871. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2010
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt [- insbesondere im Hinblick auf das Jahr 2010 als Europäisches Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung -] das Bemühen der Kommission, die soziale und wirtschaftliche Integration der Roma in Europa zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat erkennt an, dass angesichts der komplexen Problemlage zur Förderung der Integration der Roma statt unkoordinierter Einzelmaßnahmen ein integrierter, übergreifender Ansatz erforderlich ist.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch die Erforderlichkeit eines integrierten Ansatzes nicht geeignet ist, eine Umgehung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung sowie des Subsidiaritätsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsgebots (Artikel 5 Absatz 1 EUV) zu rechtfertigen. Das Kompetenzgefüge der Verträge muss unangetastet bleiben. Die Subsidiarität ist ein grundlegendes Kriterium für die Kompetenzzuweisung in der EU, das insbesondere auch für das Handeln mit finanziellen Instrumenten gesondert zu prüfen ist. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit dürfen dabei nicht auf Effizienzerwägungen reduziert werden. Die Kommission erkennt in ihrer Mitteilung selbst an, dass die Roma-Gemeinschaften in den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie in den Kandidatenländern und potenziellen Kandidatenländern keine homogenen Gruppen darstellen und wegen dieser Verschiedenartigkeit gerade keine einheitliche Strategie möglich ist.
- (bei Annahme entfällt Ziffer 4)
- 4. Die Roma stellen mit zehn bis zwölf Millionen Angehörigen die größte ethnische Minderheit Europas dar. Ihre Angehörigen sind europaweit vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie sind - unter anderem aufgrund des Fehlens einer Titularnation, die sich für ihre Interessen einsetzt - zweifellos als besonders schutzbedürftig anzusehen. Der EU kommt in diesem Zusammenhang - insbesondere bei der Erarbeitung einer einheitlichen europäischen Strategie - eine wichtige Rolle zu.
- 5. Der Bundesrat weist im Zusammenhang mit der von der Kommission beabsichtigten verstärkten Nutzung des EFRE-Fonds im Bereich des Wohnungswesens gemäß Artikel 7 Absatz 2 der EFRE-Verordnung insbesondere darauf hin, dass für den Bereich des Wohnungsbaus und der Wohnraumförderung keine Kompetenz der EU besteht. Auch unter Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist eine solche Förderung angesichts der höchst unterschiedlichen regionalen und lokalen Wohnungsmärkte nicht begründbar. Die unterschiedlichen Strukturen der Wohnungsmärkte schon innerhalb Deutschlands waren im Rahmen der Föderalismusreform von 2006 gerade ein Argument dafür, die Gesetzgebungskompetenz für die Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder zu verlagern. Eine Wohnungsbauförderung mit Mitteln der EU ist daher abzulehnen.
- (bei Annahme entfällt Ziffer 6)
- 6. Die EU hat durch die Einführung von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 im Jahr 2009 einen Weg gefunden, die Fortsetzung der im Rahmen der Vorbeitrittshilfen für Osteuropa erfolgten städtebaulichen Maßnahmen zugunsten benachteiligter Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Roma, fortzuführen und so die Nachhaltigkeit der erfolgten Förderung sicherzustellen.
Das Europäische Parlament hat am 20. Mai 2010 nach dem Rat der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in Bezug auf Wohnungsbauvorhaben für marginalisierte Bevölkerungsgruppen zugestimmt.
Für die Integration marginalisierter Bevölkerungsgruppen sind Wohnungen neben bildungs-, gesundheits- und beschäftigungsfördernden Maßnahmen von entscheidender Bedeutung.
Angesichts der in Artikel 174 und 176 AEUV genannten Ziele der Kohäsionspolitik darf dies jedoch kein Präzedenzfall sein, nachdem im Rahmen der Kohäsionspolitik künftig generell Wohnungsbauvorhaben finanziert werden können. Für den Bereich des Wohnungsbaus und der Wohnraumförderung bestehen keine allgemeinen Kompetenzen der EU. Auch unter Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wäre eine solche Förderung angesichts der höchst unterschiedlichen regionalen und lokalen Wohnungsmärkte problematisch.
- (entfällt bei Annahme von Ziffer 5)
- 7. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B.
- 8. Der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.