Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel der Kommission, die bestehenden Rechtsvorschriften für die Sicherheit von Verbraucherprodukten zu straffen und zu vereinfachen.
- 2. Er begrüßt insbesondere, dass durch die Vorlage die nicht harmonisierten Regelungen für die allgemeine Produktsicherheit klarer gegenüber den durch Harmonisierungsrechtsvorschriften geregelten Bestimmungen zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz abgegrenzt werden. Ebenfalls findet die mit den neu gefassten Pflichten der Wirtschaftsakteure vorgenommene Angleichung an den "Neuen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten" (Beschluss Nr. 768/2008) Unterstützung. Auch die Aufnahme der Bestimmungen zu Produkten, die Lebensmitteln ähneln, und die damit verbundene Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG tragen aus Sicht des Bundesrates zur Vereinfachung und besseren Kohärenz der Rechtsvorschriften für die Sicherheit von Verbraucherprodukten bei.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Forderung nach der Angabe des Ursprungslandes in der Produktsicherheitsverordnung nicht richtig verortet ist (Artikel 7), da sie keinen Bezug zum Gegenstand des Verordnungsvorschlags, nämlich der Sicherheit von Verbraucherprodukten, aufweist.
- 4. Er stimmt zwar mit der Kommission überein, dass eine verlässliche Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Produkten in der gesamten Lieferkette eine wichtige Bedingung für eine wirkungsvolle Marktaufsicht und zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher darstellt. Allerdings wird die Angabe des Herkunftslandes hierfür als nicht notwendig angesehen. Da anhand der Herstelleradresse und der Identifizierungsnummer eine eindeutige Identifizierung und Rückverfolgung möglich sein sollte, ist der Zugriff auf die verantwortlichen Wirtschaftsakteure bei einem Verstoß gegen das Produktsicherheitsgebot in ausreichendem Maße sichergestellt.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Artikel 7 des Verordnungsvorschlags ersatzlos gestrichen wird. Die Verknüpfung von Verbraucherschutz und zollrechtlichen Aspekten erscheint nicht zielführend. Die Definition des nichtpräferentiellen Warenursprungs erfolgt nach einem komplexen und der breiten Öffentlichkeit nicht bekannten Verfahren und dient als Grundlage handelspolitischer Maßnahmen. Eine plakative und im Falle von "Made in EU" stark generalisierte Angabe des Landes, in dem der letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be- und Verarbeitungsschritt erfolgt ist, erhöht nicht die Sicherheit oder die Rückverfolgbarkeit eines Produktes. Hiermit sind keine Aussagen über die Herkunft von Vorprodukten möglich, die aber erheblichen Anteil am Gesamtprodukt haben können.
- 6. Innerhalb der EU ist bisher kein Warenursprungszeugnis notwendig. Durch die verpflichtende Feststellung des Warenursprungs wird daher sowohl auf Seiten der Wirtschaftsakteure als auch auf Seiten der Verwaltung ein erheblicher Mehraufwand hervorgerufen, der nicht im Verhältnis zu dem relativ geringen Informationsgewinn durch die Angabe des Herkunftslandes steht.
- 7. Der Bundesrat bittet sicherzustellen, dass durch Vorgaben für Aufschriften über Name, Handelsname oder Handelsmarke und Kontaktanschrift gemäß Artikel 8 Absatz 7 und Artikel 10 Absatz 3 keine unnötigen Kosten, Verpackungen und Beipackzettel verursacht werden. Dies gilt insbesondere auch für Produkte, bei denen auf Grund ihrer geringen Größe Produktaufschriften nur beschränkt möglich sind, sofern sie üblicherweise ohne Verpackung verkauft werden. Auf Aufschriften, die wegen zu geringer Schriftgröße kaum lesbar sind, sollte verzichtet werden, da sie nicht geeignet sind, den Verbraucherschutz zu verbessern.
- 8. Er weist darauf hin, dass bei den Anforderungen des Artikels 8 Absatz 8 die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher an verständlichen und lesbaren Produktbeschreibungen und der Wirtschaft an der Vermeidung unnötiger Kostenbelastungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei sind die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen besonders zu berücksichtigen.
- 9. Der Bundesrat hat jedoch erhebliche Bedenken, die Wirtschaftsakteure von bestimmten Meldepflichten zu befreien (Artikel 13 Absatz 1). Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden sollten in jedem Fall unterrichtet werden, wenn ein Wirtschaftsakteur Probleme mit von ihm bereitgestellten Produkten entdeckt hat. Nur dann kann sichergestellt werden, dass geeignete Korrekturmaßnahmen getroffen werden. Darüber hinaus kritisiert der Bundesrat, dass die konkrete Ausgestaltung der Rahmenbedingungen Durchführungsrechtsakten der Kommission vorbehalten bleiben soll (Artikel 13 Absatz 2). Damit ist nicht absehbar, wie weit sich durch die Befreiung von Meldepflichten das Sicherheitsniveau für die Verbraucherinnen und Verbraucher verschlechtern wird.
- 10. Zudem kritisiert der Bundesrat, dass mit dem vorgesehenen Rückverfolgungssystem für unsichere Produkte (Artikel 15) für die Wirtschaftsakteure eine zusätzliche Pflicht eingeführt wird, die sich nicht aus Beschluss Nr. 768/2008 ableiten lässt. Die Vorteile eines solchen Systems sind nicht erkennbar, da die im Verordnungsvorschlag an anderer Stelle enthaltenen Kennzeichnungs- und Informationspflichten bereits eine entsprechende Identifizierung unsicherer Produkte über die gesamte Lieferkette gewährleisten. Falls ein solches Rückverfolgungssystem dennoch für erforderlich gehalten wird, fordert der Bundesrat, dass dessen konkrete Ausgestaltung im Verordnungsvorschlag geregelt wird und nicht delegierten Rechtsakten bzw. Durchführungsrechtsakten vorbehalten bleibt. Nur so wäre gewährleistet, dass der damit verbundene Mehraufwand absehbar ist.
- 11. Kritisch sieht der Bundesrat, dass die im Zusammenhang mit der Erteilung von Normungsaufträgen und formellen Einwänden gegen europäische Normen erforderlichen Durchführungsrechtsakte ausschließlich unter Beteiligung des nach der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 eingesetzten Normungsausschusses beschlossen werden sollen (Artikel 19 Absatz 1). Dies steht nicht im Einklang mit der sonst üblichen Vorgehensweise, neben dem genannten Normungsausschuss auch den für die jeweils betroffene produktspezifische Rechtsvorschrift zuständigen Ausschuss zu befassen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten im Ausschuss zur Produktsicherheitsverordnung hätten demnach künftig nur mehr eingeschränkte Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Normung. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die Regelungen zur Normung vollständig an das in Artikeln 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 1025/1012 beschriebene Verfahren angeglichen werden.
- 12. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, den Wirtschaftsakteuren genügend Zeit zur Anpassung an die umfangreichen Änderungen zu geben. Es ist eine ausreichende Frist zwischen Inkrafttreten und Geltungsbeginn vorzusehen.