Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 0918 - vom 4. Februar 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 15. Januar 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran, insbesondere die Entschließungen zu den Menschenrechten,
- - unter Hinweis auf das 3. Interparlamentarische Treffen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Majlis (Parlament) der Islamischen Republik Iran, das am 4. und 5. November 2008 in Brüssel stattgefunden hat, und auf den diesbezüglichen Bericht,
- - in Kenntnis der Erklärung des Ratsvorsitzes im Namen der Europäischen Union vom 22. Dezember 2008 zur Schließung des von der Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin von 2003, Shirin Ebadi, geleiteten Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte durch die iranische Polizei,
- - in Kenntnis der Erklärungen des Ratsvorsitzes vom 31. Dezember 2008 zur Bedrohung von Shirin Ebadi,
- - in Kenntnis der Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 3. Januar 2009 zu den Übergriffen auf Shirin Ebadi, ihrer Verfolgung und ihrer Sicherheit,
- - in Kenntnis der früheren Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, insbesondere der Resolution 063/191 vom 18. Dezember 2008 zur Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran,
- - in Kenntnis des Berichts des UNO-Generalsekretärs vom 1. Oktober 2008 über die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran,
- - in Kenntnis der am 9. Dezember 1998 verabschiedeten Erklärung der Vereinten Nationen zu den Verteidigern der Menschenrechte,
- - unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die alle vom Iran unterzeichnet wurden,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die allgemeine Menschenrechtslage im Iran sich seit 2005 in allen Bereichen und in jeder Hinsicht, insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung der bürgerlichen Rechte und politischen Freiheiten, weiter verschlechtert hat, obwohl der Iran sich im Rahmen der verschiedenen einschlägigen internationalen Abkommen verpflichtet hat, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen,
B. in der Erwägung, dass am 21. Dezember 2008 das von Shirin Ebadi geleitete Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte, das eine Feier zum 60-jährigen Jubiläum der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen geplant hatte, durch iranische Polizei und Sicherheitskräfte geschlossen wurde,
C. in der Erwägung, dass am 29. Dezember 2008 Shirin Ebadis Büro in Teheran durchsucht und Akten und Computer konfisziert wurden; in der Erwägung, dass sich am 1. Januar 2009 eine aufgebrachte Menschenmenge vor Shirin Ebadis Haus und Büro versammelte, gegen sie gerichtete Parolen skandierte, das Schild ihrer Anwaltskanzlei herunterriss und das Gebäude beschmierte,
D. in der Erwägung, dass sich die Hinweise dafür mehren, dass Shirin Ebadi inzwischen einer verstärkten Verfolgung durch die iranischen Behörden ausgesetzt ist, weil sie Kontakte zu Menschenrechtsbeauftragten der Vereinten Nationen unterhält und diese in einem UNO-Bericht vom 2. Oktober 2008 über die Lage der Menschenrechte im Iran auf von Ebadis Zentrum bereitgestellte Informationen zurückgreifen,
E. in der Erwägung, dass Shirin Ebadi im Anschluss an ihre Entscheidung, die Verteidigung der sieben im Mai 2008 verhafteten Würdenträger der Religionsgemeinschaft der Bahai zu übernehmen, Morddrohungen erhalten hat; in der Erwägung, dass das Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte auch dagegen protestiert hatte, dass die Behörden Studenten an der Fortsetzung des Studiums hindern,
F. in der Erwägung, dass die staatliche Nachrichtenagentur des Iran (IRNA) im August 2008 das Gerücht verbreitete, Shirin Ebadis Tochter Narges Tavasolian sei zum bahaischen Glauben konvertiert - eine Behauptung, die im Iran, wo die Anhänger dieser Religionsgemeinschaft stark verfolgt werden, ernste Folgen nach sich ziehen kann,
G. in der Erwägung, dass auch die Mitarbeiter eines weiteren bekannten Menschenrechtszentrums im Iran, der Menschenrechtsorganisation Kurdistans, massiv von Übergriffen der Behörden betroffen und von der ständigen Gefahr einer Inhaftierung bedroht sind; in der Erwägung, dass insbesondere der Gründer dieser Organisation, Mohammad Sadiq Kaboudvand, aufgrund des Vorwurfs, der Aufbau seiner Organisation stelle eine "Handlung gegen die nationale Sicherheit" dar, zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde,
H. in der Erwägung, dass die Regierung und die Behörden des Iran zum Schutz von Verteidigern der Menschenrechte verpflichtet sind; und in der Erwägung, dass die Staaten nach der genannten von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1998 einvernehmlich angenommenen Erklärung zu den Verteidigern der Menschenrechte verpflichtet sind, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden die Verteidiger der Menschenrechte vor jeder Gewalt, Bedrohung, Vergeltung, tatsächlicher oder rechtlicher Diskriminierung, jedem Druck sowie vor jeglichen anderen Willkürhandlungen schützen, die eine Folge ihres rechtmäßigen Engagements für die Menschenrechte sind,
