Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Hamburg, 18. Februar 2016
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zu dem geplanten Rahmenübereinkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung (sog. Umbrella Agreement) zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 942. Sitzung des Bundesrates am 26. Februar 2016 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz
Entschließung des Bundesrates zu dem geplanten Rahmenübereinkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung (sog. Umbrella Agreement)
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Europäischen Kommission, die Verhandlungen zu dem geplanten Rahmenübereinkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung zu einem Abschluss zu bringen.
- 2. Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme vom 26. November 2010, BR-Drucksache 741/10(B) , und wiederholt die damit einhergehenden inhaltlichen Forderungen.
- 3. Er betont erneut die Bedeutung, die dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten für Strafverfolgungszwecke zukommt und bittet weiterhin sicherzustellen, dass die im Rahmenabkommen enthaltenen Regelungen nicht hinter dem europäischen Datenschutzstandard zurückbleiben.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die in der Entschließung vom 26. November 2010 geforderten Eckpunkte bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Er bittet die Bundesregierung weiterhin, darauf hinzuwirken, dass folgende Eckpunkte im Rahmenabkommen aufgenommen werden:
- 4.1. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist ausnahmslos auf die Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zu begrenzen. Eine zu anderen Zwecken erfolgende Nutzung oder Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist auszuschließen.
- 4.2. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist insbesondere für solche Fälle auszuschließen, in denen das Risiko besteht, dass ihre Verwendung in einem Strafverfahren zur Verhängung der Todesstrafe führt.
- 4.3. Die Möglichkeit, das Abkommen unter Bezugnahme auf nationale Sicherheitsinteressen nicht anzuwenden, ist ebenso auszuschließen, wie eine Übermittlung von Daten an Drittstaaten.
- 5. Angesichts des nunmehr vorliegenden Abkommentextes bittet der Bundesrat die Bundesregierung, zudem darauf hinzuwirken, dass auch nachfolgende Eckpunkte beachtet werden:
- 5.1. Der im Abkommen vorgesehene Rahmen sollte eine grundsätzliche Beschränkung der Datenübermittlung auf den Einzelfall festlegen, soweit nicht in den jeweiligen Abkommen zur Datenübermittlung eine Konkretisierung von zu übermittelnden Datenpaketen vorgesehen wird, mit der eine Einhaltung europäischer Datenschutzstandards sichergestellt wird.
- 5.2. Die Rechte auf Zugang, Berichtigung sowie Löschung sind effektiv auszugestalten.
- 6. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Europäischen Kommission, die Unterzeichnung sowie die Annahme des Abkommens davon abhängig zu machen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Rechtslage im Hinblick auf die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten zunächst durch Annahme des Judicial Redress Act of 2015 ändern. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten völkerrechtlich verbindlich vereinbart werden.
Begründung:
A. Allgemeines
Das Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Strafverfolgung (sog. Umbrella Agreement) soll die datenschutzrechtlichen Anforderungen bestimmen, die sowohl die USA als auch die EU im Fall eines Datenaustauschs zwischen den zuständigen Behörden und einer Verarbeitung dieser Daten zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Terrorismus, nach Inkrafttreten des Abkommens einzuhalten haben werden. Das Abkommen selbst ermächtigt nicht zum Datentransfer, sondern ist als Rahmenübereinkunft geplant, die andere, zwischen den beiden Parteien bestehende Abkommen entsprechend ergänzen wird. Soweit diese Abkommen spezielle datenschutzrechtliche Vorschriften enthalten, ersetzt es diese jedoch nicht.
Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die Übermittlung personenbezogener Daten an die USA ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings steht hinsichtlich des Rahmenabkommens weiterhin die Entschließung des Bundesrates vom 26. November 2010 (Drs. 741/10(B) ) im Raum, mit welcher einerseits die Bemühungen der Europäischen Kommission, Vorgaben für ein Rahmenabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu entwickeln, das einen einheitlichen Schutzstandard für personenbezogene Daten bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gewährleistet, begrüßt wurden, mit welcher andererseits aber auch Forderungen hinsichtlich der Ausgestaltung und der Konkretisierung eines Verhandlungsmandates für die Europäische Kommission erhoben wurden.
