Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zur Verkehrssicherungspflicht

Der Bundesrat hat in seiner 843. Sitzung am 25. April 2008 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Verkehrssicherungspflicht

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, wie der Umfang der Verkehrssicherungspflicht im Wald gesetzlich definiert und eingeschränkt werden kann.

Begründung

Derzeit ist der Umfang der Verkehrssicherungspflichten im Wald nicht gesetzlich definiert. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Eine Einschränkung, die die spezielle Situation waldtypischer Gefahren regelt, ist nicht normiert.

Gemäß § 14 Abs. 1 des Bundeswaldgesetzes ist das Betreten des Waldes gestattet. Dieses so genannte allgemeine Betretungsrecht ist Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes und verpflichtet den Waldbesitzer, die Nutzung seines Waldes durch Dritte in dem gesetzlich bestimmten Umfang zu dulden.

Obgleich die Benutzung des Waldes gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 des Bundeswaldgesetzes lediglich auf eigene Gefahr gestattet wird, trifft den Waldbesitzer die aus § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches hergeleitete allgemeine Verkehrssicherungspflicht. Darin liegt die Besonderheit der Verkehrsicherungspflicht im Wald. Abweichend von § 903 BGB ist es dem Waldbesitzer daher nicht gestattet, Dritte von der Nutzung seines Eigentums auszuschließen. Die Waldnutzung zieht die Pflicht zur Verkehrssicherung nach sich, die erhebliche Kosten verursacht.

Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht wurde von der Rechtsprechung anhand der §§ 823 ff. BGB entwickelt und basiert auf dem Gedanken, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle, einen gefahrdrohenden Zustand oder eine Sachlage, von der eine Gefahr für Dritte ausgeht, schafft oder andauern lässt, die Verpflichtung hat, eine Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

Der Passus "auf eigene Gefahr" in § 14 Abs. 1 Satz 3 des Bundeswaldgesetzes schließt nach einhelliger Meinung nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht der Waldbesitzer, sondern lediglich die Entstehung besonderer zusätzlicher Verkehrssicherungspflichten aus.

Mangels gesetzlicher Regelung werden Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht durch Richter- und damit Einzelfallrecht ausgebildet.

Für die Verkehrssicherungspflicht im Wald gilt der Grundsatz, dass der Waldbesitzer lediglich für atypische Gefahren, jedoch nicht für typische Gefahren haftet. Typische Gefahren sind solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Fahrspuren in Wegen, Reisig im Bestand, Trockenzweige in Baumkronen, herabhängende Äste nach Schneebruch oder Sturmschäden sind Beispiele für typische Waldgefahren. Dagegen haftet der Waldbesitzer für atypische Gefahren. Atypische Gefahren sind immer dann anzunehmen, wenn der Waldbesitzer selbst oder ein Dritter Gefahrenquellen schafft, selbst einen besonderen Verkehr eröffnet, anzieht oder duldet oder gegen sonstige dem Schutz von Personen oder Sachen dienende Rechtsvorschriften verstößt. Selbst geschaffene Gefahrenquellen sind zum Beispiel Kinderspielplätze, Kunstbauten, Fanggruben, gefährliche Abgrabungen oder Parkplätze im Wald.

Die Grundregel, dass für typische Gefahren des Waldes nicht zu haften ist, gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Da Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht u.a. von der Zweckbestimmung der Fläche und der Verkehrserwartung der Waldnutzer bestimmt werden, nimmt die Rechtsprechung eine Haftung der Waldbesitzer an stark frequentierten Waldwegen auch für waldtypische Gefahren an.

Die heterogene Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht im Wald hat erhebliche Verunsicherung bei den Waldeigentümern ausgelöst, nicht zuletzt, weil deren Vernachlässigung erhebliche finanzielle und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Aber auch die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht verursacht beachtliche Kosten, da die Rechtsprechung in den meisten Fällen von einer halbjährigen Kontrollpflicht entlang von Straßen sowie einer jährlichen Kontrolle auf stark frequentierten Waldwegen ausgeht. Darüber hinaus haben sich die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich erhöht. Die besondere Belastung der Waldbesitzer liegt darin begründet, dass sie abweichend von § 903 BGB Dritte nicht von der Nutzung ihres Eigentums ausschließen und somit den Umfang ihrer Verkehrssicherungspflicht im Wald nicht reduzieren können.

Darüber hinaus haben sich die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich erhöht. Gründe hierfür sind insbesondere:

Das zentrale Anliegen der Waldbesitzer betrifft daher die Verkehrssicherungspflicht an Waldwegen und Außengrenzen, da eine Verkehrssicherungspflicht im Bestand für waldtypische Gefahren regelmäßig nicht gegeben ist. Daher ist es erforderlich, zur Entlastung der Waldbesitzer und Erhöhung der Rechtssicherheit den Umfang der Verkehrssicherungspflicht im Wald gesetzlich zu definieren und insbesondere auf Waldwegen einzuschränken.