- 1. verurteilt entschieden die Unterdrückung, Verfolgung und Bedrohung von Shirin Ebadi und die Schließung des Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte in Teheran und ist zutiefst besorgt über die verstärkte Verfolgung von Verteidigern der Menschenrechte im Iran; weist darauf hin, dass die Razzia der iranischen Sicherheitskräfte im Teheraner Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte Teil eines breiter angelegten Versuchs ist, iranische Menschenrechtsaktivisten zum Schweigen zu bringen;
- 2. bringt seine tiefe Sorge darüber zum Ausdruck, dass die fortgesetzte Verfolgung und Bedrohung und die ständigen Angriffe, denen Shirin Ebadi ausgesetzt ist, nicht nur ihre persönliche Sicherheit gefährden, sondern überhaupt eine Gefahr für alle iranischen Bürgerrechtsaktivisten und Verteidiger der Menschenrechte darstellen;
- 3. betont, dass mit der Schließung des Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte nicht nur Shirin Ebadi und Verteidiger der Menschenrechte im Iran angegriffen werden, sondern auch die internationale Menschenrechtsgemeinschaft insgesamt, in der Shirin Ebadi eine wichtige, führende Rolle spielt;
- 4. fordert die iranischen Behörden nachdrücklich auf, der Unterdrückung, Verfolgung und Bedrohung Shirin Ebadis ein Ende zu setzen, für ihre Sicherheit zu sorgen und die Wiedereröffnung des Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte zuzulassen; fordert die iranischen Behörden auf, dem Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte, der Menschenrechtsorganisation Kurdistans und anderen Menschenrechtsorganisationen die ungehinderte Ausübung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen;
- 5. fordert die iranischen Behörden auf, ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte nachzukommen und insbesondere das in dem vom Iran unterzeichneten und ratifizierten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerte Recht auf friedliche Versammlung zu achten;
- 6. bekräftigt seine Besorgnis über die Verfolgung und Inhaftierung von Bürgern im Iran, die sich für die Menschenrechte einsetzen und gegen die Todesstrafe protestieren und die infolgedessen oftmals unter dem Vorwurf von "Handlungen gegen die nationale Sicherheit" angeklagt werden; fordert den Iran darüber hinaus zur Einstellung der Schikanen, Einschüchterungsversuche und Verfolgung auf, denen politische Gegner und Verteidiger der Menschenrechte ausgesetzt sind; fordert unter anderem auch, alle willkürlich oder aufgrund ihrer politischen Ansichten Inhaftierten freizulassen und der Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen;
- 7. verurteilt aufs Schärfste die drei Steinigungen, die - wie der Sprecher der iranischen Justiz bestätigte - Ende Dezember 2008 in der Stadt Mashhad stattgefunden haben, und fordert die iranischen Behörden auf, das verkündete Moratorium einzuhalten und umgehend Rechtsvorschriften zur Abschaffung dieser grausamen Strafe zu erlassen;
- 8. bringt seine tiefe Besorgnis über den sich seit seiner Inhaftierung verschlechternden Gesundheitszustand von Mohammad Sadiq Kaboudvand zum Ausdruck; vertritt die Auffassung, dass Mohammad Sadiq Kaboudvand ein Gefangener aus Gewissensgründen ist, und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung und medizinische Versorgung;
- 9. bedauert zutiefst, dass Studenten nach wie vor als Strafe für die Veranstaltung öffentlicher Diskussionsrunden von der Universität verwiesen werden, und fordert die Behörden auf, diejenigen, die am 6. Dezember 2008, dem letzten des alljährlich stattfindenden iranischen "Tags des Studenten", an der Universität von Shiraz verhaftet wurden, wieder freizulassen;
- 10. fordert die iranischen Behörden eindringlich auf, der Verpflichtung der Regierung, religiöse Minderheiten zu respektieren, gerecht zu werden und die Führungsmitglieder der Bahai Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rasaie, Mahvash Sabet, Behrouz Tavakkoli und Vahid Tizfahm unverzüglich freizulassen, da sie ausschließlich wegen ihres Glaubens inhaftiert wurden;
- 11. fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, die Prüfung der Menschenrechtslage im Iran fortzusetzen, dem Parlament im ersten Halbjahr 2009 einen umfassenden Bericht dazu vorzulegen und auch weiterhin Fälle von Menschenrechtsverletzungen zur Sprache zu bringen;
- 12. betont, dass der mögliche Abschluss eines Kooperations- und Handelsabkommens zwischen dem Iran und der Europäischen Union auch von einer erheblichen Verbesserung der Menschenrechtslage im Iran abhängig ist;
- 13. fordert den Ratsvorsitz und die diplomatischen Vertreter der Mitgliedstaaten im Iran nachdrücklich auf, in den genannten Angelegenheiten gemeinsam tätig zu werden;
- 14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, dem Leiter der iranischen Gerichtsbarkeit sowie der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.