Staatsministerium Baden-Württemberg Stuttgart, den 23. Februar 2012
Der Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Baden-Württembergs hat beschlossen, beigefügte Fragen an die Bundesregierung zur Griechenlandhilfe, zum ESM, zum Fiskalpakt und zur Änderung des Artikels 136 AEUV zu stellen.
Ich bitte Sie, die Fragen an die Bundesregierung weiterzuleiten und auf die Tagesordnung der 893. Sitzung des Bundesrates am 2. März 2012 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus-Peter Murawski
Fragen an die Bundesregierung zur Griechenlandhilfe, zum ESM, zum Fiskalpakt und zur Änderung des Artikels 136 AEUV
Zu Griechenland:
- 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung der bisherigen Sparauflagen im Hinblick auf die künftigen Wachstumsperspektiven Griechenlands? Welche weiteren Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um eine noch stärkere Ausweitung der Rezession zu verhindern und gleichzeitig nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu gewährleisten.
- 2. Hält die Bundesregierung angesichts des sich beschleunigenden Konjunkturabsturzes der griechischen Wirtschaft und des zu erwartenden weiteren Wirtschaftseinbruchs im Verlauf des Jahres 2012 die von der EU bisher in Gang gesetzten Maßnahmen zur Unterstützung von Wachstum und Beschäftigung für ausreichend? Wo sieht sie darüber hinaus eigene oder europäische Maßnahmen für geboten, um dem vom Europäischen Rat vom 30.1.2012 verfolgten Ansatz nachzukommen und Griechenland insoweit sachdienliche Unterstützung zu leisten?
Hintergrund:
In der Erklärung des Europäischen Rates zu Wachstum und Beschäftigung vom 30. Januar 2012 wird festgestellt, dass die Gewährleistung von Finanzstabilität und Haushaltskonsolidierung zwar eine Voraussetzung für Wachstum und mehr Beschäftigung darstellt, für sich genommen aber nicht hinreichend ist. In diesem Sinne enthält die Erklärung Vorschläge für das weitere Vorgehen, wobei auch auf die divergierende Wirtschaftslage der Mitgliedstaaten und das Erfordernis, die sozialen Folgen der Krise gebührend zu beachten, hingewiesen wird.
Zum Paket ESM/Fiskalpakt/Änderung Art. 136 AEUV:
- 1. Wird die Bundesregierung die Mitwirkungsrechte der Länder hinsichtlich des ESM und des Fiskalpakts entsprechend der Forderungen der Länder in den Beschlüssen 369/11 (PDF) und 864/11 (PDF) gewährleisten? Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung zu den Mitwirkungsrechten der Länder?
- 2. Wo sieht die Bundesregierung die entscheidenden rechtlichen Unterschiede hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Länder beim ESM und der EFSF?
- 3. Kann aus Sicht der Bundesregierung der ESM wie geplant im Juli seine Tätigkeit aufnehmen auch wenn die Vertragsänderung des Art. 136 AEUV bis dahin nicht in Kraft getreten ist?
- 4. Welche Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung zum Schuldenabbau und insbesondere auf den Pfad zum Schuldenabbau der Länder hat der Fiskalpakt aus Sicht der Bundesregierung? Inwieweit sind die Kommunen als Teil der Länder einbezogen? Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Länder in die innerstaatliche Umsetzung einzubeziehen?
Hintergrund:
Die Vorlage und die Beratungen über das Gesetzespaket zur Ratifikation und Umsetzung des ESM, des Fiskalpakts und der Vertragsänderung des Art. 136 AEUV stehen in Kürze an. Die Bundesregierung hat den Ländern insbesondere hinsichtlich des ESM in den vergangenen Monaten mehrfach weitgehende Informations- und Beteiligungsrechte in Aussicht gestellt. Aus Sicht der Länder handelt es sich beim Fiskalpakt und beim ESM um Angelegenheiten der EU. Entsprechend greifen bei Ratifikation, späterer Änderung und Vollzug der Verträge die etablierten Mitwirkungsrechte von Bundesrat und Bundestag gemäß Art. 23 GG. Die Zustimmung des Bundesrates zur Ratifikation der Vorhaben wird auch maßgeblich von der Gewährleistung dieser Mitwirkungsrechte abhängen.
Der Bundesregierung galt zudem die Vertragsänderung des Art. 136 AEUV in der Vergangenheit als primärrechtliche Voraussetzung für die Einrichtung des ESM, der im Juli 2012 seine Tätigkeit aufnehmen soll. Die Ratifikation der Vertragsänderung durch die 27 Mitgliedstaaten der EU wird jedoch absehbar nicht vor Ende des Jahres 2012 vollzogen sein.