944. Sitzung des Bundesrates am 22. April 2016
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG.
- 2. Der Bundesrat stellt fest:
- - Die vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie, insbesondere die Ausdehnung auf allgemeinverbindliche Tarifverträge sämtlicher Wirtschaftsbereiche und die nunmehr anstelle von "Mindestlohnsätzen" zu garantierende "Entlohnung", dienen der Verbesserung der Lage entsandter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Reichweite der Änderungen ist jedoch nicht ausreichend; - Mit den Urteilen Laval, Rüffert und Luxemburg (Rechtssachen C-341/05, C-346/06 und C-319/06) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Entsenderichtlinie zur "Maximalrichtlinie" erhoben. Der EuGH stellte in diesen Entscheidungen fest, die Entsenderichtlinie sehe ein bestimmtes Schutzniveau für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, über das die Mitgliedstaaten nicht hinausgehen dürfen;
- - In den Urteilen Laval, Rüffert, Luxemburg (Rechtssache C-438/05) und Viking hat der EuGH zudem die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, wie insbesondere die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, über zentrale soziale Grundrechte, wie etwa Tarifautonomie und gewerkschaftliches Streikrecht, gestellt;
- - Die durchschnittliche Entsendungsdauer beträgt nach Feststellungen der Kommission vier Monate. Die Sekundäranknüpfung der beabsichtigten Änderung in Artikel 2a, die nur eine tatsächliche Entsendungsdauer von mindestens sechs Monaten für die Gesamtdauer der Entsendezeiträume von ersetzten entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berücksichtigt, lässt daher einen Großteil von entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern außen vor. 3. Der Bundesrat fordert,
- - dass die Richtlinie auf eine breitere Rechtsgrundlage, zum Beispiel Artikel 153 AEUV, gestellt wird, um die grundlegende Zielsetzung der Entsenderichtlinie, nämlich die Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs ohne Lohndumping und den Arbeitnehmerschutz, stärker hervorzuheben;
- - dass entsprechend der Monti-Klausel das Grundrecht auf Tarifverhandlungen und kollektive Maßnahmen in alle Rechtsvorschriften auf europäischer Ebene, die Fragen der Entsendung berühren, aufgenommen werden;
- - dass die Richtlinie entsprechend ihrer ursprünglichen Ausrichtung wieder ein Mindeststandard wird. Gesetzlich und tarifvertraglich beschlossene Standards, die über die in der Richtlinie verankerten Mindestarbeitsbedingungen hinausgehen, dürfen nicht durch die Entsenderichtlinie verhindert werden, solange die Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung von in- und ausländischen Unternehmen gewährleistet ist.
Es muss den Mitgliedstaaten und den jeweiligen Sozialpartnern möglich sein, über die in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a bis g festgelegten Aspekte hinaus weitere Regelungsgegenstände in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder allgemeinverbindlichen Tarifverträgen oder Schiedssprüchen für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festzulegen.
Den Mitgliedstaaten und jeweiligen Sozialpartnern muss es zudem zumindest im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe möglich sein, umfassend Arbeitsbedingungen für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Grundlage der bewährten Tarifsysteme oberhalb der durch allgemeinverbindliche Tarifverträge vorgegebenen Schutzstandards festzulegen. Mitgliedstaaten müssen daher die Möglichkeit erhalten, öffentliche Aufträge anhand von Kriterien der lokal üblichen tariflichen Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu vergeben. Tariftreueklauseln müssen durch die Entsenderichtlinie und die Vergaberichtlinien unterstützt werden.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass Artikel 2a Absatz 2 des Änderungsvorschlages wie folgt gefasst wird:
"Werden entsandte Arbeitnehmer, die die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführen, ersetzt, so ist für die Zwecke von Absatz 1 die Gesamtdauer der Entsendezeiträume der betreffenden Arbeitnehmer zu berücksichtigen, sofern deren tatsächliche Entsendungsdauer mindestens vier Monate beträgt."
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- 5. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.