend geboten.
Die Belastung des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes im stark wachsenden internationalen Verkehr durch öffentliche Abgaben erfordert im Vergleich zu anderen EU-Ländern eine Harmonisierung mit dem Ziel Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen.
Der Bundesrat begrüßt deshalb den Richtlinienvorschlag der Kommission, durch den in der Gemeinschaft die Energiesteuern weiter harmonisiert werden sollen und mit dem bestehende Wettbewerbsverzerrungen durch die fehlende Harmonisierung der Energiesteuersätze reduziert werden können.
Die Harmonisierung der Steuersätze würde aber weiterhin auf niedrigem Niveau erfolgen und zudem durch die vorgesehenen Übergangsregelungen hinausgeschoben werden. Auswirkungen auf die Benzinpreise in den Nachbarstaaten Deutschlands sind nicht zu erwarten. Insgesamt würden die Auswirkungen auf den Tanktourismus an den Grenzen, der insbesondere die mittelständischen Tankstellen schwer belastet, nur gering sein.
- 4. Der Bundesrat hält jedoch den Vorschlag der Kommission sowohl hinsichtlich der Höhe der Mindeststeuersätze als auch des Zeitplans keineswegs für ausreichend, die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Transportunternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie den Tanktourismus einzudämmen.
- 5. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, in den Ratsverhandlungen [auf eine weitergehende und zeitnahe Harmonisierung], insbesondere {auf eine stärkere Harmonisierung der Steuersätze für Benzin und Dieselkraftstoff} zu drängen.
- 6. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die eingeräumten Übergangsfristen zur Harmonisierung der Mindeststeuerbeträge bis 2017 deutlich verkürzt werden, um die Steuerausfälle durch den Tanktourismus und dessen negative Effekte auf Luftschadstoffemissionen zu reduzieren.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Mit der Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG wurde bereits 2003 die Grundlage für eine Harmonisierung der Steuern auf Gasöl und unverbleitem Benzin beschlossen. Die nach wie vor bestehenden deutlichen Unterschiede in der Besteuerung für Kraftstoffe innerhalb der EG führen sowohl zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen als auch aufgrund des Tanktourismus zu zusätzlichen Umweltschäden. Dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, war schon Zielstellung im Jahr 2003. Weitere Übergangsfristen bis 2017, die insbesondere für Deutschland mit negativen Wirkungen (u. a. weiteren Steuerausfällen) verbunden sind, sind angesichts der Langfristigkeit der bestehenden Bemühungen als auch der schädlichen Auswirkungen auf die Luftqualität nicht angemessen.]
- 7. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag der Kommission zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass auch mit Bezug auf die Besteuerung von Gasöl, das in der Landwirtschaft, im Gartenbau, in der Forstwirtschaft und in der Fischzucht Verwendung findet, auf Grundlage der Richtlinie 2003/96/EG erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Im Einzelnen legt diese Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom den Mindestverbrauchsteuersatz für in der Landwirtschaft verwendetes Gasöl auf 21 € je 1 000 l fest. Artikel 15 Abs. 3 lässt darüber hinaus einen Steuersatz von Null für die Verwendung von Energieerzeugnissen in der Landwirtschaft zu. Dieser Null-Steuersatz ist richtliniengemäß vom Rat vor dem 1. Januar 2008 auf seine Aufhebung hin zu überprüfen. Der Bundesrat bedauert daher, dass hier die Gelegenheit nicht genutzt wurde, auch das Problem der enormen Wettbewerbsverzerrungen in der Land- und Forstwirtschaft durch unterschiedliche Besteuerung bzw. Rückvergütungen für Gasöle aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Kommission darauf hinzuwirken, dass auch für den Bereich der Landwirtschaft, des Gartenbaus, der Forstwirtschaft und der Fischzucht kurzfristig ein Vorschlag vorgelegt wird, um die Besteuerung von Gasöl zu harmonisieren und so die nicht binnenmarktkonformen Wettbewerbsverzerrungen analog zum gewerblichen Bereich abzubauen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Faktisch haben weder die Vorgänger-Richtlinien 92/81/EWG bzw. 92/82/EWG noch die oben genannte Richtlinie zu einer spürbaren Harmonisierung der Verbrauchsteuerbelastung für Agrardiesel geführt. Im Gegenteil: Während die steuerliche Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland noch gestiegen ist (Einführung eines Selbstbehalts, einer Obergrenze für rückerstattungsfähige Verbrauchsmengen), haben andere Mitgliedstaaten zur gleichen Zeit die Belastung ihrer Landwirte spürbar gesenkt bzw. erheben keine Steuer auf Agrardiesel. Die Bundesregierung sollte angesichts der oben beschriebenen Entwicklung mit Nachdruck aufgefordert werden, ihre in der Koalitionsvereinbarung festgelegte Absicht einer stärker harmonisierten Energiebesteuerung in der EU auch für den landwirtschaftlichen Bereich in die Tat umzusetzen.
Der vorliegende Richtlinienvorschlag wäre ein geeignetes Mittel, in die Harmonisierung der Agrardieselbesteuerung einzusteigen. Eine EU-weite Harmonisierung könnte an den im Richtlinienvorschlag genannten Mindeststeuersatz von 359 €/1 000 l bzw. 380 €/1 000 l als Basis für die Agrardieselbesteuerung ansetzen. Eine in einzelnen Mitgliedstaaten darüber hinausgehende Besteuerung - wie in Deutschland - könnte wie bisher durch Rückvergütungen ausgeglichen werden.
- 9. Hinsichtlich des Tanktourismus verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 9. Juli 2004 (BR-Drucksache 417/04(B) ), mit der er die Bundesregierung auf die enormen Probleme des Tanktourismus hingewiesen hat. Die bereits seinerzeit erheblichen negativen Auswirkungen für die Tankstellen, das Transportgewerbe, die Umwelt und das Steueraufkommen in Deutschland haben seither noch massiv zugenommen. Der Bundesrat bekräftigt seine damalige Einschätzung, dass eine ausreichende Harmonisierung der Steuersätze auf EU-Ebene in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist und angesichts der gravierenden Probleme, insbesondere auch für die mittelständischen Tankstellen in den Grenzregionen, rasch wirksame nationale Maßnahmen notwendig sind. Er fordert die Bundesregierung nochmals auf, hierzu umgehend ein Konzept vorzulegen.