Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zu Iran

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 102739 - vom 2. März 2010.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 10. Februar 2010 angenommen.

Das Europäische Parlament,

Demokratie und Menschenrechte

A. in der Erwägung, dass sich die politische Lage in Iran ständig verschlechtert, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass die iranische Regierung beabsichtigt, auf die nationalen und internationalen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Wahlen von Juni 2009 zu reagieren, und dass die Anzeichen für einen massiven Wahlbetrug eine große Protestbewegung (die sogenannte "Grüne Bewegung") mit über die letzten Monate anhaltenden Massendemonstrationen nach sich gezogen haben,

B. in der Erwägung, dass die politische Entwicklung in Iran nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl von Juni 2009 gezeigt hat, dass ein großes Potenzial für einen vom Volk ausgehenden demokratischen Wandel in diesem Land besteht, bei dem seine kraftvolle und aktive Bürgergesellschaft eine zentrale Rolle spielt;

C. in der Erwägung, dass Irans Sicherheitskräfte, die Revolutionsgarden, die Basij-Milizen und die Polizei hart vorgegangen sind und Tausende friedlicher Demonstranten und Dissidenten willkürlich festgenommen haben, darunter auch Studenten und Hochschulmitarbeiter, Frauenrechtsaktivisten, Gewerkschafter, Rechtsanwälte, Journalisten, Blogger, Geistliche und prominente Menschenrechtsverteidiger, wodurch eindeutig versucht werden sollte, Kritiker einzuschüchtern und abweichende Meinungen zu unterdrücken,

D. in der Erwägung, dass viele der Inhaftierten Berichten zufolge in Gefängnissen oder geheimen Hafteinrichtungen geschlagen oder gefoltert und in einigen Fällen auch vergewaltigt wurden und dass eine Untersuchung des Parlaments der Islamischen Republik Iran Anfang 2010 ans Tageslicht brachte, dass der stellvertretende Staatsanwalt Saeed Mortazavi direkt verantwortlich war für den Tod von mindestens drei Gefangenen infolge von Folter und Vernachlässigung im Kahrizak-Gefängnis, dessen Schließung von den Justizbehörden bereits drei Jahre zuvor angeordnet worden war;

E. in der Erwägung, dass von Regierungsseite bestätigt wurde, dass seit Juni 2009 mindestens 30 Demonstranten bei Protestmärschen oder in Haft zu Tode gekommen sind und mindestens sieben weitere Menschen bei Zusammenstößen am 27. Dezember 2009, dem Heiligen Ashura-Tag, getötet wurden, und dass die tatsächliche Zahl der Opfer, die durch von der Regierung unterstützte Gewalt zu Tode gekommen sind, noch sehr viel höher liegen soll,

F. in der Erwägung, dass Sicherheitskräfte ferner die systematische Verfolgung von Mitgliedern religiöser Minderheiten wie der Baha"i (sämtliche sieben Mitglieder der früheren Führung dieser Minderheit wurden festgenommen und stehen nun vor Gericht), Sunniten und Christen (darunter acht Priester) verstärkt und zahlreiche, gegen die Zivilgesellschaft und politischen Aktivisten der Kurden, Aserbaidschaner, Belutschen und Araber gerichtete willkürliche Verhaftungen und Hinrichtungen vornahmen und dass insbesondere 21 Kurden derzeit auf ihre Hinrichtung warten,

G. in der Erwägung, dass das iranische Parlament am 9. September 2008 ein "Apostatie-Gesetz" angenommen hat, in dem für den Abfall vom Islam die Todesstrafe vorgesehen ist,

H. in der Erwägung, dass die Justizbehörden Anfang August 2009 Hunderte von prominenten Reformern und Aktivisten in Schauprozessen abgeurteilt haben, die angeblich mit "Aufständischen" in Verbindung standen, um eine "samtene Revolution" voranzutreiben, und dass im Rahmen dieser Schauprozesse zahlreiche dieser Dissidenten im iranischen Fernsehen Geständnisse abgelegt haben, die erzwungen zu sein schienen,

I. in der Erwägung, dass die iranische Regierung die europäischen Länder weiterhin der Einmischung in interne politische Angelegenheiten Irans beschuldigt und dass diese Anschuldigungen zur Ausweisung von zwei Diplomaten des Vereinigten Königreichs, zur Verhaftung mehrerer iranischer Mitarbeiter der Botschaft des Vereinigten Königreichs und zur kurzen Inhaftierung eines schwedischen Botschaftsmitarbeiters und zweier deutscher Botschaftsmitarbeiter geführt hat, denen eine angebliche Verstrickung in die Proteste nach den Wahlen vorgeworfen wurde,

J. in der Erwägung, dass am 28. Januar 2010 Mohammad Reza Ali-Zamani und Arash Rahmanipour hingerichtet wurden, wobei dies die ersten Todesurteile waren, die von offiziellen Quellen mit der Protestbewegung in Verbindung gebracht wurden, obwohl sich mindestens einer von ihnen, wenn nicht beide, bereits zur Zeit der Wahlen in Haft befanden, und dass mindestens neun Menschen Berichten zufolge wegen angeblicher Verbindungen zur "Grünen Bewegung" zum Tode verurteilt wurden,