Angesichts des Umstandes, dass am Rande einer Tagung am 8. September 2015 in Luxemburg ein ausgehandelter Text (http://ec.europa.eu/justice/dataprotection/files/dpumbrellaagreement_en.pdf ) von der Kommission und den USA paraphiert worden ist und sich die seit Ende 2010 dauernden Verhandlungen offenbar dem Ende zu nähern scheinen, erinnert der Bundesrat an die für die Festlegung des Verhandlungsmandats geforderten Eckpunkte. Denn die vom Bundesrat am 26. November 2010 beschlossenen Forderungen sind bislang inhaltlich nicht hinreichend umgesetzt. Der nunmehr bekannt gewordene Abkommenstext gibt zudem Anlass für die Bitte um Beachtung weiterer Forderungen. Die bestehenden Bedenken werden auch nicht durch die Unterrichtung seitens der Bundesregierung vom 4. Januar 2016 (BR-Drs. 7/16) entkräftet.
B. Im Einzelnen:
Zu Ziff. 4.1.:
Mit dieser Ziffer wird eine Forderung aus der Entschließung vom 26. November 2010 wiederholt. Denn gemäß Art. 3 Ziff. 1 des Abkommenentwurfs ist zwar die Übermittlung personenbezogener Daten auf die Zwecke der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen begrenzt. Diese strikte Zweckbindung gilt nach dem Abkommenentwurf allerdings nicht mehr im Falle einer Weitergabe übermittelter Daten durch die empfangende Behörde an andere Stellen, vgl. Art. 6 Ziff. 2 des Abkommenentwurfs.
Diese Ausnahmeregelung ist weiterhin kritisch zu würdigen. So sollen nicht nur Strafverfolgungsbehörden zu einer Weiterverarbeitung berechtigt sein, sondern auch Regulierungs- oder Verwaltungsbehörden. Zudem eröffnet Art. 6 Ziff. 4 des Abkommenentwurfs die Möglichkeit, weitere Ausnahmen von der Zweckbindung in bereichsspezifischen Abkommen zu regeln, was zu einer Schwächung des Datenschutzniveaus führen könnte. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass eine hinreichende Kontrolle, für welche Zwecke und in welchem Umfang personenbezogene Daten von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern durch weitere Stellen verarbeitet werden, praktisch unmöglich ist, muss eine solche weitere Datenverarbeitung generell ausgeschlossen werden. Die bloße Möglichkeit, gemäß Art. 6 Ziff. 3 des Abkommenentwurfs Bedingungen im Fall einer Weitergabe zu stellen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht ausreichend.
Zu Ziff. 4.2.:
Ein wesentlicher Eckpunkt der Entschließung des Bundesrates vom 26. November 2010 war auch die Forderung, die Übermittlung personenbezogener Daten für solche Fälle auszuschließen, in denen das Risiko besteht, dass ihre Verwendung in einem Strafverfahren zur Verhängung der Todesstrafe führt. Diese Forderung ist im derzeitigen Abkommenentwurf nicht umgesetzt.
Zu Ziff. 4.3.:
Mit dieser Ziffer wird ebenfalls eine Forderung aus der Entschließung des Bundesrates vom 26. November 2010 wiederholt. Diese Bereichsausnahme gemäß Art. 3 Ziff. 2 des Abkommenentwurfs ist weiterhin kritisch zu bewerten, da nicht auszuschließen ist, das sie im Ergebnis zu einer Umgehung des im Rahmenabkommen festgelegten Schutzstandards führen wird. Denn der Begriff "nationale Sicherheit" kann sehr weit verstanden werden, so dass eine extensive Auslegung des dadurch eröffneten Ausnahmebereichs zu befürchten ist. Überdies ist die Bekämpfung des Terrorismus - ein Ziel, das im Regelfall nationale Sicherheitsinteressen berühren wird - nach Art. 3 Ziff. 1 des Abkommenentwurfs gerade explizit als Zweck des Abkommens benannt, was weitere Fragen hinsichtlich des angedachten Anwendungsbereichs von Art. 3 Ziff. 2 des Abkommenentwurfs aufwirft.
