Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, 11. März 2014
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben beschlossen, den in der Anlage beigefügten Entschließungsantrag Entschließung des Bundesrates "Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft sichern - Handlungsmöglichkeiten der Länder stärken" beim Bundesrat einzubringen.
Ich bitte Sie, diesen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR in die Tagesordnung der 920. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2014 aufzunehmen und den Ausschüssen zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer
Entschließung des Bundesrates "Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft sichern - Handlungsmöglichkeiten der Länder stärken"
Angesichts einer möglichen EU-weiten Anbauzulassung für den gentechnisch veränderten Mais 1507 bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf nationaler und auf EU-Ebene alle Mittel auszuschöpfen, mit denen ein Anbau von 1507 eingeschränkt und der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft in Deutschland gewährleistet werden kann.
- 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, kurzfristig im Rahmen des geltenden EU-Rechts eine Ergänzung der Koexistenzregelungen der nationalen Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung zu prüfen.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene um die sogenannte "optout"-Lösung im EU-Zulassungsregime für GVO darauf hinzuwirken, eine für die EU-Mitgliedstaaten rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, den Anbau einer EU-weit zugelassenen Pflanze innerhalb ihres Hoheitsgebietes verbieten zu können. Die Neuregelung sollte unabhängig von der bisherigen Möglichkeit eines nationalen Anbauverbotes aufgrund der Schutzklausel im EU-Gentechnikrecht ausgestaltet werden.
- 3. Der Bundesrat hat große Bedenken im Hinblick auf die derzeit auf EU-Ebene diskutierten Vorschläge zur konkreten Ausgestaltung der "optout"-Regelung. Eine Regelung, wonach Mitgliedsstaaten, falls sie ein nationales Anbauverbot aussprechen wollen, während des EU-Zulassungsverfahrens im Rahmen einer vorhergehenden Konsultation aktiv auf die Antragsteller zugehen sollen, stößt auf große Bedenken. Eine vorherige "Konsultation" der Antragsteller durch Mitgliedstaaten darf keine Voraussetzung für nationale Verbote sein. Ansprechpartner der Mitgliedstaaten sollte nur die EU-Kommission sein. Darüber hinaus sollte es keine zeitliche Beschränkung oder Ausschlussfrist für ein nationales Anbauverbot geben, d.h. es sollte auch eine Verbotsmöglichkeit außerhalb des Zulassungsverfahrens geben.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen zum "optout"-Vorschlag der EU-Kommission im Sinne des Beschlusses des Europäischen Parlaments vom 5. Juli 2011 einzusetzen. Das EU-Parlament hat sich u.a. für eine Ausweitung der Verbotsgründe wie z.B. im Zusammenhang mit lokalen oder regionalen Umweltauswirkungen oder sozioökonomischer Auswirkungen ausgesprochen sowie für eine verbesserte Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens der EU.
- 5. Der Bundesrat bekräftigt seinen Beschluss vom 23.11.2012 (Drs. 569/12 (PDF) ), in dem sich die Länder für eine bundeseinheitliche Regelung für den Schutz der Imker vor Verunreinigungen ihres Honigs mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sowie für eine Ermächtigung der Länder ausgesprochen haben, unter Berücksichtigung der regionalen Agrarstrukturen Maßnahmen zum Schutz vor Verunreinigungen mit GVO ergreifen zu können.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Derzeit werden in Deutschland keine gentechnisch veränderten Pflanzen zu kommerziellen Zwecken angebaut. Für den in der EU zum Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Mais MON810 gilt in Deutschland ein nationales Anbauverbot. Die in der EU 2010 für den Anbau zugelassene Kartoffel Amflora wird in der EU seit 2011 nicht mehr kommerziell angebaut.
Es ist nun eine Anbauzulassung für den gentechnisch veränderten Mais 1507 der Firma Pioneer durch die EU-Kommission zu erwarten. Bei der Abstimmung im EU-Ministerrat am 11. Februar 2014 kam keine qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag der EU-Kommission zu Stande - obwohl sich 19 EU-Mitgliedsstaaten gegen die Zulassung und nur 5 dafür ausgesprochen hatten. 4 EU-Mitgliedstaaten haben sich enthalten, darunter auch Deutschland. Die EU-Kommission hatte angekündigt, ohne eine qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag gemäß dem geltenden Zulassungsregime die Anbauzulassung zu erteilen.
Im Fall einer Zulassung kann ein nationales Anbauverbot nach geltendem EU-Recht - wie seinerzeit von der damaligen Bundesagrarministerin Ilse Aigner für den gentechnisch veränderten Mais MON810 ausgesprochen - derzeit für den Mais 1507 nicht ausgesprochen werden, obwohl dieser im Vergleich zu MON810 sogar noch eine wesentlich höhere Konzentration eines toxischen Stoffes (BT-Toxin Cry 1F) bildet. Denn nach geltendem EU-Recht kann ein nationales Anbauverbot derzeit nur erteilt werden, wenn nach der Zulassung neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt werden, die im Zulassungsverfahren noch nicht geprüft wurden.
Die große Mehrheit der Bevölkerung lehnt den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ab. Viele Länder haben sich für den Schutz einer gentechnikfreien Landwirtschaft ausgesprochen. Es wird ihnen aber die Möglichkeit fehlen, rechtssicher einen Anbau in ihren Regionen zu verhindern, wenn nicht kurzfristig Änderungen des geltenden EU-Gentechnikrechts geschaffen werden.
Zu begrüßen wäre es, wenn das EU-Recht eine Erweiterung der Möglichkeiten für Anbauverbote in den EU-Mitgliedstaaten vorsehen würde. Der derzeit diskutierte Vorschlag unter der griechischen Ratspräsidentschaft ist jedoch umstritten, vor allem die darin vorgesehene Option, dass sich EU-Mitgliedstaaten, wenn sie ein nationales Anbauverbot erteilen wollen, im Vorfeld während des EU-Zulassungsverfahrens den Antragsteller kontaktieren sollen.