K. in der Erwägung, dass am 27. Dezember 2009, dem letzten Tag des Ashura-Festes, Ali Mousavi, der 35jährige Neffe von Mir Hossein Mousavi, dem wichtigsten Herausforderer des Präsidenten in der Wahl vom Juni 2009, erschossen und vorsätzlich von einem Auto überfahren wurde, was alle Kennzeichen eines gezielten Attentats zur deutlichen Warnung an seinen Onkel trägt,

L. in der Erwägung, dass am 8. Januar 2010 ein Mordversuch gegen Mehdi Karroubi, den zweitwichtigsten Kandidaten der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen verübt wurde, wobei zwei Kugeln auf sein kugelsicheres Auto abgefeuert wurden, während Mitglieder der Basij-Milizen und der Revolutionärsgarden sich aus Protest gegen die Anwesenheit von Mehdi Karroubi in Qazvin versammelten,

M. in der Erwägung, dass die Presse- und Meinungsfreiheit immer stärker eingeschränkt wird und dass die iranischen Behörden nach den Wahlen begannen, in großem Stil und häufig internationale Radio- und Fernsehnsender, zahlreiche internationale Internetseiten, darunter auch Facebook und Twitter, sowie die Webseiten der lokalen Opposition und Mobilfunkdienste in Teheran zu stören, und damit auch Übertragungsprobleme für Sender in anderen Ländern des Nahen Ostens und sogar in Europa verursachten,

N. in der Erwägung, dass europäische und russische Unternehmen Iran mit den notwendigen Filter- und Störgeräten beliefert haben, wobei von einigen dieser Geräte sogar gewisse Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in ihrer Nähe ausgehen könnten,

O. in der Erwägung, dass die Revolutionsgarde, ihr Geheimdienst und die Basij-Milizen eine zunehmend aktive Rolle in der gesamten iranischen Gesellschaft spielen, iranische Bürger verfolgen, Menschenrechtsschützer verhaften und offenkundig das Recht selbst in die Hand nehmen,

Atomstreit

P. in der Erwägung, dass Iran eine Vertragspartei des Atomwaffensperrvertrags (NVV) ist, durch die Ratifizierung des NVV seinen Verzicht auf den Erwerb von Nuklearwaffen erklärt hat und somit rechtlich verpflichtet ist, seine gesamten nuklearen Tätigkeiten einschließlich des nuklearen Materials bei der Internationalen Atomenergie-Organisation offenzulegen und sie unter deren Obhut zu stellen,

Q. in der Erwägung, dass Artikel IV des NVV Folgendes besagt: "Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen, als werde dadurch das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien beeinträchtigt, unter Wahrung der Gleichbehandlung und in Übereinstimmung mit den Artikeln I und II die Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche zivile Zwecke zu entwickeln",

R. in der Erwägung, dass Iran unter Verstoß gegen seine Verpflichtungen nach dem NVV heimlich eine Anreicherungsanlage in Qom gebaut und die IAEO erst lange nach Baubeginn über deren Existenz informiert hat, und dass dieser Verstoß gegen die Vorschriften die Spekulationen über mögliche weitere heimliche Atomanlagen eröffnet und das Vertrauen in die iranischen Beteuerungen über den rein zivilen Charakter seines Atomprogramms weiter untergräbt,

S. in der Erwägung, dass der scheidende Generaldirektor der IAEO, Dr. El Baradei, in dem erwähnten Bericht vom 16. November 2009 festgestellt hat, dass seine Behörde sich so lange außerstande sieht, eine glaubwürdige Gewähr dafür zu bieten, dass es in Iran kein nichtdeklariertes Atommaterial und keine entsprechenden Aktivitäten gibt, bis Iran das Zusatzprotokoll umsetzt und alle noch offenen Fragen zur vollen Zufriedenheit der IAEO klärt, und dass er ferner darauf hinweist, dass es nach wie vor eine Reihe offener Fragen gibt, die zu Bedenken in Bezug auf eine mögliche militärische Dimension des iranischen Atomprogramms Anlass geben,

T. in der Erwägung, dass im Interesse einer diplomatischen Lösung der mit dem iranischen Atomprogramm verbundenen Probleme die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, China und Russland ein Übereinkommen im Rahmen der IAEO vorgeschlagen haben, damit das schwach angereicherte Uran Irans nach Frankreich und Russlands verbracht wird, um es dort zu Brennstäben für den Betrieb des Forschungsreaktors zu medizinischen Zwecken in Teheran umzuwandeln, und dass im Sicherheitsrat verstärkte Sanktionen gegen Iran erörtert werden, seit Iran diesen Vorschlag zurückgewiesen hat,

U. in der Erwägung, dass Iran nach wie vor an der Entwicklung einer ballistischen Raketentechnologie arbeitet und seine Fertigkeiten im Bereich der interkontinentalen ballistischen Raketen ausbaut, wobei es sich um ein Trägerwaffensystem handelt, das für eine Atomwaffenzuladung geeignet ist,

V. in der Erwägung, dass die iranische Regierung widersprüchliche Erklärungen zu ihrem Atomprogramm abgegeben und eine Fortsetzung der Anreicherung angeordnet hat, die am 7. Februar 2010 beginnen soll,

Demokratie und Menschenrechte

Atomstreit

Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Iran