Nicht berücksichtigt ist auch die Forderung aus der Entschließung vom 26. November 2010, die Übermittlung an Drittstaaten auszuschließen. Auch wenn nach Art. 7 des Abkommenentwurfs die Übermittlung an Drittstaaten nur bei Zustimmung des ursprünglichen Übermittlungsstaates möglich sein soll, ist die Regelung im Hinblick auf eine zu fordernde durchgängige Einhaltung des Datenschutzniveaus zu kritisieren. Zwar soll gemäß Art. 7 Ziff. 2 des Abkommenentwurfs bei der Erteilung einer Zustimmung u.a. berücksichtigt werden, ob der Drittstaat über ein "adäquates Datenschutzniveau" verfügt. Dies wiegt jedoch nicht die Ungewissheit über die Wege auf, die Daten nehmen, wenn sie erstmal an die Drittstaaten übermittelt sind. Insofern ist - wenn es bei der derzeitigen Regelung verbleibt - die weitere Datenverarbeitung kaum zu kontrollieren und sind die damit einhergehenden Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht aufzuwiegen.
Zu Ziff. 5.1:.
Die in der derzeitigen Fassung des Abkommenentwurfs vorgesehenen datenschutzrechtlichen Anforderungen sehen keine Beschränkung der Datenübermittlung auf den Einzelfall vor, so dass durch die derzeitige Ausgestaltung des im Abkommen vorgesehenen Rahmens die anlasslose Übermittlung ganzer Datenpakete nicht begrenzt würde. Dieser Umstand gibt im Ergebnis auch Raum für eine Vorratsdatenspeicherung, für die durch das Abkommen schon keine
Höchstspeicherfristen festgelegt sind. So bestimmt der Abkommenentwurf derzeit lediglich, dass die Speicherfristen nicht länger als notwendig oder angemessen sein dürfen, vgl. Art. 12 Ziff.1 des Abkommenentwurfs. Eine Ausnahme von der Beschränkung, Datenübermittlungen nur im Einzelfall vornehmen zu können, soll lediglich unter der Voraussetzung möglich sein, dass die Einhaltung europäischer Datenschutzstandards sichergestellt wird, wie sie insbesondere auch im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. April 2014 zur Nichtigkeit der Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung niedergelegt wurden.
Zu Ziff. 5.2.:
Die Rechte auf Zugang (Art. 16 des Abkommenentwurfs) und Berichtigung (Art. 17 des Abkommenentwurfs) unterliegen potentiell weiten Ausnahmen; ein Anspruch auf Löschung muss nicht eingeräumt werden, sondern die Löschung bleibt lediglich eine für die zuständige Behörde mögliche Maßnahme im Fall eines Anspruchs auf Berichtigung. Darüber hinaus sollte allgemein auch die Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Datenverarbeitung einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen.
Zu Ziff. 6.:
Es ist zu begrüßen, dass gemäß Art. 19 Ziff. 1 des Abkommenentwurfs jedem Unionsbürger oder Staatsbürger der USA - nach Erschöpfung des behördlichen Rechtsweges (siehe dazu Art. 18 des Abkommenentwurfs) - gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen sollen für den Fall, dass ihnen der Zugang zu den persönlichen Daten oder deren Berichtigung verweigert wird, oder diese widerrechtlich offenbart werden. Allerdings ist - da diese Regelung unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem jeweiligen nationalen Recht steht - sicherzustellen, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten völkerrechtlich verbindlich vereinbart werden, da nur so die unter Umständen erforderliche Verpflichtung der Vertragspartner zur Anpassung ihres Bestandes an Rechtsvorschriften erreicht werden kann.
Die Europäische Kommission will daher dem Rat empfehlen, die Unterzeichnung sowie die Annahme des Abkommens davon abhängig zu machen, dass die USA ihre Rechtslage zunächst durch Annahme des Judicial Redress Act of 2015 ändert. Dieser am 18. März 2015 zur Änderung des US Privacy Act 1974 in den Kongress eingebrachte Gesetzesentwurf sieht u.a. vor, dass Bürger bestimmter zugelassener Staaten oder der EU Zivilklagen gegen US-Bundesbehörden erheben können dürfen, sofern diese den Zugang zu persönlichen Daten oder deren Berichtigung verweigern, oder diese widerrechtlich (absichtlich oder willentlich) offenbart haben. Der Bundesrat begrüßt dieses Bestreben der Europäischen Kommission.