Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entschließung des Bundesrates: "Geltung europarechtlicher Grundsätze für den Ständigen Krisenmechanismus zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum sichern"

Ministerin für Bundesangelegenheiten Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, den 10. März 2011

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates: "Geltung europarechtlicher Grundsätze für den Ständigen Krisenmechanismus zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum sichern" zuzuleiten.

Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 18. März 2011 zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angelica Schwall-Düren

Entschließung des Bundesrates: "Geltung europarechtlicher Grundsätze für den Ständigen Krisenmechanismus zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro-Raum sichern"

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Europäische Rat hat am 16./17. Dezember 2010 eine Einigung über den Wortlaut des Entwurfs eines Beschlusses zur Verankerung eines Ständigen Krisenmechanismus zur Sicherung der Finanzstabilität im Euro Raum (Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)) erzielt. Er plant, nach Anhörung der betroffenen Organe, im März 2011 dazu einen Beschluss zu fassen, so dass die Verfahren der Zustimmung der Mitgliedstaaten bis Ende 2012 abgeschlossen werden können und die Änderung am 1. Januar 2013 in Kraft treten kann.

Die Bundesregierung hat lange die Notwendigkeit eines dauerhaften Krisenmechanismus bestritten. Der Bundesrat begrüßt die Einsicht, dass ein dauerhafter und robuster Krisenmechanismus nun erforderlich ist und unterstützt daher die Einleitung des vereinfachten Änderungsverfahrens nach Artikel 48 Absatz 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) mit dem Ziel, die rechtlichen Voraussetzungen für einen permanenten Stabilisierungsmechanismus in den Verträgen zu schaffen.

Der Bundesrat bedauert, dass der zukünftige Stabilitätsmechanismus nicht im Rahmen der Gemeinschaftsmethode, sondern intergouvernemental als völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der Eurogruppe etabliert werden soll. Damit entstehen Zweifel, ob die Grundprinzipien und allgemeinen Rechtsgrundsätze des europäischen Primärrechts für die operationelle Umsetzung und die Maßnahmen zur Festlegung der Konditionalität zur Inanspruchnahme des ESM gelten. Die Europäischen Verträge stellen einen ausgewogenen und bewährten Rechtsrahmen für das gemeinsame Handeln der Mitgliedstaaten dar. Sie entsprechen den höchsten Ansprüchen des Grundrechtsschutzes und des Völkerrechts. Mit gutem Grund war es parteiübergreifender und EU-weiter Konsens der vergangenen Jahre, außervertragliche Abmachungen, wie etwa das Schengen-Abkommen und den Vertrag von Prüm, in den Rahmen des Gemeinschaftsrechtes zu überführen. Der nun verfolgte Weg eines intergouvernementalen Vertrages steht dazu im Widerspruch.

Der Bundesrat hält es deshalb für notwendig, den ESM an die Grundprinzipien und allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts sowie an die in den Verträgen formulierten Ziele der EU zu binden. Es muss sichergestellt sein, dass der ESM im Einklang mit den Politiken der Union wirkt und diese unterstützt.

Sofern die Bundesregierung an dem Vorschlag eines intergouvernementalen Vertrages zur Schaffung des ESM festhält, betont der Bundesrat, dass er die demokratische Legitimierung des ESM und seine Einbindung in den institutionellen Rahmen der EU für dringend erforderlich hält. Gerade die vorgeschlagene zwischenstaatliche Lösung bedarf einer starken parlamentarischen Kontrolle. Hierzu ist die Ausweitung der Informations- und Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat als Voraussetzung der Ratifizierung notwendig. Auch das Europäische Parlament und die Kommission müssen in angemessener Weise beteiligt werden.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf,

Begründung:

Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise hat der Europäische Rat im Oktober 2010 beschlossen, einen ständigen Krisenmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebietes einzurichten. Ein zuvor bereits etablierter Mechanismus (EFSM) war auf Grundlage von Artikel 122 Absatz 2 AEUV (Hilfen für einzelne Staaten in außergewöhnlichen Situationen) in Verbindung mit einem Vertrag zwischen den Staaten der Euro-Zone über die Errichtung einer privatrechtlichen Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) für begrenzte Zeit vereinbart worden. Nunmehr soll ein entsprechender Mechanismus dauerhaft errichtet werden, um die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets langfristig zu gewährleisten. Für ein auf Dauer eingerichtetes Instrument reicht die Rechtsgrundlage in Artikel 122 Absatz 2 AEUV nicht aus.

Deshalb haben die Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat im Dezember 2010 beschlossen, Artikel 136 AEUV wie folgt zu ergänzen: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."

So soll der Europäische Stabilitätsmechanismus ab 1. Januar 2013 als internationale Organisation auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages der Eurogruppenmitglieder etabliert werden (ESM-Vertrag). Er soll einzelnen Staaten Finanzhilfen gewähren können, wenn dies für die Stabilität des Währungsgebietes insgesamt erforderlich ist.

Damit würde der Europäische Stabilitätsmechanismus zwar im AEUV verankert, tatsächlich aber als völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des europäischen Rechtsrahmens etabliert. Wichtige Grundregeln und Grundsätze des europäischen Primärrechts würden somit nicht für das Handeln des ESM gelten. Auch die Grundrechtecharta der EU, die nur für das Handeln der EU und ihrer Institutionen gilt, wäre für die im Zusammenhang mit dem ESM verhandelten Konditionalitätsabkommen nicht relevant. Zugleich wäre eine parlamentarische Kontrolle nur unzureichend gewährleistet.

Um die Vereinbarkeit mit den Grundregeln und Grundsätzen des europäischen Rechts zu gewährleisten, muss klargestellt werden, dass diese für den ESM gelten. Darüber hinaus müssen auch die Kontrollmechanismen für Bundestag und Bundesrat sowie die Vereinbarkeit mit übergeordneten Strategien der EU, insbesondere der Europa 2020 Strategie, sichergestellt werden.